13 - Liebe Mama, lieber Papa!

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Das Strahlen verschwindet allerdings ganz schnell, als ich dort einen in Tränen aufgelösten Taehyung vorfinde, neben dem stirnrunzelnd Hoseok steht. Beide sind inzwischen umgezogen, haben also wohl Feierabend.
"Ach, du lieber Himmel! Was ist denn mit Ihnen passiert?"
Da Taehyung kein vernünftiges Wort herausbringt, versucht Hobi zu übersetzen.
"Ich glaube, es ist wegen des Briefes. Er hat so Angst, dass der irgendwie unhöflich klingt. Oder dass Sie ihn auslachen. Ich kann ihn nicht beruhigen."

"Danke, dass Sie mit Tae zusammen heruntergekommen sind.
Taehyung, es tut mir leid, wenn ich vorhin zu hart zu Ihnen war. Ich bitte um Entschuldigung. Wenn Sie sich ein bisschen beruhigen, können wir nochmal darüber reden. Ich würde gerne verstehen, warum es Ihnen so wichtig ist, dass ich den Brief ohne Sie lese."
Ich reiche dem aufgelösten jungen Mann eine Packung Taschentücher. Dann setzen wir uns zu dritt auf den Findling und warten einfach ab. Meinen ruhigen Feierabend mitsamt der Schreibsession schieße ich getrost in den Wind - Taehyung ist wichtiger.
Es dauert ein paar Minuten, bis Tae sich gefangen hat und reden kann.
"Ich ... ich trau mich einfach nicht. Ich kann sowas nicht. Bestimmt ist der Brief total albern oder frech oder belanglos oder ... Ich hab Angst, Ihr Gesicht zu sehen, während Sie lesen."

"Was kann denn passieren, wenn Sie mir ins Gesicht sehen? Was wäre das Schlimmste?"
"Dass ... dass Sie mich auslachen. Oder mir sagen, dass ich zu unhöflich bin. Ich will das doch gut machen!"
Ich unterdrücke den Impuls, ihn vor Hoseok in die Arme zu nehmen. Das könnte ihm peinlich sein.
"Sie machen das gut! Ich habe selten einen jungen Menschen gesehen, der so ernsthaft bemüht um Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit ringt. Ich bin überzeugt davon, dass dieser Brief höflich, demütig und voller Sehnsucht ist. Dass ich vorhin gesagt habe, ich möchte den Brief mit Ihnen zusammen lesen ... ich möchte, dass Sie erleben, dass ich Sie eben NICHT auslache. Ich möchte direkt nachfragen können, wenn ich etwas nicht verstehe. Ich möchte Ihnen die Angst nehmen - und nicht vergrößern. Können Sie verstehen, was ich damit meine?"
Taehyung nickt benommen. Aber er ist wohl viel zu gefangen in seiner Angst und Selbstverachtung, um mich tatsächlich zu verstehen.

"Haben Sie den Brief hier?"
Er stockt einen Moment, dann zieht er einen Briefumschlag aus der Tasche und starrt darauf. Zögernd hält er mir sein Schreiben hin.
"Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir setzen uns Rücken an Rücken hier ins Gras, während ich leise lese. Dann können Sie mich nicht sehen, ich kann aber nachfragen. Meinen Sie, das geht?"
Hilflos zuckt er mit den Schultern, hält den Brief weiter fest, und ich überlege fieberhaft, was hier schiefgeht. Ich rede leise weiter, taste mich vor durch den Nebel seiner Angst.

"Was habe ich grade falsch gemacht, dass es Ihnen so schlecht damit geht?"
"Nein! ... Sie machen nichts falsch. Sie schenken mir schon jetzt mehr Leben und Würde, als ich jemals zu erträumen gewagt habe."
"Aber?"
"Ich ... es ist so ungewohnt. Ich bin nicht so ... schnell, verstehen Sie?"
"Ja, das verstehe ich. Dann bestimmen Sie wieder das Tempo. Was möchten Sie, das ich als nächstes tun soll?"
Verlegen kratzt er sich am Hinterkopf.
"Das ... mit dem Umdrehen ist vielleicht keine schlechte Idee. Aber ich wäre gerne wo anders. Ich mag nicht alle schweren Gespräche hier neben den Containern führen. Nur wo ..."
Suchend schaut er sich um.

"Kommen Sie, wir setzen uns hinten in den Garten."
Zu dritt laufen wir an der Großbaustelle vorbei. Als Hoseok zur Veranda abbiegen will, zieht Taehyung ihn mit, und Hoseok wehrt sich nicht dagegen.
Ich steuere den alten Sandkasten an und setze mich mitten rein unter den jungen Ahorn, mit dem Rücken an den Stamm gelehnt. Auch die anderen beiden lassen sich so nieder, dass wir uns zwar fast berühren, aber nicht ansehen können. Zu meiner Verblüffung öffnet er nun selbst den Brief, atmet einmal tief durch und beginnt, seinen eigenen Brief laut vorzulesen. Um besser die Nuancen hören zu können, lausche ich seiner tiefen, weichen Stimme mit geschlossenen Augen.

...................


Liebe Mama, lieber Papa!

Ich halte es nicht länger aus ohne Euch, darum möchte ich Euch einen Brief schreiben. Damit Ihr wisst, dass es mir gut geht. Ich wüsste so gerne, wie es Euch geht. Hat der Umzug geholfen, dass Ihr wieder Ruhe habt vor den Nachbarn? Könnt Ihr wieder ohne Angst vor Beschimpfungen auf die Straße gehen?

Ich schäme mich so sehr für das, was ich getan habe. Für die Schande, die ich über Euch gebracht habe. Von dem Moment an, als die Hütte plötzlich ganz in Flammen stand, habe ich nichts mehr als Verachtung für mich selbst empfunden. Ich möchte Euch sagen, dass Euch keinerlei Schuld trifft an meiner Verfehlung. Ihr habt mir so viele Talente gegeben, auf so viel verzichtet, um mir eine gute Erziehung und einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Ich war es, der das nicht zu schätzen wusste, der unsere Familie zerrissen und Euch ins Unglück gestürzt hat.

Ob Ihr mir das jemals werdet vergeben können? Ich wage es nicht, um Vergebung zu bitten. Ich wage mich nicht vor Eure Tür, denn ich möchte nicht, dass Eure neuen Nachbarn mich erkennen. Und ich habe Angst, dass Ihr mich davonjagen könntet wie einen Verbrecher - der ich ja bin.

Ich weiß nicht, ob Ihr Euch Sorgen um mich macht, oder ob Ihr froh seid, dass ich Euch in Ruhe gelassen habe. Ich möchte Euch kurz erzählen, wie mein Leben jetzt aussieht. Ich habe zwei Jahre in dem Wohnprojekt gelebt, eine Lehre als Maurer angefangen und in einem Behindertenheim meine Sozialstunden abgeleistet. Ich habe überall die Verachtung geerntet, die ich verdient habe. Dann bin ich sofort ausgezogen, als ich volljährig wurde. Leider habe ich dadurch die Ausbildung nicht beenden können.

Inzwischen arbeite ich ohne Abschluss am Bau und verdiene genug, um zu leben. Nur bin ich leider obdachlos. Für ein Zimmer reicht das Geld dann doch nicht. Aber ich habe Arbeit, ich habe ein paar Freunde, und ich habe trotzdem ein Dach über dem Kopf. Meistens wohne ich in einer Ruine oder einem Schuppen in der Nähe der Baustelle, auf der ich grade arbeite. Zur Zeit ist das die Sanierung einer alten Villa am Bukhansan. Ich wohne nebenan zusammen mit einem Kollegen.

Vor kurzem ist die neue Besitzerin dieser Ruine aufgetaucht, um das Haus auch wieder aufzubauen. Ich habe große Angst gehabt. Aber diese Frau ist ein besonderer Mensch. Sie hat ein großes Herz und uns darum angeboten, dass wir bleiben dürfen. Zum Dank helfen wir ihr nach Feierabend bei der Sanierung. Sie macht mir so viel Mut. Sie bringt mir viel mehr Achtung und Wertschätzung entgegen, als ich verdient habe. Vor ein paar Wochen habe ich ihr dann erzählt, was ich getan habe. Ich hatte so eine Angst, dass sie mich nun auch verachten und rauswerfen würde. Aber stattdessen hat sie meine Sehnsucht nach Euch gespürt und mir dieses Briefpapier geschenkt.

Frau Cho hat Euch auch den Brief gebracht. Ich wollte den nicht mit der Post schicken, denn ich kann ja keinen Absender draufschreiben.

Ich liebe Euch sehr. Ihr seid das Wertvollste und Liebevollste, das ich je in meinem Leben hatte. Hoffentlich könnt Ihr mir eines Tages vergeben.

          Euer Taetae

....................

Stille. Nichts ist zu hören im Park außer dem Summen einiger Bienen, dem Zwitschern von ein paar Vögeln und dem Schluchzen von Taehyung, der gegen Ende seiner berührenden Zeilen kaum noch sprechen konnte vor lauter Tränen. Auch mein Gesicht ist ganz nass.
Wenn das seine Eltern nicht weichklopft, dann haben sie Herzen aus Stein.
Ich drehe mich um und nehme ihn nun doch in die Arme. Hobi tut von der anderen Seite das gleiche. Wir halten ihn einfach fest, bis er sich beruhigt.
Fragend und unsicher schaut er mich an.

"Keine Sorge, Taehyung. An diesem Brief ist kein Wort, kein einziger Buchstabe frech, gelangweilt, albern oder unhöflich. Aus diesen Zeilen sprechen Selbstreflexion und Reue, Respekt und Ehrlichkeit. Sie sind ein wunderbarer Sohn. Hoffentlich-hoffentlich darf ich mit einer positiven Antwort zu Ihnen zurückkommen!"
"Danke. Das beruhigt mich etwas. Ich werde den Brief ins Reine schreiben und Ihnen beim nächsten Mal mitgeben. Aber Sie wollten doch nach Hause vorhin, oder? Ich will Sie nicht länger zurückhalten."
"Sie sind wichtiger als ein früher Feierabend. Ich bin ehrlich erleichtert, dass es Ihnen jetzt besser geht. Sonst hätte ich doch auch keine Ruhe gefunden. Bis morgen!"
Bevor ich mein Auto aus der Einfahrt lenke und nach Hause steuere, schreibe ich noch kurz Hoseok eine Nachricht.
Sie sind ein herzensguter, wertvoller Freund. Danke, dass Sie heute für Tae da waren und ihm helfen konnten.

Ohne Radio oder andere Ablenkungen fahre ich nachdenklich durch den Feierabendverkehr. Was hat in diesem einen Tag alles dringesteckt! Ein ruhiger Morgen, normaler Büroalltag, Jin und Jeongguk Seite an Seite, widerliche Chemie in meinem Keller, ein verunsicherter Tae, wunderschöne Entwürfe für die Stuckfriese unter den Zimmerdecken, ein fürsorglicher Hobi, ein Brief und viel zu viele Tränen. Dafür habe ich mal wieder Yoongi nicht zu Gesicht bekommen und überlege langsam ernsthaft, ob ich den komischen Kauz nicht doch raussetzen soll. Da ist ja Jin inzwischen nützlicher!

Dazwischen spukt die Idee rum, dass Jeongguk vielleicht eine Zweiradmechaniker-Ausbildung machen sollte. Taehyung dagegen ist eigentlich nicht zum Maurer geboren, wozu auch immer sonst. Auch Hoseok scheint den Job am Bau als eine Übergangsstation anzusehen. Mehr weiß ich aber immer noch nicht über ihn.
Zuhause mache ich mir ein Abendessen, schnappe mir das Tagebuch und versuche, das alles aufzuschreiben. Bautagebuch von heute und ToDo-Listen für morgen gelingen mir ganz gut. Bei Taehyung muss ich jetzt mit ihm abwarten und aushalten, wie seine Eltern reagieren werden. Aber in Bezug auf mich kommt nur Durcheinander heraus. Also wende ich mich wieder der Frage nach einer Ausbildung für Jeongguk zu.

Wenn ich nur wüsste, was ihn in die Villa getrieben hat. Und was ihn eigentlich mit Yoongi verbindet? Warum ist dieser Siebzehnjährige nicht ganz normal zu Hause, bei seinen Eltern, in einer Schule? Ist er einfach von zu Hause ausgerissen, weil er keinen Bock mehr auf bürgerlich-spießig hatte? Irgendwie kann ich das nicht glauben. Da ist mehr. Da MUSS mehr dahinterstecken.

Mein Telefon klingelt. Nur widerwillig stehe ich auf, suche mein Handy und gehe ran. Bis ich sehe, dass es So-Ra ist. Ich muss mich nicht mal melden, sie legt sofort los.
"Sag mal, wo warst DU denn grade? Ich hab jetzt dreimal angerufen und ewig klingeln lassen."
Huch!
"Ich war wohl in Gedanken. Ich habe absolut nichts gehört. Was ist denn so dringend, dass es nicht bis morgen im Büro warten kann?"
"Deine Work-Bau-Life-Balance. Die scheint wieder etwas durcheinander geraten zu sein. Oder täusche ich mich?"
Seufzend lasse ich mich in meinen Schaukelstuhl plumpsen.

"Nein, du täuschst dich nicht. Aber es ist doch normal, dass sowas mal mehr und mal weniger klappt. In den letzten fünf Tagen musste extrem viel auf einmal passieren. Und heute, als ich mal wieder früh nach Hause wollte, hat mir Taehyung unter Tränen seinen Brief an seine Eltern zu lesen gegeben. Da war dann erstmal wieder Seelsorge angesagt."
"Taehyung - Brief - Eltern - ist dir eigentlich bewusst, dass du grade zum ersten Mal nach fünf Wochen einen Namen genannt hast? Du erzählst viel vom Bau, aber nienienienichts von deinen Untermietern. Finde ich gut, denn sie vertrauen dir viel an. Aber dieser Info-Schnipsel kommt doch jetzt etwas plötzlich und zusammenhanglos."
Wo sie recht hat ... Das wollte ich eigentlich nicht.

"Versteh mich bitte nicht falsch - du machst da an der Villa und mit den Jungs einen richtig guten Job. Ich merke, wie es dich selbstbewusster macht, dass dir das alles gelingt. Aber du musst trotzdem die Grenze ziehen, bevor es dich auffrisst. Und vergiss nicht, dass du weder ein Sozialpädagogik- noch ein Psychologiestudium absolviert hast. Du tust ihnen gut, aber es ist nicht dein Job, sie zu retten."
"Ich WILL sie aber auffangen und ... ach menno. Ich will sie retten."
"Got it? Schön, dass es heute so schnell geht. Du willst die Villa retten, du willst die Jungs retten, du willst die ganze Welt retten - und du willst dein schlechtes Gewissen wegen Onkel Harry zum Schweigen bringen. Passt gut zusammen.
Mehr sage ich jetzt nicht. Nutz den Abend. Wir sehen uns morgen!"

Perplex und eeeeetwas überfahren starre ich mein tutendes Handy an.
War das Telepathie, dass sie genau jetzt angerufen hat? Oder habe ich das ausgestrahlt? Und hab ich ihr echt noch gar nichts über die Jungs erzählt? Mitgenommen in die Villa habe ich sie jedenfalls noch kein einziges Mal. Das sollte ich dann vielleicht auch mal ändern. Falls die Jungs damit einverstanden sind. Früher hätte ich mich bei sowas ununterbrochen mit So-Ra beraten, Einkäufe gemeinsam getätigt, Entscheidungen hin und her gewendet und mit ihr zusammen getroffen. Oder ist sie sauer, weil ich sie so ausschließe? Örks.
Ich rufe So-Ra zurück.

"Ja, Süße?"
"Sag mal - war das Telepathie oder ..."
"Was?"
"Dass du angerufen hast in genau dem Moment, in dem ich da sitze und nicht weiß, wie ich meine Gedanken fürs Tagebuch formulieren soll."
So-Ra lacht bloß.
"Nö. Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du Bock hast, am Wochenende was mit mir zu unternehmen. Aber nachdem du erst beim dritten Anruf dran gegangen bist, bot sich der Themenwechsel an."

Dann bin ich jetzt mal ganz spontan.
"Okay, ich schreib jetzt erstmal auf, was mir grade klar geworden ist. Morgen ist der Umzug der Jungs in die Pförtnerei ..."
"... bei dem du nicht dabei sein musst, weil die ihre Plünnen auch alleine schleppen können."
"Zicke!"
"Siehste, ich kenn dich doch."
"Klar, und das ist auch gut so. Trotzdem ... Ach, egal. Wo war ich?"
Diesmal lachen wir beide, und ich spüre, was für ein großartiges Geschenk so eine Freundin wie So-Ra ist.

"Umzug."
"Ach ja - richtig. Und du hast vollkommen recht. Es macht mich zwar tierisch nervös, dass die sich dann auf viel engerem Raum stapeln und sich plötzlich in einem intakten Haushalt gemeinsame Spielregeln geben müssen. Die sind sich durchaus nicht alle gegenseitig grün. Das könnte auch richtig Zoff geben. Aber ..."
"Aber?"
"Aber wenn ich meine Harmoniesauce da drüberkippe, lernen sie nichts draus. Also sollte ich sie machen lassen. Ich werde Hoseok unterstützen, und dann wird das schon."
"Na dann ... viel Spaß beim Schreiben! Und: geh heute noch ins Bett. Bis morgen, Darling!"
"Bäh!"
Ich strecke So-Ra noch laut die Zunge raus, aber da tutet mein Handy schon wieder.
Zicke! MEINE beste Zicke.

Okay, was zu erst?
Ich notiere mir ein paar Stichpunkte, was alles mit der neuen WG zusammenhängt:
+ Die beiden Gemeinschafts-Handys aktivieren!
+ eine Pinnwand/Putzplan/was auch immer die brauchen?
+ ein Briefkasten am Zaun, mit welchen Namen?
+ ist Yoongi wieder aufgetaucht?
+ Ausbildung Jeongguk!
+ Brief Taehyung
Dann stelle ich mir einen Alarm auf 23.00 Uhr, versinke in meinem Tagebuch und sortiere die schon wieder so vielen neuen Gedanken.

Die Villa zu sanieren, hat mich Onkel Harry beauftragt. Von den Jungs konnte er nichts wissen. Ich hätte sie raussetzen können. Stattdessen habe ich viel für sie investiert: das Pförtnerhaus ist auf meine Kosten umgebaut und voll eingerichtet worden. Mindestens einmal pro Woche sorge ich für die Vollverpflegung der Jungs. Zwei habe ich als Angestellte. Einen davon schwarz. Ich denke über Ausbildungen nach. Und das alles ist nur die finanzielle Seite.
Darüber hinaus bin ich Zuhörerin, Trösterin, Mutmacherin, Chauffeuse, manchmal Kindermädchen, Streitschlichterin, Familienzusammenführerin, ...

Ich habe selbst zu Schul- und Studienzeiten nie so volle Tage und Wochen gehabt, musste noch nie so viele Fäden zusammenhalten, Entscheidungen fällen, Kompromisse schließen - und mich selbst immer, immer wieder hinterfragen.
Und So-Ra ist nicht die einzige, die mich mit schöner Regelmäßigkeit mit der Nase drauf stößt: Yoongi hat gesagt, ich solle den Jungs nicht den Hintern pudern. Hoseok nennt das Weltverbesserer und Helfersyndrom. Stimmt das? Mache ich das alles, um meine inneren Stimmen zu übertönen und mein schlechtes Gewissen wegen Onkel Harry zu vertreiben?

Aber wenn doch am Ende was Gutes rauskommt? Jin aktiver, Hoseok weicher, Jeongguk zuverlässiger, Tae selbstbewusster wird? Außerdem ist das alles kein Ersatz dafür, dass ich mir einen vernünftigen, wohltätigen Zweck für die Villa einfallen lassen muss. Was liegt mir so am Herzen, dass ich darum kämpfen will?
Sorge ich mich um die Jungs wegen Onkel Harry? Oder wegen der Jungs selbst? Hoffentlich! Das Ziel heiligt eben nicht alle Mittel. Ich habe es hier mit Menschen zu tun und nicht mit "Fällen".
Was treibt mich an? Was ist meine Motivation?

Viel zu schnell klingelt um 23.00 Uhr die Erinnerung, dass ich ins Bett gehen sollte. In meinem Tagebuch stehen mehr Fragen als Antworten. Trotzdem fühle ich mich sortierter, denn diese Fragen hangeln sich an einem roten Faden entlang. Die nächsten Schritte sind für mich klar. Also kann ich müde und innerlich aufgeräumt ins Bett gehen.

Früh am nächsten Morgen klingelt mein Handy. Gut, dass ich eh schon wach und heute sogar mal zeitig dran bin. Ich schaue aufs Display - Hoseok. Er hat als einziger von den Jungs ein eigenes Handy. Zu dieser ungewöhnlichen Zeit hat er aber noch nie angerufen.
"Hallo, Hoseok. Guten Morgen! Ist alles in Ordnung bei Ihnen?"

"Ja klar. Alles okay. Wir haben gestern Abend schon unsere Betten und Privatsachen rübergetragen, nachdem wir die Schränke aufgebaut hatten. Nur ... Yoongi ist immer noch nicht wieder aufgetaucht. Seine Sachen sind also noch in der Villa. Und sein neues Zimmer ist ja auch noch nicht gestrichen. Die Handwerker wollen heute aber hoch in den ersten Stock, die alten Böden rausreißen. ..."
"Wie siehts denn aus bei ihm?"
"Seine Technik ist verpackt, aber da. Seine Klamotten liegen ordentlich gestapelt wie immer. Und das Bett hat er gar nicht aufgebaut. Das steht originalverpackt in der Ecke. Er hat auf der alten Matratze auf dem Boden geschlafen."

"Hervorragend. Oh Mann! Da bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als ..."
"Er wird ausflippen."
"Das ist mir schon klar. Aber er weiß den Umzugstermin. Wenn er grußlos verschwindet, müssen wir ohne ihn weiter machen."
"Gut. Machen wir. Das kommt alles möglichst unberührt in sein Zimmer. Da kann er dann selbst weiter sehen."
"Danke, Hoseok."
Ich bin ratlos. Und sauer. Und trotzdem besorgt. Und schimpfe mich eine Idiotin deswegen. Und zwinge mich, zur Arbeit zu fahren mit Grummeln im Bauch und einem schlechten Gefühl.

Eine Stunde später bekomme ich von Hobi eine Textnachricht, dass Yoongi die Einfahrt hochspaziert kam, als sie grade die Kartons mit den Teilen von seinem Bett rübergetragen haben. Zu ihrem Erstaunen hat er nicht gemeckert, nicht mal mit der Wimper gezuckt sondern wortlos mitgeholfen, seinen Besitz umzuziehen. Danach hat er sich verbarrikadiert und ist nicht wieder rausgekommen.
Ich rufe mich zur Ordnung, gehe "kurz" alle Treppen im Bürohaus runter und wieder rauf und zwinge mich dann, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. So-Ra runzelt die Stirn, sagt aber nichts. Die beiden anderen Kollegen im Raum haben sich längst daran gewöhnt und reagieren überhaupt nicht auf mein so plötzlich auf den Kopf gestelltes Leben. Ist auch besser so.

........................

7.1.2023    -    18.3.2024

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