44 - Spurlos verschwunden

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Wir halten mit beiden Fahrzeugen auf dem Besucherparkplatz vor dem Schrottgelände. Ich rufe erstmal Taehyung an.

"Tae, wie sieht es bei euch aus?"
"Ich denke, Jimin braucht jetzt einfach seine Ruhe. Ich darf aber noch bleiben. Könntet ihr anderen einfach losfahren? Das hilft ihm wahrscheinlich am besten."
"Gut, dann lädt Hoseok jetzt das Rad aus und kommt zurück zum Auto. Danach könnt ihr beiden reingehen. Ich würde aber gerne noch mit Herrn Kang reden."

Im gleichen Moment sehen wir alle, wie der Schrottplatzbesitzer aus seinem Haus kommt und zum Tor läuft.

"Da kommt er schon. Ich schicke ihn zu dir."
"Okay - bis d... Warte! Versuch bitte, mit Jimin zu überlegen, warum die in so einer komischen Formation gefahren sind. Bis dann!"

Zügig spulen wir das verabredete Programm ab. Tae begleitet Jimin zu seinem Bus, und Herr Kang kommt zu mir. Ich steige aus.
"Guten Abend, Frau Cho. Gut, dass wir uns treffen. Können Sie mir sagen, was vorgestern passiert ist? Jimin ist seitdem verstört und schreckhaft wie schon lange nicht mehr."
Ich berichte ihm, was am Mittwoch und heute passiert ist. Der Mann kratzt sich nachdenklich am Kopf.
"Schlechtes Timing. Ich habe nämlich endlich einen Käufer für den Schrottplatz gefunden. Und die Übergabe ist spätestens im November. Ich hatte gehofft, dass Jimin bis dahin so weit ist, dass wir einen anderen Stellplatz für ihn finden können. Aber nach der Erfahrung ..."
"... hat er erstmal wieder alle Zugbrücken hochgezogen und sich innerlich verbarrikadiert."

"Genau. Wenn ich nur wüsste, wo wir den Bus hinfahren sollen! Ich wollte jetzt am Wochenende mit den beiden die ersten Tests machen, ob wir den Bus zum Laufen kriegen. Neue Reifen aufziehen. Die Tür reparieren und so umbauen, dass sie von außen und innen abschließbar ist."
"Wenn Jimin das weiter zulässt, ist schon viel gewonnen. Und wir machen uns derweil ernsthaft daran, einen neuen Stellplatz zu finden."
Herr Kang geht wieder zurück und begrüßt Jimin zu Hause.

Wir anderen stehen nun alle neben So-Ras Auto und schauen uns ratlos an. Namjoon ringt sich schließlich zu einem Vorschlag durch.
"Okay. Ich sollte zurück, damit ich rechtzeitig zur Arbeit komme. Nelli und So-Ra sollten nach Hause fahren. Ihr drei anderen solltet noch ein bisschen miteinander reden, wie dieser verrückte Abend für euch war. Dann schlaft ihr besser. Und das gilt auch für dich, meine Liebe."
Streng sieht Joon mir in die Augen.
"Jimin ist in Sicherheit, also schaltest du jetzt bitte um auf 'wie geht es mir selbst mit all dem' - versprochen?"

So-Ra nickt energisch.
"Seeeehr gute Idee! Hat außer dir noch jemand einen Führerschein?"
"Jupp. Jin kann fahren. Warum?"
"Dann schlage ich vor, dass Jin den Bus inklusive Hoseok zurückfährt, und ich bringe Namjoon und Nelli zu ihr nach Hause. Von dort kommst du schneller zu deiner Tanke, und ich bin inzwischen auch ziemlich gar gekocht."

In dem Augenblick tritt Taehyung zu uns in den Kreis. Er wirkt etwas entspannter.
"Jimin bedankt sich für unsere Hilfe. Und - ich darf wiederkommen. Ich bin unglaublich froh. Aber warum die so komisch gefahren sind, weiß er auch nicht. Oder anders: sie haben es ihm gesagt, aber er hatte zu viel Angst, um sie zu verstehen. Er erinnert sich nur an die Worte:'Heute bringen wir dich zum letzten Mal raus. Beim nächsten Mal sind wir nicht mehr so nett."
Pure Erleichterung geht durch unseren kleinen Kreis. Alle atmen auf. Die Ansage ist klar: Jimin soll sich ein für allemal vom Ghetto fernhalten. Aber sie haben ihn gehen lassen.

Bleibt die Frage, wie dieser Abend ausgeht. Ich denke über die Vorschläge nach.
Namjoon und So-Ra haben recht, ich sollte mich jetzt wieder um mich kümmern.
"Na dann - lasst uns fahren. Ich komme wie immer morgen zum Frühstück."
Jin, Hoseok und nun auch Taehyung steigen gemeinsam in den Bus und fahren los.

Wir anderen machen uns auf den Weg in die Stadt, wo So-Ra uns beide bei meiner Wohnung raussetzt. Ich schnibbele uns einen Salat mit Putenstreifen und frischem Brot, bevor Namjoon zur Arbeit muss, und wir reden eine Weile darüber, wie es uns mit der ganzen Situation geht. Allmählich verliebt er sich auch in meinen Minibalkon, meine Insel weit weg von der Welt. Hoch über dem allmählich abebbenden Lärm der Straße gabeln wir uns gemeinsam auf den Grund der Schüssel, aneinander gekuschelt und entspannt.
"Nelli, kannst du sagen, wovor du vorhin am meisten Angst gehabt hast?"
Ich muss einen Moment nachdenken, aber im Grunde ist die Antwort klar.

"Ich habe große Angst gehabt um Jimin. Ich habe Angst gehabt um dich und euch im Bus. Wir konnten von da oben ja absolut nichts für euch tun. Ich habe wirklich gebetet, dass es nicht zu einer Auseinandersetzung kommt."
"Und wie hat diese Angst sich angefühlt?"
Ich muss lächeln. Meine beiden Lieblingsmenschen scheinen wild entschlossen zu sein, dass ich keine Chance mehr bekomme, mir selbst auszuweichen.
"Mir war kalt, so von innen. Es ist für Mitte September ja noch richtig warm. Aber beim Warten, da oben, da war mir kalt. Ich war total froh, dass So-Ra bei mir war. Wir ..."

Ich lächele in mich hinein bei dem Gedanken daran und kuschele mich noch näher an Joonie.
Er legt seinen Arm um meine Schulter und drückt mich an sich.
"Wir ...?"
"Wir haben Händchen gehalten, wie vor vielen Jahren, wenn wir abends im Dunklen nach dem Kino mit der U-Bahn nach Hause mussten. Dann haben wir immer bei einer von uns zusammen übernachtet. Sonst hätte ich ja alleine auf den Berg gemusst. Und den Chauffeur wollte ich um die Uhrzeit nicht mehr einspannen."

"Ist das eine gute Erinnerung?"
"Ja. Sehr! Mit Harry und So-Ra an meiner Seite habe ich mich, soweit ich erinnern kann, nie in meinem Leben einsam gefühlt. Ich konnte allein sein, so viel ich wollte. Aber es war immer jemand da, wenn ich nicht allein sein wollte."
"Kannst du dich an keine einzige Situation erinnern, wo du dich alleine oder sogar im Stich gelassen gefühlt hast?"
Ich schließe meine Augen und horche in mich hinein. Ich beschließe, mich jetzt ganz auf mich zu konzentrieren. Als erstes spüre ich, dass mir nicht mehr kalt ist. Dann spüre ich die Wärme von Namjoons Hand auf meiner Schulter. Ich höre seinen Herzschlag, rieche sein Shampoo, fühle den Stoff seines T-Shirts.

Ich wende mich nach innen.
Hab ich mich jemals einsam oder verlassen gefühlt? Wie sollte sich das anfühlen? Ich hatte keine Angst vor Gewittern, oder vor der Dunkelheit im Keller, oder vor dem Wald. Wenn Onkel Harry auf Dienstreise war, habe ich bei So-Ras Familie gewohnt.
"Ich meine sowas wie:'deine Freundin ist krank, du musst alleine in die Schule' oder 'ein Lehrer stellt dich vor der Klasse bloß' oder vor einer Prüfung, auf die du dich schlecht vorbereitet hattest. Verstehst du, was ich meine?"
"Ich kann mich an nichts erinnern. Ich kann es mir höchstens irgendwie vorstellen. Sowas wie dieses innere Frieren von vorhin. Oder so."

Namjoon küsst mich.
"Das klingt toll. Gut zu wissen, dass du mit so viel Liebe und Rückhalt aufwachsen durftest."
"Wobei ... Irgendwo da drin sticht was. Aber ich weiß nicht mal, wo - geschweige denn was."
"Dann lassen wir jetzt dem 'wo' und'was' seine Ruhe. Es wird sich melden, wenn es so weit ist."
Es tut wirklich gut, sich noch einmal zu erinnern und hinzuspüren, bevor man den Tag beendet.
"Soll ich dich zur Arbeit fahren? Sonst müsstest du jetzt los."
Namjoon strahlt mich an.
"Da sage ich nicht nein. Es ist hier nämlich grade viel zu gemütlich, um überstürzt aufzubrechen."

Das Wochenende ist - endlich mal wieder - unspektakulär. Taehyung zeigt seiner Familie die Baustellen, an denen er jetzt mit Dr. Lee arbeitet. Hoseok will den ganzen Nachmittag und Abend in der Tanzschule verbringen, um hautnah zu erleben, wie es da ist. Und er will mit seiner Truppe weiter an der Zukunft planen.
Jin hat erstmal noch den gestrigen Abend zu verdauen. Anschließend entscheidet er sehr spontan, sich bei einem alten Schulfreund zu melden, um rauszufinden, ob ihn noch irgendwas mit diesem Menschen verbindet. Er ruft einfach bei dessen Eltern an und hat Erfolg. Also macht er sich auf die Socken und wagt sich mitten durch die Stadt.

........................

Der Samstag Morgen verläuft erfreulich unspektakulär. Joonie kommt zu mir, gemeinsam fahren wir auf den Berg. Das Frühstück ist gemütlich. Mein müder Freund geht ins Bett.
Aber Jeongguk läuft rum wie bestellt und nicht abgeholt, und dabei geht er immer wieder in Yoongis Zimmer. Er tut mir leid, nur so lange er schweigt, kann ich ihm nicht helfen. Kaum bin ich nach dem gemeinsamen Frühstück wieder zu Hause, schreibt er mir eine Nachricht.

"Ich habe so ein schlechtes Gewissen wegen Jimin. Am liebsten würde ich morgen mit Tae mitfahren und am Bus helfen. Aber das wird er bestimmt nicht wollen."
"Das ist ein schöner Gedanke. Aber wahrscheinlich kann das nur Jimin selbst sagen. Sprich am besten heute Abend mit Tae darüber."

Ich bin richtig bewegt von Guks aufrichtigem Bemühen, mit Jimin ins Reine zu kommen.
Wenn Jimin das doch nur zulassen könnte. Er weiß noch gar nicht, was für ein Damoklesschwert über ihm schwebt.

Taehyung braucht wohl viiieeel Geduld und Einfühlungsvermögen, bis Jimin einwilligt, dass Jeongguk mitkommen darf. Aber der Sonntag gelingt für die drei. Guk entschuldigt sich bei Jimin auf traditionell koreanische Weise, indem er auf die Knie sinkt und sich tief vor ihm verbeugt. Guk akzeptiert dabei, dass Jimin zur Vorsicht Abstand hält, nimmt sich zurück, packt seine freundliche Seite aus. Dann stürzen sie sich mit neuem Eifer auf den Bus. Gemeinsam mit Herrn Kang suchen sie nach weiteren Defekten, bis schließlich am Nachmittag der Motor anspringt.

Und am Abend erreicht mich und Joonie, während wir wieder faul und zufrieden auf dem Balkon sitzen, eine weitere Nachricht von Guk. Eine grobe Zeichnung, die an der Pinnwand im Flur des Pförtnerhauses zu hängen scheint.

Dazu die Nachricht:

"Was hältst du davon? Die Villa steht doch asymetrisch auf dem Gelände. Und die Seite mit der Pförtnerei ist mit einer hohen Hecke abgeg enzt, dass das Gelände dahinter auch richtig g oß ist. Von der Straße her ist es dort noch ziemlich flach. Warum stellen wir Jimins Bus jicht einfach neben di Pförtnerei ?????"

Namjoon und ich starren auf die Zeichnung. Die Lösung ist so einfach?!? Ich antworte schnell.

"Du bist genial, Gukkie. Ich bin absolut einverstanden! So hat Jimin weiter seinen vertrauten Bus. Er kann eine Tür hinter sich zumachen. Er hat sanitäte Anlagen und Ansvhluss in der Pf., falls er das will. Sein Weg zzr Arbeit ist kürzer - und SICHERER!"

Namjoon schaut mir über die Schulter, grübelt einen Moment ... und schnappt sich mein Handy. Er schickt das Bild zu sich und fängt an, es an seinem Handy zu bearbeiten. Gespannt warte ich ab, was dabei rauskommt. Schnell schickt er das Bild zu mir zurück und leitet es mit Kommentar an Guk weiter.

"Wie wäre es, wenn wir die Hecke verlängern und noch mehr solche alten Monster dort hinstellen? Als Kurzzeitquartiere, Werkstätten, blablabla, ..."

Mir fällt die Kinnlade runter.
"Genial! Und so naheliegend!"

Wir wechseln mit den Bildern in den Gruppenchat der Pförtnerei. Binnen weniger Minuten sind fast alle dabei. Wilde Entwürfe und Ideen gehen hin und her. Tae fällt ein, dass weiter hinten auf dem Schrottplatz mehrere alte U-Bahn-Waggons vor sich hin rosten. Wir planen ein breites Carport in der Reihe, damit die Pförtnerei komplett in ein Wohnhaus umgewandelt werden kann, mit noch mehr Zimmern und einem weiteren Bad.

Nur langsam ebbt die Euphorie ab und macht allgemeiner Zufriedenheit Platz. Bis auf einen kleinen Stich in meinem Inneren. Der einzige, der das wahrscheinlich mitbekommen, aber nicht mit gechattet hat - ist Yoongi.
Wenn Jimin das möchte, kann er zu uns kommen. Nur einer fehlt - Yoongi. Der gehört immer noch dazu. Zumindest für mich. Aber ob es dazu jemals kommen wird? Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass Jeongguk das zulassen wird ...

Wir beenden den Chat da, wo wir einzelnen grade sind, und lassen die Ideen erstmal sacken. Joon und ich schauen uns eine Weile stumm an. Dann spricht er mir aus der Seele.
"Wir sollten uns um Yoongi kümmern. Er darf nicht verloren gehen. Dem geht es grade doch genau so scheiße."

Spontan versuchen wir, ihn anzurufen. Aber er geht nicht ans Krankenhaustelefon. Und auch nicht ans Handy. Vom Stationszimmer erhalten wir die Auskunft, dass er heute Morgen auf eigenen Wunsch entlassen wurde. Ich werde nervös. Schnell suche ich das Bild von seinem Ausweis und stelle erstmal fest, wo diese Adresse eigentlich ist. Gar nicht so weit weg von seinem Institut in einem anderen Hochhausviertel. Wir beschließen, auf dem Weg zu Namjoons Tanke dort vorbeizufahren.

Als wir in dem anderen Ghetto vor dem kaputten Hochhaus stehen und an der beschmierten Fassade hochsehen, fällt der Groschen. Sofort rufe ich Jin an.
"Jin? Sind Yoongis Sachen noch in der Werkstatt?"
Ich höre eine Tür klappern, Jins Atem beim Gehen, das Quietschen der großen Garagentür.
"Nö. Alles weg. Warum?"
"Scheiße! Er ist verschwunden."

Namjoon und ich hetzen zu den Klingelschildern. Das übliche kreative Chaos, wild durcheinander und leider vollständig unbeschriftet. Wir haben keine Chance zu erkennen, ob jemals einer dieser Klingelknöpfe zu Yoongi geführt hat oder noch führt.

Und das tut unglaublich weh. Ich beende kommentarlos das Gespräch und wende mich zu Namjoon.
"Yoongi hat beschlossen, den Kontakt abzubrechen. Aber warum?"
"Ich kann nicht glauben, dass er sich für die Studie entschieden hat. Never! Das würde ihn endgültig kaputt machen, und das weiß er selbst. Aber was hat er vor?"
"Ich fürchte ... das werden wir nicht mehr erfahren. Den sehen wir nie wieder."

Da wir zu früh an der Tankstelle sind, sitzen wir noch ein paar Minuten zusammen im Auto. Schließlich breche ich das bedrückte Schweigen.
"Ich überlege die ganze Zeit, ob wir versuchen sollten, Yoongi über das Institut zu finden. Aber dann wecken wir dort schlafende Hunde. Einerseits möchte ich ihn im Auge behalten, und auf der anderen Seite möchte ich auch seine Entscheidung respektieren."
"Letzteres sehe ich auch so. Wir müssen das wohl so hinnehmen. Ich hoffe nur, dass er weiß, was er an dir hat. Dass er zu dir kommen kann, wenn alle Stricke reißen."
"Das hoffe ich auch. Aber du musst glaube ich rein, es ist fast 23.00 Uhr. Bis Montag?"
"Bis Montag, Schatz."

Ich versuche jeden Tag, Yoongi zu erreichen. Er geht nicht ans Telefon und antwortet nicht auf Nachrichten. Am Donnerstag schließlich kommt ein einsames "Danke für alles!" Danach werden die Gruppe und wir alle einzeln blockiert. Und am Telefon heißt es: "Diese Nummer ist nicht erreichbar."
Das wars dann.
Das Muttertier in mir jault laut auf. Beladen mit einer großen alten Schuld, brutal zerrissen von einer neuen unlösbaren Zwickmühle, einsam in seiner selbst gewählten Isolation - was auch immer Yoongi jetzt tun wird, für welche Seite auch immer er sich entscheiden wird - es wird verdammt hart, kann seine Existenz und seine berufliche Zukunft gefährden und ihn psychisch endgültig zerstören.

Ich beschließe, meinen Donnerstagabend für einen Brief an Yoongi zu nutzen. Ich muss einfach noch mal auf seine letzte Nachricht reagieren. Ich kann im Institut zwar nicht nach ihm forschen. Aber ich kann dort einen Brief für ihn abgeben. Sonst halte ich die Ungewissheit nicht aus.

Der Brief wird lang, sehr persönlich und hoffentlich stärkend und Mut machend. Ich kann gar nicht aufhören, weil das Ende des Briefes gleichzeitig auch das Ende des letzten Kontaktes sein wird. Und das will ich so lange wie möglich hinauszögern. Er soll einfach sicher sein, dass ich jederzeit für ihn da sein werde. Mehr kann ich nicht tun.

Interessanterweise habe ich direkt anschließend das Bedürfnis, mich um mich selbst zu kümmern. Ich setze mich in der Dämmerung auf meinen Balkon und ziehe zum ersten Mal nach diesem langen, heißen Sommer eine Jacke über. Meine Augen bestaunen das Farbenspiel des schwindenden Lichtes, während sich meine Gedanken nach innen richten. Ich habe Kopfschmerzen und spüre inneren Druck. Yoongi liegt mir wohl buchstäblich quer im Magen. Ich sehe vor meinem geistigen Auge, wie Yoongi für Guk da war - flapsig und humorvoll, klar und streng, fürsorglich und treu. Ich sehe noch einmal, wie er hin und her schwankte zwischen Freude und Wut, wie er immer unausgeglichener wurde. Und auch das Bild, wie er sich wortlos und willenlos von Jeongguk hat verprügeln lassen, holt mich erneut ein. Wieder verschlägt es mir den Atem.
Ich muss und ich darf ihn gehen lassen. Krieg das auf die Kette, Seele. Du hast keine Wahl.

Herr Kang ruft mich an. Er will Jimin am nächsten Sonntag über die anstehenden Veränderungen informieren und fragt, ob von uns jemand dabei sein wolle. Der letzte Sonntag mit den drei Jungs sei sehr gut gelaufen. Und ob uns inzwischen eine Lösung für den Bus eingefallen sei. Sofort steigt meine Laune wieder, denn ich kann von unserer Idee berichten. Ich höre die große Erleichterung in seiner Stimme.

"Das wäre ... Hoffentlich lässt sich Jimin darauf ein! Dann muss ich mir um ihn keine Sorgen mehr machen. In Ihrer Nähe wird er gut aufgehoben sein."
"Wir haben auch überlegt, ob wir noch mehr so alte Fahrzeuge an diese eine Parkseite stellen sollten. Als Kurzzeitunterkünfte, Werkstätten - was auch immer Menschen in sozialer Not brauchen könnten."
"Oh, das wird kein Problem sein. Ich habe hinten vier U-Bahn-Waggons und ein altes Wohnmobil stehen. Die müssten Sie allerdings mit einem Kran rausholen, von alleine fahren die natürlich nicht. Aber die können Sie gerne haben."

"Das klingt großartig! Ich denke, ich möchte am Sonntag dabei sein. Sollen wir ein großes Picknick mit allen machen? Oder wird das für Jimin zuviel?"
"Hm. Taehyung, Jeongguk, dieser Hoseok. Wer ist da noch?"
"Namjoon und Jin. Der siebte Mann ist ja leider ausgezogen."

Wieder spüre ich einen Stich, weil es sich so furchtbar falsch anfühlt. Aber Yoongi hat entschieden.

"Wenn Sie mit zwei Fahrzeugen kommen, können wir das spontan entscheiden."
"Gut - dann machen wir das so. Herzlichen Dank, dass Sie sich so wunderbar kümmern."
"Keine Ursache. Ich kenne Jimin jetzt schon so lange."

Die neue Woche bringt sehr viel Arbeit, aber ausnahmsweise nicht an der Villa sondern für die Stiftung. Während das Dach, die Fassaden, Eingangsstufen und Veranda fertig gestellt sind und auch der Aufzug bereits seinen Platz gefunden hat, muss für die Gründung einer Stiftung noch sehr viel passieren. Immerhin steht jetzt das Team aus Juristen, Wirtschaftsingenieuren, meinem Steuerberater und dem Marketing, um die Vorstellungen konkreter werden zu lassen. Damit die Stiftung schnell eine große Bekanntheit erlangt und weitere Mäzene anlockt, formulieren wir den ersten Entwurf einer Satzung, die Banken machen Entwürfe, was von meinem Vermögen in die Stiftung fließen könnte. Wir versuchen, greifbar zu bekommen, welche Voraussetzungen eine Initiative erfüllen muss, um bei uns Förderung zu erhalten, für welche Art einzelner Projekte es Förderung geben sollte und in welcher Höhe.

Im Gespräch in der Pförtnerei kommen noch ganz andere Projekte zur Sprache. Zum Beispiel: soll die Tanzschule entweder zum Verein werden oder kommerziell bleiben? Beides hat Vor- und Nachteile. Dazu müssen sich Hoseok und sein Kollege schlau machen über Gründung, Leitung und Finanzierung eines gemeinnützigen Vereins. Auch da müssen Marketing und Mitgliedergewinnung anfangen. Wir kommen zu dem Schluss, dass wir bei den bereits vorhandenen Vereinen und Initiativen erste Werbung machen und deren Knowhow anzapfen wollen. Hobi und Jin verbringen zwei Tage nur damit, nach geeigneten Projekten für das Netzwerk zu googeln - und nach einer Fortbildung für Vereinswesen. Die es aber nicht gibt.

Am Ende der Woche steht fest, dass wir Fachleute verschiedener Richtungen zu einem Fortbildungsteam zusammenholen wollen. Die sollen ein Schulungskonzept entwickeln, und wir selbst sind ihre ersten Kandidaten. Hoseok für die Tanzschule, Jin und Taehyung für werweißobichdasmalbrauche, ich habe ebenfalls dringenden Klärungsbedarf. Und zu meiner großen Freude will auch Namjoon teilnehmen, obwohl er sich weiterhin weigert, als Geschäftsführer zur Verfügung zu stehen. Und so werden wir gemeinsam zu Lernenden an jeweils einem intensiven Nachmittag pro Woche.

Der Spätsommer geht in den Frühherbst über, der Park leuchtet fröhlich bunt im immer noch überwiegend sonnigen Wetter. Eigentlich sollten jetzt die Straßen und Wege befestigt und gepflastert werden. Aber wenn hier nochmal ein Kran durch muss, um die U-Bahn-Waggons reinzubringen, muss das noch warten. Also müssen wir auf Jimins Reaktion am Sonntag warten. Hoffentlich kann er sich darauf einlassen.

........................
12.3.2023    -    24.3.2024

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