55 - Aufbruchsstimmung

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Die Stimmung am voll besetzten Frühstückstisch ist irgendwo zwischen albern und verkatert. Die anderen Jungs sind nicht grade begeistert von diesen Enthüllungen, aber sie denken und fühlen weiter und können ihr Unbehagen deshalb schnell abschütteln. Die Freude über diese ehrliche Versöhnung ist bei allen mit Händen zu greifen.

Jimin sitzt mit Tae etwas abseits. Aber er bleibt dabei und nimmt die veränderte Stimmung wachsam in sich auf. Er hat heute allein beim Zusehen viel aushalten müssen. Und jetzt scheint er zu merken, dass mein Blick auf ihm ruht. Unsicher lächelt er mich an. Ich lächele schnell zurück und zeige ihm ein Daumen hoch.
"Du machst das großartig. Sei stolz auf dich!"

Namjoons Handy brummt. Er liest eine wohl längere Nachricht und hält sie mir dann wortlos hin. Sein Chef hat ihm geschrieben.

"Hallo Namjoon! Hast du das gestern ernst gemeint? Dass du helfen willst? Ich fahr jetzt wieder hin. Heute sollen die kaputten Zapfsäulen abgebaut werden. Die Tanks sind ja schon leer. Da könnte ich zwei mehr Hände gut brauchen."

Ich freue mich - über die Frage und über das neue 'du'.
"Sehr gut, also los."
Schnell antwortet Joon.

"Klar! Bin schon unterwegs!"

Jeongguk sieht uns neugierig an.
"Wo fahrt ihr hin?"
Namjoon trinkt den letzten Schluck Kaffee im Stehen und bringt sein Geschirr in die Küche.
"Arbeiten. Ich helfe beim Aufräumen. Die Tanke hats so doll erwischt, dass sie vielleicht nicht mehr zu retten ist. Wenn der Staat nicht bald konkrete Hilfen ausschüttet, muss mein Chef aufgeben."
"Na dann - wir drücken die Daumen."

Während Namjoon sich umzieht, damit ihm Wetter und Bruchbudensiff nichts anhaben können, sammle ich meine wenigen Habseligkeiten zusammen und freue mich auf zu Hause, meine Ruhe und meine Dusche. Die sechs Jungs hier kann ich jetzt getrost alleine lassen. Einmal lasse ich noch meinen Blick in die Tischrunde schweifen, bevor ich mich verabschiede.
"Machts gut, Jungs!"
Ich muss gar nicht zählen. Es sieht endlich wieder vollständig aus so. Das muss wohl Glück sein, was mir da grade die Wirbelsäule hochblubbert.

Ich schwebe wie auf Wölkchen vor lauter Glück zum Auto, während Namjoon neben mir herläuft und mich schmunzelnd betrachtet.
"Also, wenn das kein erfolgreicher Morgen war. Ich hatte geahnt, dass Guk eigentlich schon längst wieder auf Versöhnung gepolt war. Aber dass er sooo klar und zielstrebig und schnell die Situation auflösen würde, hätte ich nie erwartet. Das war so ... reif und abgeklärt."
"Ich bin heilfroh drum. Yoongi war am Schluss draußen wirklich am Ende. Da war nichts mehr mit Professionalität, da war nur noch Verwirrung und Erschöpfung und Schmerz - und wachsende Hoffnung. Beide haben ein großes Herz. Sie wollten und wollen darüber hinwegkommen. Es fühlt sich herrlich an, dass Yoongi wieder dabei ist."
Ohne Eile fahre ich Namjoon zu seiner Tankstelle. Sein Chef ist auch grade eingetroffen und lässt sich die Bedienung eines Fahrzeugs mit mobilem Kran erklären. Er will wohl so viel wie möglich selbst machen, um Kosten zu sparen. Ich winke Namjoon zu und rolle nach Hause. Auch bei den beiden wächst nach und nach ein festes Band, geboren aus Menschlichkeit und Vertrauen. Das freut mich riesig für Joon.

Zu Hause lasse ich mich erstmal planlos aufs Sofa plumpsen. Dieser emotionale Marathon hat uns allen Höchstleistungen abverlangt. Ich bin unsäglich müde und kaum in der Lage zu entscheiden, was ich mit diesem Tag anfangen will. Meine Gedanken flutschen immer wieder weg. Irgendwann wache ich dort auf, schleiche ins Bad und nehme ein wohliges Entspannungsbad. 

Ich muss auch dort eine ganze Weile geschlafen haben, denn das Wasser ist nur noch lauwarm, meine Haut ist ganz schrumpelig und mein Magen meldet lautstark Bedarf an. Ich mummele mich in gemütliche Klamotten, koche mir ein schnelles Süppchen und pflanze mich mitsamt meinem Tagebuch zurück aufs Sofa. Mal wieder finde ich darin eine große zeitliche Lücke vor.
Warum schaffe ich es eigentlich immer noch nicht, das Tagebuchschreiben zu einer regelmäßigen Routine zu machen?

Die Dämmerung bricht schon herein, als ich das nächste Mal aufwache. Ich habe kein einziges Wort geschrieben. Einfach nur geschlafen.
Dann ist es wohl nötig. Jedenfalls fühle ich mich jetzt endlich wieder lebendig.  
Ich koche mir einen Tee und schnappe mir einen schrumpeligen, herrlich süßen Apfel für zwischendurch. Wie der Wind fliegen nun meine Worte aufs Papier, ich schreibe mir die Jungs, die Stiftung, den Taifun und alles mögliche andere von der Seele.

Als ich das vierte Mal aufwache, ist es draußen dunkel. Wahrscheinlich kriege ich heute Nacht kein Auge zu, weil ich tagsüber nur gepennt hab.
Namjoon wird sicher bald kommen. Im Dunklen können die beiden wohl kaum weiterarbeiten.
Namjoon. Wie es für ihn jetzt wohl weitergehen wird? Wie gut, dass sein neuer Bewährungshelfer tatsächlich ein echter Helfer ist. Er hat dafür gesorgt, dass Joon vorläufig nichts zurückzahlen muss und in Ruhe die Jobfrage angehen kann. Auch, ob er sich bei der Villa oder bei mir oder sonstwo aufhält, ist ihm egal, so lange der Kontakt nicht abreißt und Namjoon alles sinnvoll begründen kann.

Automatisch landen meine Gedanken bei uns beiden.
Es ist eine völlig andere Art zu leben, wenn man seine Tage und Nächte, seine Gedanken und sein Bett mit jemand teilt, einander so nahe kommt, so offen alles ausspricht und alles aushält.

Bis auf eines. Manchmal wundere ich mich, dass Joon bei unserer intensiven Vertrautheit nicht längst einen Schritt weiter gegangen ist. Und ich selbst überhaupt nicht das Bedürfnis danach habe. Ich bin zwar noch Jungfrau, aber weder naiv noch blöd. Ich merke ja, wenn er sich eigentlich mehr wünscht. Aber dann reißt er sich doch wieder zusammen und verwöhnt mich mit seiner wunderbar sanften Zärtlichkeit. 

Eigentlich seltsam. Will er gar nicht mehr? Bin ich ihm zu prüde, zu beschäftigt oder zu langweilig? Ich kann ja schmerzbefreit alles aussprechen. Aber DANACH zu fragen, das traue ich mich einfach nicht. Ich habe einfach nicht so viel Erfahrung wie er, und manchmal grummelt das in meinem Hinterkopf.

So sehr mich das verunsichert - ich klappe das Tagebuch zu und lege es für heute beiseite. Es stehen so viele wichtige Fragen im Raum, die erst beantwortet werden wollen. Für Hoseok, Jin, Taehyung, Namjoon und Yoongi müssen noch einige Weichen gestellt und Entscheidungen getroffen werden. Im Grunde sind nur Jimin und Jeongguk fest eingebunden in ihre jeweiligen Berufe. 

Hm. Welche Rolle werde ich in der Stiftung spielen? Wird sie vollkommen unabhängig von mir sein, und ich bin einfach die Mezänin? Immerhin haben wir entschieden, dass die Immobilie und das gesamte Gelände mein Eigentum bleiben und an die Stiftung vermietet werden. Die Mieteinnahmen werde ich ein paar Jahre lang spenden, bis die Stiftung und das Netzwerk bekannt und etabliert sind.

Und für mich persönlich? Will ich weiter arbeiten und der Stiftung nur ehrenamtlich zur Verfügung stehen? Oder aufhören zu arbeiten, weil sich mein Lebensmittelpunkt verschoben hat? Werde ich im Vorstand landen? Oder grade nicht? Wir haben inzwischen so ziemlich alle Entscheidungen festgeklopft. Aber um diese Fragen haben wir einen seltsam großen Bogen gemacht.

Meine Gedanken wandern weiter.
Wie wird unsere Außenwirkung sein? Wird der Zweck die Menschen überzeugen? Wird das erhoffte Netzwerk entstehen und sich bewähren?
Auch die Frage der Wohnung, des Wohnortes, der Fahrerei ist noch nicht weiter oder gar zu Ende gedacht. Schräg, dass wir auf dem Weg zur Gärtnerei genau bei diesen drei schnuckeligen Häuschen gelandet sind. Der kleine Stadtteil mit dem gemütlichen Dorfcharakter hat mich schon angesprochen. Aber mein Herz hängt doch hier! Ich weiß es einfach nicht.

Das Klappern von Namjoons Schlüsselbund auf der Flurkommode erlöst mich aus meiner trüben Grübelei. Dreckig, durchgefroren, aber ziemlich zufrieden steht er in der Wohnzimmertür und schüttelt sich.
"Guten Abend Schatz. Ich bin so ausgekühlt, nass, schmutzig und müde - ich brauche ganz dringend eine heiße Dusche."
Nach einem niedlichen Luftkuss verschwindet er wieder im Flur. Bald darauf höre ich das Wasser rauschen. Ich improvisiere ein Abendessen für uns und koche die nächste Kanne Tee, bis Joonie wieder dazukommt.

"Du hast eben so verschlafen ausgesehen, als ich gekommen bin. Hab ich das richtig beobachtet?"
"Sehr richtig. Genau genommen habe ich, seit ich hier bin, ab und zu was gegessen, viel im Tagebuch geschrieben, ein Bad genossen und ansonsten NUR geschlafen."
"Hat dich dieser Morgen so sehr angestrengt? Wir waren alle angespannt, aber dich scheint das doch sehr viel Kraft gekostet zu haben. Hoffentlich kehren bei uns allen bald Ruhe und Gelassenheit ein, und die Kindsköppe stehen auf eigenen Füßen. Du hast mit dir selbst genug zu tun."
Er grinst mich an. Das amüsierte Glitzern in seinen Augen macht mich ein bisschen nervös. Aber seine Stimme klingt ganz ernst dabei.

Was kommt denn jetzt???
"Pass bitte gut auf dich auf. Sonst müssen wir dich als Disziplinierungsmaßnahme doch wieder Mutti nennen."
"Wag es nicht!"
"Sonst?"
"Sonst ..."
Mist, mir fällt nichts gescheites ein.
"Sonst ... fällt mir schon was ein, was dich so richtig treffen wird."
"Aha."

Nach dem Essen kuscheln wir nur noch auf dem Sofa und gehen dann bald ins Bett. Ich kann tatsächlich schon wieder schlafen. Und ich schlafe sogar durch, bis am Montag Morgen der Wecker klingelt. Schnell schalte ich ihn aus, um Namjoon nicht zu wecken. Aber als ich eine halbe Stunde später aus dem Bad komme, steht er doch in der Küche und kocht uns einen Kaffee.

Wie schön das ist, gemeinsam und in Ruhe zu frühstücken! Keine Tasse "Irgendwas" im Stehen runtergeschüttet, keine lieblose Stulle im Fahrstuhl gekaut.
Unser aller Leben stellen uns zwar weiterhin viele Herausforderungen, bewegen sich aber endlich mal in geregelten Bahnen und lassen allgemeine Entspannung zu.
Ich bin dankbar, als ich in der U-Bahn an den schönen Tagesstart zurückdenke.

Bald ist Advent, dann kommt Weihnachten. Und wir alle haben so viel gelernt und dazugewonnen in diesem Jahr. Das wird wirklich ein Fest der Freude.

........................

Zwei angenehm ruhige Wochen gehen ins Land, es geht auf den Dezember zu. Yoongi zieht erstmal nicht wieder ins Pförtnerhaus. Er tut sich im Gegenteil täglich die weiten Wege zwischen seinem Elternhaus ganz im Süden und der Villa ganz im Norden der Stadt an. Im Moment ist ihm wichtiger, dass er viel Zeit mit seinen Eltern verbringt. Dennoch hat es ihn sehr berührt, als er kapiert hat, dass für die anderen Jungs sein Zimmer immer sein Zimmer geblieben ist.

Ab jetzt wird der Raum als das vorläufige Büro der Stiftung genutzt. Vielleicht-Geschäftsführer Kim Namjoon, Caterer Kim Seokjin, Tanzschulen-Mitinhaber Jung Hoseok, Sozialpädagoge-Soziologe-Psychologe Min Yoongi, Gärtner und Künstler Park Jimin, Malkuckenwasdrauswird Kim Taehyung und Azubi Jeon Jeongguk können nach Absprache dort Büroarbeiten erledigen, recherchieren, telefonieren. Ein langes Aktenregal und drei Computer-Arbeitsplätze mit guter Software für jeden der Aufgabenbereiche, ein leistungsstarker Allrounddrucker und inzwischen vier Diensthandys machen so ziemlich alle Tätigkeiten von Hausaufgaben bis Stiftungsverwaltung möglich.

Auch, wenn Yoongi bei seinen Eltern bleibt - auf die flapsige vierte Frage von Jeongguk und meine offizielle Anfrage zwei Tage später springt er sofort an. Er kann sich gut vorstellen, in Vollzeit für die Stiftung zu arbeiten und das breit aufgestellte Team zu ergänzen. Endlich kann er das tun, was ihn immer angetrieben hat. Also machen wir Nägel mit Köpfen und einen Arbeitsvertrag fertig, der faire Arbeitsbedingungen, eine sehr ehrliche Stellenbeschreibung und ein ordentliches Gehalt beinhaltet.
Sofort fuchst sich Yoongi in alle Pläne, Verträge, Ziele und Notwendigkeiten für die Stiftung rein, damit er einen sinnvollen Job machen und seine zukünftige Aufgabe verstehen kann.

Yoongi erholt sich zusehends und findet sein altes Ich. Gelassenheit, Zufriedenheit und eine hohe Sensibilität zeichnen nun sein Wesen aus. Er konzentriert sich darauf, ein ansprechendes Programm aus Fortbildungen, Fachvorträgen, Info-Veranstaltungen und Benefizkonzerten für die Stiftung auf die Beine zu stellen. Von den Marketingleuten lässt er sich das Werbekonzept für große Zeitungen, Radiosendungen und Fachblätter erklären, macht weitere Vorschläge, leiert Interviews und Fotoshootings an.
Darüber hinaus versendet er jede Menge vom inzwischen fertigen Infomaterial über die zukünftige Arbeit an potentielle Sponsoren, aber auch an Einrichtungen, die unsere "Kunden" werden könnten. Die Listen, die Hoseok schon vor einer Weile zusammengetragen hat, münden in Bergen von Briefen, die nach ein paar Tagen zur Post getragen werden.
Ganz wichtig ist die Eintragung beim Amtsgericht, durch die die Stiftung aufgenommen wird in die Gerichtsliste. Ist man einmal da drin, kann man jederzeit von Richtern vorgeschlagen werden, wenn eine Geldstrafe gezahlt oder eine Erbschaft gespendet werden soll. 

Insgesamt tastet Yoongi sich still, aufmerksam und beharrlich zurück in die Gemeinschaft, hat für jeden einen Rat oder eine helfende Hand, sortiert Ängste, begleitet Wege und genießt es sichtlich, dass er endlich seine ganze Professionalität und sein großes fachübergreifendes Wissen ohne Maulkorb einsetzen kann.
Jeongguk weicht, wenn beide da sind, kaum von seiner Seite, ist stiller Beobachter und darf jeden Tag wieder für sich feststellen, dass seine Entscheidung richtig war, die Wut durch Mut zu ersetzen.

So bald wie möglich kontaktiert Yoongi seine drei ehemaligen Kollegen, die auch bei der Studie gekündigt haben, und versucht mit ihnen gemeinsam, ob und wenn ja wie ihre Rolle in unserem Projekt aussehen könnte. Wenn da drei bewährte Fachleute auf der Suche nach einer sinnvollen Arbeit sind, sollten wir zugreifen.
Hoseok nutzt die Gelegenheit und führt gemeinsam mit seinem Partner Junseo Bewerbungsgespräche mit den dreien. Sie picken sich den kreativsten Kopf für die Tanzschule raus. Damit gibt es auch dort einen hochmotivierten Sozialpädagogen, der sich schnell mit Hoseok und Junseo über ihre Ziele verständigt. Nun ist das Team komplett und kann durchstarten.
Die Tanzschule soll im Februar mit neuem Konzept eröffnen. Bis dahin ist der Verein gegründet, die Gemeinnützigkeit beantragt. Die Räumlichkeiten sind fast fertig renoviert und haben nun einen modernen Look, der zu den Kids von heute passt. Die Promotion soll so schnell wie möglich starten. Allerdings fehlt ihnen immer noch ein griffiger Name. Im Moment sind Tanzkünstler, Tanz-Innovation, TANZ aus der reihe, TanzWerkstatt und Move Forward in der engeren Wahl.

Namjoon arbeitet halbtags an der Tankstellenruine oder begleitet seinen Chef mit professionellem Auftreten zu diversen Terminen, die das Geschäft vielleicht doch noch retten könnten. Er feuert Anträge auf Entschädigung raus, macht Versicherungsmitarbeitern Beine, rennt Ämtern die Türen ein und hält so die Hoffnung am Leben. Der Rest seiner Zeit gehört mir und der Stiftung.
Es tut ihm und uns beiden gut, dass er auf diese Weise wieder einen gesunden Biorhythmus entwickeln und normal am Leben teilhaben kann. Endlich haben wir gemütliche gemeinsame Morgenstunden und können auch mal abends ohne Uhr im Nacken ins Kino oder in eine Kneipe gehen.
Meistens kommt er danach mit zu mir und sorgt energisch für ausreichend Schlaf. Er schiebt mich ins Bad und ins Schlafzimmer, scheucht mich ins Bett und hüllt mich in Geborgenheit und Liebe. Dann schlafe ich besser, bin morgens tatsächlich sowas wie ausgeruht, habe etwas mehr Kraft für den Tag.

Nur eine Sache lässt mich immer noch nicht los. Das letzte, was ich immer öfter vor dem Einschlafen denke, ist der Moment mit Namjoon auf dem Sofa, das Bild von dem Kind und dem tiefen Loch im Sandkasten. Im Halbschlaf murmele ich manchmal halbverständliches Zeug.
"Wir sollten endlich im Sandkasten graben."

Taehyung und Dr. Lee haben viel zu tun, weil natürlich auch viele historische Gebäude unter dem Extremwetter gelitten haben. Dabei halten sie Augen und Ohren offen nach interessanten Berufen für Tae. Bald steht fest, dass er zwei dreimonatige Praktika bei einem Kunsttischler und in einer Buchbinderwerkstatt machen wird. Traditionelle Papierherstellung in Handarbeit, das Kennenlernen verschiedener Hölzer und ihrer spezifischen Eigenschaften - Tae weiß gar nicht, worauf er sich am meisten freuen soll. Das Band zu seiner Familie wird immer noch stärker, sie finden eine gute Balance. Ab und zu kommt Minnie auch mal alleine zu Besuch, was dann meistens zu richtig albernen und unbeschwerten Nachmittagen führt.

Jimin kommt zur Ruhe, baut sich tatsächlich endlich seinen Bus gemütlich aus und tastet sich ganz, ganz langsam an die Jungs und an mich ran. Sein Hund Hyebit ist ihm dabei eine treue Stütze.
Der zweite der U-Bahn-Waggons wird tatsächlich zur Werkstatt, denn Jimin holt sich alles, was er zum Schweißen braucht, vom Schrottplatz. Die Maschinen, Werkzeug, einiges interessantes Material. Und natürlich verteilt er seine fertigen kleinen Kunstwerke im Park, am Bus und bei der Pförtnerei.
Am Glücklichsten macht ihn aber, dass Sejins Gesundheitszustand sich durch einen Medikamentenwechsel so weit stabilisiert, dass er auf eine normale Station verlegt werden kann und Besuch bekommen darf. Die Ärzte hoffen, dass sie vielleicht schon im Februar, spätestens März die Stammzellenspende in Angriff nehmen können.
Jimins Strahlen, als er in den Gemeinschaftsraum gerannt kommt, um diese Neuigkeit zu verkünden, berührt mich tief.

Das ist bestimmt kein Zufall und macht Hoffnung! Im März ist Onkel Harry gestorben und hat mich vor diese große Herausforderung gestellt. Im nächsten März bekommt Kang Sejin hoffentlich ein zweites Leben geschenkt.

Ein großer Schritt kommt auf Jin zu, denn mit Yoongis Hilfe findet er einen Therapeuten, der gut zu passen scheint, nicht zu weit weg liegt und sogar zum Teil von der Krankenkasse bezahlt wird. Der Mann arbeitet ganzheitlich mit unterschiedlichen Konzepten, die gut ineinander greifen. Er bietet seinen Patienten einen echten Schutzraum und eine moderne Vorgehensweise, die ihnen weiterhilft. 

Am aufregendsten für mich ganz persönlich ist jedoch, dass Ende November die Villa fertig saniert ist, dass alle Papiere, Satzungen, Genehmigungen, Finanzangelegenheiten, Personalfragen, Werbestrategien und, und, und vorliegen. Alle Möbel sind bestellt, die Küche schreit nach Benutzung, der Keller wird nach und nach gefüllt mit Veranstaltungslogistik, ein Archivraum wird angelegt, im zweiten Stock Büros eingerichtet. Dazu ein Gäste-Spontanübernachtungs-Privatsphäre-Zimmer. Wer weiß, wie oft wir das brauchen werden.

Frau Dr. Lee hat Höchstleistungen vollbracht, um in jedem Raum mit liebevollen, passenden Details eine einzigartige, authentische Atmosphäre zu schaffen. An den vielen versteckten Gegenständen in den Stuckverzierungen kann ich mich gar nicht sattsehen. Jetzt, wo alle Räume hell, freundlich und einladend wirken, tun diese Erinnerungen nicht mehr weh sondern erfüllen mich mit Wärme.

Auch Namjoon macht mich glücklich, denn er sagt nun doch von ganzem Herzen ja zu der neuen beruflichen Aufgabe, weil das große professionelle Team wirklich geschlossen hinter ihm steht. Seite an Seite mit ihm zu arbeiten, macht riesig Spaß. Ich lerne ganz viel von ihm und vertraue ihm blind.
Ich selbst reduziere meine feste Arbeitsstelle noch einmal, auf zwanzig Stunden in der Woche, verteilt auf drei Tage. Den Rest meiner Zeit stecke ich in die Jungs, in die Villa und in die Stiftung.
Endlich kann es losgehen!
Was monatelang wie eine Ruine, dann wie ein einziges Chaos, ein Millionengrab, eine Kette von menschlichen Tragödien, ein Schiff ohne Steuermann ausgesehen hat, läuft nun endlich mit neuem Schwung in die Zielgerade ein. Die Stiftung wird symbolisch an Heilig Abend das Licht der Welt erblicken und am ersten Januar die Arbeit aufnehmen.

Meine Gedanken driften ab.
Heilig Abend. Ich muss heute noch zu Hause den ganzen Weihnachtskram sichten und überlegen, was davon ich für die Pförtnerei mitnehme.
Ich mache mir geistig eine Notiz für nachher und schwenke zurück zur Villa.

Am 28. Dezember wird es eine große Einweihungsgala geben, zu der wir hoffentlich ganz viele wichtige Persönlichkeiten locken können. Während im großen Spiegelsaal die Party steigt, werden Vertreter verschiedener Verbände, Einrichtungen und Initiativen in den Räumen im ersten Stock an ihren Info-Ständen Fragen beantworten und für die breite Palette von altbewährten und neuen kreativen Hilfsangeboten werben.
Zeitweilig wird es kürzere Vorführungen geben im Saal. Hobis Tanztruppe wird auftreten. Wir haben eine Obdachlosen-Jazzkapelle aufgetrieben, die ein bisschen für Musik sorgen wird. Ein Verein für Menschen mit Behinderung bietet Akrobatik und Clownskurse an und will uns etwas vorführen.
So schlagen wir mehrere Fliegen mit einer Klappe. Die Neugierigen lernen die Villa kennen. Die Prestigehungrigen werden angefixt, Geld in ihren guten Ruf zu investieren. Die Initiativen erreichen unabhängig von ihrer Größe oder Zielgruppe ein breites Publikum. Die Köpfe hinter der ganzen Idee bekommen für alle öffentlich Gesichter. Und die Konten der Stiftung werden hoffentlich mit Hilfe einer teuer bestückten Tombola mit Geld geflutet.
Wir laden natürlich auch Vertreter der Stadt, mehrerer relevanter Ämter und der Presse ein. Jeder soll es mitbekommen, dass es bald das 'Haus des Lebens" geben wird.
Ich kann es kaum erwarten. Onkel Harrys Traum wird wahr!

Jetzt muss ich nur noch endlich an den blöden Sandkasten ran. Wenn ich nur nicht immerzu so müde wäre! Dabei arbeite ich doch immer weniger in der Firma. Inzwischen schlafe ich nicht nur auf dem Sofa sondern auch in der U-Bahn, in der Warteschlange an der Supermarktkasse, auf der Toilette oder beim Lesen mitten im Satz ein. So-Ra und Namjoon meckern immer lauter, ich solle doch endlich zum Arzt gehen, aber mein Kalender ist so voll mit letzten Schritten, dass ich keine Ahnung habe, wann ich das noch unterbringen sollte.

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8.4.2023    -    24.3.2024

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