57 - Nichts ist mehr wie vorher

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Es dauert noch eine ganze Weile, bis ich mich richtig wach und anwesend fühle, meinen Körper spüre, mich bewusst und zielgerichtet bewegen kann. Ich versuche, mich zu orientieren in diesem Raum, mit diesen Menschen, in der Tageszeit, Jahreszeit, bei meinem Alter.
Das war so surreal vorhin, das ... ich war so klein. Was war das?
Alleine, mich grade hinzusetzen, ist eine echte Herausforderung, weil mein Kopf sofort zum Karussell mutiert. Ich würde mich am liebsten gleich wieder umfallen lassen, aber So-Ra und Namjoon hindern mich daran. 
"Nix da, sitzen geblieben! Sonst kommst du heute gar nicht mehr aus dem Quark."
Mein Trotz meldet sich.
Wer sagt denn, dass ich 'aus dem Quark kommen' will?!? Ich will viel lieber endlich wissen, was da heute alles passiert ist. 
"Ja, Mami."
"Frechdachs."
"Jooooooniiieeeee, die ist gemein zu mir!"
Allgemeines Kichern erfolgt auf mein kindisches Gequengel.
"Och, ihr gebt euch da gegenseitig nichts. Und außerdem bin ich nicht zuständig. Denn wenn So-Ra deine 'Mami' ist und du mich um Hilfe anbettelst, dann möchte ich doch daran erinnern, dass ich DEIN Freund bin. Nicht ihrer."
Ich ziehe einen filmreifen Schmollmund und starte den nächsten Versuch, mich aufzurichten. Das klappt immerhin so semi, und Namjoon hält mich gut fest dabei.

So-Ras Mutter Rae-Jin ist ein bisschen sanfter als die beiden. Sie unterbricht die Albernheiten, schiebt So-Ra beiseite und setzt sich mit ihrem Stuhl vor mich. Sie zeigt mir ein paar leichte Übungen, mit denen ich auch im Sitzen meinen Kreislauf anschieben kann. Ich komme mir ziemlich albern dabei vor, aber es hilft wohl tatsächlich - der Schwindel lässt etwas nach. Ich lächele sie an.
"Danke, das hilft wirklich."
Da nimmt sie meine beiden Hände und zieht mich langsam auf die Beine.
Ich bin ihr sooo dankbar dafür!
"So, und jetzt schaukelst du ein paarmal hin und her. Genau so. Ein bisschen in die Knie gehen dabei. Prima. Pass auf. Ihr beide lauft jetzt hier im Zimmer auf und ab, und wir beide gehen rüber in die Küche. Ich weiß nicht, wann hier im Haus normalerweise zu Abend gegessen wird. Aber genau das solltest du gleich tun."

"Mach langsam, Mama. Hier gibts einen hervorragenden Koch in der Truppe. Wir gehen einfach rüber und besprechen alles weitere mit Jin. Der hat den Überblick. Ich würde mich wundern, wenn der nicht schon längst in der Küche zu Gange wäre."
Die beiden ziehen los. Ich bin erleichtert, dass ich mich im Moment um nichts kümmern muss.

Namjoon stellt sich vor mich, nimmt sanft und sicher meine beiden Hände und läuft ganz, ganz langsam rückwärts. Er schaut mir freundlich in die Augen, doch sein Gesicht drückt immer noch nichts als Sorge aus.
"Geht das so, Nelli? Oder ist dir immer noch sehr schwindelig zumute?"
"Nur noch ein bisschen. Wir können jetzt auch mehr Licht machen. Meine Sicht ist wieder viel klarer und schärfer."
Da wir grade am Kopfende seines Bettes vorbeilaufen, knipst er zusätzlich seine Nachttischlampe an.

"Aber sag mal, was hab ich eigentlich angestellt?!? Mein Kopf dröhnt vom vielen Grübeln, meine Augen brennen, mein Hals fühlt sich kratzig an, als hätte ich ein komplettes Konzert durchgegrölt. Mein Rücken autscht, wie viel zu lange gebückt, und meine Hände sind ganz steif."
Namjoon lächelt etwas gequält.
"Darf ich dir auch diese Fragen nach dem Essen beantworten? Ich kann dich so weit beruhigen - du wirst nicht innerhalb der nächsten Stunde an einer unbekannten Seuche dahinsiechen. Spüre weiter gut in dich rein und sag mir alles, was dir durch den Kopf geht."
Warum machen die so ein Geheimnis darum? Haben sie Angst, dass ich die Wahrheit nicht vertrage? Alles und alle um mich drumrum sind grade ziemlich seltsam drauf und behandeln mich wie ein Baby, aber ich habe keine Idee, warum.
Andererseits ...  Bloß nicht nachdenken, was heute passiert sein könnte! Keine schlafenden Hunde wecken. Also besser einfach gehorchen und mitspielen.

Ich lasse mir Zeit, gehe an seinen Händen im Zimmer spazieren und konzentriere mich ganz darauf, stabiler zu werden. Nach und nach werde ich sicherer beim Laufen, die Schritte werden ein bisschen größer und schneller. Mein Gang ist schon deutlich fester, als wir die Kuhglocke bimmeln hören. Ich bin erleichtert, weil mein Magen, vorsichtig ausgedrückt, ziemlich unterfordert ist im Moment.
"So gefällst du mir schon wieder viel besser. Du hast auch wieder Farbe im Gesicht. Mach langsam, sie werden auf uns warten." 
Namjoon nimmt mich nochmal in die Arme, schaut mich liebevoll an und lotst mich dann sicher rüber in den Gemeinschaftsraum.

Es ist ein seltsames Gefühl, da so angewackelt zu kommen. Aber vermutlich ist das nicht mal der Grund, warum alle mich ansehen, als wäre ich ein Geist. Sie scheinen besorgt zu sein und halten sich zurück, als müssten sie was unterdrücken. Jimins Gesicht zeigt außerdem Angst. Ich versuche es mit einem Scherz.
"Habe ich grüne Punkte im Gesicht? Oder warum bin ich hier grade die Hauptattraktion?" 
Mehrere Augenpaare weiten sich spontan, manche schieben mit gesenktem Blick Teller und Gläser hin und her - keiner lacht.
So viel dazu ...

Wir setzen uns zum Essen und genießen Jins neueste Experimente. Ich werde in Watte gepackt wie ein rohes Ei. Aber keiner der Jungs verplappert sich irgendwie, so dass ich den Antworten auf meine Fragen kein Stück näher komme. Alles fühlt sich so künstlich an - als ob die Stimmen und Blicke und Scherze aus Plastik wären. Als wäre alles samtweich und gut gepolstert, damit ich mich bloß nicht dran stoßen kann. Nur Rae-Jin benimmt sich normal.
Ich trinke erstmal viel, suche mir ein paar Leckereien aus.
Das tut gut!
Nach einer Weile spüre ich, wie meine Lebensgeister wieder erwachen, mein Blutzuckerspiegel sich normalisiert, die Wahrnehmung sich schärft - und die Fragezeichen in meinem Kopf größer werden als der Hunger in meinem Bauch. Ich höre auf zu essen und schaue alle nacheinander an.

"Okay, ihr Lieben, was ist los? Was ist passiert da draußen? Mit mir? Oder durch mich? Oder um mich drumrum oder ...? Seid doch bitte so gut und erlöst mich. Ihr wirkt grade alle wie erschreckte Hasen. Das fühlt sich für mich ein bisschen so an, als ob es sowieso nicht mehr schlimmer werden kann."
Jimin zittert, Yoongi seufzt, So-Ra schüttelt den Kopf, Namjoon rauft sich die Haare.
Mir reichts. Energisch richte ich mich auf und verschränke meine Arme vor der Brust.
"Entscheidet euch, ob ihr dabei sein wollt oder nicht. Ich bewege mich hier nicht weg, bevor ich weiß, was los ist."

Jimin springt auf und rennt raus, gefolgt von seinem treuen Schatten, dem Hund, Taehyung hinterher. Jin deckt den Tisch ab und kommandiert seltsamerweise ausgerechnet Jeongguk zu sich, bevor er die Küchentür von innen schließt. Nur Rae-Jin, Yoongi und Hoseok bleiben sitzen.
"Und ich bin dafür, dass wir es uns auf dem Sofa und den Sesseln am Ofen gemütlich machen."
Endlich kommt Bewegung in die anderen. So-Ra, ihre Mutter und Yoongi suchen sich Sessel aus. Namjoon, Hobi und ich knüddeln uns aufs Sofa. Schließlich gibt sich Joon einen Ruck.

"Nelli, erinnerst du dich an den einen Traum, von früher? Als wir beide bei dir waren, nach dem großen Knall? Wir haben heute versucht rauszufinden, ob an diesem Traum was Wahres dran ist. Ob du damals wirklich etwas vergraben hast oder dieser Traum nur ein Symbol war. Was du dabei gefunden hast, hat dich so sehr außer Fassung gebracht, dass wir jetzt Sorge haben, dass du gleich wieder umkippst, wenn wir dir mehr erzählen. Wir wollen und werden dir das nicht verheimlichen. Nur ... Zumindest ich traue mich einfach noch nicht ran."

Ach so. Okay, ich erinnere mich zwar grade nicht an einen Traum. Aber dann verstehe ich wenigstens die Sorge. Allerdings ... hilft nix, ich kann mich nicht für den Rest meines Lebens in Schockstarre befinden. Also MUSS ich erfahren, was war.
"Dann erzählt mir doch als erstes mal was über den Traum und die Situation, in der der kam. De facto stehe ich nämlich grade komplett auf dem Schlauch. Bitte! Schweigen macht hier nichts besser."
Zögernd erzählt Namjoon von dem Abend. Sehr schnell habe ich die Bilder wieder plastisch vor Augen.
Okay ...

"Das heißt, ... wir waren vorhin am Sandkasten? Und da war tatsächlich was drin?"
Fragend sehe ich zu So-Ra, die daraufhin von unserem Gespräch erzählt, als wir versucht haben, diesen Traum zeitlich einzusortieren. Das geträumte Ereignis muss während der ersten Klasse gewesen sein, ich war also ungefähr sieben. Das ganze ist wirklich ziemlich gruselig. Ich versuche, das Durcheinander an Informationen in meinem Kopf zu sortieren.

"Korrigiert mich, wenn ich was verdrehe. Da war der große Knall. Wir beide sind bei mir. Reden über Verantwortung. Und über Verluste. Eben über Löcher, die es zu füllen gilt. Mittendrin schlafe ich ein und träume. Oder erinnere mich. Wohl letzteres.
In diesem Traum sehe ich mich selbst, etwa sieben Jahre alt, allerdings nur von hinten, im Sandkasten sitzen. Das Kind Nelli hat ein sehr tiefes Loch gebuddelt und wirft nun etwas hinein. Das Kind scheint dabei auch zu weinen.
Das ganze ist jetzt viele Wochen her, ich habe das Thema immer vor mir hergeschoben.
Schon von Anfang an hatte ich hier immer wieder bei Erinnerungsfetzen Schwindelattacken und Schwächeanfälle. Das hat sich jetzt gehäuft, so dass ihr beide beschlossen habt, mich nicht länger mir selbst ausweichen zu lassen. 
Gemeinsam gehen wir zum Sandkasten, mir ist schon vorher furchtbar zu Mute, ich möchte am liebsten weglaufen. Ich fange an zu graben, ... - oh, das erklärt meine Rückenschmerzen! Jedenfalls scheine ich etwas gefunden zu haben, das mich sehr berührt hat. Sonst hätte es mich nicht so gründlich umgehauen.
Frage an euch: was habe ich gefunden, habe ich was dazu gesagt, und wo ist das Ding jetzt?"

Namjoon und So-Ra werden sichtlich nervös. So-Ra greift in ihre Hosentasche. Aber es ist ihre Mutter, die zu reden beginnt.
"Du warst dreieinhalb Jahre alt. Du hast deine Eltern, deinen Onkel und dein Leben geliebt und genossen. In der Zeit hatte dein Vater eine Beförderung bekommen und wollte der Familie ein neues Auto kaufen. Du durftest die Farbe aussuchen. Das Auto wurde also leuchtend blau. Du ..."
Meine Freunde halten hörbar die Luft an, während mir plötzlich Lichtpunkte vor den Augen tanzen. Wie blind taste ich nach einem Halt.
Blau. Blaues Auto. Das Auto meiner Eltern ... war blau.
Ich sehe wieder klar und greife blitzschnell nach So-Ras Hand.
Ich muss das jetzt wissen!
Bevor sie es verhindern kann, hole ich aus ihren Fingern ein etwas plattes, etwas sandiges und etwas rostiges blaues Spielzeugauto. Das Auto.

Fassungslos starre ich auf das zerstörte Spielzeug, bis So-Ras Stimme mich erreicht.
"Hörst du Mama weiter zu?"
Ich nicke ihr zu, starre dabei aber ununterbrochen auf das kaputte Ding in meiner Hand.
"Du hast das neue Auto sehr bewundert. Als du bei einem Familienbummel in der Stadt ein blaues Auto in einem Schaufenster gesehen hast, hast du so lange gebettelt, bis du es bekommen hast. Wochenlang hast du mit fast nichts anderem gespielt. Das Auto musste überall mit hin. Und es war auch mit im Gepäck, als du bei deinem Onkel übernachtet hast, weil deine Eltern ins Theater gehen wollten."

Eine Kältewelle rieselt mir den Rücken runter. Irgendwo im Hinterkopf, wo es ganz dunkel ist, rutschen lauter Puzzlestücke durcheinander. Ich kann nur das Bild noch nicht erkennen, aber es fühlt sich an ... wie ... Gefahr.
"Es war Winter, es war später Abend, die Straßen waren glatt, das Auto war noch neu und ungewohnt. Und du warst erkältet."
"Stopp! Aufhören. Bitte. ... Halt mich fest."
Sofort zieht Namjoon mich in seine Arme. 

Jetzt rutschen die Puzzlestücke plötzlich an ihre Plätze. Ein Lichtschimmer taucht von irgendwo her auf. Ich sehe, was damals passiert ist. Meine Stimme klingt völlig fremd. Leise, hohl, tonlos, gar nicht wie meine.
"Ich ... erinnere mich. Onkel Harry hat sich Sorgen gemacht. Er hat Fieber gemessen und mir Lieder vorgesungen."
"Deine Eltern wollten eigentlich nach dem Theater noch in einem Restaurant den Abend ausklingen lassen. Aber als das Fieber stieg, hat Harald sie doch angerufen. Du hast wohl gar nicht gejammert, hast die meiste Zeit geschlafen. Deshalb hat er sich hinterher auch solche Vorwürfe gemacht. Dass er an dem Unfall schuld war, weil sie sich beeilt haben, zu dir zu kommen."

Mein eigener Schrei geht mir durch und durch. 
"STOPP!!!"
...
"Aber ICH war doch krank."
...
"Sie hatten den Unfall wegen MIR."
"Das stimmt nicht, Nelli. Sie hatten den Unfall weder wegen dir noch wegen Harald. Sie hatten einen Unfall, weil ihr neues Auto auf Glatteis weggerutscht ist und dein Vater in diesem Auto noch nicht gewohnt war, richtig zu reagieren."

Der Gedanke, dass einfach das Schicksal "dran schuld" war, klingt für mich so fremd, so absurd, dass ich das gar nicht verarbeiten kann. 
Aber ... ohne mich ... wenn ich nicht krank geworden wäre, dann wären sie nicht so übereilt gefahren bei dem Wetter! Also bin ich dran schuld. Seltsam ist nur ...
Ich liege steif in Namjoons Armen. Kann mich nicht rühren vor Entsetzen.

................

Wieder höre ich Glas splittern. Sehe Flammen auflodern. Dazwischen das gequälte Gesicht von Onkel Harry.

Und dann tut sich in mir dieses Loch auf. Es wird immer größer, dunkler, tiefer, füllt mein Inneres vollständig aus - bis es schließlich das brennende Auto mit meinen Eltern verschlingt. Sie sind einfach verschwunden. Da ist nur noch das leere, tiefe Loch. Nichts, um es zu füllen. Mit der Zeit schließt sich das Loch und verschwindet auch. Ich bin eine ausgehöhlte Schale. Ein nichts.

................

Namjoon hält mich ganz, ganz fest. Endlich kann ich weinen. Das Schluchzen des verlassenen, verwirrten Kindes, das sich selbst die Schuld für die Tragödie gibt. Alle anderen weinen auch. Wir weinen lange - weil das leere Loch so tief, das Gefühl von Schuld so schwer und der Tod so endgültig sind.

Yoongis Stimme dringt sanft zu mir durch. Er gibt sich große Mühe, sich ganz auf mich zu konzentrieren. Aber ich kann hören, dass diese bitteren Erinnerungen auch ihm ganz schön zugesetzt haben. Er hat seinen Bruder durch einen Unfall verloren und sich lange schuldig dafür gefühlt. Wahrscheinlich kommen bei aller Professionalität als Psychologe die alten Gedanken wieder hoch.

"Nelli? Ich glaube, wir sollten für heute aufhören zu graben. Mehr kann deine Seele im Moment nicht verkraften. In dem Loch steckt noch viel mehr, was sich deinem Bewusstsein bis zu dreißig Jahre lang entzogen hat. Aber für heute lass es besser gut sein.
Ich möchte, dass du morgen zu irgendeiner Notaufnahme fährst und dich mindestens zwei Wochen krank schreiben lässt, damit du wieder zurück in dein Gleichgewic..."
"Aber - ich kann doch nicht einfach zwei Wochen nicht arbeiten. Nach dem Taifun ..."
"Nelli, ..."
"... ist im Büro die Hölle los. Und die Stiftungsgründung ist doch bald. Es ist noch so v..."
"... In dein Gleichgewicht findest. Du brauchst professionelle Hilfe, sonst wirst du diese falschen Wahrheiten aus der Kindheit nie los. Mache aus den quä..."
"Aber - ich ..."

"Nelli - das ist kein Vorschlag, den es zu diskutieren gilt. Das ist der Befehl deines hauseigenen Psychologen. Mache aus den quälenden Bildern der Vergangenheit mit professioneller Hilfe ein paar offene Türen in die Zukunft. Du kannst nicht ewig so weiter machen."
Ich höre das Lächeln in seiner Stimme, drehe mich um und sehe mich bestätigt.
Der weiß genau, wie es grade in mir drin aussieht - ganz finster. Keine Ahnung, wie ich mit dieser Schuld weiterleben soll.
Schlagartig weiß ich, dass er recht hat.
"Das ... Danke, Yoongi. Das hab ich wohl gebraucht."
Sein Lächeln ist weich und zugewandt.
"Ich weiß."

Namjoon entspannt sich merklich. Alle atmen auf. Es ist fast dunkel geworden im Raum, weil nur zwei schwache Wandlampen warmes Licht verbreiten. Aber die Stimmung ist getragen von Erleichterung, Nähe und Empathie. Nach und nach spüre ich meinen eigenen Körper wieder richtig, das Kind in mir zieht sich wohl endlich ganz zurück und gibt mich frei für die Gegenwart. Meine Atmung, Namjoons warme, angenehme Nähe. Ich fühle mich geborgen und in Sicherheit bei diesen Menschen. Einen Moment lang ist es still. Eine angenehme Stille.

Ich zittere - aber diesmal nicht vor Angst sondern vor Müdigkeit. Ich lehne mich an Namjoon und schicke meine Gedanken auf Wanderschaft. Eine Weile sitzen wir zusammen im Dämmerlicht, lassen all das Erlebte auf uns einwirken, spüren intensiv unsere Gemeinschaft. Als Jin und Guk leise aus der Küche kommen und vorbeischleichen wollen, löst sich diese besondere Atmosphäre auf. Aber es hat uns allen gut getan. So-Ra lächelt mich an.
"Schnucki, ist es für dich in Ordnung, wenn Mama und ich nach Hause fahren?"
Kurz sehe ich Namjoon an und entdecke Zustimmung in seinem Gesicht.
"Natürlich! Ihr sollt doch noch was haben von eurem Wochenende."
"Du meldest dich aber bitte sofort, wenn du weitere Fragen hast oder wir dir irgendwie sonst helfen können."
Auch das verspreche ich brav. Die beiden verabschieden sich mit einer dicken Umarmung und gehen.

Hoseok steht auch auf.
"Nelli, bist du einverstanden, dass ich mir die vier anderen schnappe und ihnen ein bisschen Einblick gebe und Fragen beantworte?"
"Ja klar. Du wirst schon die richtige Dosis treffen, ohne dass deren Sorge noch größer wird."
Hoseok grinst und winkt die beiden Neuankömmlinge mit sich raus in den Flur. 

Jetzt sind wir nur noch zu dritt. Und da kommt mir ein Satz in den Sinn, den Yoongi vorhin gesagt hat.
... der Befehl deines hauseigenen Psychologen. Vielleicht sollte ich ...
"Yoongi, willst du sofort nach Hause, oder hast du noch etwas Zeit für mich?"
"Ich hab noch Zeit. Wieso?"
"Du hast gesagt, wir sollten aufhören für heute. Aber ein paar Puzzlestücke kriege ich noch nicht ins Bild. Könnten wir doch noch zu dritt ein bisschen weiterreden?"

Kurz kratzt sich Yoongi mit zweifelndem Blick am Kinn.
"Kommt drauf an, wie weit du das ausdehnen willst. Und ich muss auch dazu sagen: ich habe Psychologie studiert, bin jedoch kein Arzt oder Therapeut. Ich kann bestimmt manches verstehen und erklären, wir können Fragen und Gedanken sortieren. Aber nur ... bitte nimm das ernst: wir werden keine neuen Baustellen mehr eröffnen. Du hast dich heute bereits völlig verausgabt. Das einschneidendste Ereignis deines Lebens ist plötzlich und mit großer Macht wieder aufgetaucht. Wir wollen nur versuchen, dass du dich nach diesem Tag sicher und verstanden fühlst. Nicht mehr!"
Dann lächelt er wieder.
"Aber natürlich können wir noch weiter reden. Ich helfe doch gerne."

"Können wir dafür rüber zu Namjoon gehen? Dann kann ich mich hinlegen, und die anderen Jungs können diesen Raum wieder nutzen."
Wir stehen auf, ich allerdings sitze sofort wieder und klammere mich an Joons Hand, denn meine Beine geben einfach unter mir nach. Schnell fängt er mich auf und fragt besorgt nach.
"Willst du jetzt wirklich noch weiter reden?"
"Ja, bitte."
Schwupp, hebt Namjoon mich hoch.
"Du hast es so gewollt!"
Mit einem leisen Kichern geht Yoongi vorneweg und hält uns die Türen auf. Ich werde mit Kissen und Decken und einem Tee zurück ins Bett gepackt.

........................
15.4.2023    -    25.3.2024

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