70 - Mauern ums Herz

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Sorry - ich könnte kotzen. Warum ist es für Wattpad unmöglich,
rechts- und linksbündig zu zeigen, wenn ich das so setze???
Bei dem Telefonat ist die gesamte Gesprächsstruktur zerschossen.

.......................

Sinnierend schaue ich auf die zuckenden Flammen im Kamin, um die Schultern eine Wolldecke, die Teetasse in der Hand, die kalten Füße zum Kamin gestreckt.

Ich mag Berlin. Ich mag die Menschen, die es 1989 geschafft haben, auf friedlichem Wege eine Mauer, eine Grenze, eine Armee, eine Regierung und ein ganzes politisches System zu Fall zu bringen. Ich mag die Vielfalt der Stadt, die freche Ader ihrer Ureinwohner, ihren Humor. Ich mag die freundlich verspielte Jugendstilausstattung dieser Wohnung. Es tut gut, nach einem langen, kalten Tag hierher nach Hause zu kommen. Hierhin werden wir bestimmt öfter reisen, mit So-Ra für nächtliche Abenteuer, und mit Joonie für ungestörte Zeit zu zweit.

Der letzte Gedanke kreiselt munter durch mein Hirn und versucht, irgendwo anzukommen.
Ui!
Wir.
Freundlich.
Nach Hause!
Damit habe ich nicht so schnell gerechnet. Aber es stimmt: dieses letzte Zuhause von Harry ist inzwischen auch für mich eines von mehreren Zuhause. Wie schön! Und ... wie schnell ich mich daran gewöhnt habe!
...
Ob ich ...
...
Grrr. Warum denke ich nicht weiter?
Feigling!
Ja, ich könnte mich natürlich auch in Seoul an ein Leben in der Villa, in der Pförtnerei oder in den drei schnuckeligen Häuschen in ... - Wie heißt dieses Dörfchen zwischen dem Kreisel und Jimins Gärtnerei eigentlich? - gewöhnen.

Ich schnappe mir mein Handy.
Dieses Viertel hat so einen eigenen Charakter. Das MUSS doch auch einen Namen haben!
Ich öffne einen Stadtplan und zoome ran. Das Fleckchen liegt zwischen der Hauptstraße Jinheung-ro, dem Gugitunnel, dem waldartigen Jinheung-Park, Jimins Gärtnerei und dem Kreisel. Der gesamte Stadtteil nördlich der Autobahn heißt allerdings Sinyeongdung.
Aber dieser alte Zipfel hier ... hat irgendwie keinen Namen. Hm. Dann benenne ich ihn eben selbst. Das ist ab heute für mich ... Jinheung Village. So.

Und einen Rückzugsort wie meinen Balkon ...
Mal war es der Baum im Nationalpark, mal war es meine Schaukel, mal die Obstwiese. Dann viele Jahre diese kleine-meine Wohnung. Hier ist es der Wintergarten. Und der Baum im Schlosspark. Warum also nicht ein Baum oder eine Schaukel in einem der Höfe dieser Häuserreihe? Wenn, dann sollten es sowieso alle drei Häuschen sein, damit wir Platz für Gäste haben. Oder Kinder.

Äh.
Schon wieder 'wir'.
Und 'Kinder'!
Uff.

Irgendwas zuckt direkt vor meiner Nase. Ich blicke auf und erkenne So-Ras Hand.
"Nelli? Wo bist du grade mit deinen Gedanken? Du strahlst plötzlich wie an deinem Hochzeitstag. Ich mein' ... ich freu mich gerne mit. Also übersetz doch mal bitte."
Hochzeitstag. Strahlen. Dreh ich jetzt völlig durch?
Bevor ich mich bremsen kann, rutscht mir die Antwort raus.
"Du kennst mich zu gut. Ich habe zwar nicht konkret an meine Hochzeit gedacht. Aber mir kam der Gedanke, dass es wohl wirklich an der Zeit ist umzuziehen. In die drei kleinen Häuschen, die in Jinheung Village zum Verkauf stehen. Damit da auch eine große Familie reinpasst."
Ich verstumme.
Jetzt habe ich das sogar ausgesprochen!

"Wo auch immer Jinheung Village ist - 'Familie' klingt gut."
Ihr fragender Blick durchbohrt mich förmlich.
Dabei weiß ich doch auch nicht mehr! Das ist mir grade unkontrolliert durch den Kopf geschossen. Kuck nicht so!
"Kuck nicht so! Das kommt für mich genau so plötzlich wie für dich."
Gute Freunde sind wie Gold. So-Ra spürt meine echte Verwirrung, stichelt nicht weiter sondern kommt um den kleinen Hocker mit dem Tablett rum und nimmt mich einfach in den Arm.
"Kann es sein, dass dein Herz grade deinen Kopf überholt? Alles, was du loswerden willst, bleibt in diesen vier Wänden. Sprich ins Unreine, ich hör einfach zu. Du wirkst ziemlich verwirrt."

Wenn So-Ra nicht so viel kleiner wäre als ich, würde ich ihr jetzt am liebsten wie ein kleines Kind bei der Oma auf den Schoß krabbeln.
"Ich BIN verwirrt. Ich habe mich grade einfach gefreut, dass ich mich hier auch zu Hause fühle. Dann war ich in meiner Wohnung in Seoul. Dann habe ich kapiert, dass Zuhause überall sein kann. Dann fielen mir diese traditionellen Häuschen ein, die wir gesehen haben, als wir Jimin mal zur Arbeit gefahren haben. Und dann sprangen da auf einmal Kinder rum. Einfach so! Ich habe keine Ahnung, wo die herkamen."

"Wie fühlt sich das denn an - an Kinder zu denken?"
"Ich ... gut. Normal."
"Gehört Namjoon zu diesem Bild dazu?"
Ich glaube, mein Gesicht wird grade so dunkelrot wie eine reife Tomate. Ich fühle mich völlig überfordert von So-Ras sanfter Stimme, von den Hintergedanken. Von den Möglichkeiten. Ich traue mich nicht, weiter zu denken, und flüstere darum nur.
"Wir ... haben doch noch nicht mal ... miteinander geschlafen."

"Ach, Nelli."
Ihre ehrliche, liebevolle Umarmung hält mich, während sich in mir Gedanken und Gefühle überschlagen.
"Es ist ... gar nicht ... Er ... Joonie hat echt viel Geduld. Ich spüre wohl, dass er bereit ist. Aber ich ... ich alte Jungfer ... ich ... weiß doch gar nicht, wie das geht. Hollywood zählt nicht!"
Mein Hirn rast, mein Puls auch. Und meine Füße würden am liebsten mit rasen - ganz weit weg nämlich.
"Wie sind wir bloß hier gelandet? Das Tagebuch, die Bilder, die Mauer, das Entsetzen. Und jetzt auf einmal bin ich bei Sex und Kindern? So-Ra, hilf mir. Was ist da los in meinem Kopf? Werde ich jetzt endgültig wahnsinnig?"
Mit der Hoffnung auf irgendwelche beruhigenden Worte starre ich sie an.

Sie schüttelt leise den Kopf.
"Schhhhhhh. Lass uns zum Sofa wechseln."
Ich habe zwar keine Ahnung, warum, aber ich dackele einfach hinterher. So-Ra schnappt sich Decken und Kissen und bastelt uns daraus auf dem Sofa ein kuscheliges Nest.
"Und jetzt von vorne, Süße. Du liebst diesen Mann von ganzem Herzen und würdest für ihn durchs Feuer gehen. Er liebt dich bedingungslos und trägt dich auf Händen durch jedes noch so tiefe Tal. Ihr findet euch gegenseitig attraktiv, anziehend - behaupte jetzt nichts anderes! - Du bist einfach unerfahren, und er will dich nicht überfordern. Denke ich - so, wie ich ihn einschätze."
Ich nicke bloß.

"Und da sind wir: es gibt kein zu früh oder zu spät. Es gibt eine innere Verbindung, die sich nicht an Uhrzeiten oder Kalender hält. Es ist dann Zeit für ein erstes Mal - wenn ihr das wollt. Dafür müsst ihr nur ganz viel reden, einander erkunden, einander fühlen. Und das hat ABSOLUT NICHTS mit Heiraten und Kinderkriegen zu tun. Leg nicht diese Schwere darauf. Dann verkrampfst du dich nur."

Diese Vorstellung finde ich nun ganz absurd.
Über Sex? Reden??? Das wird ja immer peinlicher! Ich möchte schon, und ich spüre auch leise, aber immer deutlicher, dass ich tatsächlich mit Namjoon will. Egal, dass das meine erste Beziehung ist. Ich bin ja nicht kichernde dreizehn sondern reflektierte dreiunddreißig. Aber darüber ... reden? Wie geht das!?!

"Oh Mann, Schnucki. Ich höre deine Gedanken bis hier. Ja, man kann darüber reden. Ja, man kann sich schon nach so kurzer Zeit sicher sein. Ja, man kann loslassen und Höhenflüge miteinander erleben und genießen. Aber leider nicht, indem man mit zusammengebissenen Zähnen versucht, bloß nichts falsch zu machen. DAS geht dann sicher in die Hose.
Erinnerst du dich an meinen ersten Typen im Studium? Mit dem wollte ich reden, weil er mir zu schnell war. Zack - weg war er. Der wollte nicht reden, der wollte nur machen. Möglichst schnell.
Aber Namjoon ist nicht so. Ihm geht es nicht um deinen Körper, ihm geht es um dich. Lass dich fallen. Wer wenn nicht er fängt dich ganz, ganz sicher auf?!"

Ich weine. Ich kann gar nicht anders. In Beziehungen gibt es keine Generalproben - nur Premieren. Und das überfordert mich völlig.
Wo ist nur mein Mut geblieben? Der Mut in der Nacht im Park, aus dem spontanen Kuss eine gemeinsame Reise ins Unbekannte zu machen. Der Mut zu verhindern, dass Namjoon versucht, mich zu schützen, indem er sich vor seinen ehemaligen Kollegen versteckt. Der Mut, in ihm den wertvollen Menschen zu sehen, der trotz all dem vorher Geschehenen genau der richtige Mann für mich ist. Der Mut, ihn trotz seiner Vergangenheit zum Geschäftsführer zu machen? Das ist doch alles noch da? ... Das ist bitte noch da!

"Schatzi - was würdest du antworten, wenn Namjoon jetzt vor dir stünde und dich fragte, ob du ihn liebst?"
"Sehr. Sehrsehr. Wir tun einander gut."
"Und wenn er dich dann fragte, ob du ihn heiraten magst? Und mit ihm eine Familie gründen möchtest?"
Ich halte die Luft an. Dabei ist die Antwort schon klar.
"Ja. Ich ... ein besserer Mann kann mir doch gar nicht über den Weg laufen."
"Dann hast du auch die Antworten auf alle anderen Fragen. Zweifle nicht mehr. Lass die Ängste los. Warte nicht länger auf den 'richtigen Zeitpunkt'. DER kommt nämlich am liebsten klammheimlich und sowieso ganz von allein."

So-Ra hält mich einfach weiter fest, während ich im Kopf unklare, ungesunde und misstrauische Einwände aussortiere. Und das Unterscheiden fällt mir gar nicht so leicht.
Es ist nicht seine Vergangenheit. Damit habe ich völlig abgeschlossen. Eigentlich ist es nur die 'kurze Zeit', die hartnäckig immer wieder aus dem Mülleimer in meinem Kopf rauskrabbelt. Aber ... ich werde auch in einem Jahr nicht sicher sein können, dass er mir in zwanzig Jahren noch treu ist. Jetzt ist es tatsächlich an mir, trotz aller Stürme und Verluste diesem Leben zu vertrauen und den Sprung zu wagen. Und damit hat So-Ra recht - Kommunikation ist DAS Mittel der Wahl. Ohne gehts nicht.

Wir sitzen eine ganze Weile so. Ihre Arme um meine Schultern. Mein Kopf auf ihrer Schulter. Eine Kuscheldecke um unsere Beine gestopft. Warm. Geborgen.
Wie konnte So-Ra nur jemals ...
"Puh. Danke! Jetzt gehts mir wieder besser. Wie konntest du nur glauben, dass Namjoon dich jemals ersetzen könnte!"
Meine wunderbare Freundin lacht über meinen abrupten Themenwechsel. Aber sie ist es ja gewohnt, wir waren schon immer so miteinander.
"Och. Ich weiß auch nicht so genau ..."

"Weißt du, wo ich mein Handy hingelegt habe?"
"Das liegt da drüben. Auf deinem Sessel am Kamin."
Mit einer kleinen, bunten Glücksfontäne im Bauch stehe ich auf, schnappe mir mein Handy und schreibe eine kurze Nachricht an Joon.

"Guten Morgen, mein Schatz!
Meinst du, du hast heute irgendwann zwischendurch die Zeit rauszufinden, ob die drei kleinen Häuschen kurz vor Jimins Gärtnerei noch zu haben sind? Und wenn ja - könntest Du die alle zusammen für uns reservieren lassen, damit nicht doch noch jemand anderes schneller ist?
Ich liebe Dich! Nelli"

Neugierig hat sich So-Ra hinter mich gestellt und gelunzt. Jetzt grinst sie breit.
"Gratuliere. Geht doch!"

Bevor ich das Handy ausmache, schaue ich automatisch auf die Uhr.
"Was hatten wir gesagt, wann wir bei Frau Blumenthal aufschlagen?"
"19.00 Uhr?"
"Passt. Dann haben wir noch eine gute Stunde, um uns aufzuhübschen."
So-Ra setzt sich wieder in ihren Sessel am Kamin, und ich folge ihrem Beispiel.
Sie denkt einen Moment nach.
"Wollen wir kurz überlegen, was wir morgen noch machen?"
"Naja, jedenfalls nicht auf historischen Pfaden durch die Stadt toben und noch mehr Eindrücke in uns reinstopfen. Ich bin dafür, dass wir hier bleiben und abhängen, vielleicht ein paar Tagebuchbilder ansehen oder nochmal in den Schlosspark spazieren. Und irgendwann packen."
"Klingt vernünftig. So machen wir das."

Eine Weile lang entspannen wir noch, dann machen wir uns nacheinander auf ins Bad. Wir wollen uns ja gar nicht aufbrezeln, aber ein bisschen frisch machen und Zähne putzen. Für den kurzen Weg durchs Treppenhaus ziehen wir dicke Socken über. Ich schnappe mir den Topf mit dem Weihnachtsstern. Fertig.

Grade, als wir zur Nachbarin aufbrechen wollen, lässt So-Ra die Türklinke nochmal los, nimmt mir mein Handy aus der Hand und legt es zusammen mit ihrem eigenen auf die Flurkommode.
"Die brauchen wir da drüben nicht."
Ups!
"Bist du sicher?"
Meine Besti kann sich ihr triumphierendes Grinsen nicht verkneifen.
"Aha. Erwischt!"
"Bäh!"
Schnell öffnet sie die Tür zum Treppenhaus.
"Darf ich bitten?"
Und so gehe ich ohne mein Handy zur Nachbarwohnung für einen gemütlich verplauderten Abend.
Besser so. Ich werde sowieso die ganze Zeit mit Übersetzen beschäftigt sein.

Frau Blumenthal empfängt uns herzlich und bittet uns in ihr - glaube ich jedenfalls - urtypisches deutsches Wohnzimmer mit schweren, dunklen Möbeln, Samtvorhängen, mehreren Teppichen und einer blütenweißen Tischdecke auf der festlich gedeckten Tafel. Sie bietet uns einen leichten Rotwein an und plaudert uns warm.
Ihr Versuch, das Essen alleine aus der Küche zu holen und aufzutragen, scheitert allerdings kläglich, weil wir Lunte riechen und ihr einfach in die Küche folgen. Schnell sind Petersilienkartoffeln und Buttergemüse aus den Töpfen in Porzellanschüsseln umgefüllt, garniert und rüber getragen. Frau Blumenthal holt einen köstlich duftenden Braten aus dem Ofen und kommt damit hinter uns her. Wir setzen uns zu Tisch, und zumindest mir läuft schon jetzt ziemlich das Wasser im Mund zusammen, denn es riecht fantastisch.

"Bitte bedienen Sie sich."
"Verraten Sie uns vorher, was das für ein Gericht ist?"
Frau Blumenthal schmunzelt, und ich übersetze schnell meine Frage.
"Das ist falscher Hase mit Ei."
Ich stutze. Aber dann schalte ich.
Natürlich! Falschen Hasen gabs doch auch bei uns früher. Aber das Ei irritiert mich.
"Ich erinnere mich. Nur das Ei hat mich einen Moment lang verwirrt. Das ist ein typisch berlinerisches Gericht, oder?"
"Ganz genau. Ich freue mich, dass Sie das kennen. Aber Ihr Onkel hat ja sicher manche Vorlieben mitgenommen nach Korea. Wie die meisten Hausmachergerichte in Deutschland war es ursprünglich ein Armeleuteessen. Ich habe heute Erbsen und Möhrchen dazu gemacht, weil das ja auch so typisch deutsch ist."

Frau Blumenthal schneidet den falschen Hasen an, und das Ei in der Mitte sieht echt witzig aus - ein bisschen wie ein Auge. Ich erkläre So-Ra, was wir gleich essen werden.
Neugierig probiere ich den ersten Bissen.
Ob ich mich wohl an den Geschmack erinnern werde? Ja - genau! Die selben Gewürze.
"Hm, ist das lecker! Welche Gewürze kommen da typischerweise rein?"

Wir plaudern uns durch das wirklich leckere Essen. Wenn ich nicht grade kaue, übersetze ich für So-Ra, der es auch sichtlich gut schmeckt.
"Schnucki - das kommt bitte auf deinen regelmäßigen Küchenplan. Das ist ja irre gut!"
Sie bedankt sich bei Frau Blumenthal direkt selbst auf Englisch. Die versteht zwar trotzdem kein Wort, aber die Euphorie in der Stimme meiner Besti bringt sie prompt zum Strahlen.

Zum sacken lassen plaudern wir ein bisschen über den Tag und die Woche, das Tagebuch und das Wetter.
Nur nicht in die Tiefe gehen - dazu hab ich heute keine Kraft mehr. Schon zu viel gefühlt.

Nach einer Weile steht Frau Blumenthal auf, trägt schon mal ein paar Schüsseln raus und kommt mit einem großen Tablett wieder. Schnell machen wir Platz dafür auf dem Tisch und räumen nun auch die Teller weg. Vor uns stehen zweierlei Süßspeisen. Das eine ist eine Schale mit sowas wie selbst gemachten Miniberlinern, gewälzt in Zucker und Zimt. Und das andere macht echt neugierig.
Eine gelbliche Creme ... schaumige Creme? ... mit einer roten Fruchtsauce.
"Meine Damen - der Nachtisch. Das Kleine da sind Mutzen in einer Wintervariante mit Zimt. Und das in den Glaskelchen ist 'Berliner Luft', eine Weinschaumcreme mit Himbeersauce."
Wie gehabt übersetze ich alles, und dann schlemmen wir regelrecht diese feinen Köstlichkeiten.
Mann, bin ich satt!

Gegen 22.00 Uhr werde ich jedoch innerlich unruhig, weil ich plötzlich wieder an meine Nachricht an Namjoon denken muss. Ob er schon wach ist? Und das gelesen hat? Meine Füße wollen sich selbständig machen und nach drüben zu meinem Handy laufen. Aber da ich hier nicht so plötzlich davonstürzen kann, unterdrücke ich den Impuls und rufe meine Füße zur Ordnung.
Zum Glück deckt Frau Blumenthal nun den Tisch ab und kommt mit einem Keksteller wieder. Man sieht sofort, dass die alle selbst gebacken sind. Neugierig probieren wir uns durch die Auswahl, können uns nicht entscheiden, welche Sorte am besten schmeckt, und verabschieden uns dann bald für die Nacht.

Kaum ist drüben unsere Wohnungstür hinter uns ins Schloss gefallen, huscht mein Blick zur Kommode, wo mein Handy hübsch vor sich hin blinkt. Ohne ein Licht anzumachen, stürze ich mich darauf, während So-Ra mich nur noch auslacht.
"Ich geh dann schon mal ins Bett. Schöne Grüße!"
Namjoon hat mehrfach versucht, mich anzurufen.
Armer Schatz!
Dann hat er mehrere Textnachrichten hinterher geschickt. Zum Glück erst vor ein paar Minuten. Ich bleibe auf der Stelle im Flur stehen und fange an zu lesen.

"Meine liebe, liebste Nelli!
Auftrag erledigt. Und auch geglückt. Aber könntest du bitte ganz schnell erklären, was das heißt? Ich platze gleich vor Anspannung!"
"Nelli, wo steckst du? Warum gehst du nicht ran? Spann mich doch nicht so auf die Folter!"
"Bist du jetzt etwa schon ins Bett gegangen? Das darf nicht wahr sein!"
"Gnaaaaaadeeeeee!!!"

"Puh, Du hast gelesen. Ich bin ganz Ohr ..."

Klar ruf ich dich gleich an! Ich will mich nur schnell hinsetzen.
Während So-Ra auf dem Weg zum Bad kichernd an mir vorbeigeht, laufe ich in die Küche und hocke mich auf den erstbesten Stuhl. Hocker. Egal. Schnell wähle ich Namjoons Nummer.

"Entschuldige, Schatz, wir waren drüben bei Frau Blumenthal zum Abendessen eingeladen. Und So-Ra hat eigenmächtig beschlossen, dass unsere Handys hier bleiben."

"Na, der werde ich was erzählen! Die hat doch garantiert gewusst, was du mir geschrieben hast."
Ich klinge glaube ich ziemlich schuldbewusst. Dabei bin ich doch nur einfach glücklich!

"Das war höhere Gewalt. Aber jetzt hast du mich ja."
"Hmpf. Schieß los!"

Plötzlich entsteht eine seltsame Stille. Ich rede darum ganz schnell weiter.

"Schatz, ich liebe dich. Heute ist wahnsinnig viel passiert. Bei unserem Besuch an der Berliner Mauer und in unseren Köpfen. Zwischenzeitlich ging es uns gar nicht gut damit. Und während wir über Mauern zwischen Men..."
"Schaaaatz. Die Kurzfassung bitte."
"Mann, bist du ungeduldig. Das IST die Kurzfassung!"
Namjoon seufzt am anderen Ende. Vielleicht ist er auch noch nicht ganz wach. Sonst ist er nicht so ungeduldig. Mir kommen die Tränen.

"Nelli, Liebes, weinst du? Das tut mir leid. Lass dir Zeit. Ich sollte nicht so drängeln."
"Nein! MIR tut es leid, dass ich dich so auf die Folter gespannt habe."

Ich bin ja selbst schuld. Ich habe diese kryptische Nachricht geschrieben, das muss ich jetzt aushalten. Ich bin ein gedankenloser Idiot!
Ich hole tief Luft und schlucke die letzten Tränen der Anspannung runter.

"Wir haben uns über Mauern zwischen Menschen und Mauern in Köpfen unterhalten. Bald waren wir beim Netzwerk, bei Vorurteilen, dann bei den Jungs. Bei dir, und bei mir. Und dabei, dass ich mich auch in dieser Wohnung hier in Berlin inzwischen zu Hause fühle. Und plötzlich habe ich kapiert, dass mein geliebter Balkon überall sein kann. Dass es nicht DIESE Mauern sein müssen, wo ich mich geborgen fühle. Diese Dachwohnung war lange meine Schutzburg. Aber jetzt habe ich Frieden mit der Villa, bald eine sanierte Pförtnerei, einen Brückenkopf in Berlin und tausend andere Möglichkeiten, wo ich mich sicher fühlen kann. Bei Menschen zum Beispiel. ... Bei dir."

Ich höre mich selbst kaum. Ich rede und rede und rede und habe keine Kontrolle darüber, was ich damit auslöse - in Joonie. In mir selbst.

Dröhnende Stille.

"Und deshalb möchtest du eigentlich doch ... Ich liebe dich! Darf ich deine Frage für dich formulieren?"
"

Ja. Bitte."
"Möchtet du aus diesen drei kleinen Häusern unser gemeinsames Zuhause bauen? Mit mir zusammen?"

Jetzt bleibt mir völlig die Luft weg. Aus seiner Stimme tropft das Glück wie süßer Honig.

"Nelli, ... wenn ich deine Frage stelle - dann solltest du für mich antworten."
"Was denn?"
"Ich schlage vor, du schaust mir in mein unrasiertes, glücklich strahlendes Gesicht und sagst dann ja."
"Ja!"
"Ich danke dir! Und ich habe nicht die leiseste Ahnung, womit ich dich verdient habe."
"Spinner!"
"Bei der Arbeit."

Endlich, endlich geht die ganze Anspannung in unserem Gelächter unter. Ich fühle mich leicht, sicher, geborgen, geliebt.

"Wann landet ihr hier am Sonntag?"

Na, das ist jetzt aber ein ziemlich abrupter Wechsel.

"Weiß nicht. Ich schau gleich nach und schreib es dir. Warum?"
"Yoongi wird euch abholen, erst So-Ra und danach dich nach Hause bringen und von hier aus gut sichtbar zu seinen Eltern fahren. Dann bist du für die Paparazzi alleine in der Wohnung, und wir haben unsere Ruhe."
"Das klingt sehr gut!"

Einen Augenblick bleibe ich noch in der dunklen Küche sitzen und versuche zu spüren, wie es meiner Seele und meinem Körper mit diesem Gespräch geht.
Beiden geht es gut. Meine Seele fühlt sich bereit an für diesen nächsten Schritt. Und mein Körper kribbelt vor lauter Vorfreude. Schnell husche ich zu So-Ra ins Bett.

........................
24.6.2023    -    27.3.2024

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