(45) Nur Antworten helfen gegen Fragen

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Hicks

„Ach, hat sie das?"
Meallas Stimme blieb bedrohlich ruhig.
Den Blick hatte sie noch immer starr auf mich gerichtet, doch ich hatte stark das Gefühl, dass sie mich nicht wirklich sah.
Sie schien vor ihrem inneren Auge jemand anderen zu sehen und ich hoffte inständig, dass es sich dabei nicht um einen meiner Freunde handelte, denn in ihren Augen loderte die pure Wut.
„Weißt du auch, warum sie das getan haben soll?"
Jetzt sah sie direkt mich an.
„Weißt du, warum?!"
Von dem plötzlich lautem Geräusch erschreckt, zuckte ich zusammen.
In meinem Hals bildete sich ein Klos.
„Nein."
Ich zögerte kurz.
„Und was ist mit dir?"
Ihre Haltung verkrampfte sich und sie sah aus, als würde sie gleich auf mich losgehen.
Aber dann wandte sie plötzlich ihren Blick ab und murmelte nur leise: „Ich weiß, ab wann man nicht mehr nachforschen sollte.", um sich anschließend rasch umzudrehen und in einem Zimmer zu verschwinden.
Zurück ließ sie nur nasse Flecken auf dem Boden, feuchte Abdrücke auf den Buchrücken und dem seltsamen Gegenstand und noch mehr Fragen.

Unablässig flackerte das von meinem Feuerschwert ausgehende Licht über die Oberflächen und wurde von den nassen Stellen reflektiert.
Stille herrschte in dem Raum, aber es war keine angenehme Stille, eher so eine, an der man fast erstickte. Alles erschien ruhig und doch feindlich, als würde jeder Schatten nur darauf warten, zum Leben zu erwachen. Als würden die kleinen Pfützen mich auslachen, sich darüber lustig machen, dass ich immer weniger verstand, was hier vor sich ging.
Was hatte ihre Reaktion gerade zu bedeuten? Hatte ich tatsächlich Schmerz und Trauer in ihren Augen gesehen?
Was wusste Mealla? Was verschwieg Moira?
Warum hatte ich das Gefühl, dass die Tänzerin genau wusste, wer ich war und was wir hier wollten?
Und weshalb kam es mir so vor, als hätte ich sie schonmal getroffen?
Was zum taumelnden Donnertrommler passierte hier?

Es war wieder ein Knarzen, welches mich aus meinen Gedanken riss.
Reflexartig wirbelte ich herum und hob abwehrend die Klinge, aber es gab nichts, was ich hätte abwehren müssen. Außer vielleicht ein belustigtes Schnauben.
„Wer im Holzhaus sitzt, sollte nicht mit Feuer spielen, junger Wikinger."
Beschämt ließ ich mein Schwert sinken.
Selma hatte echt eine Schwäche dafür, überraschend den Raum zu betreten.
Sie stand in einem Türrahmen, in eine Decke gewickelt und mit einer Kerze ausgestattet, ihr altbekanntes Lächeln auf den Lippen.

Gab es eigentlich irgendetwas, was ihr dieses nervende Lächeln aus dem Gesicht fegen konnte?
Ich stand hier, in dem vollgestopften Raum, mit einem mindestens genauso vollgestopftem Kopf, nicht fähig irgendeinen klaren Gedanken zu fassen, während ich zusehen konnte, wie mein Team immer weiter zerbrach, von Misstrauen zerfressen, und sich einfach keine Lösung für unsere unzähligen Probleme abzeichnen wollte. Und sie stand hier und lächelte. Lächelte, als wäre alles wundervoll, als würde mein Kopf nicht drohen, vor lauter unbeantworteter Fragen gleich zu explodieren.

Die ganze aufgestaute Wut, Frustration und Verzweiflung, die ich bisher kaum wahrgenommen hatte, drang nun mit einer Macht in mein Bewusstsein, dass meine Hände anfingen zu zittern. Wie eine Welle schwemmte sie die Vernunft weg und riss das Kartenhaus aus logischen Schlüssen um. Lange hätte es sowieso nicht mehr gestanden, dafür fehlten viel zu viele Bauteile. Aber das war jetzt egal. Es war egal, um wie viele Ecken ich dachte, egal, aus wie vielen Perspektiven ich alles betrachtete, egal, wie oft ich versuchte, irgendwelche Verbindungen zwischen den scheinbar zusammenhangslosen Rätseln zu entdecken. Es war einfach nur egal, denn es brachte nichts. Es führte alles nur immer und immer wieder in die selbe Sackgasse. Und sogar das war jetzt egal. Alles, was in diesem Moment zählte, waren Antworten. Klare, eindeutige Antworten.

Zum ersten Mal seit sehr, sehr langer Zeit ließ ich mich einfach nur von meiner Wut leiten, von meiner Frustration darüber, dass alles immer schneller zerfiel, während ich noch versuchte, das Nötigste zusammenzukleben.

Ich hatte die Nase voll davon, mir den Kopf über Dinge zu zerbrechen, deren Antwort sich immer weiter von mir entfernte, je näher ich ihr kam, wenn es jemanden gab, der mir zumindest einige Antworten geben konnte.

„Was soll das alles? Was ist mit dieser Insel los?
WAS VERSCHWEIGT IHR UNS DIE GANZE VERDAMMTE ZEIT?!"

Wahrscheinlich hatte ich mit meinem Geschrei meine Freunde geweckt, doch darum scherte ich mich im Augenblick nicht. Sie hatten ebenfalls das Recht auf Antworten, dann konnten sie diese auch jetzt bekommen.

Selmas Lächeln verschwand.
War ich zu weit gegangen? Vielleicht.
Aber vielleicht war es das wert.
Viel schlimmer konnte es jetzt jedenfalls nicht mehr werden.
Entschlossen und von Wut getrieben verstärkte sich mein Griff um das Feuerschwert.
Diesmal würde ich Antworten bekommen. Antworten, nicht noch mehr Rätsel.

Auch Selma stellte sich aufrechter hin.
Sie war noch immer kleiner als ich, doch sie sah mich an, als würde sie auf mich herabsehen.
Und dann, nur für einen ganz kurzen Augenblick, stand ich nicht einer alten, freundlichen und fürsorglichen Frau gegenüber, sondern einer Kriegerin in strahlender Rüstung, die siegessicher auf einem Felsen inmitten eines gewaltigen Schlachtfeldes stand. In ihren Augen sah man Wissen und Stärke, Selbstsicherheit und Vertrauen, Kälte und Wut, Trauer und Ausdauer, alles vermischt zu einem Feuer, dass Gefahr und Geborgenheit zugleich ausstrahlte.
Ihr Blick kam mir sofort vertraut vor, doch auch irgendwie fremd. Es war verwirrend.
Bevor ich jedoch genauer überlegen konnte, woher ich diesen Ausdruck kannte, war der kurze Augenblick vorbei und vor mir stand wieder eine alte Dame mit ernstem Gesicht und silbrig-braunen Haaren.

„Die Antwort musst du selbst finden."
Sie sah mich an, als wüsste sie ganz genau, was ich gerade gesehen hatte.
„Ich kenne sie nicht. Weder die eine, noch all die anderen."
Die Welle aus Wut und Frustration brach in sich zusammen und riss meine Entschlossenheit mit sich.
Selma kannte die Antworten nicht. Sie konnte sie mir nicht geben.
Ich fühlte mich, als würde alle Kraft aus mir heraus gesaugt werden.
Ich fühlte mich schwach, zu schwach, um auch nur einen einzigen Schritt zu machen.
Mal wieder hatte ich mich getäuscht; mal wieder war die Lösung ein Stück weiter in unerreichbare Ferne gerückt.

„Aber ich kann dir Geschichten erzählen, viele, unglaublich viele Geschichten. Manche sinnvoll, manche einfach nur totale Spinnerei. Und vielleicht auch ein oder zwei, die dir weiterhelfen."
Noch lächelte sie nicht, aber in ihren Augen war schon wieder der warme Ausdruck erschienen.
Mit einem Mal wünschte ich mir ihr Lächeln zurück. Es war falsch gewesen, sie anzuschreien. Auch wenn sie definitiv mehr wusste, als sie zugeben wollte.
Diese Erkenntnis traf mich wie ein Faustschlag mitten ins Gewissen.
Selma wusste doch etwas. Sie wollte es mir einfach nur nicht zu leicht machen.

Wenigstens hatte ich jetzt die Möglichkeit, der Lösung wieder näher zu kommen. Mit ziemlicher Sicherheit würde in ihren „Geschichten" irgendwo ein Hinweis versteckt sein.
Und ein Hinweis war immer noch besser als nichts.

Mein Blick flog zu der Tür, hinter der meine Freunde schliefen. Sie war noch einen Spalt breit offen, dennoch hatte ich anscheinend niemanden von ihnen aufgeweckt.
Konnte ich es mir leisten, Selmas Geschichten zu hören?
Die Tür hätte ich im Blick. Das Fenster im Raum war zu klein, als dass dort ein Mensch durchgepasst hätte und in dem Raum selbst hatte sich ebenfalls keiner versteckt, dies hatte Astrid gleich als erstes mehrfach und äußerst penibel überprüft.
„Darf ich sie hören?"
„Dann solltest du dich lieber setzen. Und mach doch bitte dein Schwert aus, nicht, dass du hier noch etwas in Brand setzt."
Auffordernd deutete sie zu dem mit Schnitzereien verzierten Tisch.

Kaum saß ich, nahm auch sie Platz und platzierte mehrere Kerzen auf dem Tisch. Ich konnte mich nichtmal wundern, wo sie die herhatte, da hatte sie diese auch schon mithilfe ihrer ersten Kerze angezündet.
„Also, irgendwelche Wünsche? Tee?"
Schmunzelnd betrachtete sie, wie ich ein wenig verwirrt mein Feuerschwert einfuhr.
Mit ihrer plötzlichen Euphorie hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
„Äh... nein, danke."
Bei dem Gedanken daran, was vorhin passiert war, nachdem sie uns Tee angeboten hatte, wurde mir mulmig zu mute.
Selma schnaubte.
„Weißt, eigentlich ist es meine Schuld, dass die Situation so eskaliert ist. Man müsste doch meinen, dass ich es langsam mal gelernt hätte..."
Sie unterbrach ihren Monolog kurz und schüttelte über sich selbst den Kopf.
„Aber weißt du, manchmal ignoriert man Gelerntes, in der Hoffnung, dass es nicht zutrifft. Weil man es selbst nicht wahrhaben möchte."
Wieder legte sie eine Pause ein und schien geistig in Erinnerungen versunken zu sein. Erst als ich mich nach einigen Minuten des Schweigens räusperte, kehrte sie blinzelnd in de Gegenwart zurück.
„Ich hatte wohl gehofft, dass ihr mir nicht zutrauen würdet, euch wirklich zu vergiften. Dabei wusste ich die ganze Zeit über, dass meine Hoffnung enttäuscht werden würde.
Ich wollte es einfach nur nicht wahrhaben...

Manchmal sollte man die Wahrheit jedoch einfach akzeptieren, anstatt verzweifelt versuchen, sie zu widerlegen.
Und auch wenn man denkt, man kenne die Wahrheit mich, meist haben wir sie tief in uns drin schon seit einer Ewigkeit erkannt. Das Bewusstsein verdrängt sie einfach nur, weil es noch immer an der alten Wunschvorstellung festhält."

Still sah ich den Kerzenflammen beim Flackern zu. Die Worte meiner Gastgeberin schallte in meinem Kopf hin und her, wurden zu Echos und dann wieder zu Schreien.
In ihnen steckte so viel Wahrheit.
So viel bittersüße Wahrheit.
Welch Ironie, dass sie mir etwas über die Wahrheit erzählte, während ich nach Antworten fragte.
Und Selma ließ mir die Zeit, die ich brauchte, um den Sinn ihrer Worte zu realisieren. Fast so, als wüsste sie, was in meinem Kopf vor sich ging.
Nach weiteren Minuten des gegenseitigen Anschweigens fuhr Selma schließlich fort.

„Ich habe dir Geschichten versprochen. Wenn du willst, erzähle ich dir jetzt eine über Wahrheit, Vertrauen, Freundschaft und vor allem über Rache."
Ich sah von den Kerzen zu Selma.
Die alte Frau hatte sich leicht vorgelehnt, das Licht der Kerzen flackerte über ihr Gesicht.
Ich nickte.

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Wieder einmal ein Bild aus dem Internet.

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