∞ 16 Wirst du mir weh tun?

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Es war Früh morgens, Aiden und ich waren wieder mit den Krebsen schwimmen gegangen.
Ich hatte die meiste Zeit auf unserem Kuss Felsen gesessen und hatte mir alles wichtige notiert.
Dabei musste ich Aidens grüne Augen im Nachhinein wieder aus der Liste streichen, aber es war es wert gewesen, so genau hin zu sehen.
Denn er war glücklich gewesen, so leicht und sorglos. Er sah jünger aus als sonst. Und auch wenn er eher durch das Wasser watete als schwamm, wegen seinem verletzten Arm, war er trotzdem unwiderstehlich heiss.
Gegen Ende unserer Reise mit den Krebstieren, hatte er sich auf den Felsen neben mir geschwungen und mich unbeschwert umarmt.
Dabei war ich natürlich klatsch nass geworden, aber ich war zu sehr damit beschäftigt gewesen, die Hormone in meinem Körper im Zaum zu halten, um ihm nicht gleich um den Hals zu fallen.
Kurz hatten wir da gesessen und nicht geredet.
Aber da war mir klar gewesen, dass ich nicht wieder weg von hier wollte.
Ich hatte Angst dass sich wieder alles zum Alten verändern würde, sobald wir im Bus sassen.
Dass für ihn dann die beiden Tage weg radiert waren und ich bloss ein weiteres Mädchen gewesen war, welches auf seinen stechenden, geheimnisvollen Blick herein gefallen war.
Augerechnet ich, die sich unterdessen so viele gute Strategien dagegen entwickelt hatte. Doch bei ihm hatte keine geholfen.
Und ich wusste, dass er nicht der Typ war, der für ein Mädchen plötzlich alles aufgab. Nicht einmal wenn er sie mochte. Er brauchte viel mehr Freiheit.
Fragen wollte ich ihn das aber nicht, denn wenn dem nicht so war, würde ich vielleicht alles Kaputt machen was wir hatten.
Aber was hatten wir überhaupt?
Diese zwei Tagen hatten sich angefühlt wie das Leben in einer Seifenblase. Der gestrige Vorfall hatte sie dann aber zum platzen gebracht. Was ich damit aber hatte ausdrücken wollen war, dass Aiden vielleicht nur hier so nett zu mir war.
Das hier waren schliesslich Ferien, aber nun kamen wir bald zurück in die Realität. Dort hatte ich womöglich einen Polizisten getötet und die Gang Geschichte umfasste noch immer viel mehr als man mir sagen wollte.
Hier hatten wir uns geküsst, ohne einander dann zu meiden, hier hatte ich ihn lachen sehen.
Mit mir.
Aber wie würde er sich verhalten, wenn wir zurück waren.
Ich beschloss diesen Moment zu vergessen, und wenigstens diese kurze Zeit noch zu geniessen, die wir zusammen hatten.
Auch wenn er nie aussprach was das hier nun zwischen uns war, war es mir viel zu wichtig, als Gewissheit dafür zu verlangen.
Er hatte gemerkt dass ich nachdenklich geworden war, doch ich war ihm so lange ausgewichen, bis es Frühstück gab.
Dort hatten wir uns zusammen gesetzt, und kurz hatte ich die Hoffnung, dass dieses Verhältnis hier auf der Insel doch nicht so einmalig war.
Ansonsten würde er doch kaum in der Öffentlichkeit neben mir sitzen, wenn er das was in den letzten Tagen passiert war nicht ein kleines bisschen Ernst meinte. Oder?
Seine Schulter machte noch immer Probleme, weshalb er auch nur die Gabel benutzte.
Die meisten Leute hatten uns entgeistert angestarrt, als wir uns einen Tisch freiwillig teilten und wunderten sich bestimmt, wieso wir uns nicht schon längst an die Gurgeln gegangen waren.
Doch die Antwort, die sie sich gaben, war wohl immer das neue "Bündnis", und so liessen sie uns in Ruhe.
Vielleicht war es ja auch für Aiden nur das Bündnis, das ihm einen freieren Umgang mit mir erlaubte, ohne sich ständig vor Jake verantworten zu müssen.
Auch darüber hatte ich nachgedacht, dafür hatte ich lange Zeit gehabt. Die ganze Nacht lang, während ich an Aidens Brust gekuschelt dagelegen hatte.
Etwas war in der Vergangenheit zwischen Jake und Aiden vorgefallen.
Die anderen wussten es auch, aber mir wollte niemand etwas sagen, egal wie sehr ich ihn ausquetschte.
Also nahm ich es hin, mit der einfachen Erklärung dass ich für beide Seiten wichtig genug war, um sich an das Bündnis zu halten.
Die Gruppen der Jungs hatten heute Morgen zusammen Fussball gespielt, es schien plötzlich alles so viel lockerer zu sein, was die Verhältnisse der neu entstandenen Gang betraf.
Wir hatten noch keinen Namen, soweit ich wusste und auch gab es ab und zu noch einige feindliche Blicke. Ich hatte mir schon gedacht, dass es lange dauern würde, zu einer Gemeinschaft heran zu wachsen, aber es war ein guter Anfang.
Jake war kurz an uns vorbei gegangen, aber abgesehen davon dass er Aiden mit einem warnenden Blick bedacht hatte und mir liebevoll zugezwinkert hatte, war er in aller Ruhe zu Leonie und den Jungs an den Tisch weiter gesessen.
"Was sollte denn der Blick?"
Ich sah fragend zu Aiden, der gerade fleissig seine Meeresfrüchte ass, und dann grinsend den Kopf hob.
"Ich schätze etwas in der Art wie: Tu ihr weh und ich bring dich um."
Meine Mundwinkel zuckten nach oben, ja das konnte ich Jake auf jeden Fall zutrauen.
"Und?"
Ich hob den Blick wieder, meine Gedanken kamen mir wieder in dem Sinn.
"Und was?"
Aiden stach die Nächsten Schrimps auf die Gabel und bedachte mich mit einem seiner glühenden Blicken, die mich schwach werden liessen.
Aber nun überdeckte Zweifel meine Sichte.
Es war mir noch nie einfach gefallen, jemandem zu vertrauen oder mich ihm zu öffnen, erst recht nicht wenn mein Bruder da früher mit drin gehangen hatte.
Aber vielleicht sollte ich es dieses Mal tun, er war mir wichtig, das sagte doch alles.
Aber dennoch konnte ich die Gewohnheit nicht ablegen, überall nach einer Falle zu suchen, von denen es in meinem Leben schon so viele gegeben hatte.
"Wirst du es tun?"
Aidens leuchten in den Augen verblasste und er liess die Gabel sinke.
Ich wusste nicht ob er sich unsicher war, ob er erzürnt über meinen Zweifel, oder einfach erstaunt war.
Auf jeden Fall antwortete er nicht und sah mich lange und intensiv an.
Sein Blick war so stechend, als könnte er tief in mich hinein sehen.
Vielleicht wusste er es selbst nicht.
Nach einer Weile wandte ich den Blick ab und liess ihn über seine Schultern schweifen. Es tat weh, dass er nichts sagte und ich wollte nicht, dass er es in meinem Blick erkannte.
Sogleich bekam ich ein schmerzendes Zwicken in der Magengegend, als ich ihn sah.
Alex.
In mir wallten die gemischten Gefühle auf, die ich mit seinem Anblick in Verbindung brachte.
Die Angst, die mich aufgefressen hatte und die unglaubliche Sorge um Aiden.
Aber all das übertraf etwas anderes, ein Gefühl das ich oft verspürte, wenn einer Person weh getan wurde, die mir was bedeutete.
Wut.
Genau in diesem Moment indem Aiden zum sprechen ansetzte, stand ich so abrupt auf, dass ich die Bank hinter mir anstiess und sie um kippte.
Im Nachhinein bereute ich diese Aktion, da ich niemals hören würde, was Aiden auf dieser Bank zu mir hatte sagen wollen.
Sogleich wanderten die meisten Blicke zu uns und viele der Schüler mussten wohl meinem Blick gefolgt sein. Denn sobald sie Alex entdeckt hatten, der versteift da stand und zu uns starrte, fing das Gemurmel an.
Seine Augen lagen tief in den Höhlen, sein glänzendes Haar war matt und der betrunkene Ausdruck war aus seinen Augen gewichen.
Jetzt war er nur noch ein Junge der dumme Dinge tat, wenn er betrunken war. Aber jetzt musste er dafür gerade stehen. Selbst wenn das hier nur Urlaub für ihn war.
"Jetzt kommt die Abrechnung."
Ich knurrte leise und rauschte wie eine wild gewordene Furie auf Alex zu.
Dieser sah mich bloss geschockt an.
Er wusste jedoch auch dass es sowieso dazu gekommen wäre, also blieb er stehen, während seine Augen mich traurig an sahen. Er hatte anscheinend nicht mal vor, sich zu wehren.
Ich wurde von meiner Wut eingehüllt und sie liess keine Vernunft zu. Ich wollte ihm einfach Schmerzen zufügen für das, was er Aiden angetan hatte.
Ich holte aus und gab ihm eine schallende Ohrfeige.
Sie war so laut dass sie über den gesamten Mittagstisch hallte. Alex taumelte, bevor er die Hand an die rote Wange schlug.
Die gesamte Schülerschaft wandte sich uns zu. Einige schienen eifrig auf mehr Action zu warten, andere wandten sich kurzerhand wieder ab. Aber niemand kam um Alex zu helfen.
Wieso auch?
Er hatte einen von uns verletzt.
Ich war zwar noch nicht lange hier, aber ich wusste dass jede Gang, jede Gemeinschaft in dieser Sache zusammen hielt. Denn das Wort Loyalität bedeutete hier viel. Sehr viel.
Es war genau wie bei einer Familie.
Man konnte sie hassen, sie lieben, mit ihnen streiten oder sich sogar prügeln.
Doch egal was man von ihnen dachte, man verteidigte sie immer gegen Leute von aussen.
Vielleicht war es die Ehre oder der Stolz der Familie, aber es erschien mir richtig. Denn nur Zusammenhalt konnte einem vor der Welt da draussen beschützen.
"Wie kannst du es wagen, hier aufzukreuzen!"
Schrie ich laut. Es juckte mich in den Fingern, ihm noch eine zu verpassen. Damit seine zweite Wange auch rot anlief.
"Er hätte sterben können! Wegen dir!"
Ich beschloss, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen und holt aus. Er hatte es verdient, wenigstens einen Bruchteil des Schmerzes zu spüren, den Aiden wegen ihm hatte aushalten müssen. Doch kurz bevor ich meine kribbelnde Hand erneut auf den verschreckten und völlig überforderten Touristen niedersausen lassen konnte, umfasste eine warme Hand mein Gelenk.
Durch das Kribbeln, das die Berührung hinterliess, wusste ich sofort wer es war.
Aiden umfasste sanft mit seiner grossen Hand die meine und zog sie von Alexs Gesicht weg.
"Komm schon Kätzchen, ich will auch noch ein wenig Spass haben."
Leicht schubste er mich zur Seite, obwohl ich murmelnd protestierte. Mit einem eisigen Lächeln wandte er sich dann Alex zu und blieb ganz ruhig.
„Also."
Meinte er und Alex Augen weiteten sich. Er öffnete den Mund, doch ausser einem leisen „Bitte", kam nichts raus. Aiden hielt wohl nicht viel vom Betteln, seine geballte Faust seines gesunden Armes schnellte ohne Vorwarnung kräftig vor und rammte sich in Alexa Bauch. Den Schmerz der ruckartigen Bewegung konnte ich in seinen Augen sehen, jedoch war sein Gesicht wie versteinert.
Alex krümmte sich, schnappte nach Luft und ging dann japsend zu Boden. Dort krümmte sich und schlug mit der flachen Hand auf den Boden. Als würde er sich ergeben. So machte man das doch beim Boxen, oder?
Doch Aiden schien nicht daran interessiert zu sein, aufzuhören.
Er ging in die Hocke und zog Alexs rotes Gesicht näher zu sich heran.
„Du hast dich wirklich mit dem Falschen angelegt."
Dann richtete er sich wieder auf und stiess Alex mit dem Fuss auf den Rücken. Der schlaffe Körper gehorchte.
Als ich so daneben stand, fragte ich mich, wieso ich handgreiflich geworden war. Gewalt war für mich nie die Lösung gewesen. Und jetzt wäre ich bereit gewesen, immer und immer wieder auf diesen jungen Mann einzuschlagen. Ohne Bedenken. Mein Leben veränderte sich. Und ich mich auch. Doch in keine gute Richtung, wie mir schien.
Aiden war wieder zurück zu seinem Platz getrottet, vorbei an mir, die noch immer dastand wie angewurzelt. Ich starrte nur Alex an und hinterfragte mich und meine anscheinend nicht existierende Moral, wieso ich getan hatte, was ich getan hatte.
Als Alex Kumpanen, die das ganze Geschehen unauffindbar gewesen waren, merkten, dass Aiden es wohl nicht für nötig hielt, weiter auf Alex einzudreschen, tauchten sie wie aus dem Nichts am Mittagstisch auf. Sie knieten sich schweigend und verlegen zum schlapp daliegenden Jungen hin, der sich mit ihrer Hilfe mit schmerzverzerrtem Gesicht aufrichtete.
Sein Atem ging rasselnd, aber er atmete. Immerhin etwas und mehr als er verdient hätte.
Darauf hin machten sie sich, so schnell wie möglich vom Acker. Der eine stützte ihn dabei so gut es ging.
Der Junge mit den Sommersprossen und dem Aggressionsproblem, der sich also mit Aiden hatte anlegen wollen, würde diesen Urlaub nicht so schnell vergessen.
Ich aber auch nicht.

Den Rest des Mittags verbrachte ich mit Jake.
Er hielt es für nötig mich auszufragen und mir an den Kopf zu werfen, was ich wirklich für den neuen Verbündeten empfand. Schon wieder. Als ob unser Gespräch im Krankenhaus nicht genug gewesen wäre.
Er war mein Bruder und ich hatte ihn endlich wieder. Ich wollte also nichts vor ihm verheimlichen.
Also hatte ich ihm alles erzählt. Weil es sich einfach so gut anfühlte, eine Familie zu haben der man sich anvertrauen konnte. Dabei schlenderten wir am Strand entlang, während alle anderen damit beschäftigt waren, ihre Koffer zu packen und noch ein letztes Mal im Meer baden zu gehen.
Ich erzählte meinem Bruder von meinen gespaltenen Gefühlen für Aiden, den erschreckenden Veränderung meines Inneren und der Verwirrung wegen den neuen Begebenheiten, in denen mir eine so grosse Rolle zukam.
Er hatte erstaunlich brüderlich reagiert. Schon wieder. In solchen Momenten erinnerte er mich gar nicht an ein Gangoberhaupt.
Während ich den heissen Sand unter meinen nackten Füssen genossen hatte, hatte mir versichert,  dass ich so oder so immer auf ihn zählen konnte und das er mich vor allem beschützen würde.
Wovor er mich beschützen wollte, sprach er nicht aus. Doch vermutlich meinte er damit diese andere Gang, die Survivor. Einen Namen, den ich aufgeschnappt hatte. Das war dann wohl die Elite des Untergrunds, wie sie die Jungs oft nannten.
Was ich schön fand war, dass er mich und mein moralisches Dilemma in meinem Inneren nachvollziehen konnte.
Zu Beginn seines neuen Lebens sei es ihm ebenso gegangen. Und er hätte lernen müssen, damit umzugehen. „Du bist stark genug dafür, du wirst daran nicht zerbrechen auch wenn du es vielleicht denkst", hatte er mir liebevoll gesagt und mich dann eher weniger liebevoll ins Wasser geschubst. Trotz dem ganzen Spass fiel mir auf, dass er mir nicht erzählte, wie er überhaupt in dieses Doppelleben gerutscht war.
Als ich ihn danach fragte, wich er damit aus, dass es etwas mit Aiden zu tun hatte, und einigen Dingen die er lieber vergessen wollte. Die nicht mehr länger in sein Leben gehörten und mit denen er nun abgeschlossen hatte.
Er war geschickt darin, das Thema in diese Richtung zu lenken, die er wollte.
Trotzdem, es war ihm wichtig zu betonen, dass er mir nach allem was wir erlebt hatten wieder etwas Freude und Glück gönnte.
Dass besagtes Glück vielleicht etwas mit Aiden zu tun hatte, gefiel ihm nicht. Aber er hatte mir schlussendlich nach langem Quengeln versprochen Nichts zu tun. Ich wollte nämlich selbst herausfinden, was da zwischen Aiden und mir lief und es selbst klären, wenn es jemals zur Sprache kommen sollte. Falls.
Ich fand es stark, wie Jake sich verhielt. Dafür, dass er sich erst gerade mit Aiden verbündet hatte und ihn bis vor einigen Tagen noch aus tiefstem Herzen gehasst hatte, verhielt er sich ihm gegenüber erstaunlich respektvoll.
Trotzdem spürte ich, dass da noch immer etwas war, dass die beiden gegeneinander aufhetzte.
Etwas, was sie nicht vergessen konnten.
Danach waren wir nur noch schweigend den Strand entlang gelaufen und ich hatte es genossen, wie nahe ich mich meinem Bruder fühlte.
Immer hatte ich es mir gewünscht, jede Nacht im Internat hatte ich Jake so unglaublich vermisst. Für eine einzige Umarmung hätte ich alles gegeben.
Und jetzt hatte ich ihn wieder.
Es bedeutete mir so unendlich viel und ich wusste in dem ganzen Durcheinander von Gefühlen bloss etwas ganz sicher: Ich würde immer zu Jake halten.

Als es dann daran ging, das Paradies wieder zu verlassen, erwarteten mich schon meine altbekannten Probleme wieder. Das verhexte Ding von Koffer  sprang mir mindestens zweimal wieder auf, als ich es zum Parkplatz schleppte. Es war fast schon jämmerlich.
Vor Ort wartete bereits derselbe tuckernde Bus, der uns auch hierher gefahren hatten. Es roch stickig darin und die Sitze stanken nach allerlei verschütteten Getränken.
Selbstverständlich war ich die Letzte, die einstieg und Mr. Jones bedachte mich mit einem seiner ausserordentlich enttäuschten Blicken.
Das schmerzte mich sehr.
Als sich der Reisebus mit der halb abgeblätterten Farbe dann in Bewegung setzte, sah ich wehmütig zurück zu dem weissen Strand und dem tiefblauen, klaren Wasser.
Wie gerne wäre ich noch hier geblieben.
Hier schienen all die Probleme zu verschwinden und der Alltag, in den ich mich bald wieder hinein zwängen musste, war so unwichtig.
"Na, hast du mich vermisst?"
Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und wandte den Blick von den Wassermassen ab.
Dann schloss ich lächelnd die Augen, als sich zwei starke Arme um meine Taille legten. Gut sassen wir weit hinten. So bekamen es die Wenigsten mit. Nur Leonie, die neben mir sass und versuchte, peinlich berührt wegzuhören, bekam alles hautnah mit. Und eher unfreiwillig.
"Nein, nicht wirklich."
Aidens Atem strich mir warm über den Hals, als er leise glucksend lachte.
Es erstaunte mich, dass es ihn nicht kümmerte, dass man uns sehen konnte. Irgendwie verursachte das ein Kribbeln in meiner Magengegend. Er schämte sich also nicht dafür, dass er mich mochte. Auch wenn er es so noch nicht ausgesprochen hatte.
"Ach komm schon, wir wissen beide dass es so ist.
Leugnen ist zwecklos."
Ich schnaubte. Mittlerweile hatte ich mich an seine kleinen Spiele gewöhnt.
"Genau wie deine Anmachversuche."
Ich drehte mich zu ihm um.
Ich sah ihm in die tiefgrünen Augen.
Und ich suchte darin.
Suchte nach irgendetwas, das mir half, zu verstehen was das hier war.
„Okay, das ist mein Stichwort. Ich bin dann mal weg.
Leonie quetschte sich bestimmt an mir vorbei und hockte sich etwas weiter vorne hin. Das war vielleicht auch ganz gut so. Denn nun waten wir allein. Trotzdem musste ich flüstern, wenn ich nicht wollte dass alle im Bus auf uns aufmerksam wurden.
"Was passiert jetzt Aiden?"
Platzte es aus mir heraus. Mein Blick schweifte nach vorne, Jake und die Jungs waren in hitzige Gespräche vertieft. Gut.
"Was jetzt passiert? Wir fahren zurück und bald geht unser normales Leben weiter."
Aiden zuckte die Schultern und sah mich mit einem Fragenden Blick an. Er schien wohl nicht zu kapieren, worauf ich hinaus wollte.
"Und wie ist dein normales Leben?"
Hakte ich nach.
Nun schien er zu verstehen.
Er atmete tief ein und richtete sich auf, sodass ich den Kopf leicht in den Nacken legen musste.
Die typischen bösen Jungs würden an dieser Stelle ein Mädchen wie mich kalt abblitzen lassen.
"Jessy, wenn es um die beiden Tage geht..."
Begann er und fuhr sich mit den Händen über das helle Shirt.
Dabei fiel mir auf dass er seine Schulter bereits etwas belastete, auch wenn der Verband deutlich heraus trat.
Ich war in meinem Leben zu oft verletzt worden.
Ich hatte zu viele Leute verloren, die ich nahe an mich heran gelassen hatte.
Vielleicht hätte ich warten sollen.
Ganz sicher hätte ich warten sollen.
Doch das tat ich nicht.
Ich hörte die Worte, ich ordnete sie ein und wusste was sie bedeuten konnten.
Ich hatte falsch gelegen, diese Beiden Tage waren einmalig gewesen.
Bald würde alles wieder wie vorher sein, bloss mit dem Unterschied dass er zwangsläufig freundlich zu mir sein musste, da wir nun zu einer Gang gehörte.
Diese Bezeichnung sollte Leute verbinden, ihnen zeigen wie wichtig es war zusammen zu halten, doch im Moment fühlte es sich an wie ein Gefängnis.
Ich mochte ihn...aber es war nicht richtig, mich in ihn zu verlieben.
Es war nicht echt, bloss eine Phantasie im Urlaub, wo sich jeder gerne dem Unwahrscheinlichen hingab.
Ich leugnete nicht was ich empfand, ich leugnege auch nicht wie viel mir die beiden Tage bedeutet hatten.
Aber ich durfte nicht noch mehr solche Erlebnisse an mich heran lassen.
Denn sonst würde er mir zu wichtig werden.
Und jede Person die mir bisher wichtig war, wurde auf irgend eine Weise verletzt.
Und mit ihr auch ich, also wollte ich das nicht noch einmal.
Und auch an seiner Körperhaltung erkannte ich dass er nicht bereit war für so etwas ernstes. Dass er gar nie sowas gewollt hatte.
Also beendete ich seinen Satz, bevor er es tun konnte.
Es war leichter es zuerst zu sagen, ich konnte mir dann einreden, dass ich es so gewollt hatte.
Ich hatte die Hoffnung dass es dann weniger schmerzen würde.
"Diese beiden Tage waren etwas einmaliges.
Ich weiss. Mir geht es genauso."
Ich zuckte die Schultern.
Meine gleichgültige Maske liess mich nicht im Stich, sie sass perfekt. Immer zur Stelle, wenn ich etwas los lassen musste. Das Verlässlichste auf dieser Welt.
Also tat ich es immer wieder. So wie jetzt, um den Schmerz den die Gefühle bereits in mir verursachten los zu werden. Schmerzen weil die Person die man mochte eine solche Macht über einen bekam, dass sie einen so schwer verletzten konnte, wie es kein anderer tat.
Ich wünschte so sehr, dass meine Geschichte wie jede ablief.
Das Mädchen fand ihren Traumprinzen, der sich zuerst als ihren Feind ausgeben hatte und sie wurden glücklich bis an ihr Lebensende.
Doch was diesen Traum zerstörte war die Realität.
Mein schlimmster Feind, der nicht zuliess, dass mir etwas wirklich lange blieb, was mir etwas bedeutete.
Es waren gar nicht idiotische Arschlöcher von Jungs, es war ich selbst. Ich stand mir selbst im Weg.
Aiden starrte mich nur schweigend an, in seinem Blick konnte ich nicht entdecken wie er dachte oder was fühlte.
Ich bemühte mich darum, gleichgültig herüber zu kommen und schob ihn zur Seite.
Er sah aus als hätte ich gerade ein unschuldiges Kätzchen getreten, doch ich hielt mich zurück, auch wenn ich ihm gerade gerne umarmt hatte.
Er sollte denken, dass er mir nichts bedeutete.
Genauso wie umgekehrt.
Denn so war es für uns beide leichter, denn auch er würde wahrscheinlich etwas Ähnliches gewollt haben.
Ich hob den Kopf, innerlich noch auf eine Reaktion seinerseits hoffend.
Doch ich erwartete zu viel.
Wir kannten uns nicht gut, nicht lange genug vor allem.
Zuerst schien es als wollte er noch etwas sagen.
Sein Mund öffnete und schloss sich wieder.
Doch dann trat sein allbekannter Gesichtsausdruck auf, der kühle Typ, der genauso wenige Leute an sich heran liess wie ich.
Unser Stolz stand uns wohl beidem im Weg.
Der innere Kampf in ihm schien zu enden und ich konnte anhand seiner abweisenden Haltung erkennen, dass es für uns kein Happy End gab.
Dass wir beide nicht bereit waren, es uns selbst einzugestehen, dass wir einander mochten. Und brauchten.
Keiner war bereit, dem anderen etwas zu sagen was ihn verletzlich machte.
Keiner von uns hatte genug Vertrauen gefasst, es wirklich aus zu sprechen.
Und ohne Vertrauen ging es nicht.
Ich hatte mir einfach zu viel eingebildet.
Es waren zwei Tage gewesen, noch nicht einmal annähernd etwas festes. Zwei Tage besiegelten nicht ein Leben.
"Ich sollte also gehen." Setzte ich den Gnadenstoss.
Aidens Unterkiefer mahlte, doch seine Augen hatten sich so weit verdunkelt, dass ich darin Nichts mehr entdecken konnte, was mir weiter half.
"Solltest du."
Er fuhr sich durch die Haare und bewegte den Nacken, als müsste er eine Verspannung zwischen den breiten Schultern lösen.
Ich drehte mich schnell um, sodass er nicht sah wie weh es tat. Ich lief schwankend nach vorne,
Auf meinen Bruder zu. Als Lucas mich sah, schubste er Simon direkt etwas nach hinten, sodass ich neben ihm Platz nehmen konnte.
Er musterte mein Gesicht.
„Alles okay bei dir?"
Fragte er mich und lehnte den Kopf an die Lehne neben mir. Ich spürte Jakes misstrauischen Blick im Nacken. Er wusste dass nicht alles okay war, das spürte ich. Aber die anderen mussten davon ja nichts mitkriegen. Also setzte ich ein schwaches Lächeln auf und nickte einfach.
„Ja, alles ist gut."

Was denkt ihr, wie wird das Leben weiter gehen wenn sie weg von diesen beiden Ferientage sind?
Bleibt gespannt und hoffentlich gefällt euch die Geschichte, auch wenn die Gang erst daran ist, sich zu bilden.
Love
Angora77

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