∞ 17 Startkapital "Black Angels"

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Der Rest der Heimfahrt verlief gut. Wobei gut lediglich „ohne Zwischenfälle" bedeutete.
Die ganze Zeit befürchtete ich, dass die Polizei den Bus anhielt und uns doch noch festnahm. Zwar fuhren einige Streifenwagen auf dem Highway an uns vorbei, doch sie beachteten den runtergekommenen Bus gar nicht. Wenn sie nur wüssten wer sich darin befand. Ich musste schluckten. Ich war vielleicht, oder besser gesagt höchstwahrscheinlich eine Polizistenmörderin. Genau wie die anderen. Das klang surreal aber war leider die Wahrheit. Ich starrte aus dem Fenster an Lucas vorbei.
Der blaue Himmel zischte an uns vorbei. Bald war Hochsommer, das war die schönste Zeit des Jahres.
„Was siehst du?"
Lucas neigte sich etwas vor und strich sich die schwarzen Haare zurück. Er roch gut.
„Nichts", winkte ich ab und bemühte mich, nicht zu auffällig einzuatmen.
„Du bist so still, sicher dass es nichts gibt, was dich beschäftigt?"
Hakte Lucas vorsichtig nach und musterte mich aus seinen Wasserblauen Augen. Dabei hatte er die markanten Lippen zu einem Lächeln verzogen.
Simon hatte sich, nachdem mir Lucas Platz gemacht hatte, beleidigt verdrückt. Und dad war mir auch ganz recht, denn so konnte ich offener mit dem Typen neben mir sprechen.
„Um ehrlich zu sein, beschäftigt mich der Vorfall im
Krankenhaus sehr."
Spuckte ich es aus. Lucas bedeutete mir, leiser zu Flüstern. Dann näherte sich sein Kopf meinem. Verwirrt und überfordert starrte ich ihn an. Mir war nicht klar, was er damit beabsichtigt hatte, bis er anfing zu sprechen. Achso, er wollte nur, dass uns niemand hörte.
„Ich kann mir vorstellen dass es für dich ein Schock war, das alles erleben zu müssen. Aber ich sage dir, besser du verteidigst dich, als kampflos aufzugeben."
Ich kaute auf meiner Lippe rum. „Bei dir klingt das so endgültig. Als wäre es die einzige Lösung, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen."
Er schnaubte leise und verächtlich.
„Ich wünschte ich könnte deinem Idealismus eine Chance geben, aber Träumen ist nur etwas für reiche Leute. In unserem Leben sollten wir immer der Realität in die Augen sehen."
Er legte seine Hand auf meine.
„Weil wenn wir das tun, können wir nicht mehr überraschr werden. Weil wir bereits mit allem gerechnet haben."
Ich schüttelte resigniert den Kopf.
„Aber ist das Leben so lebenswert? Gegenüber allen zu jedem Zeitpunkt misstrauisch zu sein? So kann man doch nicht richtig leben."
Ich versuchte zu ignorieren, dass sein Daumen sanft über meinen Handrücken strich.
Ich wusste schlicht nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich wusste ja, dass Lucas mir gefiel und ich nicht abgeneigt war. Aber da fehlte dieses Kribbeln, diese Anspannung in meinem Innern, wenn ich ihn sah. Dieses hypnotisierende Gefühl hätte ich nämlich nur bei Aiden. Und das musste doch irgendwas bedeuten.
Trotzdem, ich wollte meine Hand nicht wegziehen, wenn ich nicht wusste wie Lucas dann reagieren würde. Ich mochte ihn zu sehr, um ihn zu verlieren.
„Wir misstrauen ja nicht jedem. Wir vertrauen unserer Gang, unserer Familie. Das gibt einem genug Kraft, um es mit der ganzen Welt aufzunehmen."
Er zwinkerte und versuchte wohl, das ernste Gespräch etwas aufzulockern. Gelang so mittelmässig.
„Denkst du, sie werden uns finden? Immerhin sucht die Polizei ja sicher nach den Schuldigen für die Verfolgungsjagd?"
Lucas zuckte die Schultern.
„Das ist das Risiko, ja. Man kann sich nie sicher sein. Aber ich denke nicht, dass uns Gefahr droht."
Ich verzog das Gesicht.
„Ah nein? Die Justiz ist doch eigentlich immer ziemlich ausdauernd. Sie findet einem immer."
Lucas schüttelte den Kopf und eine lange Haarsträhne fiel ihm über die Wange, kitzelte seine Lippe.
„Das versuchen sie uns zumindest in den Filmen weiss zu machen. In Wahrheit sind die Bullen völlig überlastet. Die Rate der Verbrechensaufklärung ist nicht halb so hoch, wie die behaupten."
Ich war nicht überzeugt, aber Lucas lebte schon länger in den Bronx als ich, er würde schon einiges mitbekommen haben, wenn er so überzeugt davon sprach.
„Hm, und mit diesem täglichen Risiko wollt ihr alle jetzt einfach leben?"
Er sah mich seufzend an.
„Was willst du sonst tun? Dich stellen und deine Freiheit freiwillig aufgeben?"
Ganz bestimmt nicht. Ich senkte den Blick, weil ich darauf keine Antwort wusste.
Es war ein Teufelskreis. Und ich befand mich mitten drin. Dann kam mir ein anderer Gedanke.
„Kann ich dich was fragen? Was persönliches."
Er lehnte sich entspannt zurück.
„Kommt drauf an."
Ich drehte mich auf dem Sitz mehr zu ihm. Er legte den Kopf etwas schief um mich besser im Blick zu haben.
„Spucks aus, Jessy."
Meinte er und grinste schief.
„Die Narbe, die du auf der Brust hast. Woher hast du die?"
Er reagierte nicht und sah mich nur weiter an. In seinem Blick war ein Wirrwarr an Gefühlen zu sehen. Dann atmete er langsam aus.
„Deine Blicke sind wohl überall was", witzelte er, doch es klang gar nicht spassig. Eher missmutig.
Ich sagte nichts und gab ihm die Zeit die er brauchte.
„Die Narbe ist von meinem Vater."
Hatte ich es mir doch gedacht.
„Er war echt schlimm. Ich hatte einiges abbekommen, aber das Meiste blieb an meinem Bruder hängen."
Er spielte mit dem metallenen Ring an seiner Hand und wandte den Blick von mir ab.
„An diesem Abend hatte ich scheisse gebaut, keine Ahnung mehr was es war. Es kam oft vor, dass ich Mist baute. Doch dieses mal hatte er mich erwischt. Er war betrunken und hat sich ein Küchenmesser geschnappt."
Meine Augen weiteten sich und ich legte mir langsam die Hand vor den Mund.
„Das ist...ja schrecklich."
Flüsterte ich und seine Züge verhärteten sich.
„Er hätte mich getötet. Doch mein Bruder warf sich noch im letzten Moment dazwischen und so ritzte das Messer nur meine Haut und etwas Fleisch auf. Das war das letzte Mal, dass mein Bruder nach Hause gekommen war."
Ich runzelte die Stirn.
„Wie meinst du das?"
Fragte ich vorsichtig.
„Er war alt und stark genug, um sich unserem Vater entgegen zu stellen. Er hat ihn als Rache so krass verhauen, dass er ohnmächtig wurde. Dann hat er mich ins Spital gefahren und angekündigt, auszuziehen."
Er holte tief und zitternd Luft.
„Das tat er auch. Danach sah ich ihn nur noch wenige male, wenn er vorbei kam um mich zu sehen und sicher zu stellen, dass ich keine neuen blauen Flecken hatte. Und irgendwann war er einfach weg."
Er verzog schmerzhaft die Lippen.
Es war schrecklich, den eigenen Eltern nicht vertrauen zu können. Das waren doch eben die Personen, die einen blind lieben sollten. Und wenn sie es nicht taten, wen hatte man denn noch? Lucas hatte seinen Bruder gehabt. Ich verstand, wieso er sich so sehr an die Vorstellung klammerte, dass er noch lebte.
„Es tut mir leid."
Sagte ich leise und drückte seine Hand leicht. Er straffte die Schultern.
„Muss es nicht. Ich werde ihn schon noch finden. Ich weiss, dass er noch lebt."
Ich nickte nur. Ich hoffte es von ganzem Herzen.
Lucas war ein guter Typ. Vielleicht war es ganz gut, wenn ich mich mehr auf ihn konzentrierte statt auf Aiden, der meine Gefühle nicht erwiderte. Nicht dass ich sie ihm jemals gestanden hätte. Hell no.

Für den Rest der Fahrt hüllten wir uns in Schweigen. Aber es war gar nicht unangenehm.
Mr. Jones hatte von allen die Berichte eingefordert, die wir mehr oder weniger sorgfältig per Hand auf die Seiten gekritzelt hatten.
Wenn er nur wüsste was alles nicht im Bericht stand. Ich musste schlucken und sah vor meinem inneren Auge nochmals Aiden und mich. Im Meer, unsere Körper eng aneinander gepresst und seine Hände an meinem Rücken. Ich schauderte und verdrängte die Gedanken.  Aber unser Bericht würde wohl keine all zu gute Note geben, die meiste Zeit hatten wir ja anders genutzt.
Der Bus hielt an. Wir waren da.
Nachdem unser Lehrer uns einem langen Vortrag über unsere, nun gestärkte Gemeinschaft, gehalten hatte und einige sich darüber lustig gemacht hatten, wie wenig er wirklich wusste, liess er uns gehen.
Kurze Zeit später sass ich auch schon auf dem Beifahrersitz von Kenan' s Wagen, und hatte den Kopf an die kühle Scheibe gepresst.
Das Auto hatte die ganzen zwei Tage am selben Platz gestanden. Umringt von hunderten anderen parkierten Motorrädern und Autos. Niemand hatte es gesucht oder gefunden. Das hiess aber auch, dass sich das Auto stark erhitzt hatte, über die Zeit die es der prallen Sonne ausgesetzt gewesen war.
Es war so heiss, dass sich die schwarzen Polster der Sitze so sehr erhitzten, dass es mich an den Beinen brannte.
Grosszügig wie er war, hatte Lucas mir angeboten, auf seinen Schoss zu sitzen, was ihm allerdings einen warnenden Blick von Jake's Seite eingebracht hatte.
Ich hatte nur leise gelacht. Ich mochte es, dass er keinen Hehl daraus machte, dass er durchaus an mir interessiert war. So wusste ich wenigstens, woran ich war.
Nicht so wie bei anderen Personen, die immer eine Arschloch-Nummer durch ziehen mussten, wenn man ihnen auch nur einen Ticken zu nahe kam. Ich glaube jeder verstand, wen ich damit angesprochen hatte.
Gerade stritten sich Simon und Sam darüber, ob wir lieber an ein Football oder Fussballspiel gehen sollten und rissen mich aus meinen Gedanken.
Dass wir eigentlich Schule haben würden, interessierte sie nicht sonderlich, was in mir den Verdacht weckte, dass sie sowas schon öfters getan hatten. Und das obwohl das Abschlussjahr eigentlich wichtig für sie war. Nicht alle Jugendlichen aus den Bronx bekamen die Möglichkeit auf einen Abschluss wie wir sie hatten.
Ich verdrehte genervt die Augen und beobachtete einen kleinen Supermarkt, direkt vor uns an der Kreuzung, vor der wir mit ratterndem Motor auf grünes Licht warteten.
Dem rot leuchtenden Neonschild, fehlten einige Buchstaben, und einige Jungs lümmelten auf der dreistufigen Treppe zum Eingang herum.
Tiefsitzende Hosen, Shirts die als Röcke durchgehen konnten und caps die sie sich tief ins Gesicht gezogen hatten.
Das war die Generation der Möchtegern-Gangster.
Die hatten aber keinen blassen Schimmer davon, was im Untergrund wirklich ablief. Na gut, wirklich viel wusste ich auch nicht darüber, aber ich stand auch noch am Anfang und musste mich in die ganze Sache noch eingewöhnen.
Die Fenster des Ladens waren nicht geputzt und die automatischen Türen waren in der Hälfte blockiert.
Doch das war es alles nicht, was mich schockierte.
Einer von ihnen, diesen Lümmeln, stand vor einer Pinnwand, und daran war ein Blatt aus einer Zeitung angenagelt, die Ränder unordentlich angerissen.
Ich konnte die kleine Schrift nicht erkennen, aber bei näherem Hinsehen konnte ich ein Bild von dem Wachmann aus dem Spital ausmachen, der für die Zeitung posierte.
Darunter waren mit rotem, dicken Stift zwei Worte geschrieben. Und die konnte ich selbst aus dieser Entfernung sehr wohl lesen.
"Black Angels."
Was die Worte bedeuteten wusste ich nicht. Aber da der Wachmann aus Long Island war, konnte auch die Zeitung nicht von hier stammen. Das hiess, jemand musste sie von dort hierher gebracht haben. Und wir waren es nicht, da wir erst gerade angekommen waren. Aber wer war noch in Long Island gewesen? Und noch wichtiger, wieso legte er ausgerechnet auf diesen einen Artikel so viel wert, um ihn in der Öffentlichkeit aufzuhängen? Vielleicht sogar mit der Absicht, dass wir es entdeckten? War das paranoid oder hatte uns womöglich wirklich jemand verfolgt? Es machte mir Angst. Falls dem wirklich so gewesen war, hatte ich es nicht ein einziges Mal bemerkt.
Mein erster Verdacht fiel natürlich auf die Survivor, die, wenn sie wirklich so schlimm waren, uns vielleicht eins auswischen wollten. Und ausserdem hätten sie sich wahrscheinlich als Einzige so viel Mühe geheben, uns den Artikel hierher zu schleppe .
"Ach du scheisse", entfuhr es mir etwas verspätet.
"Ne alter lass mal, der Quarterback hat's nicht drauf.
Gib' s endlich zu."
Energisch schüttelte Sam den Kopf.
"Pf, ist mal besser als einem Ball nachzurennen und sich bei jeder Möglichkeit auf den Boden fallen zu lassen."
Ich sah sie fassungslos an, und musste zu härteren Massnahmen greifen, wenn ich wollte das sie zu hörten.
"Jungs haltet eure verschissenen Klappen!"
Fuhr ich beide an, was sonst eigentlich nicht meine Art war. Das wirkte und sie verstummten wie kleine Fische.
Na endlich.
Ihre Aufmerksamkeit war voll auf mich gerichtet.
"Halt an Kenan."
Der Benannte trat auf die Bremse und fuhr rechts ran. Das mochte ich so an unserer Gruppe. Niemand fragte nach oder diskutierte darüber. Sie taten es einfach weil sie wussten, dass ich meine Gründe hatte.
Er hielt genau vor den Supermarkt auf einem der schmuddeligen Parkplätze.
Ohne ein Wort stiess ich die Tür auf und lief mit schnellen Schritten zur Pinnwand.
Dabei kickte ich eine Dose weg, die auf die Strasse rollte und von dem Verkehr ins Unendliche zerfetzt wurde.
Im Gegensatz zum Wagen war es ein echter Kälteschock hier draussen und mit einem Kalten Schauer auf dem Rücken nahm ich die drei Stufen auf einmal.
Ich stiess den Jungen unsanft zu Seite, der mir den Weg versperrte und riss das Blatt hastig ab.
"Hey, was soll das? Du kannst doch nicht einfach..."
Ich machte eine harshe Bewegung als Zeichen dass er schweigen sollte. Für so etwas hatte ich jetzt keine Zeit. Er sollte mich gefälligst in Ruhe lassen, oder es warteten fünf angepisste Männer im Auto auf ihn.
Von meinem Befehl war er so verwirrt, dass er tatsächlich mit einigen Beschimpfungen zu seinen Jungs zurück kehrte.
Ich sah mir den Artikel an und überflog die Zeilen.
Er hatte uns nicht genau erkannt, es schien aber eine Täterbeschreibung zu geben, die auf eine aufsteigende Gang hindeutete. Organisierte Kriminalität, nannten sie es. Anscheinend hatten die Bullen aufh den falschen Namen unter dem Aiden eingeliefert wurde geknackt. Und das musste natürlich berichtet werden.
Unter dem Titel mit rotem Stift, stand noch mehr.
"Ihr wollt in die Elite?
Hier ist das Startkapital."
Ich verstand es nicht, doch was ich mit Sicherheit wusste war, dass unsere neue Gang wohl gerade ein Stück bekannter geworden war. Zumindest hier in den Bronx.
Und das wahrscheinlich nicht unbedingt nur im positiven Sinne.
Ich stürzte zurück zum Auto und schlug die Tür hinter mir unsanft zu.
Kenan verzog das Gesicht, doch es tat mir keineswegs Leid, seinem Baby weh getan zu haben. Es war ja sowieso geklaut.
Ich mochte Autos.
Aber nur für eine schnelle Fahrt.
Wie sie aussahen interessierte mich nicht sonderlich, solange sie was unter der Haube hatten.
Nicht sehr Mädchenhaft. Ich weiss.
Aber wenn die Karosserie passte hatte ich natürlich auch nichts dagegen.
Ich drehte mich auf dem Sitz nach hinten um
Und hielt Jake das Blatt vors Gesicht. Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich abrupt.
Die Anderen quetschten sich über den Artikel und nach einer Weile ergriff Jake das Wort.
"Black Angels.
Das passt erschreckend genau."
Jake mahlte mit dem Kiefer. Ich sah Abscheu und schäumende Wut in seinen Augen. Doch ich wusste nicht, wieso.
"Lassen wir uns auf ihr Spiel ein."
Schlug Kenan vor und deutete auf den Namen.
„So zeigen wir ihnen, dass wir keine Schisser sind."
Zögernd blickte der Rest zu Jake.
Dieser nickte langsam und ballte die Fäuste.
"Gut. Dann seines so. Ab heute sind wir die Black Angels."
Mir waren bei dem Namen die Blicke meines Bruders nicht entgangen. Sie waren geheimnisvoll und doch so bitter. Als würde ihm der Name gar nicht so fremd sein. Aber selbst wenn ich nachfragen würde, würde er es mir nicht verraten. Das wusste ich nur all zu genau.
"Welches Spiel?"
Fragend sah ich in die Runde.
"Die Survivor haben sich mit den Worten des Startkapitals über uns lustig gemacht.
Für sie sind wir noch keine Konkurrenz. Sie meinen, uns zu kennen und das zeigen sie uns hiermit."
Jake wedelte mit dem Stück Papier bevor er es zerriss. Dabei war er so verspannt dass er gegen das Lenkrad stiess und kurz hupte.
"Aber wenn wir uns auf das Spiel einlassen, dann wird es mehr als nur eine kleine Prügelei an einer Schule geben," merkte Kenan an und startete den Motor wieder, bevor er sich in den Strassenverkehr einreihte.
Die anderen nickten betreten.
"Also ihr wollt das echt durchziehen? Ich meine ist es eine gute Idee sich gleich mit dem König anzulegen?"
Bezweifelte ich und Lucas grinste verstohlen.
"Es ist die beste Idee."
Verwirrt schüttelte ich den Kopf.
"Aber ich bin doch noch nicht bereit für sowas...ich meine wie soll ich mit all dem klar kommen?"
Leon zuckte die Schultern.
"Du bist jetzt eine Black Angel. Das wirst du schon hinkriegen."
Ich atmete langsam aus, das hörte sich nicht nach einer gewissen und geordneten Zukunft an.
"Und wenn nicht? Wenn ich dabei draufgehe?"
Lucas musterte mich aufmerksam.
"Das tust du nur wenn wir alle sterben. Du wirst dich schon noch daran gewöhnen. Und sonst solltest du jetzt noch aussteigen. Denn danach kannst du es nicht mehr tun."
Kurz zögerte ich. War ich bereit für so viel Brutalität? Zweifellos hatte ich mir sowas nie gewünscht. Aber meine ganzen Freunde und vor allem mein Bruder waren teil davon.
Ich konnte also nicht einfach nein sagen.
Und so fasste ich einen Entschluss der den Weg für eine lange Geschichte ebnete.
"Ich bin dabei."
Dabei warf ich Jake einen halbwegs tapferen Blick zu.
Jake schien ihn zu deuten und nickte mit schräg gelegtem Kopf.
"Na dann, kleine Schwester.
Willkommen in deinem neuen Leben."

Die nächsten Tage ging ich nicht zur Schule. Ich liess mich krank melden. Jake ging ebenfalls nicht hin. Jedoch ohne irgendeine Entschuldigung.
Es schien auch keinen zu stören. Anscheinend schwänzten viele der Jungs oft sogar tagelang.
Es war nicht zu übersehen dass für sie andere Prioritäten an erster Stelle standen.
Und wie sie sich dennoch durch all die Tests mogelten, war mir unerklärlich. Aber Jake hatte mir versichert, es würde niemand Fragen stellen. Was auch immer das bedeuten mochte.
Ich genoss die Zeit mit ihm zu zweit im Haus rum zu lungern. Zusammen zu kochen, Filme zu sehen und zu reden.
Er liess den grossen Bruder zwar generell etwas zu sehr raushängen, aber diese Zeit zu Zweit war einfach unbezahlbar.
Ich hatte ihn sogar überzeugen können, mir das Kämpfen beizubringen. Oder besser gesagt die Grundlagen. Ich stellte mich geschickt an, weswegen ich sehr zufrieden mit mir selbst war. Selbst wenn wir nur auf schmalen Matten mitten im Wohnzimmer trainierten. Wer nicht schnell lernte überlebte nicht. Einfache Regeln der Strasse.
Ich hatte zudem erfahren, dass diese Leute mit den Tatoos zu einer der berüchtigtsten Gangs gehörten, die es in New York gab. Den Survivors, deren Namen schon einige Male gefallen war.
Schon immer waren sie im Krieg mit kleineren Banden gewesen, die es wagten im Untergrund zu erscheinen und sie herauszufordern.
Denn dort herrschten sie, sie waren die unangefochtenen Könige unter den Kriminellen hier in diesem Viertel der Stadt.
Doch nun stellten wir, seit sich unsere Gangs zusammengeschlossen hatten, wohl eine grössere Gefahr dar als all die kleinen Gangs die sich sonst noch so auf der Strasse tummelten.
Ich wusste nun auch, dass unsere Gangmitglieder sich überall befanden. Der innerste Kreis waren wir uns Aidens Gruppe. Doch der Rest unserer Mitkämpfer war in der ganzen Stadt verteilt, und sie alle gehörten zu uns.
Ich hatte bloss immer den Kopf des Eisbergs gesehen. Die Massen unter Wasser waren mir entgangen.
Aber dasselbe galt auch dann wohl auch für die Survivor. Nur konnte man ihre Leute anhand eines Totenkopfs am linken Handgelenk identifizieren.
Jake wollte mir nicht sagen, wieso er den Namen der auf dem Blatt gestanden hatte angenommen hatten, doch ich war mir sicher, dass es etwas mit dem Geheimnis zu tun hatte, welches er und Aiden früher so arg verfeindet hatte. Daran, Aiden zu fragen dachte ich nicht mal. Ich würde ihn schön meiden, um weiteres Stechen in meiner Seele zu vermeiden. Aber tief in mir drinnen wusste ich, dass ich das erstens gar nicht wollte und zweitens sowieso früher oder später mit ihm in Kontakt kam. Schliesslich sollte ich ja jeweils für einige Tage bei Leonie und ihm übernachten.
Das übergeordnete Problem war nun aber, dass wohl auch bald die ortsansässige Polizei auf uns aufmerksam werden würden, vor allem wenn unsere Gang weiter wachsen sollte.
Bei den Survivors konnten wir uns vorbereiten auf das was kam und die Jungs wussten, wie sie vorgehen mussten.
Doch die Polizei war anders.
Ich hatte gehört, dass nach einem anonymen Brief an die Bullen die Black Angels von ihnen nun sogar öffentlich als gefährliche organisierte Bande betitelt wurde.
Dazu kursierte noch ein ziemlich unschönes Gerücht. Die Polizei hatte einige Schnüffler auf uns angesetzt. Um das Problem auszumerzen, bevor es überhaupt entstand, wenn man es so sagen wollte.
Ich war mir allerdings ziemlich sicher, dass unsere Mitglieder loyal genug waren, nicht dem erstbesten Cop alle Geheimnisse zu erzählen.
Sie rochen Bullen hundert Kilometer gegen den Wind, wie Leon es so schön bezeichnet hatte.
Doch ob an diesem Gerücht überhaupt was dran war, wusste ich nicht.  Es konnte gut auch bloss wieder ein Einschüchterungsversuch der Survivor sein, weil wir ihr Startkapital besser genutzt hatten, als gedacht.

Jake war oft aus, wenn er zurück kam erzählte er mir von geheimen Orten überall in den Bronx, an denen sie trainierten, Dinge besorgten und Waffen lagerten.
Aus Tagen wurden Wochen, an denen ich nur ab und zu in der Schule auftauchte. Trotzdem bekam ich keine Probleme. Wie Jake es gesagt hatte. Und Prüfungen musste ich ja auch keine schreiben. Im Gegensatz zu Leonie, die mich deswegen nicht mehr all zu Oft sah. Aber wir chatteten dafür oft.
Ich lernte viel, von den besten Ecken der Stadt bis zu den besten Dealern der Bronx. Vorausgesetzt sie gehörten uns an.
Langsam begann ich in das Geschäft einzusteigen. Ich lernte die Konkurrenz kritisch zu begutachten und wurde besser im Nahkampf. Ich hatte es sogar geschafft, mir mit täglichen Workouts einige Muskeln anzutrainieren. Weil ich wirklich keine Schwachstelle sein wollte. Ich wollte genauso gut werden, wie alle anderen.
Es war mir nicht schwer gefallen, stolz auf unsere Gang zu sein. Sie war für mich eher sowas wie eine entfernte Familie.
Hier war man vereint und half einander, sowie Lucas und Kenan, die einmal zwei Bekannte bei einer Schlägerei unterstützt hatten, ohne eigentlich etwas damit zu tun gehabt zu haben.
Ich hatte dann ihre blauen Flecken verarzten dürfen.
Lucas hatte sich sehr charmant dafür bedankt und ich hatte mir ein verlegenes Lächeln nicht verkneifen können. Ich mochte den Jungen mit den blauen Augen.
Mit all den Infos, mit denen ich von Jake und dem Rest bombardiert worden war, war ich zuerst ziemlich überfordert gewesen.
Aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass es immer noch Dinge gab, wichtige Dinge, die mein Bruder mir verschwieg.
Doch als "Anker" musste ich gut beschützt werden, hatte mir Jake erklärt.
Ich war also noch immer eine Schwachstelle in seinen Augen. Und das obwohl ich ihm doch zeigte, wie schnell ich mich verbesserte.
Nur weil ich der Leim zwischen den Beiden Gruppen war, hiess das noch lange nicht, dass ich hilflos war.
Ich würde beweisen, dass ich mindestens genauso gut war, wie sie. Irgendwie. Irgendwann.

Jetzt war es Abend, die Jungs waren gut gelaunt nach Hause gekommen und ich fühlte mich mittlerweile top fit.
"Hey Jessy, komm mal runter."
Ertönte Jakes Stimme und fröhlich schlug ich die Decke meines Bettes zur Seite und hüpfte, nur mit Shorts und einem bauchfreien Top bekleidet, die Treppe hinunter.
Die Jungs waren alle sehr darauf bedacht, mich nicht allzu auffällig anzuglotzen.
Grosser Erfolg, denn auf den Strassen versuchte Niemand, ein Mädchen nicht mit Blicken auszuziehen.
Dennoch wurde ich rot wie eine Tomate und schlang schnell eine dünne Decke um mich.
Half nicht all zu viel aber besser als nichts.
Eine weibliche Mittbewohnerin die nicht nur über Nacht blieb, war anscheinend für jeden hier neu. Inklusive mir.
Ich setzte mich neben Lucas und Leon auf die Couch und sah fragend in die Runde.
Kenan und Simon sassen auf der Lehne des Sofas, und Jake sass auf dem roten Polster.
"Jake hat uns erzählt, dass du daran interessiert bist...dich im Notfall verteidigen zu können."
Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Das war aber harmlos formuliert. Sie dachten wohl immer noch ich würde nichts vertragen.
Wenn sie nur wüssten.
"Ja?"
"Und dafür braucht man schliesslich einen Lehrer. Also werden wir dich trainieren, mehr als Jake dich bisher gelehrt hat. Auch wenn das nächste Woche Aiden übernehmen wird."
Der Deal besagte, das ich jeweils eine Woche bei Aiden und Leonie wohnen sollte. Und die nächste bei meinem Bruder. Nächste Woche war das erste Mal, dass wir das so durchführten.
Erfreut sah ich in die Runde.
Sie gaben mir eine Chance besser zu werden, nicht mehr das schwächste Glied in der Kette zu sein.
Und diese Chance wollte ich unbedingt nutzen.
Ich hopste auf dem abgesessenen Sofa umher und es dauerte eine Weile, bis mich Leon wieder normal hinunter gedrückt hatte.
"Und du brauchst natürlich auch bessere Waffen, als ein Sackmesser."
Lucas unterbrach ihn.
"Auch wenn sie damit ganz schön was angestellt hat."
Kurzes Gelächter und Kenan klopfte mir herzlich auf die Schulter, wodurch ich beinahe vom Sofa fiel.
Sie behandelten mich wie Familie und langsam begann ich sie ebenfalls als eine anzusehen.
Jake grinste nur und schüttelte langsam den Kopf.
Dann nickte er Lucas zu.
"Gibs ihr schon."
"Was geben?"
Fragte ich neugierig und setzte mich gerade auf.
Erwartungsvoll hagelte es Blicke von mir auf Lucas, der sich aber Zeit liess, etwas hinter seinem Rücken hervor zu ziehen.
"Also hier.
Von uns allen."
Lucas reichte mir dann doch endlich ein Päckchen, der Einband war dunkelblau und schlicht, trotzdem erhöhte sich mein Herzschlag. Die goldene Schleife war krüpplig und etwas verbogen.
Aber sie hatten es versucht und waren ziemlich süss, dafür dass sie eigentlich solche harte Jungs waren.
Langsam öffnete ich, unter den erwartungsvollen Blicken der Jungs, das Paket und meine Augen wurden gross.
Zwei Pistolen, Kaliber 45.
Sie glänzten Metallisch und daneben lag eine ganze Schachtel Patronen.
Als wäre das nicht genug, gab es zwei Klappdolche, und ein Messer, welche alle geschliffen waren, und im hereinfallenden Licht glänzten. Ich spürte förmlich die Macht aus dem kalten Metall hinaus fliessen.
Das würde mir gehören und damit würde ich genauso ein Teil der Gang sein wie alle anderen.
"Wow", brachte ich nur heraus, während meine Augen bewundernd über die Meisterwerke schweiften.
Dann umarmte ich jeden der Jungs und bedankte mich an die tausend Mal.
Sie lachten amüsiert, doch ich war überglücklich.
Sie gaben mir wirklich die Chance, mich zu beweisen.
Auch wenn sie es nicht absichtlich getan hatten.
Es war offiziell, ich fühlte mich wie ein Mafiaboss.
Andere bekamen vielleicht Gutscheine fürs Kino. Oder Shopping Geld, um sich unnütze Schminke und Nagellack zu kaufen.
Doch ich bekam Waffen.
Und trotz allem was eigentlich dagegen sprach, wie dem dass sich mein Leben immer mehr veränderte, hatte ich ein gutes Gefühl.
Und zwar richtig, richtig gut.

Waffen bedeuten Action.
Action bedeutet Gefahr.
Gefahr bedeutet Spannung.
Und was Spannung bedeutet wissen wir ja alle;)
Also bleibt ready
Love you
Angora77

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