∞ 6 Gefährliche Strassen

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Kaum waren wir zuhause angekommen, war ich hoch in mein Zimmer gerauscht. Vorbei an Jake, der sich einen Eisbeutel ans Kinn hielt, und den anderen Jungs, die sich vor der Glotze auf dem Sofa fläzten. Sie hatten nur verwirrt aufgesehen. Ich hatte es Lucas überlassen, es den Jungs zu erklären. Ihnen zu erklären dass ich wusste, dass sie eine Gang waren. Eigentlich hatte ich Jake ja selbst zur Rede stellen wollen. Aber irgendwie hatte mich der Mut verlassen. Es war ein verwirrender Tag gewesen und ich hatte dann doch lieber kurz alleine sein wollen. Um meine Gedanken zu sammeln und so.
Das war das Gute daran, eine Frau zu sein. Man konnte auch mal so eine Nummer abziehen, ohne das einem gleich alle doof kamen. Bei einem Jungen würden sich alle garantiert deswegen nerven. Irgendwie auch unfair. Wie dem auch sei, ich hatte das Zimmer abgeschlossen und war eine Weile nicht mehr raus gekommen. Ich hatte das Gefühl das mein Leben kurz davor stand, sich gewaltig zu verändern und das machte mir irgendwie Angst. Ich fühlte mich das erste Mal seit ich lebte fremd in diesem Haus.
Und wieder klopften sie an der Tür.
"Bitte Jess, ich muss mit dir reden!"
Hörte ich Jake durch die Tür flehen. Er wirkte sichtlich genervt, da ich ihm aber alles bedeutete, würde er das niemals laut aussprechen.
Er hatte jetzt wohl Panik, weil ich hinter sein Geheimnis gekommen war. Das er mir, seiner Schwester, verheimlicht hatte.
Ich liebte ihn ja sehr, aber ich verstand nicht, wieso er mir nicht vertraute. Schliesslich würde ich ja nicht so bald wieder abreisen. Also hatte ich beschlossen, mit etwas Zeit zu lassen. Um mich mit dem Gedanken anzufreunden und auch mit dem ganzen Rest der Stadt auch. "Jetzt mach schon auf!" Jake hämmerte laut gegen die Türe. Schnaubend strich ich mit meinen verschwitzten Händen über meine kurze Jeanshose. Als ob mich das jetzt umstimmen würde. "Die wird nicht aufmachen, du kennst doch Frauen." Meinte Lucas fachmännisch und ich konnte hören wie er sich an der Wand abstützte. Mann war dieses Haus ringhörig. "Oh ja, darauf kannst du dich verlassen." Das war Leon. Jetzt hatte ich die Nase voll. Kapierten sie etwa nicht, das ich alles mithören konnte? War es zu viel verlangt, einfach in Ruhe gelassen zu werden? Anscheinend schon, denn mein Zimmer wurde gerade belagert als wäre ich Helena von Troja. Ich beschloss, das jetzt ein für alle mal klar zu stellen. Damit sie mich in Zukunft auch ja in Ruhe ließen, wenn ich das wollte. Ich kämmte schnell meine Haare, zog meine langen Stiefel an, und zog mir eine etwas dickere Jacke über, da es nun langsam etwas dunkler wurde und abkühlte. Sie war aus braunem Kunstleder, hatte einen Fellkragen und passte perfekt zu meinen blauen Jeans. Es war erstaunlich, wie kalt es hier trotz des Sommers am Abend werden konnte. Vielleicht lag das ja an den Menschen hier, die täglich einen verzweifelten Kampf gegen das Elend in diesem Viertel führten. Da kühlte die Stimmung oft merklich ab. Aber es war wahrscheinlicher, dass die abendliche Frische an den fehlenden Heizungen lag. Unser Haus hatte zwar auch welche, im Sommer waren sie jedoch immer gänzlich abgestellt. das konnte nachts sehr unangenehm werden. Ich atmete tief durch und öffnete die Tür. Ich brauchte jetzt einfach Ruhe und Zeit für meine Gedanken die ich ordnen musste. Und sie mussten das nicht verstehen, aber akzeptieren. Ich blickte direkt in sechs besorgte und verwirrte Gesichter und verschränkte die Arme. "Ihr seid lästiger als ein Haufen Kleinkinder." Motzte ich sie an und Jake musste darüber leicht grinsen. "Wir haben uns nur Sorgen gemacht, dass es vielleicht etwas viel für dich geworden ist, heute." Lucas druckste herum, wahrscheinlich hatten ihn die anderen als Sprecher erwählt. Ich hob eine Braue und richtete den Blick auf meinen Bruder. "Ach ja? Denkt ihr das? Ja, es war vielleicht etwas ungewohnt zu erfahren, dass der eigene Bruder einem verheimlicht hat, dass er eine Gang anführt, nur um danach zusehen zu können, wie er sich prügelt. Zudem bin ich jetzt schon Geflüster-Thema Nummer eins der Schule." Ich schnappte nach meinen langen Ausführungen nach Luft. "Also ja, es ist mir etwas zu viel geworden", schlussfolgerte ich und blickt ein einige grosse Augenpaare. Da waren die harten Jungs gar nicht mehr so hart. "Es tut mir leid, dass ich es dir nicht gesagt habe, Jess. Aber ich hatte wirklich gehofft, dich hier raushalten zu können." Erklärte sich Jake und strich über meinen Arm. "Hat ja wohl nicht geklappt." Ich machte mich los und deutete auf den Gang hinter den Jungs. "Ich würde jetzt gerne etwas an die frische Luft. Und zwar alleine." Ich sah sofort, dass ihnen das nicht passte. "Was ist denn jetzt? Kann ich etwa nicht mal draußen rum laufen? Ist das zu gefährlich?" Jake mahlte mit dem Kiefer. Er schien sichtlich mehr zu wissen, als ich. "Ich weiß, für dich klingt das vielleicht nach einem Witz, aber wenn ich sage, dass wir eine Gang sind, dann meine ich damit nicht, dass wir auf dem Schulhof rum lungern und Bier trinken", begann Jake. "Das aber manchmal auch", plapperte Simon dazwischen und kassierte von Kenan einen Klaps auf den Hinterkopf. "Halt doch mal die Klappe." "Es bedeutet, dass wir uns mit Leuten angelegt haben, die viel gefährlicher sind als wir und als du dir vielleicht denkst." Ich runzelte die Stirn. "Was habt ihr denn gemacht?" Fragte ich nach und spürte ein flaues Gefühl im Magen. Jake zuckte die Schultern. "Wir dealen ein wenig, klauen Autos und verkaufen sie oder liefern einige kleinere Waffen aus. Nichts großes, aber es hat gereicht um die großen Fische der Stadt gehörig zu verärgern." Mein Mund klappte auf. Das nannte er "nichts Grosses"? Das klang verdammt gefährlich und illegal. Ich schauderte. "Und wer sind diese großen Fische genau?" "Leute, mit denen du dich einfach nicht anlegst." Ich nickte. "Ganz toll. Danke für die Aufklärung, aber das wird mir hier echt zu viel. Ich hätte nicht gedacht, dass du sowas abziehst, Jake." Vorwurfsvoll sah ich meinen Bruder an. Er sollte ruhig sehen, wie enttäuscht ich von ihm war. Dass viele Menschen hier illegalen Tätigkeiten verfielen, war mir klar. Das lag ja meistens auch an den Umständen und den unterbezahlten Jobs, die die Regierung für das Viertel bereit stellte. Aber Jake war immer mein Held gewesen. Und jetzt wusste ich nicht, ob er noch die Person war, die ich kannte. oder ob ihn die Strassen der Bronx vielleicht mehr verändert hatten, als ich zu Anfangs gedacht hatte. Mein Bruder sagte nichts, sah mich nur aus seinen schönen, blauen Augen an. Er war noch derselbe. Nur seine Taten gefielen mir nicht. Das war illegal, und ich wollte in meinem Leben nichts illegales haben. Ich hatte doch neu anfangen wollen, als ich hierhergekommen war. Ich hatte nicht einmal mehr Lust, ihn nach seiner Feindschaft mit Aiden auszufragen. „Ich gehe jetzt raus. Ich bin keine Gefahr für niemanden und habe mit dem ganzen Scheiss auch nichts zu tun. Also lasst mich durch." Drohend sah ich Simon an, der sich mir in den Weg gestellt hatte. "Das ist keine gute Idee", brummte er. Ich kniff die Augen zusammen. "Du hast die Wahl Simon, entweder du trittst beiseite oder du kannst deine Familienplanung aufgeben." Zischte ich und er blinzelte verwirrt. Ich war mir nicht sicher, ob seine drei Hirnzellen die Anspielung verstanden hatten. "Schon okay", seufzte Jake und machte eine Handbewegung, worauf Simon sofort beiseite trat. "Ist das dein Ernst?" Raunte ihm Lucas zu und mein Bruder nickte. "Sie macht ihre Drohung sonst wirklich wahr. Und ich würde gerne noch einige Mini Simons auf der Welt rum laufen sehen." "Also ich nicht", merkte Kenan an. Sie versuchten, locker zu wirken, doch es war klar, dass sie sich ernsthaft Sorgen machten. Das gefiel mir echt gar nicht. "Also ich will schon mal Kinder haben, wenn ihr über das sprecht", sagte Simon plump und blinzelte. Schön für ihn. Ich nicht. Nachdem meine Kindheit so ziemlich der schrecklichste Teil meines Lebens gewesen war, wollte ich auf keinen Fall irgendwem dasselbe antun. Und wie sich herausgestellt hatte, war dieses Umfeld hier sowieso kein Ort für Kinder. "Na also. Bis später." Murmelte ich und drängte mich an den breiten Schultern vorbei die Treppe runter. "Pass auf dich auf und ruf sofort an, wenn dir etwas komisches auffällt, okay?" Hörte ich Jake mir nachrufen. Damit er sich nicht dauernd solche Sorgen machen musste, willigte ich ein. Dann knallte auch schon die Haustüre hinter mir ins Schloss. Vielleicht würde ich an der frischen Luft etwas klarere Gedanken fassen können. denn was mir Jake gerade gesagt hatte, musste ich echt verdauen. und dazu kam noch, dass dieser Typ aus der Schule auch noch immer irgendwo in meinem Kopf herumspukte. Ich schlenderte den Kiesweg entlang und auf die staubige Strasse. So etwas wie Straßenreiniger gab es hier wohl nicht. dafür waren die Mäuse und Vögel zuständig. Ich atmete die kühle Abendluft ein und sofort legte sich der Nebel in meinem Kopf etwas. Die Sonne ging unter und verschwand langsam hinter den flachen Dächern, die sich bis an den Horizont meiner Sichtweite erstreckten. Die Gebäude lagen im Schatten und wirkten beinahe schwarz, während der himmel in flammend roten und orangen Tönen erstrahlte. Mitten drin der brennende Feuerball. Das sah wirklich schön aus. Aber ich sah auch die klamme Schwärze, die sich langsam oberhalb der untergehenden Sonne ausbreitete. Bald würde es Nacht sein und somit die Saison all derer beginnen, die in der Nacht jagten. Und damit meinte ich nicht Vampire oder sonstiges Fantasy Geschmäus. Ich redete von den zwielichtigen Gestalten der realen Welt. Denn bei Anbruch der Nacht zerbrach der heile Kuchen von Welt in Gesetzlose. In Gedanken versunken spazierte ich los. Ich war schon lange nicht mehr in diesem Viertel herumgeirrt, deswegen bog ich bei jeder Kreuzung nach links ab, damit ich sicher den Weg zurück fand. Ich hoffte, dass Jake mir keinen der Jungs nach geschickt hatte. Ja, vielleicht war es töricht, alleine bei Anbruch der Dunkelheit hier unterwegs zu sein. Aber irgendwie nahm ich es nicht ganz so ernst, wie Jake es wohl gerne hätte. Das hier war schließlich kein Ganster Film, das war mein Leben. Und ich konnte und wollte nicht glauben, dass es tatsächlich so aussah wie von meinem Bruder beschrieben. Nachdem ich einige Male abgebogen war, waren immer weniger Leute auf der Strasse zu sehen. Und nur ein Bruchteil davon grüsste mich. Meist mit einem knappen Nicken. Der Wind wehte mir kühl um die Ohren und ich verzog das Gesicht. Wie unangenehm. Das hatte mich aus meinen Gedanken gerissen und ich stellte fest, dass sich die Stadt um mich herum verändert hatte. Bestimmt war ich noch irgendwo im Viertel, doch das umfasste hunderte von Blocks und Häusern. Na gut, so gut wie früher kannte ich mich offensichtlich nicht mehr aus.
Aber die ohnehin dreckige Strasse hatte sich zum Schlimmeren verändert.
Müll lag zu beiden Seiten der Strasse herum, die Wände waren voller Graffiti, und die meisten Fenster waren eingeschlagen.
Die braunen Ziegelsteinwände waren zum Teil mit Wellblech abgedichtet und auf der unebenen Gasse bildeten sich einige Pfützen. Einige vereinzelte Laternen spendeten Licht, ansonsten lag das Meiste bereits im Schatten des Abends.
Ich wusste jetzt wieder, wo ich war. Im schlimmsten aller Viertel. Hier hatten es die Menschen noch viel schlechter als ich. Ohja, hier war das Reich der Obdachlosen oder Drogensüchtigen. Ich hatte hier nichts zu suchen. Ich drehte mich um und machte mich langsam auf den Weg zurück. Ich hoffte inständig, dass ich wirklich immer links abgebogen war.
Es wirkte, als wäre die Gegend in die ich mich verirrt hatte längst unbewohnt und völlig vereinsamt. Das hoffte ich auch, denn unter solchen Umständen sollte niemand leben. Trotzdem verfolgte mich die paranoide Vorstellung, dass hier irgendwo zwischen den Tonnen Menschen auf der Lauer lagen.
Oder versuchten, sich selbst Wärme zu spenden.
Ich schluckte.
Wie konnte eine so reiche und fortschrittliche Stadt gleich neben so einer armen Welt liegen.
Gerade als ich mich in Bewegung setzte um das unbekannte Strassennetz zu überqueren, landete eine Hand auf meiner Schulter.
Ich erstarrte und mein Herz machte einen Satz, während in meinem Kopf bereits die schlimmsten Szenarien meines Todes herum schwirrten.
Ich war kurz davor, wegen meinen stark zitternden Beinen in mich zusammen zu sinken. Die Angst lähmte mich sogar soweit, dass ich den Atem anhalten musste, weil ich vergass wie man atmete.
All diese Gedanken und Gefühle waren innert einer Sekunde geschehen, in der sich nichts bewegt hatte. Dann wurde mir klar, dass ich wirklich nicht mehr im behüteten Heim fernab aller Zivilisation lebte, sondern in den South-Bronx. Und hier musste ich um mein Überleben kämpfen. Ich würde nicht überleben, wenn ich mit wie jetzt, bei jeder Begegnung mit Unbekannten in die Hosen machen wollte. Also zwang ich meine Körper, zu reagieren.
Ich drehte mich um und holte weit aus.
Ich war keine gute Kämpferin da ich nie wirklich irgendeine Kampfsportart besucht hatte. Geschweige denn konnte ich nicht mit Waffen umgehen. Weil wer benutzte schon Waffen. Aber ich kannte mich selbst und ich konnte ein richtiger Giftzwerg sein, wenn es vonnöten war. Doch dann hielt ich mitten in der Bewegung inne.
Wenn man in einer dunkeln Gasse stand, Todesangst durchstand und dann eine Hand auf der Schulter spürte, wen erwartete man dann am aller wenigsten?
Lucky Luke?
Ja den auch.
Aber wen man hier garantiert nicht erwartet,  war Aiden Parker.
„Was zum...Fuck, hast du mich erschreckt!"
Ich zog die Hand schnell zurück und krümmte mich, um meine verspannten Glieder zu lockern.
"Was machst du hier?"
Wollte er ohne Umschweife wissen.
Kein Hallo, kein Lächeln und erst recht kein feindlicher Blick. Komisch eigentlich.
Dafür musterte ich ihn, während ich einen sicheren Schritt zurück machte und seine Hand ab meiner Schulter rutschte.
Er trug schwarze Hosen, die ihm tief auf den Hüften sassen und eine Lederjacke. Eine helle Kette spannte sich über seine Taschen und ein ledernes Armband zierte seine rechte Hand. Sein Blick war kühl aber interessiert und haftete fest und stur an mir.
Wieso musste er nur immer so verdammt heiss unterwegs sein?
Nein, falsch, ich musste giftig sein, er war kein Freund meines Bruders.
Also auch nicht von mir. Also musste ich zum Gegenangriff übergehen.
"Das gleiche könnte ich dich auch fragen!"
Ich stemmte meine Hände in die Hüften.
Was er konnte, konnte ich schon lange.
Und dennoch befürchtete ich, dass ich in dieser Stellung mit erschrockenen und weit aufgerissenen Augen, mit sich schnell hebendem Brustkorb nicht weniger verrückt aussah als ein Lama auf Speed.
Dazu hatte ich mal ein Video gesehen, ich wusste also wovon ich redete.
"Jetzt Rede, Kätzchen." Drängte Aiden und sein Blick machte einen Kontrollgang über meinen Kopf hinweg, bevor er sich wieder mir widmete.
"Nenn mich nicht so!"
"Dann sag mir, was du hier zu suchen hast."
Das war ein unfaires Argument.
Und anstatt mich über seine plötzlich so kindische Art zu ärgern, gab ich mich damit zufrieden und antwortete knapp.
"Falsch abgebogen."
"Ich war bei nem Kunden."
"Ahso."
"Und du solltest dich hier nicht alleine rum treiben."
Ich seufzte ergeben und Aiden wirkte auf einmal ziemlich angespannt, jetzt, wo ich genauer hinsah. Aber seit wann machte er sich Sorgen um mein Wohlbefinden.
Tat er nicht. Wahrscheinlich hatte er einen schmutzigen Deal oder so am laufen. Wen könnte er wohl sonst einen Kunden nennen. Ich hatte ganz vergessen dass er ja auch Anführer einer kleinen Gang war. Vermutlich ähnlich wie Jake.
„Schon kapiert. Mit dir bleibe ich sowieso nicht eine Sekunde länger freiwillig hier."
Schoss ich meinen nächsten Giftpfeil ab und versuchte, dabei möglichst schnippisch zu wirken.
„Gut. Dann geh."
Er wirkte gar nicht mehr herausfordernd sondern so, als wollt er mich wirklich weg haben. Ich blinzelte verwirrt.
„Okay, dann geh ich halt."
Ich sollte besser so schnell ich konnte die Fliege machen und von diesem verwirrenden und anziehendem, abstossendem Kerl weg kommen.
Seine grünen Augen huschten kurz über mein Gesicht, dann fixierte er wieder die Umgebung um uns herum.
Seine Silhouette stand halb im Schatten, was ihn irgendwie ziemlich gut aussehen liess. Aber auch düster und geheimnisvoll.
Wieso hatte ich mich noch immer nicht bewegt? Ahja, ich starrte ihn ja noch immer an.
„Tschüss."
Brachte ich erneut heraus.
Das war der perfekte Abschied Jessy. Wirklich.
Endlich setze ich mich in Bewegung und lief an Aiden vorbei und bemerkte, dass es mittlerweile echt dunkel war. Die Laternen waren bereits an und warfen einen sanften Schimmer auf das Wasser in den Kuhlen der gepflasterten Gasse. Es tropfte laut und nervtötend. Ich fröstelte und schlang meine Arme um mich, die Jacke reichte anscheinend doch nicht aus, besser ich kam schnell wieder nach Hause. Während ich nun meine Schritte etwas beschleunigte, hörte ich nichts mehr von Aiden. Er schien von mir abgelassen zu haben. Leider. Nein, das war gut so. War ja nicht so, als ob ich den kleinen Schlagabtausch mit Wörtern genoss oder so. Nein, überhaupt nicht. Ich hatte bereits die Hälfte der Gasse hinter mir gelassen und kam den, mir bekannteren Strassen immer näher. Und dann tauchte Aiden wieder neben mir auf und sah mich ernst an. Verdammt wie konnte er sich so leise bewegen! "Du solltest um diese Uhrzeit wirklich nicht mehr alleine unterwegs sein." Ich rollte mit den Augen.
"Seit wann interessiert dich das?" Er zuckte mit den Schultern. "Tut es nicht. Ich will nur nicht Schuld daran sein, wenn dir in meiner Nähe etwas passiert." "Mach dir darüber mal keine Sorgen. Ich kann prima selbst auf mich aufpassen!"
Fuhr ich ihn an. "Und außerdem wäre ich längst nicht mehr in deiner Nähe, wenn du mich in Ruhe lassen würdest."
"Ich bin aber noch da." Gleichgültig zuckte er die Schultern und schlenderte weiter neben mir her, die Hände in den Jeans vergraben. Es kostete mich alle Mühe, seine wiederspenstigen Haare nicht mit meinen Händen zu zerzausen. Dieser Drang war....gross. Kurz sah er mich an, als wüsste er genau was ich wollte. Schnell wandte ich den Blick ab. Er begleitete mich wortlos auf meinem Weg zurück. Ab und zu berührten sich unsere Schultern und obwohl wir beide eine Jacke trugen, wurde mir dann ganz heiß. Da stimmte doch eindeutig etwas nicht mit mir. Ich linste immer wieder zu ihm hinüber, sein markantes und schönes Gesicht wirkte entspannt aber wachsam. Nur dieser Junge schaffte es zu schlendern ohne dabei wie eine Giraffe ohne Orientierungssinn zu wirken. Es war merkwürdig, dass er sich mir gegenüber so anständig verhielt, und das wo er mir heute Mittag doch vor allen deutlich gezeigt hatte, was er von mir hielt. Ich rief mir sein arschiges Verhalten wieder ins Gedächtnis, damit ich aufhörte, diesen absolut schönen und irgendwie perfekt wirkenden Mann anzusehen. "Ist dir kalt?" Da stimmte ja wohl etwas wirklich nicht, seit wann war er so aufmerksam? Verarschte er mich gerade komplett oder halluzinierte ich einfach? "Katzen haben ein dickes Fell. Solltest du wissen."Murrte ich und unterdrückte ein Zähne klappern. Ich war kein Weichei, aber mein Körper schauderte unfreiwillig wegen etwas anderem als dem kalten Wetter. Nämlich wegen seiner Nähe. was ich ihm gegenüber aber natürlich nie zugegeben hätte. Er blieb stehen, es war Reflex und reine menschliche Reaktion dass ich es ihm gleich tat. "Was ist?"Wahrscheinlich hatte das nun den Anschein erweckt dass ich nicht ohne ihn weiter laufen wollte, dabei wäre das völlig in Ordnung gewesen.Er zog sich seine schwarze Lederjacke aus und legte sie mir ohne ein Wort über die Schultern. Unter seinem dünnen Shirt traten deutlich seine definierten Muskeln hervor. Was hatte dieser Mann nur für einen Körper. Ich öffnete den Mund um zu protestieren, doch sein Blick zeigte mir mehr als deutlich dass ich die Klappe halten sollte. War das gerade wirklich Aiden Parker? Er hatte mir seine Jacke gegeben. Ich kannte ihn ja noch nicht lange, aber was ich über ihn wusste war, dass er alles andere als freundlich war. Aber jetzt gerade war er nett. Aber naja, einem geschenkten Gaul schaut man eben nicht ins Maul. Außerdem fror ich wirklich. Bevor ich ihm noch die Gelegenheit gab sie wieder zurück zu nehmen, oder es mir selbst anders überlegte, schlüpfte ich ganz hinein und atmete bald den warmen und gut riechenden Geruch nach Aiden ein. Scheisse. Ich war wirklich reif für die Klapse. Ich versteckte mich unter einem Vorhang aus Haaren und versuchte nicht verunsichert zu klingen."Danke". Sogar aus dieser Entfernung konnte ich spüren wie er amüsiert grinste. "Hör auf zu lachen Vollidiot", ich hob den Kopf und blitzte ihn, so gut es in seiner warmen, weichen Jacke ging, an. Ich hätte nicht gedacht dass er meiner befehlenden Bitte wirklich nach kam. Aber er tat es. Von einer Sekunde auf die andere war er Tod ernst. Ich runzelte die Stirn, war ich wirklich so furchteinflössend? "Dreh dich jetzt nicht um."
Seine Schultern waren angespannt, seine Finger glitten unter sein T-Shirt und ich musste schlucken. Was laberte er jetzt da? Das machte mir ganz schön Angst. "Ich warne dich Parker, wenn du mich jetzt verarscht..." Setzte ich an, doch er packte mich einfach am Arm. Über seinen grünen Augen lag ein gefährlich dunkler Schatten. "Du musst jetzt sofort mitkommen Jessy und einfach den Mund halten!" Er hatte mich Jessy genannt. Dann musste es wohl ernst sein. Und auch aus seiner Stimme war jeglicher Witz verschwunden und er sah mich fest aus grünen dunkeln Augen an.
Ich nickte. Er schien wirklich nicht zu spaßen. Dann liefen wir los. Schnell eilten wir auf die etwas breiteren Strassen unseres Viertels zu. Aiden zog mich dabei hinter sich die Müll verseuchte Gasse entlang, da er natürlich viel schneller war als ich. Dazu kam noch meine ausgesprochen schlechte Kondition.
Einige Male stolperte ich über Dosen die schepperten, weil er so schnell war dass ich kaum mithalten konnte. Mittlerweile hörte ich schnelle und schwere Schritte hinter uns, und ich zwang mich, zu Aiden auf zu schließen. Ich unterdrückte das Verlangen, hinter mich zu sehen um herauszufinden, vor wem wir da flohen. "Aiden, wer ist das?" Schrie ich gegen die kühle Nachtluft an, die mir eisig ins Gesicht peitschte. "Lauf einfach", kam es von ihm zurück. Er schien keine Angst zu haben, aber besorgt zu sein. Besorgt um mich. Ich folgte seinem Befehl ohne zu widersprechen und spürte bereits ein schmerzhaftes Brennen in meinen Beinmuskeln.
Als wir um die Ecke bogen, erhaschte ich einen Blick auf unsere Verfolger.
Ich hatte stämmige, tätowierte Motorradfahrer mir Bärten und ganz vielen Piercings im Gesicht erwartet, doch es waren junge Männer. Schmale, breite, große und kleinere stämmige Typen es waren mindestens sechs von ihnen. Da hatten wir zu zweit keine Chance, erst recht, wenn ich so gut wie keine Kampferfahrung hatte. Scheiße, jetzt erst wurde mir bewusst, wie real und nahe bei mir diese Gangsache war.
Es lief mir kalt den Rücken runter.
Bei allen konnte ich ein Tattoo am linken Unterarm entdecken. Was genau es war konnte ich nicht wahrnehmen, da Aiden sich kurz umsah, die Lage einzuordnen schien, und dann einen Zahn zulegte. Jetzt rannten wir wirklich, so schnell es ging.
Ich spürte dass von ihm Unruhe ausging, während sie sich in meinem Innern mit Angst vermischte.
Wieso konnte nicht einmal in meinem Leben etwas nicht in einer Katastrophe enden. Würde ich jetzt sterben? oder was würden diese Typen wohl mit mir machen, wenn sie mich und Aiden erwischt hatten? "Wir müssen uns unter die Menschen mischen. Ansonsten sind wir geliefert, Jessy hast du mich verstanden?" Ich nickte außer Puste und ragte mich gleichzeitig, wie er hier in diesem Viertel eine Menschenmasse finden wollte. Zu dieser Uhrzeit. Wir stießen die wenigen leute zur Seite, die sich noch auf den Strassen herumtrieben, rempelten die Passagiere eines Busses an, die gerade ausstiegen und uns im Weg standen und versuchten, uns durch die Masse zu drängen. Die Menschen fluchten, wenn ich ihnen den Ellbogen in die Seite stieß und zischten, wenn sie gegen einen anderen knallten.
Doch das war mir egal, das Adrenalin durchströmte meinen Körper, wie ich es noch nie erlebt hatte. Irgenwie berauschend nd beängstigend gleichzeitig. Eine sehr spezielle Mischung.
"Aiden, sie sind immer noch hinter uns!"
Stellte ich mit einem Blick nach hinten fest und krallte die Nägel in meine Jacke, die im Wind flatterte.
Obwohl ich noch immer keine Ahnung hatte, wer diese finster drein schauenden und offensichtlich bewaffneten Typen waren, war mir doch bewusst, dass  ich unbedingt weiter laufen musste.
Wenn sogar Aiden vor ihnen die Flucht ergriff, dann mussten sie wirklich gefährlich sein. Ich blickte hinter mich.
Eine Frau schob eilig den Einkaufswagen zur Seite, kurz darauf rannten die massigen Kerle durch, die Augen fest auf uns gerichtet, ein kaltes Lächeln auf dem Gesicht, sie wussten genausogut wie wir, dass sie uns einholen würden.
Aiden sah sich nach hinten um, sein Blick wanderte über die Jungs als könnte er so abschätzen, ob er einen Kampf überleben würde.
So wie ich ihn bisher kannte, würde er es darauf ankommen lassen.
Er ließ seine Schritte langsamer werden, doch ich fluchte leise.
Jetzt war eindeutig nicht Zeit den Helden oder Rebellen zu spielen.
Ich stieß ihn an und dann zog er mich weiter hinter sich her. Als hätte er verstanden, dass anhalten für mich keine Option war.
Gut so, dann bestand wenigstens doch noch eine Chance dass wir hierbei nicht drauf gingen.
Also eine ganz kleine Chance. Dann verengten sich Aidens Augen plötzlich. "Komm!" Rief er gehetzt und zog mich weiter hinter sich her. Jetzt rannten wir geradewegs auf einen jungen Mann zu, der ein Haufen Pakte in den Armen balancierte. Die armen Pöstler hatten auch spät Abens noch was zu tun.
"Tut mir leid", murmelte Aiden noch, dann stieß er den fluchenden Mann an, dem sofort mit einem lauten knall die Pakete auf den Boden fielen. Sie verteilten sich am Boden und rollten auf die Strassen. Hinter uns hörte ich stolpernde Schritte. Und die Beleidigungen des armen Postmannes. "Da rein, schnell!"
Schon zog er mich scharf nach links, direkt in eine schmale, voll gemüllte Gasse rein, die so schwarz war, dass ich kaum die Hand vor Augen sehen konnte. Wir rannten noch einige Schritte, dann presste er mich hinter einer Mülltonne an die kalte Wand und drängte sich ganz nahe an mich, während er mir eine Hand vor den Mund hielt.
"Keinen Mucks", murmelte er und ich schloss die Augen. Sie würden uns finden. Herrje, ich würde meinem Bruder wahrscheinlich stückchenweise ausgeliefert werden oder sowas. In was war ich nur hineingeraten. Ich hörte, dass die schweren Schritte langsamer wurden. "Sucht sie!" Erklang dann ein harscher Befehl und die Schritte entfernten sich. Jedenfalls die meisten davon. Einige jedoch kamen direkt auf uns zu, das erkannte ich an dem knirschenden Müll unter ihren Füssen. Ich schluckte und sah Aiden panisch an, der langsam seine Hand von meinem Mund löste und sich einen Finger vor den Mund legte. Ich nickte heftig. Ich hörte die Männer murmeln und einige Mülltonnen vor der unseren umwerfen. Es schien ihnen nicht zu gefallen, dass sie sich im Dreck durchwühlen mussten. Aber sie kamen uns immer näher. Und hätte ich auch nur einen Schritt gemacht, dann hätten sie uns gehört. "Sie kommen." Flüsterte ich und Aiden schüttelte nur den Kopf, dann griff er nach hinten zu seiner Hose und zog ein Messer hervor. Meine Augen wurden groß. Es war kein einfaches Küchenmesser, mit dem ich das Brot schnitt oder das Gemüse klein hackte.
Es schimmerte und wirkte scharf geschliffen, mit einem Griff aus Holz und Metall, verziert mit irgendwelchen Zeichnungen, die ich in der Dunkelheit nicht erkennen konnte.
Scheiße, das trug er wirklich immer mit sich? Und was wollte er jetzt tun, sie bekämpfen? das war doch aussichtslos. Aber der groß gewachsene Typ vor mir schien das etwas anders zu sehen.
Er drehte sich mit dem Rücken ganz leise gegen den Müllwagen und hielt das Messer bereit, um zuzustechen. Es kam mir so surreal vor. Doch in der Tat würde ich vielleicht gleich Zeugin einer Messerstecherei werden. Und das an meinem zweiten Tag in New York.
Ich hielt die Luft an, als die beiden Männer an unserer Tonne rüttelten. Sie standen auf der anderen Seite und waren nur noch wenige Schritte von uns entfernt. "Scheiß drauf, hier sind sie nicht", knurrte der eine. "Hab ich dir doch gesagt. Niemand geht hier freiwillig hin." Hörte ich eine zweite Stimme. "Wir schon", das war wieder der Erste. "Nein. Hier stinkt es verdammt. Ich bin nur hier weil Angel das so wollte."
Ich schluckte, ihre Stimmen waren so laut in der engen Gasse. Fast so laut wie mein Herzschlag, der mir in den Ohren dröhnte. Ich hatte das Gefühl, als könnte ihn jeder hören.
"Okay, scheiß drauf, hauen wir ab", murrte der eine unmotiviert und kickte einmal gegen die Mülltonne. Ich musste mir einen erschrockenen Aufschrei verkneifen.
"Wie du meinst. Ich hab eh noch ein Date. Und jetzt stinke ich nach Müll, ganz toll", beschwerte sich der Andere, dann entfernten sich ihre Schritte wieder. Ich atmete langsam aus. Sie gingen tatsächlich weg. Halleluja.
Aiden stieß ebenfalls die Luft aus und steckte sein Messer wieder in seine Hose.
"Das war ganz schön knapp", murmelte er dann und drehte sich mit viel Schwung zu mir um. Ich war nicht imstande zu antworten, denn er war mir plötzlich wieder so nahe. Ich spürte die kalte Wand in meinem Rücken und er stand so nahe bei mir, dass ich seinen Atem auf meinem Gesicht spüren konnte.
Kurz machte sich Verwirrung in seinen Augen breit, dann wanderten sie zu meinen Lippen und ein anderer, viel heißerer Ausdruck machte sich breit. Er bewegte sich nicht und ich auch nicht. Wir sahen uns einfach nur an und spürten die elektrisierende Spannung zwischen unseren Körpern.
"Hast du dich erschreckt?" Ich schaffte es nicht, meinen Blick von seinen ausgeprägten Wangenknochen oder diesen vollen, zum Küssen einladenden Lippen, abzuwenden. "Ein wenig", hauchte ich und ohrfeigte mich innerlich. Was tat ich hier eigentlich?
"Wir sollten jetzt gehen", murmelte ich im kläglichen Versuch mich aus dieser Situation zu retten.
Aiden nickte nur ernst. Dann legte er seine warmen, grossen Hände langsam auf meine Taille und schob mich gegen die Hauswand. Es schien als würde er gar nicht bemerken, was er da gerade tat. Aber ich bemerkte es sehr wohl.
Ein Kribbeln ging durch meine Seite und ich wollte ihm fragen was zum Teufel er da machte und wieso er sich erlaubte, mich anzufassen.
Aber natürlich sagte ich gar nichts.
Dafür genoss ich es viel zu sehr. Seine Augen streiften über mein Gesicht und langsam berührte seine eine Hand meine Wange. Dann legte er meinen Kopf in den Nacken und zögerte nicht eine Sekunde. Er legte seine weichen Lippen auf meine.
Mein Mund schien zu explodieren und automatisch schloss ich die Augen.
Warme Schauer liefen durch meine Körper, und meine Beine hätten unter mir nachgeben, wenn mich Aiden nicht festgehalten hätte.
Ich war nicht imstande ihn irgendwie anzufassen, dafür war ich viel zu geschockt. Geschockt darüber, dass es sich so verdammt gut anfühlte.
Alles andere verschwand langsam, die Aufregung, die Angst und Verwirrung, ich schwebte nur noch zwischen seinen starken Armen. Er löste eine Hand von meiner Hüfte, während er sich an mich presste. Er fuhr mir damit übers Haar und in diesem Moment war ich ihm vollends ausgeliefert.
Keine Ahnung was dieser Junge mit mir machte, aber es war verdammt schwer da zu widerstehen.
Ich war gefangen, gefangen zwischen seinem Kuss und seinen Berührungen. Noch nie hatte sich ein einfacher Kuss von einem Jungen so gut und so fesselnd angefühlt wie bei Aiden. Ich hatte sowas noch nie erlebt.
Dann fiel es mir wieder eiskalt ein.
Das war Aiden Parker, der selbstverliebteste und arroganteste Mensch dem ich in meinem Leben begegnet war und mich bei nächster Gelegenheit demütigen würde, mit dem ich hier rumknutschte. Das war doch nicht richtig, erst recht nicht Jake gegenüber. Außerdem küsste ich normalerweise auch keine Männer, die ich erst einen tag kannte. Das war doch nicht ich.
Ich löste mich abrupt von ihm, auch wenn es mir unendlich schwer fiel und jede Zelle meines Körpers sich darüber beschwerte.
Ich starrte ihn nur an, seine Augen blitzten in der Dunkelheit wie geschliffene Smaragde.
Aber in seinen Augen entdeckte ich Verwirrung, Verwunderung und Verlangen. Es ging ihm also genauso wie mir.
Er hatte sich aber schnell wieder gefangen, musterte mich mit demselben nichtssagenden und Blick wie immer und sah hinter der Mülltonne hervor. "Sie sind weg, keine Spur mehr von ihnen."
"Gut." Murmelte ich und presste die Lippen auf einander.
Was hatte ich nur getan?
Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein und hatte meine Gedanken abgeschaltet, wenn in mir doch eigentlich alle Alarmglocken hätten schrillen müssen?
Da standen wir nun.
Ich immer noch an die Mauer gelehnt und er dicht vor mir.
Er war nicht zurück gewichen.
Keinen Zentimeter.
Ich fuhr mir durch die Haare und atmete tief durch. Ich brauchte jetzt ganz viel Konzentration und Selbstbeherrschung. Denn der Kuss war gut gewesen, das wussten wir beide.
"Ich denke, ich sollte jetzt wirklich gehen."
Ich quetschte mich an ihm vorbei, er drehte sich ebenfalls um, dabei fielen ihm einige braune Strähnen ins Gesicht.
Ich hätte sie gerne berührt und an ihren Platz zurückgestrichen, aber jetzt war die Gelegenheit dazu bereits verstrichen. Ich behielt meine Hände also schön bei mir.
Ich lief schnell los, in der Hoffnung, meine Gedanken fortwinden zu sehen, doch Aiden joggte lässig neben mir her.
Und somit verfolgte mich auch das Gefühl auf meinen Lippen.
Ein viel zu schönes Gefühl. Ich wurde es einfach nicht los, meine Lippen brannten wie Feuer.
"Du kannst mich jetzt wieder in Ruhe lassen, sie sind jetzt weg", merkte ich an, als er immer noch nicht von meiner Seite wich. Ich spannte kurz meinen Kiefer an und behielt mein zügiges Tempo bei. Er sollte sich jetzt einfach nichts darauf einbilden.
"Tut mir leid Kätzchen, aber das ist nicht so einfach wie du denkst. Ich muss mit Black sprechen, und zwar dringend." Ich schüttelte den Kopf. "Vergiss es, er würde ausrasten."
"Glaub mir, ich wäre jetzt auch lieber wo anders aber es ist wirklich wichtig."
Und da war er wieder.
Aiden das Arschloch.
Ich musste wirklich total übergeschnappt sein, wenn ich ihn auch nur so kurz für einen anderen gehalten hatte.
Aber sowas war doch die Masche all jener, die nur mit den Gefühlen anderer spielten. Zum Glück hatte ich das früh genug bemerkt.
"Wow, und ich dachte echt für eine Sekunde...ach vergiss es."
Ich beschleunigte mein Tempo und bog in unsere Strasse ein.
Was ein ziemliches Wunder war, denn ich hatte ungefähr die Orientierung eines, tausend Mals im Kreis gedrehten Huhn.
Jedenfalls jetzt gerade.
Denn mein innerer Kompass hätte mich direkt in Aidens Arme geführt.
Also war auf den ja wohl kein Verlass.
"Es ist eben nicht immer alles so wie man es erwartet. Oder es sich wünscht."
Er klang kühl aber auch nachdenklich und ich hätte ihm am liebsten eine gescheuert, aber ich erkannte auch etwas in seiner Stimme das mich schweigen ließ.
Er schwelgte in Erinnerungen, die sich anscheinend nur schwer zurück halten ließen.
Ich hoffte, dass Aiden es sich doch noch anders überlegt hatte, doch er lief immer noch mit nach vorne gerichtetem Blick neben mir.
Selbst als wir über das knirschende Kies zur Haustür liefen, und ich am liebsten im Boden versunken wäre, blieb er seelenruhig und wie immer völlig entspannt neben mir. "Er wird mich umbringen", murmelte ich und atmete tief ein. Wie sollte er auch anders reagieren, wenn ich ich ihm seinen Erzfeind mit nach Hause brachte.

Kurz bevor ich die Türklinke nach unten drücken konnte, öffnete sich die Tür und dahinter standen sechs angepisste Jungs.
"Wo warst du..."
Jake hielt inne als sein Blick auf Aiden fiel. Dieser sah ihm unbeirrt in die Augen, die Hände in den Hosentaschen vergraben und leicht hinter mir stehend.
"Was tut er bei dir, Jessy?"
Jakes Stimme war rau vor Wut und ich zog die Schultern etwas hoch, was mir aus einem unerklärlichen Grund Sicherheit vermittelte.
Jake sah mich nicht an während er mit mir sprach, seine Augen bohrten sich in das ausdruckslose Gesicht von Aiden.
Als stände er hier nicht in feindlichem Gebiet. Hammer der Mann.
„Und wieso trägst du seine Jacke?"
Hakte Simon nach und kassierte sich sofort eine Kopfnuss von Kenan. Das konnte ja lustig werden. Ich hatte echt keine Ahnung, was ich jetzt sagen oder tun sollte.
"Er hat mich..."
Ich hätte den Satz vielleicht anders und weniger übermütig beginnen sollen, denn weiter als bis da hin kam ich nicht, denn Jake ging direkt auf Aiden los. Das zweite Mal an diesem Tag.
Ich war schon ein Genie wenn es darum ging, mich zum Grund irgend eines dämlichen Macho Streits zu ernennen.
Das hatte ich anscheinend voll drauf.
Aber Aiden hatte mich gerettet, und so sehr ich ihm auch ein zweites blaues Auge gönnen würde, ich war es ihm schuldig. Es hätte wirklich schlimm ausgehen können vorhin, wenn er nicht zur Stelle gewesen wäre.
Blöder Stolz, verdammte Ehre.
„Nein, stop!"
Ich stellte ich mich blitzschnell vor Jake, denn ich wusste, dass er mich niemals schlagen würde.
Eigentlich ging es mir gewaltig gegen den Strich, diesen Jungen vor den bestimmt wohlverdienten Schlägen meines Bruders zu retten, aber wenn man bedachte, wovor er mich heute bewahrt hatte, war es wohl die richtige Entscheidung.
"Bitte Jake, hör mir zu. Bitte."
Ich stemmte die Hände gegen seine Brust und sah ihn mit grossen traurigen Augen an. Das beherrschte ich bei ihm ausgezeichnet, und sofort wurde sein Blick weicher.
Es war doch schön, wenn man geliebt wurde. Wenigstens von einem Menschen.
"Er hat mich gerettet. Das war es, was ich sagen wollte."
Ich blickte meinen Bruder eindringlich an.
„Was?"
„Ja! Ich war von der Hauptstrasse abgekommen und wurde dann von irgendwelchen komischen, tätowierten Männern verfolgt."
Natürlich verschwieg ich, was nach der Verfolgungsjagd geschehen war. Und dass diese Typen eher Aiden verfolgt hatten statt mich, den ich bereits vor ihnen getroffen hatte. Um ehrlich zu sein wollte auch ich ihn so schnell es ging vergessen.
Bloss hatten meine Lippen in dieser Hinsicht ihren eigenen Willen.
Jake nahm mich in den Arm, und ich konnte mir denken, dass er Aiden trotzdem mit Blicken erstach.
Machte mir nichts aus.
Er zog mich eng an sich und wandte sich dann wieder Aiden zu, was ich geschehen liess, ihm hatte es anscheinend wirklich gefehlt, jemanden zu beschützen.
Er wirkte kritisch, doch Aiden blieb gelassen.
„Ist das wahr?"
Aiden nickte.
„Deswegen wollte ich auch mit dir sprechen. Weil sie immer näher kommen."
Ich verstand nicht, was er damit gemeint hatte, aber die Jungs schienen es kapiert zu haben, denn sie sahen einander beunruhigt an.
Auch Jake hatte aufgehorcht.
"Wenn das so ist, Parker."
Er schien sich überwinden zu müssen, und ich war sehr darauf bedacht Aiden nicht an zu sehen.
Der Gartenzaun war wirklich in schlechter Verfassung.
Und das Gras nicht so grün wie es hätte sein sollen.
Ja, definitiv Renovierung's bedürftig.
"Dann...Danke, ich bin dir was schuldig."
Dabei sah er wieder mich an, und ich genoss die Wärme in seinem Blick.
Er konnte für mich sogar über seinen riesigen Stolz springen.
Was wollte man mehr.
Als ich zu Aiden sah, hatte er den Kopf leicht schief gelegt und nickte wortlos.
„Willst du reinkommen?"
Fragte Simon, sofort bekam er wieder einen Schlag auf den Kopf. Jetzt war mir klar, wieso er sich so dümmlich aufführte. Dem gingen langsam die Hirnzellen aus.
„Nein, darauf verzichte ich gerne. Ich wollte euch nur warnen. Sie kommen in unser Gebiet und das wohl absichtlich. Der Name Angel wurde genannt."
Es war totenstill. Es war, als wäre dieses Wort ein Tabu. Jakes Brust hob sich langsam und schwer. Als würde es ihn unendlich viel Kraft kosten, zu reden.
Er nickte bedächtig. „Danke für die Warnung. Wir werden aufpassen."
Ich kniff die Augen zusammen.
„Wer ist sie? Ist das diese grosse Gang, vor der ihr die ganze Zeit sprecht?"
Ich bekam keine Antwort. Stattdessen hob Aiden als Abschied die Hand und drehte sich dann einfach um und ging.
Na ganz toll. Die einzige Sache in der sich die beiden Streithähne einig waren, war mich anzuschweigen.
Dann bemerkte ich, dass ich noch immer seine Jacke anhatte. Das gefiel Jake sicherlich nicht.
Schnell machte ich mich von meinem Bruder los und rannte ihm hinterher, hielt jedoch vor dem Gartentor, welches unser Haus von der unmittelbaren Strasse abtrennte, stehen.
"Warte, deine Jacke!"
Rief ich und schwenkte das Betroffene Stück über meinem Kopf hin und her.
Kurz wandte er sich um und ich konnte ein Lächeln erkennen.
Kein ich-bin-gutaussehend-und-weiss-das-du-mich-willst-Lächeln, sondern ein echtes.
"Behalt sie!"
Wahrscheinlich sah es ziemlich komisch aus für jeden, der gerade aus dem Fenster sah.
Ich, vor dem Gartentor mit einer Jacke im Arm als wäre sie mein Heiligtum und hinter mir sechs Jungs, mit wahrscheinlich verschränkten Armen und einem erwartungsvollen Gesicht, die mir die Hölle heiss machen würden.
Aber wenigstens war Aiden so schlau gewesen, das er das "wichtige Gespräch" kurz gehalten hatte und schleunigst abgehauen war.
Dabei sah er aber trotzdem noch so lässig aus, wie er weg schlenderte.
Ein kleiner Teil in mir hüpfte herum und argumentierte wild, dass dieses Gespräch nur ein Vorwand gewesen war im mich nach Hause bringen zu können. Aber der viel grössere, realistischere Teil von mir brachte ihn schnell zum Schweigen.
Langsam drehte ich mich um und blickte in sechs ernste Gesichter.
Ich schluckte und versuchte ein gequältes Lächeln, während ich ihnen sehr widerwillig ins Haus folgte.
"Entschuldigung?"

Soo, ich hoffe ihr seid wild darauf, mehr über diese Gang und auch Aiden zu erfahren?
Also ich freue mich!
Hab euch lieb
Angora77

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