11 - Swipe & Match

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Es ist zwar nur sehr selten der Fall, doch manchmal habe ich Glück und mein Karma schlägt sich auf meine Seite.

So ist es auch in diesem Moment, denn sobald Mile und ich das Rennspiel Hill Climb Racing verlassen haben, verschwindet das Erbrochene von seinem Pullover.

Gott sei Dank! Alles andere hätte ich auch nicht mit meinem Gewissen und meinem Schamgefühl vereinbaren können.

„Siehst du, Eiskönigin?" Mile stupst mir aufmunternd in die Seite. „Alles halb so schlimm!" Er schenkt mir ein schelmisches Zwinkern, bevor er hinzufügt: „Als Entschädigung darf ich mir aber die nächste App aussuchen, okay?"

In der Hoffnung, dass er dadurch meine Kotzattacke vergisst und sie bis an sein Lebensende totschweigt, nicke ich. „Einverstanden."

Sofort macht sich Mile auf die Suche. Er schlendert für etwa eine Minute über den unscharfen Untergrund, bis er vor einer Kachel stehenbleibt, die in der Mitte durch eine Art Blitz geteilt wird. Auf der rechten Seite ist der Hintergrund orange, auf der linken Seite blau. Außerdem sind dort ein Engel-Herz und ein Teufel-Herz abgebildet.

Was für eine App das ist? Truth or Dare.

Oh je, das kann ja lustig werden ...

Kaum hat Mile die Kachel mit seinem Zeigefinger berührt, werde ich von der Dunkelheit umarmt. Sie wiegt mich für ein paar Sekunden hin und her, bis sie mich auf den Startbildschirm des Spiels katapultiert.

Wieder sind das Engel-Herz und das Teufel-Herz zu sehen. Darunter steht in großen Druckbuchstaben Wahrheit oder Pflicht geschrieben.

Ich schlucke schwer, denn dieses Partyspiel hat noch nie zu meinen Favoriten gezählt. Um ehrlich zu sein habe ich es mir damals nur heruntergeladen, weil Lucy und ich auf einer Geburtstagsparty Langeweile hatten und uns die Zeit bis Mitternacht vertreiben mussten.

„Oh, sehr interessante Kategorien", murmelt Mile neben mir. Sofort richte ich meinen Blick auf die Leinwand und überfliege die verschiedenen Rubriken.

Party. Anfassen. Hot +18. Hart. Hot Extrem. Crazy. Paare.

Zum Glück sind nur Party und Crazy freigeschaltet. Alle anderen Kategorien hätten auch dazu geführt, dass ich diese App vorzeitig verlassen hätte, denn einen schwanzgesteuerten Mile möchte ich kein zweites Mal erleben!

Wie so oft reißt der Idiot das Zepter an sich und entscheidet sich für die gelbe Kachel, in der das Wort Crazy abgebildet ist. Er fügt uns beide als Spieler hinzu und drückt danach auf den blauen Start-Button.

Scheiße! Hoffentlich wird das jetzt nicht allzu unangenehm für mich!

Nach nicht mal einem Wimpernschlag werden Mile und ich zu einer grauen Leinwand weitergeleitet. Unten links befindet sich das blaue Engel-Herz-Wahrheit-Symbol und unten rechts das orangene Teufel-Herz-Pflicht-Symbol.

„Was hältst du davon, wenn jeder von uns einmal Wahrheit und einmal Pflicht nehmen muss?", fragt mich Mile mit einem geheimnisvollen Funkeln in den Augen. Dass er vor lauter Tatendrang kaum zu stoppen ist, ist nicht zu übersehen.

„Okay", stimme ich seinem Vorschlag zu und nicke in Richtung Leinwand. „Du fängst an."

Mile, Wahrheit oder Pflicht? steht auf dem grauen Untergrund geschrieben. Er entscheidet sich für Ersteres, sodass wenig später eine Frage in der Mitte aufploppt.

Mile, schläfst du noch mit Kuscheltieren?

Oh, das ist eine sehr interessante Frage. So wie ich den Frauenschwarm aber kenne, wird er zu cool für Kuscheltiere sein. Es sei denn, er hat sich irgendwann mal so ein hässliches Pokémon-Vieh gekauft.

„Ja", überrascht mich Mile mit seiner Antwort. „Ich habe einen kleinen Löwen in meinem Bett, den mir meine Großeltern zu meiner Geburt geschenkt haben. Ich kuschele zwar nicht mit ihm, aber er sitzt jede Nacht neben meinem Kopfkissen. Das ist so eine Art Angewohnheit geworden, weil meine Granny immer meinte, dass der Löwe böse Träume von mir fernhalten würde."

Wow, das habe ich nicht erwartet. Ich finde es stark, dass Mile so ehrlich ist und mir einen tieferen Einblick in sein Leben gewährt. Irgendwie macht es ihn sogar sympathischer, dass er ein Kuscheltier hat.

„Wie heißt dein Löwe denn?", erkundige ich mich neugierig bei ihm.

Insgeheim rechne ich damit, dass er meine Frage ignoriert, doch nach zwei wissensdurstigen Herzschlägen verrät er mir: „Löwenzahn." Oh Gott, wie niedlich! „Weil ich nicht nur Löwen, sondern auch Blumen toll finde." Das ist die unschuldigste Erklärung, die ich je aus seinem Mund gehört habe. „Jetzt bist du aber dran, Eiskönigin!"

Damit ich keine weiteren Nachfragen stellen kann, drückt Mile nun auf die gelbe Kachel, in der Weiter steht. Dieses Mal möchte die App von mir wissen: Elsie, Wahrheit oder Pflicht?

Ich entscheide mich genauso wie Mile und berühre das blaue Feld mit dem Engel-Herz-Wahrheit-Symbol.

Elsie, was verlierst du ständig? ist die Frage, die ich beantworten muss.

Das ist einfach. „Meine Zopfgummis", lache ich. „Keine Ahnung warum, aber irgendwie verlege ich meine Zopfgummis nach jedem Eishockeytraining. Manchmal muss ich mir im Monat sogar mehrere neue Packungen kaufen ... Das ist echt ätzend!"

Nun zupft auch an Miles Mundwinkeln ein Schmunzeln. „Zum Glück sind Zopfgummis nicht so teuer. Stell dir mal vor, du würdest dauernd dein Handy verlieren. Das wäre dann ein ziemlich kostspieliger Spaß ..."

„Da hast du Recht!"

Als nächstes ist Mile wieder an der Reihe. Wie vorher abgesprochen wählt er das Teufel-Herz aus, um seine Pflicht zu erfüllen. Mile, mache ein Haustier nach!

Oh man, wie langweilig!

Mile kniet sich sofort auf alle Viere und wackelt wild mit seinem Hintern herum. Dabei ruft er laut „Wuff! Wuff!" und streckt seine Zunge raus.

Kreativ ist das zwar nicht, aber weil uns der schrumpfende Handyakku wie ein Zeitmesser im Nacken sitzt, beschließe ich, Miles Versuch von einem Hund durchgehen zu lassen.

Er führt sein schlechtes Schauspiel noch etwa 15 Sekunden lang fort, bis er sich wieder hinstellt und mich auffordernd aus seinen ozeanblauen Augen anschaut.

Dieses Mal liegt es an mir, Pflicht auszuwählen.

Wie hätte es auch anders sein sollen, reißt meine Glückssträhne und mein Karma rammt mir wie gewohnt ein giftiges Messer in den Rücken.

Elsie, küsse die Hand eines anderen Spielers.

Ernsthaft? Warum kann ich nicht auch irgendein Tier nachmachen? Die Ziege würde mir bestimmt besonders gut liegen ...

„Uh, wie romantisch!", flötet Mile und wackelt anzüglich mit seinen Augenbrauen. Wie eine Prinzessin streckt er mir seine Hand entgegen und wartet darauf, dass ich sie küsse.

Scheiße! Will ich mich wirklich mit Idioten-Bakterien infizieren? Eigentlich nicht, aber wenn ich keine Zeit verlieren möchte, bleibt mir leider keine andere Wahl.

Ich schlucke das aufkeimende Ekel-Gefühl herunter und führe dann Miles Handrücken zu meinem Mund. Schnell presse ich meine Lippen auf seine Haut und versuche dabei, das aufgeregte Kribbeln in meinem Magen zu ignorieren.

Bestimmt sind das schon die ersten Idioten-Keime, die sich dort festgesetzt haben ...

Nach nicht mal zwei Sekunden lasse ich Miles Hand wieder los und wische mir angewidert über den Mund. „Bäh!"

„Jetzt übertreib mal nicht, Eiskönigin!", amüsiert sich Mile. „So schlecht kann meine Hand doch gar nicht schmecken ..."

„Doch!", behaupte ich. „Die stinkt nach Knoblauchsalami!"

Während Mile lachend seinen Kopf schüttelt, drücke ich auf den Pfeil unten rechts, der uns zurück auf die Startseite des Handys bringt. Um ehrlich zu sein wundert es mich, dass ich bei Wahrheit oder Pflicht so glimpflich davongekommen bin, aber wie es scheint, war das nur die Ruhe vor dem Sturm, denn Mile hat sich bereits die nächste App ausgesucht.

Eine orangefarbene Kachel, in der sich das Symbol einer Flamme widerspiegelt.

Oh, verdammt! Das ist nicht gut. Überhaupt nicht gut!

Am liebsten würde ich zu einer anderen Kachel hasten, aber blöderweise kommt mir Mile mit einem teuflischen Grinsen auf den Lippen zuvor. So viel zum Thema, dass das Karma auf meiner Seite steht ...

Wie schon so oft zuvor gleite ich durch die Finsternis und fühle mich für einen kurzen Augenblick frei. Sobald ich aber wieder festen Boden unter meinen Füßen spüre, verknotet sich mein Magen und mein Herzschlag beschleunigt sich.

Tinder zählt zu den Apps, die ich damals kaum benutzt habe. Eigentlich habe ich mir die Dating-App auch nur deshalb heruntergeladen, um Komplimente von Männern zu bekommen.

Albern, ich weiß ...

Aber zu meiner Verteidigung: Mile hat mich so oft Benjamin Blümchen genannt oder sich über mein Äußeres lustig gemacht, dass ich mich nach wertschätzenden Worten von anderen Männern gesehnt habe. Die ich übrigens auch im Überfluss erhalten habe.

Nachdem sich der dunkle Schleier um mich herum gelegt hat, befinden sich Mile und ich auf der Startseite von Tinder. Bevor der Idiot auf die Idee kommen kann, Profile nach rechts oder links zu swipen, befördere ich uns in den Nachrichtenbereich.

Was eine ziemlich unüberlegte und dumme Idee ist, weil dort mehrere Chats mit Männern aufgelistet sind.

Zum Glück konnte ich damals mein Alter fälschen, denn hätten die Männer gewusst, dass ich erst 16 Jahre alt bin, hätten sie mir bestimmt nicht geschrieben.

„Wow, Eiskönigin, du bist ja total gefragt", flötet Mile mit seiner besten Sing-Sang-Stimme. Außerdem zwinkert er mir mal wieder frech zu und wackelt danach pervers mit seinen Augenbrauen. „Wollen wir uns ein paar Chatverläufe durchlesen?"

Was? Nein!

„Vergiss es!", fauche ich ihn warnend an. Mile hat schon genug in meiner Privatsphäre herumgeschnüffelt. Außerdem bin ich mir nicht mehr sicher, wie jugendfrei die Nachrichten sind.

„Was sollen wir denn sonst hier machen?", fragt mich Mile gelangweilt. „Es interessiert mich halt, mit welchen Kerlen du ein Match hattest und wie ihr so miteinander geschrieben habt."

„Das geht dich aber nichts an, du Schnüffelnase!"

Mile verzieht sein Gesicht zu einer unzufriedenen Grimasse. Für ein paar Sekunden legt er seine Stirn in tiefe Furchen, bis er von mir verlangt: „Dann sag mir wenigstens, mit welchen von diesen Typen du geschlafen hast. Ich will nur wissen, ob die äußerlich eine Chance gegen mich hätten."

Wie bitte?

Im ersten Moment denke ich, dass mir meine Ohren einen Streich spielen, doch Miles eindringlicher Ausdruck verrät mir, dass ich mich nicht bloß verhört habe.

Ein Fünkchen Wut glimmt in meinem Inneren auf und verwandelt sich in eine lodernde Flamme.

Obwohl ich dem Idioten keinerlei Rechenschaft schuldig bin, verschränke ich die Arme vor der Brust und spucke dann abschätzig: „Mit keinem! Im Gegensatz zu dir bin ich nämlich keine Schlampe!"

Boom! Ich kann genau beobachten, dass meine Worte wie eine Bombe in Miles Herzen einschlagen. Ein verletzter Schleier legt sich über sein Gesicht, wohingegen eine Flamme der Enttäuschung in seinen Augen aufflackert.

Ja, vielleicht hätte ich meine Worte auch anders wählen können, aber sie entsprechen nun mal der Wahrheit.

„Hältst du mich wirklich für eine Schlampe?" Mile fängt meinen Blick auf und schaut mich gekränkt an.

Fast schon bin ich versucht, zurückzurudern, doch ich kralle mich in letzter Sekunde an meinem Selbstbewusstsein fest und nicke. „Ja", sage ich mit entschlossener Stimme. „Oder wie würdest du einen Kerl bezeichnen, der jedes Wochenende mit einer anderen Frau schläft?"

Mile wirkt erschlagen und überfordert. Als hätten ihm meine Worte eine Ohrfeige verpasst.

„Weißt du? Frauen, die sich mit mehreren Männern vergnügen, werden sofort als Schlampen bezeichnet. Ihr Typen hingegen werdet noch dafür gefeiert, wenn ihr ein Herz nach dem anderen brecht!", rede ich mich wütend in Rage. „Tut mir leid, aber wenn Frauen Schlampen sind, dann bist du auch eine Schlampe, Mile!"

Im Einklang mit meinem letzten Wort verpuffen jegliche Emotionen aus seinem Gesicht. Er verschließt sich vor mir und straft mich mit einem gefühlskalten Blick.

„Ganz schön traurig, wie du denkst, Elsie!", schnaubt Mile. „Ich persönlich würde nämlich niemals einen Menschen als Schlampe bezeichnen, nur weil er mehrere Bettpartner hat. Ganz egal, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelt."

Ich hasse es, dass Mile mein schlechtes Gewissen aktiviert.

„Jeder darf selbst entscheiden, mit wem er Sex haben möchte und wie oft", fährt Mile fort. „Ich zum Beispiel habe einfach Spaß und probiere gerne neue Sachen im Bett aus. Das kommuniziere ich natürlich vorher offen mit den Frauen, um keine falschen Erwartungen zu schüren."

Moment mal. Er bricht seinen ganzen Betthäschen überhaupt nicht das Herz?

„Mit wie vielen Partnern hattest du denn schon Sex?", möchte Mile auf einmal von mir wissen.

Bei seiner Frage schnürt sich meine Kehle zu und mein Hals wird staubtrocken. Ich spüre, wie sich mein Herz überschlägt, als ich peinlich berührt den Kopf senke und leise nuschele: „Mit gar keinem. Ich warte noch auf den Richtigen."

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass sich Miles Lippen zu einem überraschten Lächeln anheben.

Ja ja, soll er sich ruhig lustig machen ... Mir doch egal!

„Andere Menschen würden jetzt sagen, dass du ziemlich prüde und verklemmt seist, weil du mit 20 Jahren noch keinen Sex hattest."

Danke für die Erinnerung, du Idiot! Selbst Lucy und David ziehen mich damit auf. Wenn auch liebevoll und nicht mit bösen Absichten.

„Aber ich würde so etwas niemals sagen!", beteuert Mile nun, weshalb ich vorsichtig den Kopf hebe und seinen Blick suche. „Jeder soll sein Sexleben so gestalten, wie er oder sie es für richtig hält. Und ganz ehrlich, Elsie? Ich bewundere dich dafür, dass du auf den richtigen Partner warten möchtest, und respektiere diese Entscheidung auch."

Mit jedem Wort, das seine Lippen verlässt, wächst mein schlechtes Gewissen. Warum ist Mile in manchen Sachen schon so viel weiter im Kopf als ich? Das nervt!

„Im Gegenzug solltest du aber auch respektieren, dass ich gerne Sex und mehrere Bettpartnerinnen habe. Nur weil ich gerade in keiner Beziehung bin, möchte ich nicht auf Geschlechtsverkehr verzichten", erklärt er mir. „Und auch wenn ich schon mit mehreren Frauen geschlafen habe, freue ich mich darauf, das erste Mal Sex mit einer Frau zu haben, die ich wirklich aus tiefstem Herzen liebe. Denn genauso wie du glaube ich, dass das etwas ganz Besonderes ist."

Ein riesiger Kloß, der sich nicht herunterschlucken lässt, bildet sich in meinem Hals.

In den letzten Jahren habe ich Mile immer dafür verurteilt, dass er jedes Wochenende mit einer anderen Frau geschlafen hat. Nur weil sein Lebensstil nicht meinen eigenen Erwartungen entspricht, habe ich seine intimen Handlungen abgewertet.

Dass das nicht fair war, wird mir jetzt gerade bewusst, denn Mile hat Recht: Jeder soll sein Leben so führen, wie er oder sie es für richtig hält.

„Es ... Es tut mir leid", murmele ich leise und schuldbewusst in Miles Richtung. „Du bist natürlich keine Schlampe!"

Miles Mundwinkel heben sich zu einem versöhnlichen Lächeln. Er zwickt mir spielerisch in die Seite, ehe er wissen möchte: „Was bin ich denn dann?"

Ich erwidere sein freches Grinsen. „Nur ein schwanzgesteuerter Idiot, der hoffentlich Kondome benutzt, um sich nicht fortzupflanzen!"

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