9 - Alles rund um die Frau

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Damit Mile und ich keine wertvolle Zeit verlieren, immerhin hängt unser Leben davon ab, spare ich mir eine Diskussion und lasse ihn die nächste App aussuchen. Ziemlich schnell entscheidet er sich für eine pinke Kachel, in der das Seitenprofil einer Frau abgebildet ist.

Och nö. Hätte er nicht eine andere App auswählen können?

Begleitet von einem unangenehmen Stechen in der Magengrube werde ich von der aufsteigenden Dunkelheit verschluckt. Ich treibe mehrere Sekunden in dem schwarzen Schleier, bis er sich auflöst und ein Kalenderblatt vom Februar zum Vorschein kommt.

„Was ist das denn?", fragt mich Mile sogleich verwirrt. „Welche App soll das sein?" Er macht einen großen Schritt auf die Leinwand zu und legt seinen Kopf schief.

Die Tage vom fünften bis zum zehnten Februar sind mit einem zarten Rosaton hinterlegt, während der Zeitraum vom 14. bis zum 20. Februar einen blauen Hintergrund aufweist. Zusätzlich ist der 19.02. mit einem Kreis markiert.

Auch die erste Woche im März ist schon sichtbar. Dort werden die Tage vom vierten bis zum neunten März durch einen rosafarbenen Rahmen hervorgehoben.

Unterhalb des Kalenderblatts befindet sich eine Legende, die sowohl die Farben als auch die Symbole erläutert. Der rosafarbene Hintergrund steht für die Periode, der blaue Farbton repräsentiert die Fruchtbarkeit, der Kreis macht den Eisprung kenntlich und der rosa Rahmen zeigt die erwartete Periode an.

Obwohl ich den Kalender seit mehreren Jahren nicht mehr benutze, scheint er sich automatisch fortgesetzt zu haben. Sogar richtig, denn erst vor zwei Tagen ist meine Blutung wieder verschwunden.

„Ah, Moment!", erinnert mich Mile mit seiner rauen Stimme daran, dass er leider nicht in der Dunkelheit verloren gegangen ist. Mit gerunzelter Stirn schaut er zu mir und möchte wissen: „Ist das hier eine Perioden-App?"

„Stark kombiniert, Sherlock", lobe ich ihn. Natürlich mit so viel Sarkasmus, dass mir beinahe schwindelig wird.

„Gut zu wissen, wann du deine Tage bekommst", flötet Mile grinsend. Wie so oft wackelt er anzüglich mit den Augenbrauen und fängt sich dafür einen leichten Hieb gegen den Oberarm ein. „Dann hätten wir ja theoretisch noch drei Wochen Zeit, um-"

„Halt die Klappe, Mile!", unterbreche ich ihn hastig. „Und lass mich gefälligst aus deinen schmutzigen Gedanken raus, klar?!"

Um mich zu provozieren, salutiert er einmal.

Kurz keimt in mir die Hoffnung auf, dass er mich nun mit weiteren unangebrachten Sprüchen verschont, aber blöderweise ist das nur Wunschdenken.

„Wenn du in einer Woche deinen Eisprung hast, könnten wir ja versuchen, einen Mini-Mile oder eine Mini-Elsie in die Welt zu setzen. Was hältst du davon, Eiskönigin?"

Entsetzt schaue ich in Miles blaue Augen, die mich herausfordernd anfunkeln.

Hat er das gerade wirklich gesagt? Ich glaube, ich muss gleich kotzen! Aber nicht auf irgendeine hässliche Sporttasche, sondern auf Miles Pokémon-Socken.

Auch wenn mir sein Gesichtsausdruck verrät, dass er mich bloß ärgern möchte, überzieht sich mein Körper mit einer unangenehmen Gänsehaut. Ein Mini-Mile, der genauso idiotisch wie das Original ist? Das würde ich nicht überleben!

„Wenn du schon nicht über Sex sprechen willst, sollen wir uns dann wenigstens über deine Periode unterhalten?" Ich hasse es, dass mich Mile so dämlich angrinst und mir ein provokantes Zwinkern schenkt. So etwas wie ein Schamgefühl scheint er nicht zu besitzen.

„Wir gehen!", entscheide ich gereizt, um einem Gespräch auszuweichen. „Hier gibt es nichts mehr für uns zu sehen!"

Bevor Mile protestieren kann, drücke ich auf den Pfeil in der unteren, rechten Ecke, der uns zurück zum Startbildschirm bringt. Schnell weg von den ganzen Sachen, die etwas mit dem weiblichen Geschlechtsorgan zu tun haben.

Während ich tief durchatme, um Miles dämliche Sprüche zu verarbeiten, hat der Idiot bereits die nächste App ins Visier genommen. Mit zielstrebigen Schritten steuert er die Kachel an, die sich unmittelbar neben dem Perioden-Kalender befindet.

Oh nein. Wie war das nochmal mit Schlimmer geht immer?

Die Kachel von der App, die sich Mile ausgesucht hat, ist rot und zeigt in der Mitte eine Chilischote. In schnörkeligen Buchstaben steht darunter Heiße Herausforderungen geschrieben.

Verdammt! Wieso habe ich nicht einfach alle Apps von meinem alten Handy gelöscht, als ich mir mein neues Smartphone gekauft habe? Das würde mir gerade sehr viele peinliche Moment ersparen.

Tja, Eins zu Null für mein Karma.

„Ooh la la, Eiskönigin", dringt Miles perverses Lachen wie durch Watte gedämpft zu meinen Ohren hindurch. „Sieht so aus, als würden wir jetzt eine Menge Spaß zusammen haben." Er zwinkert mir noch einmal frech zu, bevor er mit seinem Zeigefinger auf die rote Kachel tippt.

Na dann, auf ins Verderben!

Wie immer empfängt mich die Finsternis mit offenen Armen und bietet mir für ein paar Sekunden Zuflucht. Leider hält sie mich aber nicht gefangen, sondern katapultiert mich geradewegs in die App mit den Erotik-Spielen.

Warum ich so eine schmuddelige App auf meinem Handy habe, obwohl ich noch nie in einer Beziehung war und auch keinen One-Night-Stand hatte?

Die Antwort ist leicht: Lucy, zu viel Alkohol und eine ungesunde Portion Neugierde.

Sobald sich die Dunkelheit in lange Bindfäden aufgelöst hat, landen Mile und ich vor einer riesigen Leinwand. Ganz oben ist die Chilischote vom Logo zu sehen, darunter das Mars- und Venus-Zeichen, die miteinander verwoben sind. Mittig befinden sich zwei Eingabefelder, in denen der Name des Mannes und der Name der Frau eingetippt werden sollen.

Scheiße! Bin ich gerade wirklich mit Mile Harrison höchstpersönlich in eine Erotik-App abgetaucht?

Das wird sowas von schiefgehen!

Während ich noch damit beschäftigt bin, meine herumwirbelnden Gedanken zu sortieren, reibt sich Mile vorfreudig die Hände und tritt näher an die Leinwand heran. „Dann wollen wir mal ..." Kaum hat er das erste Textfeld berührt, erscheint eine Tastatur, mit der er meinen Namen eingibt. In das Feld darunter tippt er seinen eigenen Namen ein. Abschließend klickt er auf den weißen Button, in dem das Wort Start aufleuchtet.

Verdammt! Ist es schon zu spät, um einen Rückzieher zu machen?

Scheinbar schon, denn Mile und ich werden zu einer Menüauswahl weitergeleitet.

Heiße Herausforderungen. Gewagte Szenen. Wahrheit oder Pflicht. Sündhaftes Niveau. Spruch des Tages.

Ernsthaft? Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, wie versaut diese App damals wirklich war. Oder ich habe es bewusst verdrängt.

Heiße Herausforderungen klingt doch gut, oder?"

Nein, überhaupt nicht!

Ich kann sehen, wie Mile seinen Arm ausstreckt, um die erste Kachel anzuklicken, allerdings komme ich ihm zuvor, indem ich blitzschnell auf Spruch des Tages drücke. Das hört sich von allen Auswahlmöglichkeiten am harmlosesten an.

„Oh man, du bist so eine Spielverderberin, Elsie!", beschwert sich Mile und verdreht seine blauen Augen.

„Pech gehabt!"

Nur einen Atemzug später ploppt ein unscharfes Foto vor unseren Gesichtern auf. Im Hintergrund sind ein leicht bekleideter Mann und eine leicht bekleidete Frau zu sehen, die ihre Körper wie zwei Magnete aneinanderpressen, wohingegen im Vordergrund ein Spruch die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Ich mag kaltes Wetter, Kapuzenpullis und Regen. Hitze nur, wenn sie von deinem Körper kommt.

Meine Güte! Wie konnte ich diese App damals nicht sofort wieder deinstallieren? Ich schiebe es einfach mal auf den Alkohol ...

„Das ist doch total langweilig, Eiskönigin", mault Mile unzufrieden neben mir. „Wer will sich schon irgendwelche dummen Sprüche durchlesen, wenn er stattdessen Spaß haben könnte?"

Ich!

„Es wird Zeit für eine Heiße Herausforderung!" Ohne mich nach meiner Zustimmung zu fragen, berührt er den Pfeil oben links, sodass das unscharfe Bild verschwindet und wir wieder bei der Menüauswahl landen.

Na super ...

Dieses Mal schaffe ich es nicht, Mile zuvorzukommen, denn er schirmt die Leinwand mit seinem breiten Körper von mir ab. Als er sich sicher ist, dass ich nicht an ihm vorbeikomme, tippt er auf die Kachel Heiße Herausforderungen.

Erneut werden wir zu einer Auswahl verschiedener Kategorien weitergeleitet. Nur ist es dieses Mal schlimmer! Viel schlimmer!

Leicht. Vorspiele. Oralsex. Analsex. Äußerst.

Oh Gott. Das ist doch ein schlechter Albtraum, oder? Am liebsten würde ich diese Horror-App sofort wieder verlassen, aber ich bin plötzlich wie versteinert. Keine Ahnung, ob es daran liegt, dass ich noch Jungfrau bin, aber das Thema Sex ist mir furchtbar unangenehm. Und ja, vielleicht bin ich mit meinen 20 Jahren verklemmt, aber dann ist das halt so.

Außerdem würde niemand gerne mit seinem Erzfeind in einer Erotik-App gefangen sein wollen. Oder?!

„Was hältst du von Vorspiele?", erkundigt sich Mile neugierig bei mir. Ohne auf meine Antwort zu warten, tippt er auf die entsprechende Kachel. Es dauert ein paar Sekunden, doch dann teilt sich die Leinwand in zwei verschiedene Bereiche auf.

In der oberen Hälfte ist wieder diese dämliche Chilischote abgebildet, wohingegen im unteren Teil Miles Name steht. Unter den vier Buchstaben befindet sich eine Art Karteikarte mit der ersten Herausforderung.

„Blase sinnlich Luft auf die Stelle zwischen Kinn und Hals von Elsie", entziffert Mile die geschwungenen Buchstaben.

Ein freches Grinsen, das Übelkeit in meinem Inneren heraufbeschwört, umspielt seine Lippen, als er sich zu mir umdreht. „Warum bist du eigentlich so still geworden, Eiskönigin?", erkundigt er sich bei mir, während er zwei große Schritte auf mich zumacht. „Denkst du etwa schon daran, was wir hier alles anstellen könnten?" Ganz langsam und vorsichtig bleibt er vor mir stehen.

Unsere Augen treffen wie zwei Komete aufeinander und halten sich gegenseitig gefangen. Je länger ich in diesem wunderschönen, blauen Ozean versinke, umso schneller schlägt mein Herz.

Warum schaut er mich so liebevoll an?

Wie in einer Trance bekomme ich kaum mit, dass mir Mile meine straßenköterblonden Locken hinter das Ohr streicht und damit meinen Hals freilegt. Erst als seine Fingerspitzen meinen Nacken berühren, zucke ich zusammen.

Verdammt. Was soll das?

Miles Berührung ist so sanft, dass sich ein elektrisches Kribbeln in meinem Körper ausbreitet und ich das Gefühl habe, unter Strom zu stehen. Plötzlich wird die Luft um mich herum immer dünner, weshalb ich kaum noch atmen kann.

Wenn ich nicht schnell etwas unternehme, wird diese App mein Untergang sein!

Mile möchte sich gerade zu meinem Hals hinunterbeugen, um seine dämliche Herausforderung zu absolvieren, da erwache ich aus meiner Starre, lege meine Hände auf seine Brust und stoße ihn kräftig von mir weg.

„Spinnst du?!", fauche ich ihn wütend an. Mein Brustkorb hebt und senkt sich in viel zu schnellen Abständen und mein Herz überschlägt sich. „Nimm gefälligst deine dreckigen Pfoten von mir!" Sicherheitshalber mache ich einen Schritt zurück, um möglichst viel Abstand zwischen unseren bebenden Körpern zu schaffen.

Es ist nicht diese blöde Herausforderung, die mir in diesem Moment eine Heidenangst einjagt, sondern Miles Berührungen. So intensiv, wie ich auf seine Fingerspitzen reagiert habe, würde mein Körper wahrscheinlich zu Wachs schmelzen, wenn er seine Lippen an meinem Hals ansetzt. Abgesehen davon möchte ich mir natürlich auch keine Idioten-Keime einfangen.

„Ach, nun hab dich doch nicht so, Eiskönigin!", seufzt Mile genervt. „Das ist doch nur ein Spiel."

Für ihn vielleicht. Für mich aber nicht.

Seit der Sekunde, in der sich unsere Augen verschlungen haben, ist etwas anders. Und nein, ich weiß noch nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll.

Um vor meinen Gefühlen und in gewisser Weise auch vor Mile wegzulaufen, krächze ich mit brüchiger Stimme: „Wir haben keine Zeit für solche Spielchen. Es gibt noch genug andere Apps, die auf uns warten. Außerdem wird der Akkustand immer niedriger!" Ich wage es nicht, erneut in Miles blaue Augen zu schauen. Stattdessen haste ich zu dem Pfeil in der rechten, unteren Ecke und befördere uns zurück auf den Startbildschirm.

Kaum sind wir auf dem unscharfen Untergrund gelandet, mache ich mich auf die Suche nach der nächsten App. Einfach, um mich abzulenken und nicht mit Mile sprechen zu müssen.

Nach etwa einer halben Minute bleibe ich vor einer weißen Kachel stehen, in der sich ein orangefarbener Pfeil befindet, der nach rechts zeigt.

Zalando.

Obwohl es mir davor graut, in meine alte Online-Shopping-Sucht zu verfallen, drücke ich auf die weiße Kachel und lasse mich durch die fesselnde Dunkelheit treiben. Für einen kurzen Augenblick genieße ich die Schwerelosigkeit um mich herum, bis sie verblasst und die Anfangsseite von Zalando zum Vorschein kommt.

Direkt springt mir ein neues Angebot entgegen, das mein Käuferherz in Versuchung führt.

Lacoste. Der neue Sneaker L003 2K24. Die perfekte Synergie aus klassischem Tennissport und französischer Eleganz.

Während ich mir den weißen Schuh etwas genauer anschaue, tritt Mile an meine Seite und entfacht damit ein nervöses Kribbeln in meinem Bauch. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass mal wieder ein freches Grinsen an seinen Mundwinkeln zupft.

Oh oh, ich ahne Böses.

„Denkst du ernsthaft, dass du mir so leicht davonkommst, Eiskönigin?", fragt er mich mit hochgezogenen Brauen. „Mich lässt man nicht einfach so sitzen."

Obwohl es mir schwerfällt, ignoriere ich ihn. Nicht, weil mir keine Antwort einfällt, sondern weil sein warmer Atem, der meinen Hals streift, eine schauernde Gänsehaut auf meinem Körper entfacht.

Mist! Seit wann hat Mile so eine intensive Wirkung auf mich? Ich will das nicht! Bestimmt hat der Stromschlag von meinem Samsung-Handy irgendwelche Synapsen in meinem Kopf falsch miteinander verkabelt.

„Du ignorierst mich? Fein!" Mile schnaubt einmal. Dann klickt er auf die Suchleiste, die sich ganz oben befindet, und tippt dort Dessous sexy ein.

Ist das sein Ernst?

„Mile!", zische ich warnend seinen Namen, doch dieses Mal liegt es an ihm, mich mit Nichtachtung zu strafen.

Begleitet von einem schadenfrohen Schmunzeln drückt er auf das Lupen-Symbol, sodass wenig später 177 Artikel angezeigt werden. Direkt springen mir mehrere aufreizende Unterwäschesets entgegen, die mit Spitze überzogen sind oder in knalligen Farben leuchten.

„Wenn du schon keine heißen Herausforderungen annimmst, dann lass mich wenigstens heiße Dessous aussuchen, ja?" Mile ignoriert mich nicht länger und schaut mich stattdessen bemüht unschuldig aus seinen Ozeanaugen an. In Kombination mit den niedlichen Grübchen, die sich in seine Wangen bohren, bin ich fast schon gewillt, ihm zuzustimmen.

Aber nur fast!

„Hör auf, dir so einen Schwachsinn anzugucken!", fordere ich ihn genervt auf. „Seit der Perioden-App denkst du nur noch mit deinem Schwanz! Weißt du eigentlich, wie anstrengend das ist?!" Ich verschränke die Arme vor der Brust und werfe Mile einen erwartungsvollen Blick zu, doch er wendet sich einfach von mir ab.

Die Dessous sind wohl spannender als ich ...

„Es wird allerhöchste Zeit, das Blut zurück in deinen Dickschädel zu pumpen." Im Einklang mit meinen Worten bereite ich mich darauf vor, uns auf den Startbildschirm zu beamen. „Und ich weiß auch schon, wie!"

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