Angst und Erleichterung

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Ich wusch den letzten Teller ab, machte das Waschbecken sauber und trocknete mir daraufhin die Hände an einem Handtuch ab.
Eigentlich wollte mir Linda beim Abwaschen helfen, doch ich hatte dies direkt verneint und ihr gesagt, dass sie ruhig hoch in mein Zimmer gehen und ihre Sachen auspacken konnte.
Meine Mama hatte ich auch sofort losgeschickt, weil ich nicht wollte, dass sie sich später extrem abhetzte, um noch pünktlich zu ihrer Nachmittagsrunde zu kommen.

Ich lächelte nur einmal, hängte das Handtuch wieder ordentlich über die Heizung, zum Trocknen, und zückte daraufhin mein Handy.
Meine Miene wurde mit einem Mal ganz traurig, als ich bemerkte, dass sich Lukas immer noch nicht bei mir gemeldet hatte.
Wir hatten den ganzen Tag noch nicht miteinander geschrieben und eigentlich meinte er gestern, vorm Gute Nachte sagen, noch, dass er sich heute, irgendwann im Laufe des Tages, melden würde.
Na ja, wahrscheinlich war Lukas einfach zu beschäftigt und hatte noch nicht die Zeit gefunden, um sich bei mir zu melden. Mach' dich nicht wild, Wolbers.

Ich steckte es wieder weg, weil mir sonst weiter keiner geschrieben hatte und ich trat daraufhin aus der Küche und durchs Esszimmer.
Ich ging die knarzende Treppe nach oben und öffnete daraufhin auch schon meine Zimmertür.
Dort stand logischerweise niemand geringeres als Linda, die gerade dabei war, ihre Klamotten von ihrem Koffer in meinen Schrank einzuräumen, so wie sie es meistens immer tat.

,,Hast du überhaupt Platz darin gefunden?'', fragte ich lachend nach und trat näher auf meine Stiefschwester zu.
,,Nachdem ich ein wenig aufgeräumt und das Chaos beseitigt habe, ja.'', antwortete sie grinsend und ich sah in meinen nun verdammt aufgeräumten Kleiderschrank.
,,Wie konntest du eigentlich darin durchsehen und wie kann deine Mama das so einfach zu lassen?!'', fragte sie und räumte einige Socken in die unterste Schublade.
,,Das ist eben ein System, das nur ich verstehe. Mama guckt schon gar nicht mehr in den Schrank, sondern legt die Klamotten nur noch zusammengestapelt aufs Bett.'', erwiderte ich lachend, doch biss mir trotzdem einmal auf die Unterlippe.
,,Würde ich an ihrer Stelle auch nicht mehr.''

,,Aber rein theoretisch gesehen könnten wir doch jetzt zusammen in einem Bett schlafen, oder? Du hast doch ein neues, viel größeres bekommen.'' Linda sah mich fragend und mit schief gelegtem Kopf an, während ich nur mit den Schultern zuckte.
,,Wenn du unbedingt neben mir schlafen willst. Ich kann auch ruhig weiterhin auf 'ner Matratze pennen, damit habe ich kein Problem.'', meinte ich nur lachend.
,,Klar, du hast doch nicht die Kräze und solange du nicht auf die Idee kommst, zu furzen, ist alles gut.'', lachte sie ebenfalls und schmiss sich dann auch schon in mein frisch bezogenes Bett. Ich tat es ihr augenblicklich gleich und wir beide starrten daraufhin an die weiße Decke.

,,Dein altes Bett war echt so verdammt klein, alter. Wie konnten deine ganzen Freundinnen, Alex und vor allem Marcel überhaupt darin mit dir zusammen schlafen?'', fragte Linda nachdenklich und drehte ihren Kopf in meine Richtung.
,,Ich weiß auch nicht. Meine Exfreundinnen und Alex haben sich immer halb auf mich drauf gelegt und wie Marcel und ich das meistens veranstaltet haben - weiß ich nicht.'', lachte ich nur, zuckte mit den Schultern und meine Stiefschwester stimmte augenblicklich mit ein.
,,Na ja, jetzt musst dir darüber ja keine Gedanken mehr machen.'', erwiderte sie lächelnd und stupste mir gegen die Nase, während sie sich im Bett etwas breiter machte.

,,Wolltest du mir nicht noch was erzählen? Nicht sogar schon vorm Essen?'', griff Linda plötzlich auf ihre Frage von vorhin auf und meine Augen weiteten sich währenddessen.
,,Was denn?'', tat ich einen auf ahnungslos und blickte sie meiner Tonlage entsprechend an.
,,Na komm', jetzt aber. Du weißt doch ganz genau, was ich eigentlich von dir will.'', stieß sie mich grinsend und vielsagend zugleich an.
,,Ja, vielleicht...'', murmelte ich leise und spielte nervös mit meinen Händen.

Ich wusste echt nicht so recht, ob ich Linda wirklich schon von meiner Homosexualität und dem zwischen mir und Lukas erzählen sollte.
Meine Mama wusste ja auch noch nicht, dass ich schwul bin und da konnte ich es jawohl schlecht direkt meiner Stiefschwester verklickern.
Obwohl es mir bei ihr höchstwahrscheinlich deutlich einfacher fallen würde, als das meiner Mama mitzuteilen...

Aber warum sollte ich es ihr nicht sagen? Linda war einer meiner engsten Vertrauenspersonen und ich konnte ruhig immer zu ihr kommen, wenn mir irgendwas auf dem Herzen lag und ich dringend ein offenes Ohr brauchte.
Sie war eigentlich einer der Allerletzten, die mich je wegen irgendwas verurteilen würden. Linda hatte das noch nie gemacht, würde auch nie auf die Idee kommen und es einfach akzeptieren und so hinnehmen.
Sie hatte mich ja noch nicht einmal verurteilt, als ich ihr erzählt hatte, was für Drogen ich neben Marihuana, Alkohol und Nikotin, noch so konsumiere. Da würde sie mich jawohl kaum verurteilen, wenn ich einen Jungen liebe.

,,Ähm...Linda?'', fragte ich unsicher nach und biss mir auf die Unterlippe.
,,Hm?'', machte sie nur und blickte mich weiterhin fragend von der Seite an.
,,Ich muss dir was sagen...äh....beichten....'', fing ich vollkommen nervös an und spielte erneut mit meinen Händen. Shit...

,,Oh, was ist denn los?'', fragte Linda besorgt und sah mich ihrer Tonlage entsprechend an.
Ich sah meine Stiefschwester weiterhin mit nervösen und unsicheren Augen an und wusste gar nicht so recht, wie ich überhaupt mit dem ganzen Thema anfangen sollte.
Da war ja noch viel, viel schwieriger als bei Alex!

Bei Alex war das Ding gewesen, dass ich schon im Ungefähren wusste, was genau sie eigentlich von Schwulen hielt.
Ihr kleiner Bruder war es ja schließlich auch und deswegen wusste ich, dass sie mein Outing ebenfalls genauso positiv aufnehmen würde.
Außerdem hatte meine beste Freundin nie den Eindruck gemacht, als würde sie damit irgendein Problem haben und als wäre sie eine Gegnerin davon.

Doch bei Linda war es dann doch nochmal eine ganze andere Hausnummer und noch ein ganzes Stückchen anders.
Ich wusste absolut nicht, was Linda eigentlich von Schwulen hielt, denn wir zwei hatten noch nie über dieses Thema geredet und es war innerhalb der Familie auch noch nie großartig aufgekommen.
Und Linda hatte im Gegensatz zu Alex, meines Erachtens nach, keine weiteren homosexuellen Verwandten oder gar Freunde und Bekannte.

,,Was ist denn los, Timi?'', fragte Linda weiterhin in einem besorgten Ton und rückte näher zu mir.
,,Also...ähm...'', fing ich wieder unsicher an und fand keine wirklichen Worte. Was sollte das denn?!
,,Ich hab' mich...äh...halt verliebt...'', sprach ich es dann endlich aus und spielte nun nervös mit dem untersten Saum meines Shirts.

,,Oh Gott, wie schlimm! Ab mit dir in den Jugendknast! Ach was, verbrannt und auf den Scheiterhaufen gehörst du!'', erwiderte Linda darauf ironisch und lachte einmal auf laut.
,,Ach man, Linda...'', seufzte ich und fuhr mir durch die Haare.
,,Was denn, Timi? Das ist doch nicht weiter schlimm!'', lachte sie weiterhin und sah mich verständnislos an. Wenn sie nur wüsste, warum ich mich eigentlich so aufführe und wild machte...

,,Linda, das ist aber nicht so einfach...'', erklärte ich ihr erneut seufzend und fuhr mir aufgebracht durch die Haare, weshalb ich meine Frisur somit komplett zerstörte. Obwohl das momentan mein geringeres Problem war...
,,Was ist denn das Problem an der ganzen Sache, Timi? Steht dieses Mädchen etwa nicht auf dich, hat sie schon 'nen Freund, oder was?'', harkte Linda nach und legte den Kopf einmal schief. Oh, wie viel lieber mir das wäre, als mich jetzt als schwul zu outen...
,,Wenn es denn nur ein Mädchen wäre...'', rutschte mein Gedankengang eher ungewollt aus mir heraus und ich schlug mir augenblicklich die Hand auf den Mund. Hatte ich das gerade wirklich laut ausgesprochen?! Ne, oder?! Fuck...

Ich sah in das leicht geschockte und überraschte Gesicht meiner älteren Stiefschwester und bereute es so, so sehr, diesen Satz laut gedacht zu haben.
Was dachte Linda denn jetzt nur von mir? Mochte sie mich überhaupt noch? Hasste sie mich vielleicht etwa, weil ihr kleiner Stiefbruder auf Jungs stand?

So viele Fragen schwirrten mir momentan durch den Kopf und auf keine wusste ich eine wirkliche, korrekte Antwort. Ich hätte es ihr einfach nicht sagen dürfen...

Ich hielt mir die Tränen zurück, denn heulen brachte mir momentan eher weniger was und änderte auch rein gar nichts an der derzeitigen Situation. Also wartete ich still auf ihre Reaktion, die ich mir gar nicht erst erdenken und in der Realität haben wollte.
Linda hatte sicherlich ein ganz großes Problem mit Schwulen und hasste mich höchstwahrscheinlich jetzt, weil sie sowas einfach nur unfassbar ekelhaft und überhaupt nicht normal fand.
Es würde doch nicht mehr lange dauern und sie würde mir jeden Moment an den Kopf knallen, wie verdammt ekelhaft das doch eigentlich war und wie sehr sie mich eigentlich verabscheute.

,,Tim, sieh' mich bitte an.'', sagte Linda irgendwann, als wir gefühlte Jahre miteinander geschwiegen hatten und ich sah zögerlich zu ihr.
Ein riesiges Lächeln zierte augenblicklich ihr Gesicht und sie grinste mich vollkommen breit von der Seite an.
,,Das ist doch nicht schlimm.'', sagte sie dann und ich sah meine Stiefschwester nun vollkommen verwundert an.

,,Was?'', fragte ich unglaubwürdig und realisierte ihre Worte gar nicht richtig. Träumte ich etwa?
,,Ich finde es nicht schlimm, dass du dich in einen Jungen verliebt hast. Ist doch alles OK.'', lachte Linda und lächelte mich ehrlich an.
,,Echt nicht?''
,,Timi, nein. Warum sollte ich auch? Ist doch nichts weiter bei, mein Gott.'' Meine ältere Stiefschwester schüttelte nur mit dem Kopf und drehte sich dann auf die Seite, um mich besser ansehen zu können.

,,Aber ich bin nicht bi, Linda, und das ist auch nicht nur irgendeine dumme Phase.'', erklärte ich ihr direkt und biss mir dabei auf die Unterlippe.

,,Ja, na und?'', machte sie nur verwirrt und zog die Augenbrauen nach oben.
,,Ja, stört dich das denn irgendwie nicht?'', fragte ich nach und fuhr mir unsicher durch die Haare.
,,Hä?''

,,Timi, warum denkst du denn sowas von mir?'', fragte Linda leicht aufgebracht und geschockt zugleich, während sie den Kopf erneut schief legte.
,,Ach, keine Ahnung. Irgendwie denke ich das bei so gut wie jedem und ich weiß auch nicht so recht, wieso eigentlich.'', zuckte ich unsicher mit den Schultern und seufzte einmal leise.
,,In meinen Gedanken warst du eigentlich schon längst weg und würdest mich hassen.'', fügte ich noch schief grinsend hinzu und sah meine Stiefschwester mit schüchternen Augen an.

Ich wusste doch selbst nicht, warum ich bei jedem Mensch, vor dem ich mich outete, dachte, dass dieser mich danach hassen und aufs Brutalste verurteilen würde.

Selbst bei Alex hatte ich mir solche Gedanken gemacht, obwohl sie jawohl nun wirklich die allerletzte Person auf diesem Planeten sein würde, die einen deswegen hassen oder gar verurteilen würde.
Wahrscheinlich lag es einfach an Ronny, denn durch ihn konnte ich mir meine wahre Sexualität ja erst seit einigen Tagen so wirklich eingestehen und hatte ständig Angst vor irgendwelchen dummen, homophoben Kommentaren.
Dieser Kerl hatte sich einfach viel zu sehr in meinen Kopf eingenistet, sodass so gut wie jeder für mich, auch die, die noch nicht einmal so wirkten, total homophob für mich waren und mich direkt verprügeln würden, sobald ich ihnen erzählte, dass ich schwul bin und einen sehr besonderen Jungen liebe.

,,Gott, Tim, als ob ich dich deswegen hassen würde. Ist doch nichts bei, dann bist du halt schwul und liebst einen Jungen.'', lachte Linda auf das Alles nur und schüttelte über meine Gedanken mit dem Kopf.
,,Ich bin doch nicht homophob, Mensch. Ich bin doch nicht bescheuert und auf den Kopf gefallen. Warum sollte ich dich denn bitte hassen, nur weil du jemanden liebst?!'', fügte sie noch hinzu und lachte dabei noch viel lauter.
Ich lächelte sie nur weiterhin schief von der Seite an, kratzte mich nervös am Hinterkopf und kam mir in diesem Moment wie der größte Vollidiot auf diesem Planten vor.

,,Timi, da ist wirklich nichts bei für mich. Wenn du schwul bist, dann bist du halt schwul, da kann weder ich, noch du etwas dran ändern.'', sagte meine ältere Stiefschwester nun etwas ruhiger und fuhr mir einige verirrte Strähnen aus dem Gesicht.
,,Ja, du hast ja Recht...'', nuschelte ich und konnte mir ein breites Grinsen einfach nicht verkneifen.
,,Ich sehe dich jetzt auch nicht mit anderen Augen, oder so. Du bist immer noch mein kleiner Stiefbruder, egal ob du nun ein Mädchen oder einen Jungen liebst. Ich finde das echt super und total toll, dass du mir das gesagt hast und wir so offen miteinander reden können.'', lächelte Linda und umarmte mich einmal kurz.

,,Danke.'', bedankte ich mich breit lächelnd bei ihr, als wir uns wieder voneinander gelöst hatten und ich lief dabei rot an, weil ich mich einfach wie ein verdammter Idiot benommen habe. Was dachte ich denn bitteschön nur über Linda?!
,,Doch nicht dafür.'', erwiderte sie und lachte.
Ich stimmte augenblicklich mit ein und atmete erleichtert aus, während ich wieder an die weiße Decke starrte. Positiver hätte sie jawohl nicht reagieren können!

,,Und wer ist der Glückliche und woher kennst du ihn?'', fragte meine Stiefschwester irgendwann lächelnd.
,,Also, er heißt Lukas, ist fünfzehn Jahre alt und ich kenne ihn vom Jugendzentrum.'', erzählte ich ihr und mein Bauch begann mit einem Mal wie verrückt zu kribbeln, als ich an Lukas dachte.
Ach, ich vermisste ihn einfach so und ich musste mich die nächste Woche unbedingt wieder mit ihm treffen, denn dieser Entzug war einfach viel zu lang gewesen und ich hielt es kaum noch aus.

,,Oh, das klingt interessant.'', grinste sie.
,,Und wie lange geht das schon mit euch zwei?'', fragte Linda weiterhin interessiert nach.
,,Also, so wirklich erst diese Woche, aber davor war auch schon einiges.'', antwortete ich immer noch breit lächelnd und es kribbelte noch viel stärker in meinem ganzen Körper. Es war einfach nur ein Traum, was ich mit diesem Kerl erlebte!

,,Pass' auf, Hase. Du erzählst mir jetzt wirklich alles über ihn, ich muss wirklich alles wissen. Aber davor holen wir uns noch schnell ein Bier.'', schlug Linda dann vor und setzte sich aufrecht hin.

,,Ja, nüchtern schaffe ich das noch nicht so wirklich...'', gab ich schüchtern lachend zu und fuhr mir durch die Haare.

,,Das wird alles schon.'' Meine Stiefschwester klopfte mir aufmunternd auf den Oberschenkel und schwang dann ihre langen Beine übers Bett.

,,Äh...Linda?'', fragte ich nach, bevor wir mein Zimmer verließen und hielt sie an dem Saum ihres Shirts fest.
,,Ja?'', machte sie und drehte fragend ihren Kopf zu mir.
,,Kannst du von meiner Homosexualität und Lukas noch nichts in Mamas Gegenwart erwähnen? Sie weiß davon nämlich noch nichts und ich möchte ihr das in einem ruhigen Moment sagen.'', bat ich sie und Linda lächelte augenblicklich.
,,Natürlich. Ich schweige wie ein Grab vor ihr, versprochen.'', versicherte mir meine Schwester, schloss mit einem imaginären Schlüssel ihren Mund ab und lachte daraufhin.
Ich stimmte augenblicklich mit ein, dann verließen wir endgültig mein Zimmer, holten uns aus dem Kühlschrank zwei gekühlte Bier und setzten uns daraufhin draußen auf die Terrasse, wo ich Linda etwas, beziehungsweise einiges, wenn nicht sogar viel zu viel, über Lukas vorschwärmte und sie mir grinsend dabei zu hörte. 

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