Angst vor der Zukunft? Warum sollte ich Angst vor etwas haben,

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was für mich nicht existiert?

Ich klingelte an der Haustür von Marcels Elternhaus und nach einigen Sekunden, wurde mir auch schon sofort die Tür von Marcels Mutter geöffnet, welche mich zunächst etwas verwirrt musterte, weil ich so plötzlich und vor allem spät, zu Besuch kam, aber schlussendlich lächelte sie mich dann doch mit ihrem überaus freundlichen Lächeln an.

,,Guten Abend, Timi.'', begrüßte sie mich grinsend.
,,Guten Abend, Anne.'', grüßte ich sie ebenfalls grinsend und Marcels Mama trat direkt einen Schritt zur Seite, um mich in das warme Haus zu lassen.
Ach, bei Marcel fühlte ich mich direkt immer wie bei mir Zuhause, weil seine Familie mich immer so herzlich bei sich aufnahm und es sehr begrüßte, wenn ich mal zu Besuch kam und auch für eine etwas längere Zeit blieb.

,,Marcel müsste unten im Keller sein und wenn er da nicht ist, dann ist er entweder im Bad oder doch noch in seinem Zimmer. Aber eigentlich wollte er heute im Keller pennen, wenn ich mich recht entsinne und es nicht falsch aufgeschnappt habe.'', erklärte mir seine Mutter, als ich mir Schuhe und Jacke auszog.
,,Ach, irgendwie und irgendwo werde ich ihn schon finden.'', meinte ich darauf nur lachend.
,,Klar, du kennst dich hier ja schließlich auch alleine gut genug aus.'', seine Mutter lachte ebenfalls und ich musste noch viel breiter lächeln.

,,Warum habe ich dir und Alex eigentlich noch keine Haustürschlüssel gegeben? Es ist ja schon völlig normal, wenn ihr beide mal zu Besuch seid.'', fragte sie sich dann selbst nachdenklich.
,,Weil Marcel dann auf alle Fälle ausflippen würde, weil ihm 24/7 auf die Nerven gehen könnten.'', antwortete ich immer noch lachend und fand diese Idee ziemlich amüsant.
Aber wahrscheinlich würde uns Marcel die Schlüssel direkt wieder entreißen und seine Mutter fragen, ob sie denn noch alle Tassen im Schrank hätte, weil sie ausgerechnet uns beiden einen Haustürschlüssel für seinen Wohnsitz gab.
Marcel liebte mich und Alex zwar vom ganzen Herzen und hatte uns auch gerne zu Besuch, aber wenn wir zu jeder Zeit in sein heiliges Reich hereinspazieren könnten, dann war ihm das nicht mehr ganz so recht und er würde sich ständig unter Beobachtung fühlen, weil wir jeden Moment, einfach so, völlig unangekündigt in etwas hineinplatzen könnten. Was auch schon mal der Fall gewesen war.

,,Der soll sich mal nicht so anstellen. Ihr zwei seid schließlich seine besten Freunde.'', argumentierte seine Mutter und lächelte mich an.
,,Aber trotzdem brauch' er auch manchmal seine Ruhe von uns.'', grinste ich, als ich mir in meinem inneren Auge das genervte Gesicht von Marcel vorstellte, welches er immer machte, sobald ich oder wir ihm mit irgendeiner belanglosen Scheiße so richtig auf den Sack gingen.
,,Glaub mir, jetzt würde er euch am liebsten 'n ganzes Jahr lang täglich sehen, weil Marcel euch so sehr vermisst.'', plauderte sie aus.
,,Aw...'', machte ich nur und fand das ziemlich süß. Aber gut, ich vermisse die gemeinsame Zeit mit meinem besten Freund auch sehr und wollte unbedingt wieder etwas mehr Zeit mit ihm verbringen.

,,Okay, ich gehe dann mal runter zu Marcel, falls er da sein sollte. Dir noch viel Spaß, bei was auch immer du noch tust.'', verabschiedete ich mich von Marcels Mutter und lächelte sie an.
,,Euch auch.'', erwiderte sie mein Lächeln und verschwand dann auch schon im Wohnzimmer.
Als sie die Tür hinter sich schloss, ging ich zu dem kleinen Nebenraum, welcher im Flur aneckte und daraufhin auch schon die ersten Treppenstufen hinunter,  wo Marcel sich sein zweites Kinderzimmer vor einigen Jahren eingerichtet hatte.

Da seine Familie den Keller noch nie großartig gebraucht hatte und viel eher die große Garage benutzen, hatte Marcel irgendwann mit mir zusammen angefangen, diesen Raum nach seinem Belieben einzurichten und zu gestalten.
Wir hatten die ehemaligen weißen Wände hauptsächlich mit Graffiti besprüht oder irgendwelche Poster von nackten Frauen, Bands oder Interpreten aufgehängt, die wir mochten und einige Fotos von uns mit Alex zusammen, fand man an dieser Wand ebenfalls vor.
Dann hatten wir irgendwann dort einen ziemlich alten Fernseher mit Kassettenrekorder und DVD-Player, hineingestellt. Ich hatte eine alte, zerfetzte Couch von meinem Großvater mitgebracht, welche dort ebenfalls ihren Platz gefunden hatte. Marcels ehemaliges Bett wurde dort auch hin verfrachtet, falls er mal den Weg nach oben nicht mehr finden sollte, es zu gefährlich zum Treppen steigen oder er einfach nur zu faul war, um hoch in sein Zimmer zugehen und dann direkt dort in Ruhe pennen konnte. Einen alten, zusammengebauten Rechner fand man dort auch vor und vor allem konnte Marcel dort in aller Ruhe seine Marihuanapflanze großziehen, welche er stets vor seinen Eltern versteckte.

Ich mochte Marcels Keller, sein zweites Kinderzimmer, einfach, denn dort hatten wir zusammen unseren allerersten Joint geraucht, gemeinsam mit dem Sprühen von Graffiti angefangen, ich hatte dort meine erste, richtige Knutscherei mit einem Mädchen erlebt und im Allgemeinen hatten wir dort schon die größte Scheiße abgezogen, die man sich überhaupt nur vorstellen konnte. Das Gute an dem Keller war, dass seine Eltern von all dem nie etwas mitbekamen, weil dieser Raum nur Marcel ganz alleine gehörte, seine Eltern nur ganz selten herunterkamen und dort sowieso seine eigenen Regeln und Gesetze herrschten.

Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich über diese ganzen Erlebnisse nachdachte und ich konnte es kaum noch erwarten, Marcel und den Keller endlich wiederzusehen.
Ich hatte Marcel nämlich, ebenso wie Alex, schon seit Monaten nicht mehr gesehen und im Gegensatz zu ihr arbeitete Marcel tatsächlich schon richtig und machte nicht ''nur'' eine Ausbildung in irgendeinem Betrieb.
Mein bester Freund war nämlich schon fest angestellt und der Grund dafür war auch ganz einfach zu erklären.

Marcel hatte eigentlich vorgehabt, nach seinem Abschluss der Mittleren Reife, sein Abitur zu machen, da er gerne studieren wollte. Aber urplötzlich waren alle Fachgymnasien in greifbarer Nähe komplett belegt und er sollte es doch noch einmal im nächsten Jahr versuchen, meinten diese.
Eigentlich könnte er so gesehen ein ganzes Jahr rumgammeln und rein gar nichts tun. Aber da seine Eltern und auch einerseits Marcel, das nicht wollten, bewarb er sich kurzerhand bei einem Fußpflegestudio, bei welchem er auch sofort angenommen wurde und dort für ein wenig Geld arbeiten konnte.
Der Vorteil an der ganzen Sache war, dass sich Marcel so etwas Geld für sein späteres Studium zusammensparen konnte, damit seine Eltern später nicht alles aus ihrer eigenen Tasche bezahlen mussten und auch keine großartigen Verluste machten.
Es war ein ziemlich guter Deal für beide Parteien und wenn Marcel keinen Bock mehr auf das Ganze hatte, dann konnte er auch zu jeder Zeit kündigen, was aber auch wiederum hieß, dass er kein Geld mehr verdienen würde.

Ach, Alex und Marcel wussten einfach so gut über ihre Zukunft Bescheid. Sie wussten, was sie werden wollten und wohin ihre berufliche Karriere nach der Ausbildung oder nachdem Studium gehen sollte.
Alex wollte nach ihrer Ausbildung unbedingt Moderatorin werden, diverse Leute interviewen und auch hinter der Kamera an größeren Produktionen aktiv werden. Ebenso wollte sie auch, wenn es klappen sollte, ihre eigene Produktionsfirma mit Béla zusammengründen und so ihren Weg weitergehen.
Marcel wollte irgendwas mit Kunst und Grafik studieren und daraufhin Mediengestalter für verschiedene Projekte werden, Webseiten designen, Kunstwerke gestalten, verkaufen, und, und, und.
Die beiden hatten so viel Ahnung von ihrer Zukunft, wussten schon seit Jahren, wohin sie nach der Schule wollten und würden ihre Ziele höchstwahrscheinlich auch mit viel Mühe und Arbeit erfolgreich erreichen.
Und ich? Ich hatte absolut keine Ahnung von meiner Zukunft und werde wahrscheinlich als Junkie obdachlos auf der Straße enden, während ich mir irgendwann den goldenen Schuss gebe.

Ich werde noch nicht einmal mehr meinen Hauptschulabschluss kriegen, obwohl ich die Neunte schon zum zweiten Mal wiederhole. Aber ich hatte es ja noch nicht einmal dieses Schuljahr hinbekommen, regelmäßig zur Schule zu gehen und meine Noten ordentlich aufzustocken, sodass ich die Versetzung in die Zehnte oder wenigstens die Berufliche Reife kriege. Ein drittes Mal, aber dafür an einer anderen Schule, würde ich niemals schaffen.
Ich wusste auch immer noch nicht so recht, was ich später einmal werden wollte und mir fiel auch einfach kein Beruf ein, welcher zu mir passen und in welchen ich mich gerne ausbilden lassen würde.
Klar, ich konnte zum Beispiel ziemlich gut zeichnen, aber dass ich irgendwann mal ein hochangesehener Künstler werde, lag bei null und ich würde damit noch nicht einmal ein wirklich festes Einkommen haben und müsste immer versuchen mich über Wasser zu halten, was ich wahrscheinlich niemals schaffen werde.
Und ein weiteres Problem war diese beschissene Gang.

Laut Ronny sollten wir keinen Beruf erlernen, auf gar keinen Fall einen Abschluss haben, sondern unser Geld mit dem Dealen von Drogen verdienen.
Schulabschluss? Eine Ausbildung in der Tasche? Beendetes Studium? Nein, das war nicht Ronnys Vorstellung von einer geregelten und ordentlichen Zukunft, sondern man sollte rein gar nichts von all dem in der Tasche haben und weiterhin irgendwelche illegalen Dinge tun.
Schließlich konnte man beim Dealen von Drogen nicht gefeuert werden, denn man war ja dort sein eigener Chef und wenn es mal nicht so lief mit den Kunden, dann hatte man halt Pech und musste das Zeug eben selbst zu sich nehmen.
Das waren zu mindestens die Worte vom Lauch und ich konnte mir gut vorstellen, dass dieser Nichtskönner genau so einen Weg einschlagen würde.

Ich lachte kurz auf, als ich mir vorstelle, wie Ronny später Besitzer von irgendeinem Puff wurde und sich steinreich damit verdiente, dass sich Mädels auf Hungerlohn für ihn prostituierten, ihm sein Geld einspielten und er währenddessen in Saus und Braus lebte und rein gar nichts von seinem Reichtum ab gab.
Wahrscheinlich hatte er dann auch noch seine Lieblingsnutte, welche ihm dann auch ab und zu mal etwas von dem Spaß gönnte, welchen die Freier so bekamen.
Natürlich würde dieser wandelnde Lauch auch niemals an Geldmangel leiden. Ein guter Puff wurde schließlich gut besucht und wenn es erst einmal so richtig mit dem Laden lief, dann würde ich auch nicht leugnen, dass er tatsächlich deswegen Millionär werden könnte.

Auch wenn Ronnys Auge größer als sein Hirn war, war dieser Junge was Geschäfte anging, ein ziemlich raffiniertes Kerlchen und das bewunderte ich auch ein wenig an ihm, auch wenn ich das so niemals zugeben würde. 
Sein Vater war nämlich ein hochangesehener Geschäftsmann, hatte sogar seine eigenen Betrieb und daher wusste Ronny auch schon im frühen Alter, wie man bestimmte Geschäfte erledigte, was man zu beachten hatte und wie man Leute so richtig übers Ohr hauen konnte.
Wenn er wollte, dann konnte er Drogen zu einem sehr billigen, für diese gar nicht so üblichen, Preis herunterhandeln und sie wiederum aber ziemlich teuer an andere Leute verkaufen. Ronny konnte Leute so gut überreden, sodass sie ihm gehorchten und auch vieles für ihn taten, obwohl sie dies zunächst überhaupt gar nicht wollten.
Ronny hatte nicht ohne Grund die Gang ins Leben gerufen und konnte sie über Jahre hinweg so gut zusammenhalten. Er hatte Ahnung von dem, was er da tat und hätte er dieses Wissen nicht, dann wäre kein einziger Mensch mehr in seiner ach so tollen Gang.

Ich seufzte einmal laut auf und versuchte, diese Gedanken aus meinem Kopf zu kriegen. Ich wollte über das Alles gar nicht mehr nachdenken, sondern einfach nur einen schönen Abend mit meinem besten Freund verbringen, welchen ich solange nicht mehr gesehen hatte.
Ich wollte nicht über meine verstrickte und undefinierbare Zukunft und Ronny nachdenken.
Ich wollte nur noch zu Marcel, mit ihm reden, lachen, auf andere Gedanken kommen und mit ihm Spaß haben. Das war es, was ich jetzt brauchte und das könnte ich auch jeden Moment bekommen.

Ich klopfte gegen die Tür, fuhr mir durch die Haare und hörte das Jammern von Marcel und wie er meinte, dass seine vermeintliche Mama doch bitte gehen sollte, weil er wirklich nichts essen wollte, noch etwas hier hatte und deshalb auch nicht verhungern würde.
Ich lachte kurz auf, weil Marcels Mutter in dieser Hinsicht mit dem Essen genauso schlimm wie meine war.
Ich konnte eben erst vor zehn Minuten etwas gegessen haben und schon wurde meine Mutter ganz besorgt und fragte mich gefühlte zwanzigtausend Mal, ob ich denn noch Hunger hätte und ich es solange verneinte, bis sie mir schlussendlich doch irgendwas zu essen gab und ich es Augen verdrehend, aber dennoch dankend annahm.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als sich die Tür plötzlich öffnete und ein leicht irritierter Marcel vor mir stand. Er rieb sich müde über die Augen und ich musterte meinen besten Freund grinsend.

Marcel trug nur eine Boxershorts, seine Brille war leicht beschmiert, seine Haare standen ihm zu Berge und es stand ihm förmlich ins Gesicht geschrieben, dass er gerade erst frisch Urlaub bekommen hatte und sich direkt ein wenig von der harten Arbeit erholen wollte.

,,Hey, Marcel.'', begrüßte ich ihn grinsend und er rückte seine Brille zurecht.
Er sah mich immer noch völlig irritiert an und ich war mir ziemlich sicher, dass er gerade erst vor einigen Minuten aufgestanden war, weil sein Hirn wohl nicht richtig zu realisieren schien, wer genau vor ihm stand.
,,Hey, Timi.'', gähnte Marcel, machte sich seine Haare noch viel chaotischer und dann rissen sich seine Augen mit einem Mal ganz weit auf und er musterte mich noch einmal haargenau.

,,Timi!'', rief er theatralisch und fiel mir regelrecht um den Hals. Marcel schlang seine Arme fest um mich, drückte mir fast die Luft weg und freute sich wie ein Kullerkeks darüber, mich endlich wiederzusehen. Ich schlang ebenfalls meine Arme um ihn und lächelte breit. Ach ja, was ich habe ich meinen besten Freund vermisst.

,,Marcel...'', sagte ich irgendwann, als er sich immer noch wie ein Affenbaby an mich klammerte und mich anscheinend nie wieder loslassen wollte.
,,Hm?'', machte Angesprochener nur.
,,Du drückst mir die Luft weg.'', erklärte ich ihm und er lockerte den Griff ein wenig, aber nicht großartig.
,,Mir egal - ich habe dich vermisst.'', murmelte Marcel in meinen Pulli.
,,Aber dann lebe ich irgendwann nicht mehr, wenn du so weitermachst.'', lachte ich und er löste sich von mir.

,,Aber du musst noch weiterleben, Timi! Wir müssen mindestens 106 werden, damit wir hundert Jahre Freundschaft feiern können!'', erwiderte Marcel darauf nur mit ernster Miene, sah mich geschockt an und erneut lachte ich.
,,Boah ne, so alt möchte ich nun auch wieder nicht werden.'', seufzte ich und Marcel zog einen Schmollmund.
,,Wieso nicht? Wenn wir jetzt anfangen, regelmäßig Sport zu machen, gesund zu essen und mit dem Rauchen, Trinken und Kiffen aufhören, dann könnte das durchaus etwas werden.'', sagte er nachdenklich und ich boxte ihm gegen den Arm.
,,Ehe ich auf solche Ideen komme, liege ich schon längst im Sterbebett.'', meinte ich nur, drängte mich an Marcel vorbei, schmiss die Tüte einfach so achtlos auf den Boden und ließ mich faul ins Bett fallen.

,,Ach komm', ein bisschen Sport schadet nie und tut dem Körper und der Seele gut.'' Marcel schmiss sich direkt neben mich und drehte sich grinsend zu mir.
,,Sag' das mal Alex.'', lachte ich und er stimmte mit ein.
,,Ja gut, sie ist 'ne Ausnahme, weil Alex schließlich die unsportlichste Person auf dieser Welt ist.'', lächelte Marcel und ich stützte meinen Kopf nur auf einem angewinkelten Arm ab, um meinen besten Freund besser ansehen zu können.
,,Sie japst ja schon vor sich hin, sobald sie ein paar Treppenstufen geht - also wenn du ihr da noch mit irgendwelchen Sport um die Ecke kommst, dann wird ihre einzige Bewegung nur der Mittelfinger sein, welchen sie dir liebevoll entgegen streckt.'', lachte ich und stellte mir dabei auch noch die japsende Alex vor, welche einige Stufen gegangen war und kurz darauf dann Marcel mit dieser glorreichen Idee um die Ecke kam.

,,Aber Alex könnte uns regelmäßig anfeuern.'', schlug Marcel vor und sah nachdenklich an die Wand hinter mir. Ich drehte meinen Kopf etwas, um zu sehen, welches Bild genau er musterte und ich musste augenblicklich lächeln.
Das Bild zeigte Alex, Marcel und mich bei unserem allerersten Sportfest.
Marcel und ich waren den ganzen Tag über total aufgeregt und hibbelig gewesen, weil wir unbedingt einen Platz erreichen und gute Leistungen erbringen wollten. Alex hatte sich stattdessen den ganzen Tag darüber aufgeregt, dass sie den halben Tag Sport machen musste und wieso es solche Feste denn nicht auch für andere Schulfächer gab, weil das nur fair wäre.
Dementsprechend sah auch das Foto aus, welches Alex' Mutter sofort nachdem Sportfest gemacht hatte. Marcel und ich strahlten fröhlich in die Kamera, während Alex uns nur völlig genervt und mit verschränkten Armen musterte und einfach nur noch nach Hause und den ganzen Tag am liebsten aus ihren Erinnerungen löschen wollte.

,,Klar, während sie dann irgendwo rumliegt und uns sagt, dass wir mal nicht so'ne Schlappschwänze sein sollen, weil wir schließlich viel mehr Liegestütze schaffen.'', fügte ich noch lachend hinzu und wandte mich wieder Marcel zu.
,,Wenigstens eine die an unseren Plan glaubt.'', zuckte er grinsend mit den Schultern.
,,Wir gehen doch später so oder so alle ins selbe Altersheim. Das haben wir uns schließlich schon damals in der zweiten Klasse geschworen.'', lachte ich und Marcel stimmte mit ein.
,,Oh Gott ja, stimmt. Wir hatten ja dann vorgehabt, jeden Tag Shuffleboard zu spielen.'', erläuterte Marcel unseren Plan von früher noch etwas genauer und wir kamen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus.

,,Hast du eigentlich noch bis eben gepennt, bevor ich Störenfried kam und dich aus deinen süßen Träumen gerissen habe?'', fragte ich Marcel irgendwann grinsend, als wir für eine kurze Zeit miteinander geschwiegen hatten und ich legte meinen Kopf auf den Armen ab.

,,Hab' ich denn wirklich so verpennt gewirkt?'', fragte Marcel gähnend nach und ich grinste noch breiter.
,,Also, dass du deinen besten Freund erst nach zwei Minuten erkannt hast, sagt schon einiges.'', lachte ich und Marcel schloss ebenfalls lachend nur die Augen.
,,Ey, nicht schlafen.'', pikste ich ihm in die Seite und Marcel zuckte nur leicht erschrocken zusammen.

,,Lass' mich. Ich hatte anstregende Tage auf der Arbeit.'', nuschelte er ins Kissen und trat mich mit seinen Füßen von sich weg.
,,Als ob. Ist doch voll geil Füße von fremden Menschen zu bearbeiten.'', grinste ich schelmisch und Marcel drehte nur seinen Kopf zu mir, um mich genervt anzuschauen.
,,Wenn das mal geile Weiber wären, dann ja. Aber nicht, wenn das hauptsächlich nur alte, knackige Rentner sind, die sich direkt darüber aufregen, wenn man bei ihren Füßen mal etwas fester zupackt.'', beschwerte er sich und ich lachte im Gegenzug nur.
,,Ach komm', du stehst doch eh auf Ältere und auf alten Schiffen lernt man doch bekanntlich segeln.'' Ich sah meinen besten Freund vielsagend an und dieser schnipste mir, nur als Antwort, gegen die Stirn.

,,Aua!''
,,Beschwer' dich nicht, du Dummkopf!''
,,Ach, Marcel...'' Ich zog einen Schmollmund und rückte näher zu ihm.
,,Ach, Timi...'', äffte er mich nach und sah mich mit völlig müden Augen an.
,,So schlimm?'', fragte ich leicht besorgt nach, doch konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
,,Hm. Die letzten Tage waren echt verdammt anstregend und ich habe so viele Überstunden gemacht, weil so viele Mitarbeiter mit einem Mal krank wurden.'', erklärte Marcel mir erschöpft und schloss wieder die Augen.
,,Oh...'', machte ich nur.

,,Dann ist es ja eigentlich nicht so gut, dass ich gekommen bin.'', sagte ich dann zerknirscht und Marcel riss seine Augen wieder auf.
,,Quatsch Timi, das ist doch nicht schlimm. Ich bin froh darüber, dich endlich wieder bei mir zu haben.'', lächelte er und stupste mir gegen die Nase. Ich sah ihn nur weiterhin unsicher an und Marcel verdrehte einmal die Augen.
,,Mensch Timi, ich hab' dich die letzten Monate so sehr vermisst, das kannst du dir gar nicht vorstellen. Die bei meiner Arbeit sind manchmal voll die Spießer und da bin ich wirklich froh drüber, dass ich dich verrückten Kerl mal wieder bei mir im Bett liegen habe.'', fügte Marcel noch grinsend hinzu und rückte ein Stück näher an mich heran.
,,Ja, ich mein, diese Geschäftsreise war dieses Mal auch verdammt anstregend, Frau.'', stöhnte ich gespielt erschöpft auf und er lachte.
,,Du Arsch.''

,,Aber warum bist du eigentlich hierhergekommen? Ich mein, mir macht das wirklich nichts aus und du kannst auch zu jederzeit kommen, denn ich wäre der Letzte auf dieser Welt, der damit irgendein Problem hätte, aber irgendwas in mir hat die leise Vermutung, dass du wegen etwas ganz wichtigen hier bist und nicht nur, damit du mich endlich mal wieder zu Gesicht bekommst.'', fragte Marcel mich dann plötzlich, sah mich nun mit einer ziemlich besorgten Miene an und ich sah ihn stattdessen völlig ertappt an. Dieser Kerl kannte mich einfach zu gut, sodass ich rein gar nicht vor ihm verschweigen konnte! Marcel merkte immer, wenn etwas mit mir nicht stimmte und da musste er dann auch sofort nachharken, wenn ich nicht von alleine mit der Sprache herausrückte und es weiterhin in mich hinein fraß.

,,Hm, da gibt es schon was.'', gab ich schüchtern zu und versteckte mich hinter seiner Decke.
,,Und das wäre?'', fragte Marcel direkt nach und nahm mir die Decke weg, damit ich ihm ins Gesicht blicken konnte.
,,Also...es geht um...die Gang.'', flüsterte ich leise und hoffte, dass er es trotzdem irgendwie gehört hatte.
,,Okay...'', seufzte Marcel und fuhr sich durch die Haare. Ich sah nur völlig nervös auf meine Hände und biss mir auf die Unterlippe.

Ich wusste, dass Marcel ebenso wie Alex und meine Familie, noch nie eine gute Meinung über die Gang gehabt hatte.
Na ja, Anfangs fand er die Idee dahinter eigentlich schon ganz cool und hatte auch einmal selbst mit dem Gedanken gespielt, Teil von dieser zu werden. Doch ziemlich schnell hatte Marcel realisiert, dass die Gang doch nicht ganz so toll zu seien schien, so wie ich ihm das immer verkauft hatte.
Ich hatte ihn einen Tag mal mit zu einem Treffen der Gang genommen. Warum Ronny das bis heute einfach so, ohne irgendwelche Kompromisse erlaubt hatte, wusste ich nicht so recht, aber das spielte überhaupt keine Rolle. Auf jeden Fall war ihm von diesem Tag an klar gewesen, dass er mit Ronny und allgemein der ganzen Gang, absolut nichts zutun haben wollte.
Marcel hatte einfach schon von Anfang an gemerkt, dass das nicht die richtigen Leute für ihn und auch nicht für mich waren und man doch eigentlich hauptsächlich nur für Ronnys Nutzen und Ego da drin war. Es hatte ihm von der ersten Sekunde an überhaupt nicht gefallen und Marcel hatte sofort gemerkt, dass er mit diesen Menschen nicht assoziiert werden wollte.
Mein bester Freund hatte es immer wieder versucht, mir das weiß zu machen, doch Dank der Naivität meines dreizehnjährigen Ichs, wollte ich einfach nicht auf ihn hören und hatte nur zu ihm gesagt, dass er alle dort noch nicht richtig kennengelernt hatte und deshalb nur so dachte. Ach, du warst so ignorant und realitätsfern.

Mittlerweile wusste ich ja selbst, dass die Gang nicht das Richtige für mich war und nicht das war, was ich wirklich im Leben brauchte und mir gut tat. Die Gang war das komplette Gegenteil von all dem und dass ich das erst so richtig vier Jahre später realisierte, war schon verdammt krass und auch traurig.
Aber das mit dem Austritt der Gang hörte sich immer alles so verdammt einfach an, doch so war es leider nun mal nicht. Ronny würde mich nie einfach so gehen lassen, wenn ich keine Lust mehr auf das Alles hatte und es mir zu viel wurde - so nett war dieser Kerl nicht.
Wenn das Alles nur so leicht wäre, dann wäre ich schon längst raus da und würde jetzt nicht hier neben Marcel liegen und müsste ihm davon erzählen, was denn schon wieder bei mir vorgefallen und wie dumm ich eigentlich war.

,,Was ist denn passiert?'', fragte Marcel besorgt und sah mich seiner Tonlage entsprechend an.
,,So vieles...'', seufzte ich und drehte mich auf den Rücken, damit ich ihm nicht in die Augen schauen musste, weil mir diese Konversation mal wieder viel zu unangenehm war.
Klar, Marcel erschreckte so gar nichts mehr, was die Gang betraf. Aber dass ich manchmal so ein unfassbarer Dummkopf war, war mir meistens schon recht peinlich und ich lief jedes einzelne Mal ampelrot an, sobald ich meinem besten Freund so etwas erzählen musste.
,,Oh Gott...'', machte Marcel nur und drehte sich ebenfalls auf den Rücken, sodass sich unsere Schultern berührten.

,,Hm.''
,,Du musst mir das nicht erzählen, wenn du das nicht möchtest.'', sagte Marcel dann und drehte seinen Kopf in meine Richtung, um mich von der Seite zu mustern.
,,Ich möchte es dir aber sagen, weil du schließlich mein bester Freund bist und das Recht dazu hast, das zu wissen.'', meinte ich felsenfest und starrte leicht grinsend an die weiße Decke.
,,Aber wenn...'', fing er an.
,,Marcel, ich fühle mich schon bereit dazu, keine Angst. Es ist nur...es ist nur wieder so vieles vorgefallen und ich muss mich erst einmal wieder richtig sammeln, ehe ich dir das in Ruhe und ohne großartige Hektik erzählen kann.'', unterbrach ich ihn und drehte meinen Kopf in seine Richtung, um ihn anzulächeln.

,,Na gut, dann erzähl' deinem alten, besten, guten Freund Marcel mal, was die Tage oder Wochen schon wieder alles bei dir abgegangen ist, du Vollidiot.'', grinste er mich ermutigend an. Marcel sah mich danach mit einem interessierten Gesichtsausdruck an und ich schloss noch einmal kurz die Augen, ging tief in mich, ehe ich mit dem Sprechen anfing und die letzten, schrecklichen Geschehnisse dieser Woche zusammenfasste.

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Hey Leute! c:

Dieses Kapitel ist an Herbstzeitlose_  gewidmet, weil ich mir Idee von Ronny dem zukünftigen Bordellbesitzer, aus ihrer Story ''Mädchen, mach die roten Lichter aus!'' gemopst habe. :D

Ich hoffe das ist OK und mir wird deswegen nicht der Kopf abgerissen, haha. :D 

Ich verlinke euch die Story mal unten in den Kommentaren und auch wenn es dort nicht um diesen oben genannten Bordellbesitzer geht, könnt' ihr sie gerne mal abchecken. :D *flüstert* Sie ist nur zu empfehlen ^^

Vielen lieben Dank fürs Lesen, für die Votes und die Kommentare! c: 

Ich wünsche euch noch einen schönen Tag! Bye! 


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