Kapitel 6

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Mit einem kaum erstickten Schrei fahre ich zurück und wecke damit Murre auf, die einen ähnlichen Laut von sich gibt. Ich will mich in meinem Zimmer und dann unter meiner Bettdecke verstecken, um Mephs glühend roten Augen zu entkommen, und fürchte doch gleichzeitig, dass ich keinen Erfolg damit haben werde. Weil sie mich finden würden.

Mein Herz ist drauf und dran, sich einen Ausweg aus seinem zu engen Käfig namens Brustkorb zu bahnen, da geht das Licht an und trotz aller Panik blinzele ich erst einmal in der verwirrenden Helligkeit.

„Nele? Ist alles in Ordnung?"

Meph steht vor mir, in einer weit fallenden Schlafanzughose – und ohne passendes Oberteil dazu. Ich starre betont an die Decke. Er soll nicht denken, dass ich aus meinem Zimmer gekommen bin, um ihn anzugaffen. Wobei ich das vielleicht gerade deswegen tun sollte, weil rote Augen ein ziemlich guter Grund dafür sind, nicht wegzuschauen.

„Mit wem hast du telefoniert?", bringe ich trotzdem heraus und meine Stimme klingt sogar einigermaßen fest.

„Telefoniert?" Er klingt ehrlich überrascht. „Oh", macht er dann nach einer kurzen Pause, als ich stocksteif an Ort und Stelle stehenbleibe.

Ich riskiere einen kurzen Blick und sehe ehrlich aussehende Reuefalten auf seiner Stirn.

„Das tut mir leid, dass ich dich geweckt habe. Ich habe einen Mitarbeiter in einer anderen Zeitzone", erklärt er dann und ich spüre das, was heute Morgen beim Frühstück auch schon passiert ist. Seine Stimme ist wie eine wattige Wolke, die mich umhüllt und mir einredet, mich einfach in ihre weichen Tiefen hinabsinken zu lassen. „Dieser Mitarbeiter hat Probleme mit einigen Aufträgen und brauchte eine Motivationsrede."

Es klingt alles so logisch, so wundervoll glaubwürdig und ich bin mir fast schon sicher, dass ich mir die roten Augen eingebildet habe. Es wäre so leicht, sich einfach zu entspannen.

Doch völlig ungebeten taucht die Erinnerung an einen Fall in meinem Kopf auf, den ich während eines Praktikums bei einer Strafverfolgerin begleiten durfte. Eigentlich ging es um ein Bagatelldelikt, der Angeklagte war mit einer mittelhohen Dosis Gras erwischt worden, bis dato aber ein unbeschriebenes Blatt.

Er versicherte meiner Praktikumsleiterin glaubhaft, es würde nicht wieder vorkommen, er habe seinen Fehler eingesehen und überhaupt sei das eine einmalige Sache gewesen.

Kurze Zeit später, noch bevor sein Prozess begonnen hatte, starb genau dieser Mandant bei einem unverschuldeten Autounfall. Die Polizei, die an den Unfallort gerufen wurde, stellte mehrere Kilo Drogen in seinem Auto sicher – und dabei handelte es sich nicht nur um Marihuana.

Von der Tragik des persönlichen Schicksals abgesehen hatte der Fall mich wochenlang nicht losgelassen. Wie hatte es sein können, dass ich diesem Menschen jedes Wort von den Lippen abgekauft hatte, mir so eine völlige Lüge hatte auftischen lassen?

Ein ähnliches Gefühl beschlich mich jetzt bei Meph. Etwas stimmte nicht an dieser samtweichen Art, mit der er mit mir sprach. Es war zu leicht, ihm zu glauben, seine Erklärungen waren zu plausibel, zu eloquent vorgetragen.

All das beschloss ich innerhalb weniger Sekunden, während ich noch an die Decke und ganz entschieden nicht auf Mephs nackten Oberkörper starrte.

„Kein Problem", murmelte ich jedoch. „Ich habe mich nur gewundert."

„Sorry nochmal", antwortet er im gleichen Tonfall.

„Ich gehe dann jetzt wieder schlafen ... bis demnächst."

Dennoch lasse ich meine Zimmertür unverschlossen.

😈😈😈😈😈😈😈

Am nächsten Morgen erklärt Meph sich unaufgefordert bereit, uns Frühstück vom Bäcker zu holen, während ich durch die Wohnung hetze und meine Uni-Sachen zusammensuche. Das hätte ich eigentlich schon gestern erledigen sollen, aber ich habe es schlicht und ergreifend vergessen gegenüber dem Drama, das sich am Abendtisch mit Murre abgespielt hat – und, wenn ich ehrlich bin, gegenüber der guten Unterhaltung.

Das sollte ich wirklich nicht wiederholen.

Als ich allerdings gerade damit beschäftigt bin, einen Stapel Ordner aus dem Wohnzimmer zu holen, das jetzt ja Mephs Bereich ist, kann ich mich nicht davon abhalten, einen Blick über seine Sachen schweifen zu lassen. Er hat so wenig, dass es schon praktisch als Nichts zu betiteln ist, nur eine Reisetasche, die kaum groß genug scheint, um mehr als zwei Jeans, einen Pulli und ein Hemd fassen zu können.

Nicht einmal die Schlafanzughose, die Meph gestern getragen hat, liegt hier noch irgendwo herum.

Ich hüstele bei der Erinnerung, streiche mir die Haare aus dem Gesicht und mache mich mit entschlossenen Schritten auf den Weg in mein Zimmer, wo sich Murre – wieder einmal – genüsslich auf meinem Bett ausgebreitet hat.

„Was meinst du", frage ich sie leise, „hatte mein neuer Mitbewohner gestern Nacht rot glühende Augen gehabt?"

Sie rollt sich auf den Rücken und gestattet es mir, ihren Bauch zu streicheln. Daraus schließe ich, dass sie zumindest aktuell keine Bedrohung mehr sieht.

Als kurz darauf allerdings Meph zurückkommt, ist es mit dieser Körperhaltung bei meiner Katze sofort vorbei. Zwar faucht sie ihn nicht direkt wieder an, aber sie richtet sich sofort wieder so auf meinem Bett ein, dass sie ihre verletzlichste Stelle nicht jedem präsentiert, der sich ihr nähert.

„Guten Morgen, Murre", sagt Meph und seine Augen verengen sich nur minimal.

Er stellt eine duftende Tüte mit Brötchen auf den von mir bereits gedeckten Tisch, kommt dann zu mir hinüber und lehnt sich dann mit einer Hand gegen den Türrahmen. „Sieht aus, als hättest du einen gemütlichen Start in den Tag."

Ich lächele ihn an. „Könnte schlimmer sein."

Seine Augen wandern über mein Gesicht und dieses Mal ist es eindeutig, dass er nach etwas sucht. Die Erinnerung an seine roten Augen ist fast in meinem Hinterkopf verschwunden, aber irgendwie habe ich es geschafft, sie an einem Zipfel festzuhalten.

Aber offenbar ist mein Pokerface gut genug, denn ein leichtes Lächeln zupft an Mephs Mundwinkeln, bevor er sich abwendet. „Frühstück ist gerichtet."

Ich kraule Murre noch einmal die weichen Ohren, dann stehe ich auf.

Bis zum Frühstückstisch schaffe ich es allerdings nicht.

Ich habe gerade zwei Schritte in diese Richtung gemacht, Meph direkt vor mir, als er stolpert und dann wie festgewachsen stehen bleibt.

Er dreht sich zu mir um, öffnet den Mund, um etwas zu sagen – und geht im nächsten Moment in Flammen auf.

Ein Schrei entwischt mir, ich stolpere zurück. Dann ist Meph verschwunden. Er hinterlässt einen deutlichen Geruch nach verfaulten Eiern und ein angekokeltes Sofa.


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