Kapitel 9

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Der Teufel. Ich habe es geschafft, mir den buchstäblichen Teufel in die Wohnung zu holen. Gut, momentan sind wir nicht wirklich in meiner Wohnung, sondern wir sitzen auf einer Blümchenwiese und lassen uns halb von der unerwartet kräftigen Frühlingssonne versengen, aber das macht es eigentlich nicht besser.

Das macht es sogar schlimmer, weil es bedeutet, dass ich ihm nicht nur in meiner Wohnung ausgesetzt bin.

„Wie hast du mich hier eigentlich gefunden?", quieke ich und da ist es dahin, das seltsame Selbstbewusstsein, das mich aus unerfindlichen Gründen bis hierher gebracht hat.

„Du bist eine Streberin", erklärt Meph, schafft es aber irgendwie, dass es nicht unfreundlich klingt. „Und du warst gestern nicht in der Uni. Heute ist Sonntag, also deine Chance, etwas zu erreichen. Natürlich bist du in der Bibliothek."

Ich verziehe den Mund. An der Argumentation ist nichts Übernatürliches. An seiner Daseinsbezeichnung allerdings ... Was auch immer mich bisher davon abgehalten hat, eine Panik-Attacke zu kriegen, jetzt ist es da. Und zwar wirklich mit voller Wucht.

Ich hoffe, dass Meph mein Zittern nicht sehen kann, aber ich fürchte, das gehört nicht zu den Dingen, die ich vor ihm geheim halten kann, einfach weil er ist, was er ist. Eine sehr primitive Angst schnürt mir den Brustkorb zu und sorgt für das Gefühl, nicht richtig einatmen zu können.

„Was willst du von mir?", bringe ich heraus und noch immer ist meine Stimme schätzungsweise zwei Oktaven zu hoch für mich. Ich fürchte allerdings, dass es nichts bringen würde, mich zu räuspern.

Dass Meph „deine Seele" antwortet, in einem Tonfall, in dem er auch behaupten könnte, am Sonntag noch nichts vorzuhaben, macht es allerdings nicht besser.

„Was?", hauche ich.

Tatsächlich lässt Meph sich aber zu einer längeren Erklärung hinab. „Der Dämon, der am Freitagabend Dienst hatte, hat zu viele Aufträge auf einmal angenommen. Work-Life-Balance ist bei uns auch so eine Sache, weißt du?"

Nein, ich weiß nicht, also starre ich ihn einfach nur an.

„Deiner war einer davon." Als er mich dieses Mal anlächelt, hat es wenig Freundlichkeit an sich, und seine weißen Zähne wirken eher, als wären sie perfekt dafür geeignet, sie in menschliches Fleisch zu schlagen. „Und es war so ein schöner, leichter Auftrag. Du warst übermüdet, du würdest nicht zu viele Fragen stellen, sondern einfach die Hilfe annehmen, die sich dir bietet. Deine Anzeige, dass du einen Mitbewohner suchst, war der perfekte Aufhänger."

Nie wieder. Nie wieder werde ich öffentlich nach einem Mitbewohner suchen.

„Aber warum ..."

„Weil ich noch nicht fertig erzählt habe." Verschwunden ist der bedrohliche Unterton und Meph sieht wieder völlig entspannt aus. „Leider ist da aber etwas schiefgegangen. Unterschrift, Kleingedrucktes, du kennst das ja."

Das kenne ich tatsächlich. Ist es möglich, dass der Teufel höchstpersönlich einen Fehler beim Aufsetzen seines Vertrages gemacht hat?

„Du hast einen rechtlichen Fehler gemacht?"

Er zuckt mit den Schultern und dreht das Gesicht wieder in die Sonne. „Wenn du es so nennen willst, darfst du es so nennen."

Das furchtbar angespannte Gefühl um meinen Brustkorb lässt ein winziges bisschen nach, sodass ich immerhin genug einatmen kann, um meine nächste Frage zu stellen. Meine Stimme ist sogar nur noch eine Oktave zu hoch. „Also habe ich meine Seele nicht verkauft?"

„Was?" Meph blinzelt mich an. „Doch doch, es dauert nur ein bisschen länger."

„Raus mit der Sprache!", bringe ich hervor, wenn auch sicherlich nicht mit so viel Nachdruck, wie ich mir das gewünscht hätte, und mein Gegenüber seufzt.

„Da war dieses Ding mit dem Mitbewohnertum. Ich bin ... anscheinend dazu verpflichtet, dir der beste Mitbewohner zu sein, den du dir wünschst, bis meine Schuld getan ist."

Ich hüstele. „Wirklich?"

Meph zuckt mit den Schultern. „Ich mache die Regeln nicht." Er zögert. „Okay doch, ich habe genau die Regeln gemacht, aber jetzt stecke ich hier drin. Also kann ich sie nicht wieder brechen."

„Okay." Atmen. Gerade ist es wichtig, einfach weiter zu atmen. „Und wie lange wird das dauern? Bis du dir meine Seele erarbeitet hast?"

Dieses Mal ist das Grinsen von Meph echt, nicht bewusst bösartig. „Ich habe keine Ahnung. Ist das nicht spannend?"

Das ist spannend – viel zu spannend für mich. „Ich muss lernen gehen", quieke ich, springe auf und sprinte zurück in die Bibliothek, als könnte Meph mir dorthin nicht folgen.

Zu meiner Überraschung tut er das tatsächlich auch nicht. Wahrscheinlich, weil er mich sowieso überall finden könnte.

Jetzt tue ich doch noch das, wovon ich am Morgen noch Abstand genommen habe: Ich recherchiere. Und zwar Faust von Goethe. Wenn Meph mich schon danach fragt, muss es eine Bedeutung haben, oder?

Meine Erinnerungen an die Schulzeit mit Faust sind überaus vage, ich erinnere mich nur noch an einen alten Wissenschaftler, der seines Lebens müde ist und sich dann in ein Mädchen verliebt, von der er stolz behauptet, dass sie doch schon „über 14 Jahr" ist. Eine typische Feel-good-Romanze.

Dass der Teufel dort noch irgendwie eine Rolle spielt, wusste ich natürlich auch vorher, aber erst jetzt erschließt sich mir, wie groß diese Rolle ist.

Er kommt zu Faust wegen einer Wette, die er mit Gott höchstpersönlich abgeschlossen hat und die beinhaltet, dass der Teufel, mit dem klangvollen Namen Mephistopheles, davon überzeugt ist, Faust vom sogenannten rechten Weg abbringen zu können.

Genau das versucht er dann auch in der Geschichte. Gewonnen hat er, wenn Faust, der zu Beginn der Handlung in einer tiefen Sinnkrise steckt, den Augenblick zu verweilen auffordert, weil er so schön ist.

Dazu kommt es nicht, zumindest nicht in Faust I, denn zu meiner Überraschung stelle ich fest, dass Goethe noch einen zweiten Teil geschrieben hat. Den erkläre ich allerdings für irrelevant, da ich nicht vorhabe, ins alte Griechenland zu reisen.

Die Quintessenz habe ich auch so verstanden: Sobald ich Meph zugestehe, dass er ein grandioser Mitbewohner ist, und das sonst irgendwie zum Ausdruck bringe, hat er gewonnen. Dann werde ich das nicht zulassen. Klingt einfach, oder?

Klingt viel zu einfach. Meph wird es sicherlich nicht so einfach werden lassen.

Aber dann weiß ich immerhin, worauf ich mich einlasse. Das Engegefühl um meinen Brustkorb wird etwas besser. Es wird alles gut werden. Vielleicht habe ich mich etwas übernommen, als ich Mephs Hilfe bei der Hausarbeit angenommen habe.

Aber ich schaffe das.

Ich glaube, es ist ganz schön kompliziert, der weltbeste Mitbewohner zu sein.

In diesem Augenblick brummt mein Handy. Es ist eine Nachricht von Helene.

Ich habe deine Nachricht gerade erst bekommen, ist der erste Satz. Natürlich hat sie das. Die wenigen Male, die ich meine Schwester in der letzten Zeit gesehen habe, waren vor allem dadurch beschnitten, dass sie überdurchschnittlich viel Zeit an ihrem Telefon verbrachte. Ihr erster Satz sollte lauten Ich hatte erst jetzt Lust, dir etwas von meiner wertvollen Zeit zu widmen.

Ich war unterwegs. Von Mama habe ich schon gehört, aber ich glaube nicht, dass ich in nächster Zeit die Kapazitäten habe, öfter als sonst vorbeizufahren.

Wut flackert in mir auf. Natürlich hat sie das nicht. Sie wird sich darauf verlassen, dass ich die Zeit finden werde. Dann allerdings lese ich weiter und der nächste Teil verwirrt mich.

Ich glaube, du hast diese Zeit auch nicht, Nele. Wann immer ich in letzter Zeit bei Brians Café vorbeigegangen bin, hast du da gearbeitet. Und bald ist Prüfungsphase. Unsere Eltern müssen auch akzeptieren, dass du dein eigenes Leben führst.

Ich schnaube hörbar, schließe die Nachricht und entschuldige mich dann per Handzeichen bei den Leuten, die mich empört wegen der Ruhestörung anfunkeln.

Meine Mutter ist krank und Helene glaubt, das ist der Moment, um den Abnabelungsprozess zu starten.

Aber schön, dann werde ich eben morgen vor meiner Schicht noch einmal zu meinen Eltern fahren und nach dem Rechten sehen. Vielleicht kann ich ihnen zumindest einige Einkäufe erledigen helfen.

Mit dem Lernen ist es für mich heute allerdings vorbei, meine Konzentration ist irgendwo vor der Tür zurückgeblieben, oder möglicherweise wurde sie auch von Faust verschlungen.

Ich packe meine Sachen zusammen und verlasse den Arbeitsbereich der Bibliothek auf Zehenspitzen.


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