5 🔯 Göttlich unleserliche Post

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...Gerade hastete ich die letzten Stufen zum zweiten Stock hinauf, als jemand meinen Arm packte und mich zurückriss.

Mein Gleichgewicht verabschiedete sich und mit einem entsetzen Aufschrei kippte ich nach hinten. In meinem Kopf spielten sich schon Szenarien ab, wie ich blutend und mit gebrochenen Knochen auf dem Treppenabsatz lag, doch dazu kam es nicht, denn jemand fing mich auf, bevor ich auch nur annähernd gefährlich stürzen konnte. Der Schock raubte mir für den Moment die Kontrolle über meinen Körper und ich sank gegen meinen Retter oder meine Retterin.

»Jetzt hab ich dich schon zum zweiten Mal gerettet«, lachte eine nur allzu bekannte Stimme. Ich spürte die Vibration des Lachens an meinem Rücken und riss mich eilig los. »Ich habe dich nicht darum gebeten und im Übrigen warst du auch der Verursacher!«, rief ich sauer, aber zu meiner Beschämung zitterte meine Stimme dabei.

Ohne mich umzudrehen legte ich den restlichen Weg zum Oberstufenzimmer zurück, der nur noch wenige Meter betrug. Dabei war ich mir durchaus meines göttlichen Schattens bewusst, der mir unerbittlich folgte. Im Rahmen der offenen Tür blieb ich stehen. Muffige, abgestandene Luft schlug mir entgegen und ergab mit den gammelig aussehenden Sofas in der Mitte des Raumes eine wunderbare Atmosphäre.

Wenn man auf so etwas stand. Das tat ich definitiv nicht, aber der Großteil der Schülerschaft hier eben auch nicht, und so war hier eigentlich nie jemand anzutreffen. Wie auch heute. »Wie wäre es, wenn du mich jetzt in Ruhe lassen würdest?« Ich zwang meine Stimme zur Ruhe. Ganz offensichtlich wollte Nathan mich provozieren, aber diese Genugtuung würde ich ihm nicht geben.

»Wie wäre es, wenn du mir stattdessen von deinem Gespräch mit Re erzählst?«, entgegnete Nathan in einem ebenso gelassenen Tonfall. »Warum sollte ich Fragen beantworten, wenn ich selbst doppelt so viele habe? Außerdem habe ich beschlossen, dir nicht zu helfen«, meinte ich stur. Überrascht stolperte ich einige Schritte nach vorn, als eine Hand mir von hinten einen Stoß versetzte. Das leise Klicken der Tür war zu hören, gefolgt von einem genervten Seufzer.

»Also gut. Ich werde dir ein paar Fragen beantworten, wenn du mir im Gegenzug auch hilfst. Einverstanden?«, schlug Nathan schließlich vor. Mir war schon klar, warum er die Tür geschlossen hatte. Keiner sollte unserem übernatürlichen Gespräch lauschen, da das für andere ziemlich verrückt klingen würde. Trotzdem schien sich die Luft in dem Raum zu verdicken und ich wäre am liebsten sofort woandershin geflüchtet.

Unwillig drehte ich mich um und musterte ihn skeptisch. Meinte er das ernst? Aus seinen teilnahmslosen grünen Augen erwiderte der Totengott meinen Blick. Verunsichert umklammerte ich meine Tasche und blickte zu Boden. »Warum...warum hast du mich gerettet?« Nathan antwortete nicht sofort. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, er verdrehte die Augen. »Das hab ich dir doch schon erklärt. Ein Gefallen für Re.«

Das war nicht das, was ich wissen wollte. »Jaja, schon klar. Aber welches Interesse hat Re daran, mich am Leben zu lassen?«, hakte ich nach. »Das ist eine längere Geschichte. Wahrscheinlich hat er schon etwas in die Richtung angedeutet, aber du hast es anscheinend nicht verstanden. Re hält sich bekanntlich für den größten der ägyptischen Götter. Allerdings gibt es da Atum, der ihm gleichgestellt, wenn nicht sogar noch mächtiger ist.

Dieser Atum sorgt für Ordnung, was die Götter des alten Ägypten betrifft. Über die Jahre hat Re es wohl etwas übertrieben, also bekam er von Atum eine Strafe auferlegt - der Entzug seiner Göttlichkeit, bis er wieder zu Sinnen kommt. Re bat mich um Hilfe, da sein Plan war, eine gute Tat zu vollbringen, um den alten Gott gnädig zu stimmen. Ich dachte, es wäre eine ganz gute Idee, eine unschuldige Seele vor dem Tod zu bewahren, natürlich in seinem Namen.

Anscheinend hat das aber nichts an seinem Zustand geändert. Das bedeutet, er muss sich etwas anderes überlegen. Bei unserem Treffen hat er mir nicht erzählen wollen, was sein neuer Plan ist. Allerdings hat er dich erwähnt. Daher solltest du mir sagen können, was er nun vorhat!« In Gedanken ging ich das Gespräch mit Re noch einmal durch. »Re hat etwas von einer Suche gesagt«, murmelte ich nachdenklich.

»Aber nicht, nach was wir suchen werden...Er wollte es mir später erklären, wenn es soweit ist.« »Wir?«, fiel Nathan mir ins Wort. »Sollst du ihm bei der Suche etwa helfen?« Seine Worte klangen so abfällig, dass ich ihn wieder böse anfunkelte. »Ja, er hat mich, einen normalen, schwachen Menschen, um Hilfe gebeten. Hast du ein Problem damit?« Ein fieses Lächeln huschte über Nathans Lippen.

»Natürlich habe ich ein Problem damit.« Versuchte er schon wieder, mich zu reizen? Dieser Bastard. »Weißt du, das ist mir so was von egal. Wenn du keine weiteren Fragen hast, dann gehe ich jetzt.« Meine Geduld war heute schon genug ausgereizt worden. Zu meiner Überraschung trat Nathan tatsächlich auf die Seite und ließ mich widerspruchslos gehen.

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Es dauerte noch eine weitere Woche, bis es endlich so weit war. Der Tag des Aufbruchs rückte in greifbare Nähe. Die Nachricht erreichte mich in Form eines Briefes, dessen Absender ein gewisser Angus Readan war. Wie kam der Sonnengott auf so einen beschissenen Namen? Ungeduldig riss ich den Umschlag auf und schnitt mich beinahe am Papier.

Fluchend fischte ich das billig aussehende Karopapier aus seiner Hülle und versuchte die unleserliche Handschrift darauf zu entziffern. Remdovaiz nt des Semie...bitte was? Erst nach weiteren, gefühlt hundert Anläufen verstand ich, was dieses Gekritzel mir verklickern sollte: Rendezvous mit der Sonne. Am Todesort, wenn ich am höchsten stehe. Nächsten Samstag.

Beim letzten Satz war diesem Spinner wohl die Fantasie ausgegangen. Er wollte mich in der Bank treffen? Eigentlich hatte ich mir geschworen, mich diesem Gebäude nie wieder mehr als einen halben Kilometer zu nähern. Außerdem wurde er doch gesucht...wie wollte er ein Gebäude betreten, das gefühlt mehr Videoaufnahmen produzierte als Hollywood?

Mir blieb noch eine gute Woche bis zum nächsten Samstag. Dann hieß es Adieu, Seattle, adieu Debbie und...Dad. Heftig schüttelte ich den Kopf. Es war doch nur für eine Weile. Irgendwann würde ich ihn wiedersehen, wenn ich die Schuld bei Re abgearbeitet hatte. Im Übrigen war ich ihm doch sowieso gleichgültig. Wahrscheinlich lag bald auch nur noch ein einzelnes Foto von mir in seinem Nachttisch und er hatte sich eine neue Tochter gesucht. Ich war für ihn auswechselbar, genau wie Mom.

Ein sanftes Klopfen an der Tür warnte mich vor ungebetenem Besuch. Hastig stopfte ich den Brief zwischen mein Deutschbuch. Gerade noch rechtzeitig. Dad streckte den Kopf herein und blinzelte mich durch seine runde Brille erwartungsvoll an. »Morgan, hast du morgen schon was vor?« Alarmiert suchte ich mir Ausreden zusammen, was ich vorhaben könnte. Freunde besuchen...? Toller Witz.

»Sehr gut! Wir machen morgen einen richtig schönen Familienabend, also sei gut gelaunt«, verkündete Dad und ich starrte ihn geschlagen an. Auf einen gesamten Tag voller Brettspiele und Twister hatte ich ja mal so gar keine Lust. Erst recht nicht mit Debbie und Margarete. So sehr es mir widerstrebte, es zuzugeben - ich war eine schlechte Verliererin. Sämtliche Erziehungspredigten in diesem Sinne hatten mich völlig kalt gelassen.

Gegen Debbie zu verlieren, wäre eine unendliche Erniedrigung und ich wollte nicht einmal darüber nachdenken. Murrend kickte ich gegen den Papierkorb, der daraufhin umkippte und seinen Inhalt vor meinen Füßen verteilte. Ich brachte nicht einmal mehr die Energie auf, mich darüber aufzuregen. So langsam hatte ich mich daran gewöhnt, dass mein Leben mich hasste. Was auf Gegenseitigkeit beruhte.

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Der Spieletag war einfach grauenvoll. Da ich mich standhaft weigerte, bei Twister auf der Matte seltsame Bewegungen zu vollführen, drehte ich gelangweilt die Pappscheibe und gab die nächste Anweisung. »Rechter Fuß auf Gelb!« Das war zwar nicht das, was der Zeiger vorgab, aber es brachte Debbie aus dem Gleichgewicht, sodass sie quietschend zu Boden fiel und das Spielfeld räumen musste.

Als sie sich neben mich setzte, um dem Zweierkampf von Dad und Margarete zuzusehen, fiel ihr Blick auf die Anzeige, die gerade eindeutig auf Rot zeigte. Unsere Blicke trafen sich, aber anstatt sich zu ärgern oder mir auch nur einen bösen Blick zuzuwerfen, lächelte sie mir nur freundlich zu und griff nach ein paar Chips aus der Schale, die neben mir stand. Diese Freundlichkeit war doch nicht menschlich!

Aber dass Dämonen übermäßig nett waren, hatte ich auch noch nicht gehört. Das war doch nicht normal. Welchen perfiden Plan verfolgte sie hier eigentlich? Der Vormittag verging, aber die drei hatten eine Ausdauer im Zeit-mit-Brettspielen-vergeuden, dass ich schon mit dem Gedanken spielte, sie ins Guiness Buch der Rekorde aufnehmen zu lassen.

Auf der anderen Seite führte der Tag mir wieder vor Augen, wie oft Dad lachte, seit wir bei Margarete und Debbie wohnten. Er war wirklich glücklich. Zumindest schien es so. Dass ich sein Lächeln bald nicht mehr sehen würde, ließ mich beinahe schon ein wenig wehmütig werden. Aber nur beinahe.

Es klingelte an der Tür und ich sauste los, glücklich, der Situation für einen Moment entkommen zu können. Mit Schwung öffnete ich die Wohnungstür und lächelte dem Pizzaboten freudig entgegen, was ich sofort wieder bereute. Hinter dem Stapel aus Kartons blinzelten zwei klare grüne Augen hervor, die mir mittlerweile nur allzu bekannt waren.

Angesäuert verschränkte ich die Arme und fragte mit gesenkter Stimme: »Was macht denn der Totengott mit Pizzakartons vor meiner Haustüre?« Nathan schenkte mir einen vernichtenden Blick, ehe er ebenfalls leise erwiderte: »Für mich sieht es so aus, als wäre ich der Pizzadienst. Irgendwie muss man ja sein Geld verdienen, wenn man keine Eltern hat, die einem alles in den Arsch schieben.

Wärst du jetzt bitte so freundlich und würdest die Lieferung entgegen nehmen? Ich habe noch andere Dinge zu erledigen, als mit dir zu reden, auch wenn ich das natürlich unglaublich gerne tue.« Seine Stimme triefte vor Sarkasmus. »Bald siehst du mich sowieso nicht mehr so schnell«, rutschte mir heraus. »Was soll das heißen? Beginnt ihr mit der Suche?«, hakte Nathan sofort nach. Ich hätte mir am liebsten die Zunge abgebissen. Hätte ich nicht einfach die Klappe halten können?

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