Kapitel 3

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Tatsächlich hatte es gestern Abend eine ganze Weile gedauert bis ich eingeschlafen war, deshalb fühlte ich am nächsten Morgen nach dem Aufwachen immer noch etwas erschöpft. Um meine Müdigkeit loszuwerden, ging ich ins Bad und stieg erst mal unter eine kühle Dusche.


Dann ging ich runter in die Küche, wo mir als Erstes ein spärlich bekleidetes Mädchen ins Auge sprang. Sie hatte ihre schwarzen Haare zu einem lockeren Dutt gebunden und trug nur ein viel zu großes T-Shirt, was wahrscheinlich von Dylan stammte. Als sie die Tür hörte, drehte sie sich um, doch das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand, sobald sie mich erblickte. Offensichtlich hatte sie auf Dylan gehofft.


»Guten Morgen«, begrüßte ich sie trotzdem freundlich.


Doch das schwarzhaarige Mädchen schien nicht viel von Freundlichkeit zu halten, denn sie rümpfte hochnäsig die Nase und sah mich abwertend an.


»Wer bist du denn?«, fragte sie, anstatt mir ebenfalls einen guten Morgen zu wünschen. Ihre Stimme klang dabei so hoch und schrill, dass sie mir richtig unangenehm in den Ohren war.


»Eine Gastschülerin aus Deutschland«, entgegnete ich, wobei ich mich sehr um einen freundlichen Ton bemühte.


Dieses Mädchen war mir absolut unsympathisch und es fiel mir von Sekunde zu Sekunde schwerer, meine nette Fassade zu wahren. Ich ging an ihr vorbei und holte mir Müsli und eine Schale aus dem Schrank.


»Ich bin Valerie und du?«


»Wenn du glaubst, dass ich an einer Unterhaltung mit dir interessiert bin, dann irrst du dich gewaltig«, zickte sie mich an.


Mir entfuhr ein resigniertes Seufzen, jetzt war es auch bei mir um die Freundlichkeit geschehen. »Danke, gleichfalls«, sagte ich deshalb nur und setzte mich dann einfach wortlos an den Tisch, um mein Müsli zu essen. Dylans Freundin betrachtete mich dabei mit einer hochgezogenen Augen-braue, als würde sie jede Kalorie, die ich gerade zu mir nahm, einzeln zählen.


Nachdem ich trotz ihrer abwertenden Beobachtung aufgegessen hatte, beschloss ich, wieder einen Spaziergang mit Berry zu machen, denn ich hatte das Bedürfnis zumindest eine halbe Stunde ohne unangenehme Menschen auszukommen.


Dieses Mal schlug ich einen anderen Weg ein und landete bald in einem ganz anderen Teil des Ortes. Die Häuser wurden hier mit der Zeit immer hässlicher und immer öfter standen Gebäude leer und Gärten waren halb verwildert. Diese Stadt war eindeutig in Arm und Reich aufgeteilt.


Trotzdem ging ich weiter. Ich war schon immer neugierig gewesen und es machte mir Spaß, unbekannte Gegenden zu entdecken. Ich war nur froh darüber, dass es helllichter Tag war und ich einen Hund dabeihatte, denn mir begegneten einige unangenehme Gestalten auf dem Weg.


Gerade betrachtete ich ein halb zerfallenes Haus, als Berry plötzlich wie verrückt an der Leine zu zerren begann. »Was ist denn?«, fragte ich sie verwirrt, als ob sie mir eine Antwort darauf geben könnte.


Ich blicke mich kurz um, aber ich konnte nichts entdecken, was Berry so in Aufruhr versetzt haben könnte, deshalb ging ich einfach weiter, beziehungsweise versuchte es, denn jetzt fing Berry auch noch an zu bellen und sträubte sich, als ich in eine andere Richtung wollte.


»Na gut, dann zeig mir, wo du hinwillst«, gab ich mich geschlagen und ließ die Leine lang, um ihr zu folgen.


Sie führte mich in eine kleine, schmutzige Gasse und hielt hinter einer großen Mülltonne, die bereits vor Verpackungen überquoll. Was ich dort sah, verschlug mir den Atem.


Ein verletzter Junge lag im Dreck und aus einer Platzwunde an seinem Kopf sickerte rotes Blut über seine dunkle Haut. Offensichtlich war er niedergeschlagen worden, denn anders konnte ich mir die Wunde nicht erklären. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in meinem Bauch breit, jetzt zählte jede Sekunde! Hätte ich doch nur beim Erste-Hilfe-Kurs besser aufgepasst.


Vorsichtig näherte ich mich dem Jungen und versuchte dabei, mit ihm zu reden, doch er war nicht ansprechbar. Ich kniete mich neben ihm nieder und fühlte mit zittrigen Händen seinen Puls. Zum Glück lebte er noch und war nur bewusstlos. Doch das Gefühl der Erleichterung währte nicht lange, denn mir wurde schnell wieder bewusst, dass der Junge immer noch in höchster Lebensgefahr schwebte.


»Du darfst nicht sterben, bitte«, flehte ich, wobei meine Stimme vor Angst und Verzweiflung bebte.


Panisch blickte ich mich um, doch es war niemand in der Nähe, der uns hätte helfen können. Ich musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren.


Vorsichtig rüttelte ich an den Schultern des Jungen, doch er regte sich weiterhin nicht, offensichtlich war er ganz schön tief weggetreten. Ich brachte ihn in die stabile Seitenlange und kramte dann, mit vom Angstschweiß feuchten Fingern, mein Handy aus der Hosentasche, um den Krankenwagen zu alarmieren. Berry leckte währenddessen dem Jungen durchs Gesicht, als würde sie ihm ebenfalls helfen wollen. In diesem Moment war ich sogar über einen Hund als Unterstützung froh.


Und so warteten wir, bis endlich der Krankenwagen in Begleitung eines Polizeiwagens eintraf. Die Sanitäter untersuchten den Jungen und platzierten ihn anschließend vorsichtig auf einer Trage, mit der sie ihn in den Krankenwagen verluden. Ich betrachtete das Ganze aus einigen Metern Entfernung, wobei mir der Schock immer noch in den Gliedern saß.


Nach einiger Zeit kamen dann die Polizisten auf mich zu, um meine Personalien aufzunehmen. Ich hatte zwar schon viel Schlechtes von der amerikanischen Polizei gehört, aber diese beiden Polizisten waren wirklich ausgesprochen nett.


»Gut, deine Personalien haben wir, jetzt erzähl uns bitte, was du gesehen hast«, forderte mich der Polizist mit dem runden, freundlichen Gesicht auf.


Plötzlich wurde ich doch nervös. War ich etwa verdächtig? Nein, sicherlich wollten sie nur eine Zeugenaussage haben, aber ich war doch gar nicht dabei gewesen. Ich versuchte meine Gedanken etwas zu ordnen, dann antwortete ich: »Von der Tat habe ich nichts gesehen, ich habe ihn nur hier liegend gefunden. Ich war mit meinem Hund spazieren und sie wollte unbedingt in diese Richtung, also bin ich ihr gefolgt und habe ihn dort gefunden. Ich habe ihn in die stabile Seitenlage gebracht und dann den Krankenwagen alarmiert.«


»In Ordnung«, nickte der andere Polizist, der sich alles in einem Block notiert hatte. Wir fahren dich und deinen Hund jetzt nach Hause und werden bei Bedarf nochmal auf dich als Zeugin zurückkommen.«


Ich nickte als Antwort nur und stieg mit Berry in den Wagen, meine Gedanken waren immer noch bei dem Jungen. Ob es ihm schon besser ging? Er hatte wirklich schlimm ausgesehen. Ich beschloss, ihm auf jeden Fall einen Besuch im Krankenhaus abzustatten, von dem ich den Namen bei einem Gespräch der Sanitäter mit den Polizisten aufgeschnappt hatte.


Gedankenverloren blickte ich aus dem Fenster und merkte im ersten Moment gar nicht, dass sich das Auto in Bewegung setzte. Wenige Minuten später kamen wir auch schon vor dem großen Haus von Kate und George an. Ich bedankte mich höflich für die Fahrt, dann stieg ich schnell mit Berry zusammen aus und lief die Auffahrt entlang zum Haus. Doch bevor ich die Haustür erreicht hatte, wurde die Tür bereits geöffnet und Kate kam mir entgegen.


»Oh mein Gott, Valerie, was ist passiert? Wieso hat dich die Polizei hier hergefahren? Ist alles gut?«, überschüttete sie mich mit Fragen und fuhr sich aufgeregt durch die Haare.


Sie malte sich wahrscheinlich gerade die schlimmsten Dinge in ihrem Kopf aus und ich konnte es ihr nicht vorwerfen, denn schließlich war es echt untypisch, wenn Austauschschüler schon nach wenigen Tagen im Land mit der Polizei Kontakt hatten. Deshalb machte ich mich schnell daran, Kate die Situation zu schildern, um sie zu beruhigen.


»Kann ich heute Nachmittag ins Krankenhaus fahren, um den Jungen zu besuchen?«, fragte ich sie abschließend.


»Natürlich, das ist eine schöne Idee«, antwortete mir meine Gastmutter mit einem Lächeln, nachdem sie die Neuigkeiten verarbeitet hatte.


»Dylan wollte eh in die Richtung, er kann dich sicherlich mitnehmen.«


Nein, bitte alles, nur nicht Dylan! Ich würde lieber bis zum Nordpol laufen, als bei diesem Typen mitzufahren, aber das konnte ich seiner Mutter wohl kaum so sagen. »Das ist nicht nötig, ich fahre auch gerne mit dem Bus«, antwortete ich deshalb, doch Kate war bereits dabei, wieder ins Haus zu gehen, um nach Dylan zu rufen. Ich folgte ihr nach drinnen, während sich ein unbehagliches Gefühl in meinem Bauch ausbreitete.


»Dylan, kommst du mal bitte?«


Es kam zwar keine Antwort, aber kurz darauf konnte man schon das Poltern auf der Treppe hören und wenig später stand Dylan in der Tür.


»Was ist?«, fragte er knapp. Er schien mal wieder eine blendende Laune zu haben und ich musste mir echt verkneifen, nicht die Augen zu verdrehen.


»Kannst du Valerie bitte mitnehmen und eben am Krankenhaus absetzten?«, bat Kate ihn.


Entsetzen war bei Dylans Gesichtsausdruck eine völlige Untertreibung. Er schaute mich so geschockt und verachtend an, dass es mir kalt über den Rücken lief und ich hart schlucken musste.


»Nein«, lautete seine schroffe Antwort, aber mich würden ebenfalls keine zehn Pferde in seinen Wagen bringen.


Kate schien die angespannte Stimmung zwischen uns jedoch nicht zu bemerken oder einfach zu ignorieren, denn sie hakte bei Dylan nach: »Wieso denn nicht?«


»Weil ich keine fünf Minuten mit der alleine im Auto eingeschlossen aushalte«, kam es von Dylan scharf zurück und ich verspürte einen schmerzhaften Stich in meiner Brust. Dylans Bemerkungen wurden von Mal zu Mal fieser und ich wusste langsam echt nicht mehr, wie ich dagegenhalten sollte. Wieso hasste er mich nur so sehr?


Nach einer längeren Diskussion, in der Kate immer wieder betonte, wie toll diese gemeinsame Fahrt für Dylan und mich wäre, um uns besser kennenzulernen, durfte ich schließlich doch Bus fahren. Das war mir auch deutlich lieber so, denn nach Dylans abwertender Antwort von eben, wäre ich auf der gemeinsamen Autofahrt innerlich gestorben. Alleine in einem Auto eingesperrt, hätte ich kaum vor seinen Sticheleien ausweichen können und davon brauchte ich in diesem Moment einfach mal eine Pause, der Tag hatte meine Nerven schon genug belastet.


In diesem Moment hielt der Bus vor dem Krankenhaus und ich stieg aus. Nachdem ich mich anhand der Schilder etwas orientiert hatte, kam ich durch den Haupteingang zur Auskunft. Dort fragte ich nach einem etwa sechzehn Jahre alten Jungen, der vor kurzem bewusstlos eingeliefert worden war. Die Dame an dem Tresen beäugte mich zuerst skeptisch, als würde sie anzweifeln, was ich mit dieser Information beabsichtigte, aber nachdem ich ihr die Situation geschildert hatte, gab sie mir doch die Auskunft, die ich brauchte. Und so befand ich mich wenig später auf dem Weg zu Sam Evans.


Ich fand die Zimmernummer ohne Probleme und klopfte an der Tür. Von drinnen vernahm ich daraufhin ein schwaches »Herein«. Ich zog eine Packung Schokoladenpralinen aus meiner Tasche, die ich auf dem Weg noch besorgt hatte, dann straffte ich meine Schultern und betrat den Raum.


Sofort fiel mir der Junge mit den kurzen schwarzen Haaren ins Auge, der in der Mitte des Raumes auf einem Krankenhausbett lag und offensichtlich von seiner Familie umringt war, denn alle besaßen denselben dunklen Teint und dieselben dunklen Haare wie Sam.


»Bist du ... Bist du etwa das Mädchen, dass meinem Sam das Leben gerettet hat?«, stammelte eine Frau, die vermutlich Sams Mutter war, völlig aufgelöst, als sie mich erblickte. In ihren dunklen, braunen Augen mischten sich unglaublich viele Gefühle wie Sorge, Erleichterung und Freude und ich konnte nur im Entferntesten erahnen, wie schlimm es für sie gewesen sein musste, beinahe ihren Sohn verloren zu haben.


»Ich weiß nicht, wie ich dir jemals genug danken kann, vielen, vielen Dank!«


Mit großen Schritten lief sie auf mich zu und zog mich in eine feste Umarmung, wobei es schien, als würde sie mich gar nicht mehr loslassen wollen. Erst als Sam sich bemerkbar machte, löste sie sich wieder von mir.


»Mama, jetzt reiß dich bitte etwas zusammen«, kam es von ihm. Er saß aufrecht in seinem Bett und betrachtete seine Mutter mit glühenden Wangen. Offensichtlich war ihm die Situation ziemlich peinlich.


»Du hast Recht«, stimmte seine Mutter ihm zu und blickte mich entschuldigend an. »Tut mir leid, falls ich dich ein bisschen überrumpelt habe, aber ich bin gerade so unfassbar glücklich.«


»Alles gut, ich kann Sie vollkommen verstehen«, beruhigte ich sie und schenkte ihr ein sanftes Lächeln.


Ich würde an ihrer Stelle wahrscheinlich ähnlich reagieren und es machte sie mir echt sympathisch, dass sie ihre Emotionen so offen zeigte. Dann trat ich etwas näher an Sams Bett heran und zog die Schokolade hinter meinem Rücken hervor.


»Hier, die habe ich dir mitgebracht«, sagte ich und reichte ihm die Packung.


»Dankeschön, aber das wäre echt nicht nötig gewesen«, bedankte sich Sam, aber ich konnte sehen, dass er sichtbar gerührt war.


»Ich bin Valerie«, stellte ich mich nun vor und streckte ihm meine Hand entgegen, welche er sofort ergriff.


Er schien sich schon ziemlich gut erholt zu haben, denn er machte einen recht wachen und aktiven Eindruck. Es freute mich echt unglaublich, dass es ihm gut ging!


»Sam«, antwortete er mir lächelnd.


Ich musste daraufhin leicht lachen, schließlich wusste ich bereits, wie er hieß, sonst hätte ich ihn gar nicht erst gefunden. Aber trotzdem war es süß, dass er sich mir nochmal persönlich vorstellte.


Als Sam meine Hand wieder losließ, blickte er auffordernd hinter mich und ich sah mich unsicher um. Doch sein Vater schien das Zeichen sofort zu verstehen.


»Wir lassen euch zwei mal etwas alleine«, sagte er und dann verließ die gesamte Familie auch schon den Raum. Als alle weg waren, wandte Sam sich wieder an mich.


»Vielen Dank.«


Er blickte mir fest in die Augen und ich wusste genau, worauf sich diese Aussage bezog, obwohl er es nicht gesagt hatte. Auch wenn Sam sich ziemlich cool gab, musste der heutige Tag ein ganz schöner Schock für ihn gewesen sein. Er war ziemlich stark verletzt worden und ich wusste ja noch nicht mal, was sich davor abgespielt haben musste. Ich wusste nur, dass es noch so viel schlimmer hätte ausgehen können, hätten Berry und ich ihn nicht gefunden.


»Das war selbstverständlich«, winkte ich ab, aber trotzdem nahm ich mir Sams Worte zu Herzen. Auch wenn ich es noch nicht ganz realisierte, hatte ich heute tatsächlich einem Jungen das Leben gerettet.


Sam und ich unterhielten uns noch eine ganze Weile, bis eine Ärztin kam und meinte, dass er Ruhe bräuchte und ich jetzt gehen sollte. Davor tauschten Sam und ich noch Nummern aus und ich verabschiedete mich ausführlich von ihm und seiner Familie. Dann machte ich mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Ich hatte Glück und der Bus kam bald, sodass ich wenig später schon zu Hause ankam. Dort erzählte ich Kate und George von dem Treffen mit Sam und seinen Eltern und verschwand anschließend in meinem Zimmer. Nach diesem ereignisreichen Tag könnte ich jetzt wirklich etwas Ruhe gebrauchen.


Doch kaum hatte ich mich auf mein Bett gesetzt, begann mein Handy zu vibrieren. Der Anruf stammte von einer unterdrückten Nummer. Vielleicht war das ja Sam, schoss es mir durch den Kopf, weshalb ich den Anruf annahm.


»Hi, Valerie. Wie geht es dir?«, fragte jemand auf Deutsch und dieser jemand war eindeutig nicht Sam. Diese Stimme war mir nur allzu bekannt - ich würde sie unter hunderten wiedererkennen. Julian.


Wie von selbst wurde mein Körper von einer Gänsehaut überzogen und ich spürte ein schmerzhaftes Stechen in meinem Brustkorb. Wie konnte er es wagen, mich anzurufen und dann einfach so zu tun, als wäre nichts? Nach all dem, was er mir angetan hatte!


»Bitte leg nicht gleich auf, Valerie«, redete Julian weiter. Seine Stimme klang bittend und früher hätte ich ihm alleine deswegen jeden Wunsch von den Augen abgelesen, aber jetzt spürte ich nur eine unfassbare Wut und Verzweiflung in mir aufkochen. Er sollte mich einfach nur in Ruhe lassen!


Ich merkte, wie meine Unterlippe zu zittern begann und ich musste gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfen.


»Wieso sollte ich das tun? Damit wir Smalltalk betreiben können und so tun können, als wäre nie etwas passiert?«, zischte ich voller Wut. »Was ist eigentlich bei dir falsch gelaufen? Du hast die Scheiße gebaut und jetzt, wo ich in Amerika bin, kommst du plötzlich wieder angekrochen? Ich möchte nichts mehr mit dir zu tun haben und dich am liebsten nie wiedersehen. Du hast mir mein Herz gebrochen und das werde ich dir niemals vergeben, verstehe das doch einfach!«


Ich konnte mich nur schwer kontrollieren, so viele Gefühle kamen in mir hoch und wirbelten durch meinen Kopf. Alles war dabei, von unseren schönsten Erlebnissen, bis zu dem Tag, der Tag, an dem er mich betrogen hatte. Auch wenn das bereits mehrere Monate zurücklag, schmerzte es in diesem Moment immer noch wie ganz am Anfang. Über all den Trubel der letzten Tage hatte ich Julian zwar fast vollkommen verdrängt, aber jetzt kam alles wieder hoch


»Vale, bitte hör' mir zu. Es tut mir so leid, ich habe den größten Fehler meines Lebens gemacht. Ich bin so unglaublich dumm gewesen und habe dich dadurch verloren, ich-«, setzte er an, doch ich unterbrach in scharf.


»Daran kannst du nichts mehr ändern, es ist nun einmal passiert. Und deshalb musst du jetzt auch verstehen, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben möchte.«


Meine Stimme klang kühl und ziemlich gefasst, dabei war ich innerlich alles andere als das. In mir brodelte es und ich hatte das Gefühl in all dem Schmerz, den dieser Anruf wieder aufwühlte, zu versinken. Direkt nachdem ich den Satz beendet hatte, legte ich deshalb auf und schaltete mein Handy auf Flugmodus.


Warum musste dieser Typ gerade dann anrufen, wenn ich dabei war, ihn zu vergessen? Wieso ausgerechnet jetzt? Vorher hatte er sich doch auch nicht gemeldet.


Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare und wischte mir die Tränen aus meinen Augenwinkeln. Wir waren zwar nur ein knappes Jahr zusammen gewesen, aber er war meine erste große Liebe und deshalb war es echt schwer, all diese Erinnerungen loszulassen. Ich hatte die letzten Wochen vor dem Austausch nur mit Eis und Serien auf dem Sofa verbracht. Ein gebrochenes Herz konnte so unglaublich wehtun, schlimmer, als jeder gebrochene Arm oder geprellte Fuß und jetzt musste Julian auch noch Salz in die Wunde streuen.


Um auf andere Gedanken zu kommen, schrieb ich Sam an. Er antwortete auch bald und wir schrieben ein bisschen über belangloses Zeug. Ich mochte Sam wirklich gerne. Er war echt lustig und wir teilten die gleichen Interessen.


Irgendwann rief Kate mich dann zum Essen. Dylan war nicht da, worüber ich mich ein kleines bisschen freute, denn das bedeutete wenigstens nicht noch mehr Stress. Nach dem Essen schaute ich mir mit George und Kate noch einen Film an, dann ging ich recht zeitig ins Bett, denn morgen war mein erster Schultag.


Ich war schon echt gespannt auf die ganzen neuen Erfahrungen, die ich machen würde, aber gleichzeitig verspürte ich auch eine gewisse Angst und Beklemmung. So selbstsicher ich mich nach außen hin auch gab, innerlich fühlte ich mich oft gar nicht so, sondern eher unsicher. Ich tendierte dazu, mir über alles zu viele Gedanken zu machen, um ja nichts falsch zu machen und setzte mich so immer wieder unter hohen Druck. So schossen mir auch jetzt tausend Fragen durch den Kopf. Würde ich an der Schule Freunde finden? Würde Dylan mich dort erst recht fertigmachen? Würde ich es bereuen, nach Amerika gegangen zu sein und Heimweh kriegen?


Ich wälzte mich noch einige Zeit unruhig hin und her, bis ich endlich einschlafen konnte.


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