Erwischt

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          Adriel platzte genau in dem Augenblick in ihr Zimmer, als Ana die Augen geschlossen hatte, den Dolch unter ihrem Kissen. Es war sein Glück, dass er das bereits so oft gemacht hatte, denn entweder Instinkt oder Vorsehung hielten sie davon ab, ihn aufgeschreckt mit dem Dolch anzugreifen.

Stattdessen fuhr sie lediglich aus dem Bett hoch, wie nach einem schlechten Traum, ihr Atem schwer und schnell. Ihre Umgebung drehte sich für einen kurzen Moment, in dem ihre Augen ihren Fokus auf Adriel im Schlafi-Hemd fanden.
„Ist etwas passiert? Bist du verletzt?"

Sie war halb aus dem Bett, die Decke umständlich abgestreift, bevor Adriel sie erreichte und energisch zurück ins Bett schob.
„Was hast du gemacht?"

Ohne ihn wirklich zu hören, suchte Ana ihn nach möglichen Verletzungen ab. Was hatte ihn geweckt? Hatten ihn die Seelenweberinnen selbst angegriffen, nachdem sie sich geweigert hatte? Verspätet bemerkte sie, dass er auf eine Antwort wartete.
„Geschlafen? Oder es zumindest versucht. Hier geht es zu wie an einer Bushaltestelle."

Adriel, der glücklicherweise keine Ahnung hatte wovon sie sprach, ging vor ihr auf die Hocke. Er suchte für eine gefühlte Ewigkeit nach den richtigen Worten, ehe er sehr behutsam sagte: „Zeig mir deinen Rücken."

Anas Mund fiel trotzdem auf, auch wenn wahrscheinlich aus einem vollkommen anderen Grund, als Adriel erwartet haben mochte. Woher konnte er von ihrem Rücken wissen? Wer hatte sie verpetzt? Ihr Mund klappte auf und wieder zu. Auf und wieder zu.
„Zeig mir doch deinen", war alles, was ihr einfallen wollte.

Adriel überlegte nur für den Bruchteil eines Herzschlages, ehe er mit einer einzigen (ziemlich beeindruckenden) Bewegung sein Hemd über den Kopf zog.

Ana, die mit allem anderen gerechnet hatte, rutschte mit einem hohen Ton von ihm weg. Was zur....? Doch als Adriel sich umdrehte, wusste sie, woher er von ihrem Rücken wusste. Verdammt hoch Zehn.

Adriel war nicht trainiert, wie Fitnesscenter-Coaches trainiert waren, sondern eher wie jemand, der tausend Mal dieselbe Bewegung mit einem schweren Schwert gemacht hatte. Das hieß nicht, dass er keinen schönen Rücken hatte. Nur waren da auch keine Verletzung, die ein Auspeitschen hätte mit sich bringen sollen.

Ana zog eine Grimasse, um die plötzlich aufkommende Farbe in ihren Wangen zu kaschieren. Super. Die Seelenweberinnen hatten ihn also auch geheilt. Sei es, um ihm bei ihrem Mordversuch eine faire Chance zu geben, oder die Illusion ihres Bandes aufrechtzuerhalten. Yipii.

Adriel drehte sich wieder zu ihr um. Wenn er stand, blockierte er fast das gesamte Licht aus dem Fenster und Ana musste den Kopf in den Nacken legen.
„Wo sind meine Wunden hin?"

Ana versuchte überall hinzusehen, nur nicht auf seinen nackten Oberkörper. Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte sich ein Kerl in ihrem Schlafzimmer ausgezogen. Oder generell in ihrer Nähe. Sie hätte erwartet, dass ausgerechnet in dieser Sekunde die Erinnerungen sich breit machen würden. Sie dachte für einen kurzen Augenblick an die zu nahestehenden Jungen auf der Party, versuchte sich an ihre Gesichter zu erinnern. Doch als ihr Herz schneller schlug, brauchte sie sich nichts vormachen. Das hatte einen anderen Grund.
„Willst du die Schnitte wieder zurückhaben?"

Adriels Schnauben markierte das Ende seiner Geduld.
„Was hast du gemacht?"

Ana verschränkte die Arme, doch es war mehr eine eigene Umarmung. Hey Google, wie werde ich meine brennenden Wangen wieder los? Das unbequeme Gefühl machte sie schnippischer, als sie sonst war.
„Warum muss immer ich etwas gemacht haben?" Sie war es vielleicht gewesen, aber er musste sie ja nicht immer gleich verdächtigen.

„Weil ich in meinem Bett gelegen bin."

„Ich sitze noch in meinem Bett!"

Für einen kurzen Moment schloss Adriel die Augen und massierte seine Stirn, ehe er das Hemd wieder anzog und sich neben Ana auf die Bettkante setzte.
„Gut, ich frage nicht nach. Aber das...", er tippte ihren Rücken zwischen ihren Schultern an, „...kann uns richtig Probleme bereiten, wenn mein Bruder davon erfährt. Er hat die Strafe nicht ausgesprochen, um uns morgen wieder im Palastsee baden zu sehen."

„Palastsee?" Sie richtete sich ein Stück auf, die Lippen geöffnet.

Adriels ‚Lass-den-Blödsinn-Blick' erstickte sämtliche Hoffnungen im Keim. Ana zog die Knie an und legte ihr Kinn darauf.
„Was schlägst du vor? Wir besorgen uns eine Peitsche und schlagen aufeinander ei-... Das war ein Spaß, schau nicht so entsetzt! So ein tolles Erlebnis war es dann auch wieder nicht."

Adriels große Augen wurden weicher und wanderten musternd über ihre gesamte Gestalt, ehe sie zurück zu ihrem Gesicht fanden.
„Wie schlimm war es?"

Ana zog bei der Erinnerung den Nacken ein und ihr Gesicht wurde noch roter. Super.
„Ich erinnere mich nicht an alle. Du?"

„Jeden einzelnen."

Ein furchtbares Gefühl breitete sich in ihr aus, schlimmer als bei der Erinnerung an ihre eigenen Schläge. Sie bemerkte Adriels besorgten Blick, doch er interpretierte ihn dankenswerterweise falsch.

„Das nächste Mal werde ich sie alle selbst tragen." Beide Hände über sein Gesicht ziehend, sah Ana die Schatten, die sich unter seinen Augen sammelte. Er blieb für einen Moment still, den Blick aus dem Fenster gerichtet.
„Warum wolltest du sie überhaupt teilen?"

Etwas zog in Anas Magengegend und sie schlang ihre Arme um ihre Knie. Sie hatte viele Gründe, warum sie die Schläge entgegengenommen hatte. Der Beste war vermutlich, dass es Adriel aufgefallen wäre, wenn sie seine Wunden nicht mehr teilte. Aber wenn sie ehrlich zu sich selbst war, hatte sie in dem Moment nicht so weit gedacht.
„Zwanzig Schläge können jemanden töten, oder?"

Adriel sah sie von der Seite an, seine Arme nur fingerbreit von ihren entfernt.
„Wenn Kellen gewollt hätte, hätte ein einziger gut platzierter Schlag ausgereicht. Er ist... schlimmer als ich erwartet hätte, aber ich bin immer noch seine Familie."

Ana sandte ihm einen mitleidigen Blick. Sie hatte Kellen kämpfen sehen. Mit sich selbst. Mit seiner Erziehung. Aber irgendwas lief hier furchtbar falsch. Weil Adriel versucht hatte, auf sie Rücksicht zu nehmen. Und nicht nur, wenn er sie nicht einsperrte.
„Du... du musst nicht wegen mir aufhören, Alkohol zu trinken. Ich verspreche, ich kann damit umgehen."

„Ich glaube nicht, dass Alkohol die Lösung ist."

Ana hob die Augenbrauen. Hatte er....

Nein....

Oder?

Adriels Mundwinkel zuckten. Er hatte einen Witz gemacht. Nur um im nächsten Moment wieder finster vor sich hin zu starren. Seine Finger knackten, als er sie zur Faust neben ihr ballte und dann langsam, Finger für Finger wieder auseinander faltete. Für den gesamten Moment sah er geradeaus.
„Ich weiß, dass du...", er schüttelte den Kopf, als könne er so den Satz zu einem sinnvollen Ende bringen. Für mehrere Sekunden sah es allerdings eher so aus, als würde er gar nichts mehr sagen, ehe dann doch aus ihm herausplatzte, „Ich weiß nicht einmal, womit du damals umgehen musstest. Aber ich habe mich in meinem Leben noch nie so gefühlt, wie wenn du deine Rückfälle hattest. Und egal was Mika'il in deiner alten Welt mit dir gema-...",

„Es war nicht Mika'il." Anas Stimme war so klein, wie seine beherrscht. Neben ihm sank sie in sich zusammen, überladen von der Dunkelheit, die sie eigentlich zurückgelassen hatte. Die sich wie eine Decke über sie legte. Gewoben aus den tausend kleinen Sätzen, den haftenden Blicken, den abweisenden Gesten.

Adriel fuhr zu ihr herum, als hätte sie ihn geschlagen. Für den Bruchteil eines Lidschlags streckte er die Hand nach ihr aus und besann sich dann doch anders.
„Kein Alkohol ist kein großes Opfer. Du hast für deine Freunde mehr riskiert, als du zu mir zurückgekommen bist."

Es war ein so simples Statement, dass Ana einen kurzen Moment brauchte, um es über das Rauschen ihrer Ohren zu hören. Wenn sie nur könnte, wäre sie heute nicht hier. Aber sie wollte sich nicht ausmalen, was dann aus ihr geworden wäre. Und der Gedanke war so fremd, dass sie ihn kaum auseinander puzzeln konnte.

Vorsichtig legte sie ihm den Kopf auf die Schulter und auch als er sämtliche Muskeln anspannte, ließ sie ihn dort liegen.
„Wir müssen Salem retten."

Adriel entließ einen langen Atemzug, als habe er nur auf diese Frage gewartet.
„Salem ist bereits abgeholt worden. Wir müssten den Gefangenentransport der Jägergilde überfa-... vergiss es Ana. Du würdest uns alle in nur noch größere Schwierigkeiten bringen."

„Warum schlägst du es dann vor?", mit einem Seufzen nahm Ana den Kopf von seinen Schultern. Er hatte recht und sie hasste es. Sie würden Salem keinen Gefallen tun, wenn sie seinen Prozess stoppten. Aber sie konnte ihn auch nicht verurteilt werden lassen für etwas, was ihre Idee gewesen war. Gedankenverloren fuhr sie die Linien ihres Tattoos mit einer Fingerspitze nach.
„Wenn ich etwas finden würde, was seine Strafe vielleicht abmildert, würdest du es der Jägergilde zukommen lassen?"

Adriel hob eine Augenbraue.
„Ist es mein Kopf auf einem Silbertablett?"

Sie wusste, er sprach symbolisch, aber Ana rollte trotzdem mit den Augen. „Sie könnten ihn dekorativ über ihren Kaminsims hängen."
In Gedanken verfolgte sie jedoch einen anderen Pfad.
„Hat dieser Palast eine Bibliothek?"

Adriel ließ sie nicht in die Bibliothek. Der Arzt und sein Onkel wurden benachrichtigt, doch für den Rest der Welt erholte Ana sich weiterhin von einer furchtbaren Tracht Prügel, von deren Folgen sie sich mit einer erschreckenden Menge an Büchern abzulenken gedachte.

Es brauchte sieben Dienstjungen, jeder beladen mit einem Turm aus Büchern bis unter die Nase, die nacheinander in ihr Zimmer marschiert kamen.

Der schwierigste Teil dieses Unterfangens war für Ana, nicht bei jeder Gelegenheit aufzuspringen und ihnen zu helfen. Keiner von ihnen sah besonders gebeutelt aus, aber sie warfen dem Mädchen im Bett unsichere Blicke zu, als erwarteten sie, dass Ana sie anfallen würde.

Als schließlich Sir Ranwic ihr die letzten Bücher brachte, hatte sie sich nicht mehr unter Kontrolle. Kaum, da er seinen Kopf durch die Tür schob, hastete sie aus dem Bett und nahm ihm den Stapel Bücher aus den Händen, um ihn auf das letzte freie Stückchen Fußboden zu legen.

„Was in aller Welt möchtest du mit diesen Wälzern zu Schmuck und Symbolik?", fragte er Ana, gegen die Kante des Tisches gelehnt und seine glänzende Stirn mit einem Tuch abtupfend.

Irgendetwas herausfinden. Ana blätterte bereits in dem ersten Exemplar. Die Seelenweberinnen hatten gesagt, dass der Drache sei eine Warnung. Und irgendwo musste stehen, warum sie ihre Augen öffneten. Wenn sie das erst herausgefunden hatte, da war Ana sich sicher, würden die Jägergilde gar keine andere Wahl haben, als Salem zu begnadigen.

„Was weißt du über silberne Drachen?", fragte sie Sir Ranwic stattdessen und fischte das zweite Buch von einem hohen Stapel. Es war ledergebunden mit goldbeschlagenen Ecken und winziger goldgepresster Schrift auf dem Rücken. Cassy hätte für diese Gute-Nacht-Geschichte die Welt gegeben.

Sir Ranwics Hand, immer noch das Taschentuch in den Fingern, stoppte kurz, ehe er nachdenklich antwortete: „Nicht besonders viel. Warum fragst du?"

Ana brauchte einen kurzen Moment, ehe sie sich von den Seiten und Zeilen, den tintenschwarzen Worten und den winzigen bunten Verzierungen gelöst hatte.
„Ich sehe die Brosche hier überall am Hof und ich wollte wissen, warum die Leute sie tragen", entschied sie sich für eine Halbwahrheit.

Sir Ranwics gerunzelte Stirn entspannte sich nicht. Stattdessen verschränkte er die Arme und unterzog sie einer langen Musterung, als könne er den gelogenen Teil der Antwort eine Meile gegen den Wind riechen.
„Es ist nur eine Brosche, soviel ich weiß. Viele Leute haben Drachen auf ihren Familienwappen. Löwen. Adler... Harpien. Ich dachte, dass ich dich vielleicht mit etwas anderem ablenken könnte..."

Jetzt war es an Ana die Augenbrauen zusammen zu schieben. Das Buch sank in ihren Schoß und sie legte den Kopf schief.

„Erinnerst du dich an mein Angebot, als wir gemeinsam zur See gefahren sind?" Sir Ranwic sah aus dem Fenster, als könne er dort die Erinnerung sehen. Er sah traurig aus. Verloren. Eine kleine schwarze Schleife an seinem Ärmel war das einzige offene Zeichen des Verlusts.

Ana schluckte.
„Sie wollten mich in ein Gespensterschloss bringen."

Sir Ranwic schüttelte den Kopf, seine grauen Augen zu müde, um zu lachen.
„Wir wollten dich trainieren, um dir mehr Freiheit zu geben."

Anas Mund klappte auf und schloss sich wieder und ihre Daumen drehten Kreise umeinander, das Buch vergessen in ihrem Schoß.
„Ich weiß nicht, wie ich Euch das sagen soll, aber ich glaube nicht, dass Adriel gedenkt, mich noch einmal irgendwohin alleine gehen zu lassen." Nicht nach der Katastrophe, die auf ihren letzten Versuch gefolgt war.

Sir Ranwics Gesicht wurde sofort sanfter, als könne er Anas Gedanken von ihrer Stirn ablesen.
„Du gibst zu schnell auf, Kind", seine Augen machten ihre graue Farbe warm und einladend, „Ich möchte, dass du in der Lage bist, jedem Weltenwandler die Finger abzuschneiden, die er in deine Richtung ausstreckt. Und selbst, wenn es nur innerhalb dieser Palastmauern ist."

Erinnerungen an Kaliahs geschocktes Gesicht, als der Mann ihr Zimmer betreten hatte, kamen zu Ana zurück. Und Koch und jeder im Haushalt hatte gedacht, dass sie abgehauen wäre.

„Deshalb möchte ich dir jemanden vorstellen." Und damit ging er zur Tür und zog sie auf.

Dahinter wartete jemand.

Er hatte den Kopf gesenkt, sodass Ana im ersten Moment nur einen tiefvioletten Hut sah, der mit mehreren großen Federn geschmückt worden war. Als zweites schob sich ein Nadeldünner Gehstock in ihr Zimmer, bei dem Ana Dämonensteine verwettet hätte, dass er eine Waffe verbarg. Ein hüftlanger Umhang und eine enganliegende Hose komplettierten ein sehr farbenfrohes Outfit, das es trotz der mutigen Muster schaffte, nicht schräg zu wirken.

Blonde Haare waren im Nacken von einem schwarzen Band zusammengehalten und Ana hätte schwören können, dass der Mann Kajal trug.

„Ana, das ist Lord Gallowen", stellte Adriels Onkel den Mann vor und schloss die Tür wieder.

Ana rutschte instinktiv von ihm weg. Oder vielleicht mehr von seinem musternden Blick und den mehr als offensichtlichen Urteilen, die in seinem Gesicht zu lesen waren.
„Angenehm", sagte er schließlich, das Wort so lange gezogen, dass es bereits wieder wie eine Frage klang. Sein Gesicht sah aus, als wäre er Teil eines andauernden Witzes, den nur er hörte. Stetig amüsiert und eine große Menge herablassend.

Ana nickte nur, ein wenig sprachlos durch die bunte Aufmachung, die dem punkvollen Gebäude des Palasts noch einen Funken mehr Leben gab. Er war intensiv, wie sie zuvor nur Sir Ranwic in seinen Morgenmänteln erlebt hatte, doch der ältere Mann wirkte blass und trocken neben dieser Gestalt.

„Lord Gallowen ist ein Meister der Fechtkunst", fuhr Sir Ranwic fort, vollkommen unberührt von der Präsenz des Mannes. Er hatte eine Art dienstlichen Ausdruck angenommen, wie ein Vater, der sein Kind für Reitstunden anmeldete.

Lord Gallowen trat lediglich nach vorne, seinen Umhang über eine Schulter werfend und sagte: „Steh auf, Mädchen. Lass mich sehen, womit ich arbeite."

Arbeite? Unbewusst wanderte Anas Blick zu Sir Ranwic, doch sie tat wie geheißen. Er wusste, dass sie geheilt war. Das musste bedeuten, dass Adriels Onkel ihm vertraute. Und sie war sehr verleitet, es ihm dann gleichzutun.

Leider brachte ihr das nicht viel in den Augen des Fechtmeisters. Gallowen schritt um sie herum wie ein Kunstkenner um eine Statue.
„Ihre Arme haben keine Form", informierte er den Raum. Mit einem behandschuhten Finger stach er ihr in die Seite. Ana klappte zusammen wie ein Schweizer Taschenmesser.

„Keine Bauchmuskeln", war alles, was Gallowen dazu sagte. Kaum da sie sich wieder aufgerichtet hatte, schubste er sie mit dem Stock an und Ana musste gleich zwei Ausfallschritte machen, um nicht wieder im Bett zu sitzen. „Ihre Balance ist... nicht vorhanden", aus einem anderen Mund hätte das abfällig geklungen, doch er beschrieb die Dinge lediglich, wie sie waren, „Wenigstens hat sie Läufer-Beine."

Er lief so nah an Ana vorbei, dass sie den Geruch von Blaubeeren aufschnappte. Die Schnalle, die seinen Umhang an der Schulter befestigte, war ein Drache.

Ein silberner Drache mit einem winzigen Rubin.

Anas Augen wurden kugelrund und schossen zu Sir Ranwic zurück, der unmerklich den Kopf schüttelte. Es ist nur eine Brosche, stand auf seiner Stirn, so deutlich, dass Ana beinahe den Nacken eingezogen hätte. Aber sicherlich hatte Lord Gallowen einen Grund, warum er das Schmuckstück trug, oder? Wusste er von den Warnungen, von denen die Seelenweberinnen gesprochen hatten?

Sie hatte den Mund bereits zur Frage geöffnet, doch Sir Ranwic, der ihre Absicht zweifelsohne gerochen hatte, sprang dazwischen.
„In zwei Tagen könnten wir sie für so genesen erklären, dass sie das Zimmer verlassen kann. Wie wäre es mit den Kellergewölben für ein erstes Training?"

Anas ursprüngliche Frage machte einen Schlenker. Kellergewölbe nahe der Zellen?
„Weiß Adriel davon?"

Ein Lächeln stahl sich auf die Lippen des älteren Mannes, das sie viel mehr an seine Präsenz auf dem Boot erinnerte. Mit einem winzigen Augenzwinkern sagte er: „Wo wäre da denn der Spaß?"

Lord Gallowen zuckte lediglich mit den Schultern.
„Ich habe schon mit Schlimmerem gearbeitet. Sie sollte eine angenehme Herausforderung werden."

Und noch bevor Ana oder Sir Ranwic einen weiteren Laut von sich geben konnten, verneigte er sich knapp vor beiden und stolzierte aus dem Zimmer.

Ana wirbelte förmlich zu Adriels Onkel herum, kaum da die Tür ins Schloss gefallen war: „Er hat die Brosche!" Sie musste einen Weg finden, Salem zu kontaktieren.

Sir Ranwic entließ einen sehr langen Atemzug, als hätte er einen ganzen Vormittag Katzen gehütet.
„Viele Leute haben hier die Brosche. Es ist ein altes Symbol, das von Fanatikern durch die Gegend getragen wird. Was immer noch besser ist, als wenn sie ihre Meinung laut kund tun."

Anas Mundwinkel zuckten.
„Wenn es nur das wäre, hättet Ihr mich meine Frage stellen lassen."

Der Blick, den sie daraufhin bekam, war eine väterliche Mischung aus Stolz und Geduld, die Anas gesamten Körper aufwärmte und die folgenden Worte deutlich abminderte: „Es gibt Wissen, das einem Schuld auflädt, die man, hat man es einmal gehört, nicht mehr von sich weisen kann. Lass es ruhen, Ana. Für deine und Adriels Sicherheit."

Die Ana, die er auf dem Schiff kennengelernt hatte, hätte auf ihn gehört. Da war sich die Ana, die kaum da er das Zimmer verlassen hatte, auf die Bücher stürzte, sicher. 

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"Wenn ich mich richtig erinnere, IST Alkohol chemisch gesehen eine Lösung." - Ana, hat gerne recht :D

(Immer noch keine Leiche gefunden.)

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