Weniger berühmt, mehr berüchtigt.

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          Anas Mund fühlte sich wie Sandpapier an. Ihre Zunge war dick und unförmig, nutzlos im Versuch, ihre Lippen zu befeuchten. Mit trägen Schritten folgte sie Kaïa, der weder die Wärme noch der Schlafmangel wirklich etwas auszumachen schienen. Sie wusste nicht, worauf sie ihre Gedanken fokussieren sollte. Kaïas Maske. Die beklemmende Enge des Tunnels. Das Tattoo.

Vor ihnen machte der Tunnel einen Knick, doch Licht erhellte die Wand wie ein Versprechen. Kaïa steuerte darauf zu, als befände sich dahinter eine Art Save-Room, der ihnen die nötige Pause geben würde. Oder sie wollte vor Ana fortlaufen. Sicher war sie sich da nicht. Und ohne Tageslicht wurde es langsam schwierig, herauszufinden, wie lange sie schon hier unten waren.

Anas Fuß blieb an einer Wurzel hängen und sandte sie einige Schritte torkelnd vorwärts, ehe sie sich wieder fing. Das Licht vor ihnen flackerte. Malte Muster auf die unebene Wand. Ana beobachtete es unsicher. Mit der Zeit hatten sie unterschiedliche Ein- und Ausgänge zu dem Tunnelsystem passiert. Manche von ihnen waren offen, eingebettet in dunkle Höhlen, andere verschlossene Luken wie die, durch die sie gekommen waren.

Mit angespannten Muskeln erwartete Ana bei jedem neuen Eingang, dass der Nachtfuchs durch ihn hindurch springen und sie angreifen würde. Er war ein Sucher, hatte Kaïa gesagt. Er konnte sie überall finden. Und er war nicht einmal mehr ihr einziges Problem.

Kaïa erreichte den Knick, bog um die Ecke und blieb so abrupt stehen, dass Ana von hinten in sie hineinlief. „Mist."

Desorientiert torkelte Ana zurück und wurde von der jungen Frau festgehalten, damit sie nicht auf dem Po endete. Sie wollte nicht, dass Kaïa 'Mist' sagte. Das war selten ein gutes Omen. Sie brauchte dringend eine Pause, sonst würde sie bald nicht mehr vor den Bildern fortlaufen können. So wie dieses nette vor ihnen, das auch Kaïa gestoppt hatte.

Vor ihnen weitete sich der Gang zu einer vollen Höhle aus in deren Mitte ein breiter, klarer Pool das Licht der Wurzeln an die Wände warf. Er war nicht groß- kaum mehr als eine flache Badewanne in einem Steinbecken, das keinen Boden hatte. Rinnsale suchten sich aus ihm heraus wie Wurzeln ihre Wege in jede Richtung. Doch links davon saßen drei Kerle zusammen und starrten sie ähnlich erstaunt an.

Ana biss sich auf die Zunge. Mist. Sie waren unterschiedlich groß, nicht viel älter als sie, mit gedeckter Kleidung und einer Gesamtzahl von drei kurzen Schwertern und zwei Handarmbrüste zwischen ihnen. Genau wie in der Trägergilde. Keiner von ihnen griff nach den Waffen. Niemand bewegte auch nur einen Muskel.

Aber sie waren zu dritt. Ana mahlte mit den Zähnen. Versuchte, diese leise Sorge auszublenden. Und sie waren nur zwei Mädchen. Mist. Mist. Ana fühlte sich, als hätte jemand ihren Körper abgeschlossen. Starr und bewegungslos. Hässliche Erinnerungen drängten sich ihr auf wie blaues Terrariumslicht. Sie wären niemals schnell genug, um ihnen zu entkommen.

„Rebellen", murmelte Kaïa, doch Ana antwortete nicht. Starrte nur geradeaus, bis Kaïa sich zu ihr umdrehte, eine Augenbraue fragend nach oben gezogen, „Alles in Ordnung?"

Oh ja, alles ausgezeichnet. Sag mal, suchen die Rebellen mich nicht? Lebendig oder... sagen wir tot? Sagte Ana nicht, weil ihr Kiefer bereits von der Spannung schmerzte.

Die drei Kerle kommunizierten miteinander durch Blicke, eine rapide Abfolge von Fragen und Instruktionen, die nur sie verstanden. Sie mussten sie bei einer kurzen Lagerpause gestört haben. Zwischen ihnen hatten sie ein Tuch ausgebreitet, in dem Brot eingewickelt gewesen war.

Mit grober Gewalt zwang Ana sich, Kaïa anzusehen, auch wenn sie den Kopf nicht drehte, sondern sie merkwürdig aus dem Augenwinkel anschielte. Roch sie Alkohol? Nein. Das waren nur Erinnerungen. Sie verlor den Verstand. Die Kerle hatten nichts mit den Kerlen zu tun, die ihr betrunken zu nahekamen. Aber sie wusste, zu was Männer in der Lage waren. Also alles...
„P-Prima."

Ihr forciertes Lächeln war in etwa so natürlich wie Kalkreiniger. Und tat außerdem irgendwie weh. Auch das Wort reichte nicht, um Kaïas Misstrauen zu besänftigen. Noch ein klein wenig panischer versuchte Ana, ihr Gehirn zu einer passenden Antwort zu durchforsten. Irgendetwas, was sagte: Hey, vielleicht war das Make-over, um wie dieses gesuchte Mädchen auszusehen, doch keine so gute Idee. Vielleicht sollten wir gehen. Aber sie bezweifelte, dass irgendeiner außer ihr in dieser Höhle wusste, was ein Make-over war.

Stattdessen spuckte ihr Hirn ihr einen Funfact zu ihrem letzten Gespräch mit Kaïa aus.
„Hattes du nicht gesagt, dass ihr zwei Throne habt? So-sollte es dann nicht noch einen Zweiten Caraiden geben, der das Land retten könnte, ohne dass man den Ersten und seine unfreiwillige Seelengebundene töten müsste?"

Einer der Kerle stand auf. Ana konnte ihn nicht ignorieren. Er war nicht mal sonderlich groß oder breit gebaut. Aber er musste eine Art Anführer in dem kleinen Trio sein und als er den ersten Schritt auf sie zu machte, glaubte Ana, dass sie rückwärts geschoben wurde.

Kaïa sah ihn ebenfalls. Mit einem zischenden Laut hielt sie Ana von ihrem Rückzug ab und drückte die Schultern durch. Sie starrte ihn an, jeden Schritt, den er tat, doch ihre Antwort galt alleine Ana:
„Sie haben vor einigen Jahren mal einen verloren. Das komplette Land hat ihn über Nacht vergessen. Seitdem hat es keinen Zweiten mehr ausgerufen."

Danke, Kaïa. Dachte Ana nüchtern.

Sie ließ den Mann näherkommen, bis Ana ihm goldenen Licht seine Augenfarbe ausmachen konnte. Chlorgeruch füllte ihre Nase, wo kein Chlor sein konnte. Es stahl ihr den Atem- den Fokus. Mehr Erinnerungen pressten näher, sandten ihren Magen wieder in den freien Fall.

Kaïa machte ebenfalls einen Schritt auf den Kerl zu, ihre Anspannung durch die Fingerspitzen auf Anas Arm greifbar.
„Wir wollen keinen Streit, nur Wasser."

Der Typ sah sie nicht einmal an. Ohne hinzusehen, zog er einen sehr bekannten Zettel aus seinem Mantel und hielt ihn ihr vor die Nase, die Augen niemals von Anas Gesicht nehmend.
„Kennt ihr die zufällig?"

Sie hätte die Antwort mit dem Make-over versuchen sollen. Ana wurde schwindelig. Kaïas Griff um ihren Arm wurde fester. Ohne sich zu bewegen, schien sie neben Ana zu wachsen, die Schultern durchgedrückt, ihre Stimme vollkommen ruhig und entspannt.
„Das ist ihre böse Zwillingsschwester. Wenn ihr sie findet, sagt Bescheid."

Ohhh.. dachte Ana hoffnungsvoll.

Neben dem Teich griffen die beiden anderen Männer sehr langsam nach ihren Waffen. Der Typ vor ihnen wandte sich das erste Mal an Kaïa. Lebendige graue Augen starrten auf sie hinab, sicheren Sieg darin wie eine Goldmedaille.
„Ich glaube, wir haben sie bereits gefunden."

Ohhh... dachte Ana deutlich weniger hoffnungsvoll. Selbst durch den Nebel ihrer blinden Panik spürte Ana Kaïas Präsenz neben sich wie ein dumpfer Bass, dessen Vibration Knochen schüttelte. Anstatt vor den gezogenen Schwertern zurückzuweichen, legte sie den Kopf schief und machte noch einen Schritt auf den Typen zu.
„Ich glaube, du stehst mir im Weg."

Ana dachte gar nicht mehr. Aus riesigen Augen beobachtete sie, wie die zwei anderen näherkamen. Inzwischen war sie sich ziemlich sicher, Alkohol zu riechen. Gelächter zu hören, zu weit entfernt, um sie zu retten. Keiner von ihnen hatte eine der Armbrüste aufgehoben... wenn sie nur schnell genug rennen würde...

Kaïa stieß sie zurück. Ana kollidierte Kopf voraus mit der Wand, abgefedert durch das dicke Moos.

Hinter ihr heulte ein Schwert durch die Luft. Kaïa wich ihm aus, die Schritte schnell und präzise aber niemals ihren Standpunkt vor Ana aufgebend. Einmal. Zweimal. Beim dritten Mal riss sie den Dolch aus ihrem Beinholster und blockte damit die breite Klinge ab. Sandte sie weit nach links.

Ein zweiter Kerl näherte sich ihr. Sein Schlag zielte tief an, auf Kaïas Knöchel. Mit einem Kniefall rammte sie den Dolch in den Boden. Das Klirren von Metall auf Metall hallte durch die gesamte Höhle und ließ das Wasser im See zittern.

Mit Kraft riss Kaïa den Dolch wieder aus dem sumpfigen Boden und schlug das niederkommende Schwert des Ersten aus seiner Hand.

Ana blinzelte. Sie hatte keine Ahnung von Schwertkampf, aber das sah nicht aus, als gehorche es den Regeln der Physik. Auch der zweite Kerl stutzte. Machte einen Schritt zurück.

Der Dritte hinter ihnen senkte seine Armbrust zu Boden, als wäre sie plötzlich zu schwer. Herzschlag für Herzschlag breitete sich Horror auf seinen Zügen aus, ließ sie grau und erstarrt zurück.
„Du bist Kaïa."

Der Satz kam zögerlich, aber die Köpfe der zwei anderen flogen förmlich herum, plötzlich gepackt von derselben beunruhigten Neugierde, mit der sie die maskierte Frau musterten.

Kaïa verkrampfte sich.

Es war anders als zuvor. Nicht die Spannung eines Jägers, der gleich auf seine Beute zuspringen würde, sondern viel ähnlicher dem Gefühl, das sich Anas Muskeln bemächtigt hatte.

Doch anscheinend bemerkte keiner der drei Rebellen die Veränderung. Der Vorderste machte hastig mehrere Schritte zurück, sein Bravado zwischen Erde und Wurzeln verloren. Er versuchte seine zwei bewaffneten Begleiter zwischen sich und die Frau zu bringen, doch keiner von ihnen wollte ihr zu nahekommen.

Anas Ohren klingelten. Woher kannten sie ...? Sie musste ihre Begleiterin nicht ansehen, um sie wissen, dass sie keine Antwort bekommen würde. Kaïa schien eher einen berüchtigten anstatt eines berühmten Effektes auf die Männer zu haben. Ihre Atmung ging schneller, doch bei weitem nicht in dem Tempo, in dem sie eben noch gekämpft hatte.

Leuchtende Augen verloren ihren Glanz, während sie passiv durch die Höhle wanderte. Die Schwerter sanken zurück und ein jeder von ihnen wurde rückwärts gegen die nächste Wand gedrängt, als Kaïa langsam auf den Teich zuging.

Sie sagte nichts. Steif ging sie neben dem Rand in die Knie und befüllte die Flasche, das Ploppen des Verschlusses das einzige Geräusch in der ganzen Höhle.

Anas Herz wummerte in ihrer Brust. Mit dem Rückzug der Männer klärte sich auch ihr Verstand, doch sie begriff trotzdem nicht, was sie gerade sah. Keiner der Kerle sprach oder würdigte sie auch nur eines Blickes. Der Gesuchtzettel war aus der Hand des Anführers gerutscht und saugte sich zwischen ihnen am Boden mit Wasser voll, bis ihr Gesicht weniger schöne Flecken bekam.

Sie alle beobachteten Kaïa dabei, wie sie den Schlauch füllte und zu Ana zurückkehrte. Doch etwas stimmte nichts. Sie war nicht mehr groß und präsent. Das Vibrieren, das eben in der Gefahr noch von ihr ausgegangen war, war nicht mehr zu spüren als sie mit einem Kopfnicken an Ana vorbei zurück in den Tunnel ging.

Ana fiel beinahe über ihre eigenen Füße, so schnell versuchte sie ihr zu folgen. Sie wollte den Kerlen nicht den Rücken zudrehen, doch der Wunsch zur Flucht war überwältigend. Sie klebte an Kaïas Hacken, während ihre Gedanken langsam wieder an Fahrt gewannen.

Das waren Rebellen gewesen. Und sie fürchteten Kaïa. Im Stechschritt versuchte Ana, Kaïa unauffällig von der Seite zu mustern. Schwarze Maske, Mantel und metallene Manschetten gaben ihr ein beeindruckendes Aussehen, doch am Ende war Kaïa eher klein und zierlich. Egal wie geschickt oder schnell sie mit dem Schwert war, das sie unbenutzt an ihrem Gürtel trug, drei Kerle wären eine Herausforderung geworden.

Aber einen hatte sie beinahe durch die Luft geworfen.

Ana ließ ihr mehrere Weggabelungen Zeit, etwas zu sagen, doch als Kaïas Miene stoisch blieb, hielt sie es nicht mehr aus.
„Alles in Ordnung?"

Kaïa wurde schneller.
„Ja."

Ana musste beinahe joggen, um mit ihr mitzuhalten.
„Kaïa, wenn..."

Noch bevor sie ein weiteres Wort herausbrachte, drückte Kaïa ihr im Laufen den Schlauch in die Hand. „Dieser kleine Exkurs hat uns Zeit gekostet. Bete, dass irgendetwas deinen Nachtfuchs ausbremst."

Ana packte es auf die Liste. Gleich nach: 'Hoffentlich haben deine merkwürdigen Kräfte keinen Langzeiteffekt auf Leute, die versehentlich dein Gesicht gesehen und nichts davon gesagt haben.'

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         Kellen starrte aus dem Fenster, die Krone vergessen auf dem Schoß. Regen fiel gegen die schlierige Fensterscheibe in einem gleichmäßigen, beruhigenden Trommeln, nur wenig lauter als die Brandung darunter. Es hüllte die Stadt unter ihn in Grau.

Die Hauptstadt. Seine Stadt. Er hatte große Pläne für sie. Pläne, für die Händler. Pläne für die Straßen. Pläne für Feste und Feiern, neue Gesetze und strenge Regeln.

Sie hatten ihn nicht einmal aussprechen lassen.

Das Meer auf der anderen Seite des Schlosses war grau wie der Himmel und die Steine der Burg. Grau wie sein Wams und grau wie die Augen seines Bruders. Er hätte zugegeben, dass er ihn vermisste. Dass er so viele Fragen an Adriel hatte, dem die Krone auf seinen Knien vermutlich gepasst hätte. Dass er sich fürchtete.

Aber er spürte die Blicke der Höflinge in seinem Rücken. Sie hatten sich um die knisternde Wärme des Kamins geschart und wisperten in gesenkten Stimmen, die Köpfe dicht zusammengesteckt. Keiner von ihnen würde sich regen, wenn er jetzt das Fenster öffnen und der Schwerkraft ihren Lauf lassen würde. Das Orakel hatte ihn noch nicht als zweiten Caraid benannt. Sie hatten ihn nicht einmal aussprechen lassen.

„Es ist nur eine Frage der Zeit, Liebling." Neben ihm legte seine Mutter den Stickrahmen zur Seite und faltete die Hände in den Schoß. Sie saß in einem großen roten Sessel neben dem Fenstererker, eine Decke über ihre Knie gelegt. Ihre blonden Haare waren mit den Jahren heller geworden und nun in einem langen Zopf gedreht. Sanfte Linien kräuselten sich um ihre grauen Augen. Adriels grauen Augen. Alles, was sein großer Bruder mit ihr gemeinsam hatte.

Hinter ihnen schnaubte jemand über die fürsorgliche Ansprache. Obwohl Kellen schnell den Kopf drehte, konnte er nicht genau bestimmen, wer es gewesen war. Vielleicht der blonde Junge am Tisch mit den Erfrischungen? Er hatte sein Gesicht weggedreht. Oder eines der zwei Mädchen neben dem Blumengesteck, die ihn über gerümpften Nasen musterten? Sie hatten beide genauso große Chancen auf den Thron wie er. Aber hier saß er und sollte regieren.

Kellens Haut kribbelte als er sich wieder seiner Mutter zuwandte, die vollkommen ungestört aus dem Fenster blickte.
„Ich verstehe nur nicht, warum es sich so verdammt viel Zeit damit lässt." Es waren harsche Worte, die er sofort bereute, als er den getroffenen Blick seiner Mutter sah. Hastig sprach er weiter: „Was ist, wenn die Leute recht haben, die sagen, dass der vergessene Caraid noch lebt? Es wäre möglich. Und dann wäre der Thron bereits belegt."

„Das ist bald zwanzig Jahre her", erwiderte sie geduldig und nahm ihren Stickrahmen wieder auf, „Wenn er im Alter deines Großvaters war, wäre er jetzt bald achtzig. Ich denke nicht, dass wir in diesem Leben noch einmal etwas von ihm hören."

Kellen runzelte die Stirn.
„Jemand hat so viel Magie verwendet, dass ein ganzes Land jedes Detail von ihm oder ihr vergessen hat. Den Namen. Das Aussehen. Für mich klingt das, als könne ihn jemand auch unsterblich machen."

Jemand schnaubte hinter ihnen und dieses Mal war sich Kellen sicher, dass es der blonde Junge gewesen war. Obwohl Junge vielleicht der falsche Ausdruck war. Er war mindestens in Adriels Alter, eine silberne Drachenbrosche auf der Brust und ein Schwert an der Hüfte, dass er seinen Muskeln zu Folge nicht nur zur Dekoration trug.

Kellen sah auf sein eigenes Zeremonienschwert herunter. Golden und mit Edelsteinen besetzt. Zu stumpf, um jemanden ernsthaft zu verletzten. Mehr Schmuck als Waffe. Niemand würde ihn damit ernstnehmen. Niemand würde ihn ernstnehmen, wenn das Orakel nicht seinen Namen aussprach.

Die Zunge zwischen den Zähnen eingeklemmt, setzte er die Krone wieder auf und wandte sich an einen ergrauten Mann nahe der Feuerstelle, „Hauptmann, besorgt mir ein Schwert."

Der Mann war in ein Gespräch vertieft gewesen, aus dem er sich nur widerwillig löste. Doch er verbeugte sich knapp und steif, so wie es seine Rüstung zuließ und trat näher an den jungen Regenten heran.
„Darf ich fragen, was an Eurem Schwert nicht stimmt?"

„Vielleicht will er es in einer anderen Farbe, damit es besser zu seinem Wams passt", wisperte eine körperlose Stimme weiter hinten im Raum. Die Gruppe aus Jugendlichen kicherte und Kellens Gesicht brannte.

Er war von der Fensterbank gesprungen, bevor jemand den nächsten Atemzug tun konnte.
„Wer war das?" Seine Stimme klang schrill von dem auflodernden Zorn, der seine Finger zu trotzigen kleinen Fäusten ballte.

Der Hauptmann verzog unbewusst das Gesicht, einen tadelnden Blick in das Kaminzimmer werfend. Es war weniger die Reaktion, die man auf die Beleidigung seines Caraiden zeigte, als die halbgenervte Akzeptanz eines verschütteten Weins.

„Liebling-...", setzte seine Mutter an, eine feingliedrige Hand auf seinem Arm, doch Kellen schüttelte sie ab.

„Halt dich da raus", fauchte er über das schnaubende Lachen des blonden Prinzen am Tisch, „Hauptmann, reicht mir Euer Schwert." Fordernd streckte er die Hand aus, den Blick nun auf den Kameraden seines Bruders gerichtet.

Ein Funken Genugtuung mischte sich unter seine Scham, als er den beunruhigten Ausdruck des Prinzen sah, während der Hauptmann zögerlich sein Schwert zog. Unsicher verlagerte er sein Gewicht von einem Bein auf das andere, seine eigene Waffe unnütz gegen den Usurpator.

„Du solltest lernen, mehr Respekt vor deinem Caraid zu zeigen", erklärte Kellen, als er die Finger um das kühle Metall des Griffes legte. Es war schwerer, als er erwartet hätte und brachte ihn für einen Lidschlag aus dem Gleichgewicht, als der Hauptmann es plötzlich losließ. „Vielleicht muss ich dir erst eine Lektion erteilen."

Der Prinz leckte sich nervös die weingetönten Lippen, einen fragenden Blick zum Hauptmann werfend. Seine Finger schwebten über seinem eigenen Schwertknauf, doch der Hauptmann schüttelte bereits den Kopf. Orakel oder nicht- Kellen war der gekrönte Regent Anderthals und damit unantastbar.

Dieses Wissen sandte ein Kribbeln seine Hände hinunter und in dem tapsigen Versuch einer Parade, brachte er das Schwert unter dem Kinn des Höflings zum Ruhen. Jetzt kicherte keiner mehr.

Kellen lachte ebenfalls nicht.

Doch der Junge hatte genug gesehen.
„Du bist kein Caraid", presste er zwischen den Zähnen hervor, die Verachtung dick und zähflüssig in seinen Worten, „Und dein Bruder weiß das auch."

„Mein Bruder hat mich an seiner Stelle auf den Thron gesetzt!"

Hohles Lachen befreite sich aus dem Mund des Prinzen.
„Und er nimmt dich richtig ernst, wie er offen deine Befehle ignoriert und lieber einem Mädchen durchs Land folgt, anstatt den Weltenwandler zur Strecke zu bringen", der Junge schnaubte, „Du bist ein weiterer Usurpator. Genau wie dein Vater." Es war nur eine kleine Bewegung. Seine Fingerspitze berührte den Griff seines eigenen Schwertes so leicht wie ein Wimpernschlag.

„Nehmt das sofort zurü-...!"

Kellens Leibgarde reagierte sofort. Er hatte neben dem Fenster gestanden, genauso grau wie die Wand. Leicht zu vergessen. Leicht zu übersehen. Die Anwesenden keuchten, als er nach vorne trat und dem Jungen die Kehle aufschnitt, noch bevor dieser einen zweiten Finger an seine Waffe legte.

Kellen wäre fast nach vorne gestolpert, als die Spitze seines eigenen Schwertes plötzlich ins Leere zeigte. Als der Junge zurücktaumelte, rückwärts in die ausweichende Menge.

Mit einem dumpfen Laut fiel sein Körper hinten über auf den ausgebreiteten Teppich. Seine Mutter schoss mit einem hohen Keuchen aus ihrem Sessel hoch und einige Damen rafften ihre Röcke, um zur Hintertür aus dem Zimmer zu eilen.

Kellen starrte den Prinzen an, halb erschrocken, halb taub. Er hätte ihn nicht umgebracht. Es war eine lächerliche, überzogene Handlung. Doch er bereute die Entscheidung nicht, als er die verachtenden Blicke der anderen sah. Sie würden ihn töten, wenn sie könnten.

Sogar sein Bruder ignorierte seine Befehle. Er wollte nicht das Schicksal seines Vaters teilen. Er wollte nicht der Nächste in seiner Familie sein, dessen Mord niemals aufgeklärt wurde und die schwarze Linie seines Stammbaums fortführte.

Er konnte nicht alleine regieren. Er brauchte Adriels Unterstützung. Egal wie.


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"This is about to get a lot more fun." - Michael. Dessen Definition von Spaß vielleicht eine Überarbeitung braucht. 

Wir könnten eine neue Sparte aufmachen. Dinge, die meine Erstklässler heute zu mir gesagt haben. 

"Und warum hast du XY in den Busch geschubst?"
"Das war doch gar keine Absicht!" 
"Wie schubse ich jemanden denn unabsichtlich in den Busch?" 
"Ich wollte ihn ja gar nicht schubsen... ich wollte ihm ins Gesicht schlagen." 

"..." 

"Okay."

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