Kapitel 1

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Die Tür des Cafés öffnete sich und eine brünette Frau Ende 20 trat ein. Ihr Gesicht war durch den grauen Schal, den sie trug, nur schwer zu erkennen. Ihren Kopf schmückte eine ebenfalls graue Mütze, welche sie jedoch sogleich abnahm, da es in dem kleinen Café trotz der kühlen Außentemperaturen sehr warm war. Sie lief in Richtung Tresen. "Morgen, Jo", war alles, was sie von sich gab. "Guten Morgen, Shannon", erwiderte der rundliche Mann, der bereits etwas älter zu sein schien. Auf seinem faltigen Gesicht erschien ein Lächeln. Er freute sich sichtlich, sie zu sehen.

"Jules ist noch nicht da, aber ich habe euren Tisch freigehalten. Ich weiß doch, dass ihr jeden Mittwoch herkommt. Meinen beiden liebsten Stammkundinnen reserviere ich doch gerne den Tisch", plauderte der Mann gut gelaunt und zwinkerte ihr zu. Für Shannon war jedoch nur einer der Punkte, die er eben genannt hatte, wichtig. "Jules ist noch nicht da? Sie war doch noch nie zu spät. Das ist mein Ding, nicht ihr's. Sie ist doch sonst immer mindestens fünfzehn Minuten zu früh da", meinte Shannon und zog ihre Augenbrauen nachdenklich zusammen.

Jo zuckte entschuldigend mit seinen Schultern und erwiderte: "Ich wünschte, ich hätte eine Antwort für dich, aber die habe ich leider nicht." Shannon winkte ab. "Schon gut. Ich warte einfach auf sie. Lange braucht sie bestimmt nicht mehr." Sie ging in die hinterste Ecke des Cafés und setzte sich an ihren Stammtisch, welcher direkt neben dem Fenster stand, so würde sie gleich sehen können, wenn Jules kam.

Sie kramte in ihrer Manteltasche und holte ihr Handy heraus. Ein Blick auf das Display ließ sie es enttäuscht wieder einpacken. Keine Nachricht von Jules. Sie konnte unmöglich vergessen haben, dass sie verabredet waren. Schon seit Jahren trafen sie sich jeden Mittwochmorgen zum Frühstück, in genau diesem Café, an genau diesem Tisch.

Es gab keine Ausnahmen. Naja, doch. Zweimal hatten sie ihr Treffen verschieben müssen. Einmal war Jules krank gewesen und das andere Mal hatte Shannon ihrer Mutter mit ihrer kleinen Bäckerei helfen müssen. Beide Male hatten sie sich jedoch vorher eine Nachricht geschrieben und das Treffen abgesagt. Einfach nicht erschienen, ohne vorher Bescheid zu geben, war keine von ihnen.

Shannon entledigte sich ihres Mantels und ihres Schals und ließ ihren Blick zum Fenster gleiten, aus welchem ihr ihre mandelförmigen braunen Augen entgegenschauten. So langsam machte sie sich Sorgen um ihre beste Freundin. Es passte einfach nicht zu ihr, zu spät zu sein. Irgendetwas musste passiert sein.

Jo schien zu erkennen, dass sie besorgt war. Er kam zu ihr an den Tisch und riss sie aus ihren Gedanken. "Kann ich dir vielleicht schon etwas zu essen oder zu trinken bringen, bis Jules kommt?", bot er an. "Du bist so gut zu mir. Eine heiße Schokolade und ein Croissant wären toll", antwortete Shannon daraufhin.

Für gewöhnlich bestellte sie sich ein Rührei oder Pancakes, weswegen Jo sie überrascht anschaute, doch er sagte nichts, sondern nickte nur und meinte: "Natürlich. Kommt sofort." Heute war ihr einfach nicht nach dem Üblichen, was er akzeptierte und durchaus verstehen konnte. Er kannte die beiden Freundinnen nun schon seit einigen Jahren und wusste, wie nahe sie sich standen.

Jo ging wieder zurück an den Tresen, um ihre Bestellung an die Küche weiterzugeben. Shannon schaute wieder aus dem Fenster. Vor der Eisdiele, die sich direkt gegenüber des Cafés befand, standen viele Menschen in einer Schlange. So früh morgens schon ein Eis? Das war für Shannon undenkbar. Darüber konnte sie nur den Kopf schütteln. Sie wandte ihren Blick wieder von der Eisdiele ab und beobachtete die Leute, die geschäftig mit ihren Einkaufstaschen in den Händen durch die Innenstadt liefen.

Sie fragte sich, wo ihre Freundin Jules steckte und was ihr wohl dazwischen gekommen sein könnte, dass sie einfach nicht zu ihrer allwöchentlichen Verabredung erschienen war. Sie hoffte, dass es ihr gut ging, denn irgendetwas konnte nicht stimmen, da war sie sich sicher, dieser Gedanke beunruhigte sie. Sie wollte nicht gleich vom Schlimmsten ausgehen, doch konnte sie nicht verhindern, dass sie so dachte.

Jo kam wieder zurück an ihren Tisch. Er stellte die Tasse mit der heißen Schokolade und den Teller mit dem Croissant vor ihr ab. "Hier bitte, deine Bestellung", sprach er. Shannon drehte ihren Kopf zu ihm und bedankte sich lächelnd. Sie hatte den älteren Mann wirklich in ihr Herz geschlossen. Seine grauen Augen waren immer so voller Freundlichkeit, wenn er sie ansah. Er war einer der Gründe, warum sie und Jules schon seit Jahren so gerne hierher kamen. Der andere Grund war das leckere Essen.

Der Cafébesitzer schenkte ihr noch ein warmes Lächeln und ging dann wieder nach vorne an den Tresen, wo bereits ein verliebtes Paar, das bezahlen wollte, auf ihn wartete. Der Anblick des Paares machte Shannon neidisch. Sie wäre auch gerne so glücklich wie die Beiden, doch ihre letzte Beziehung hatte alles andere als glücklich geendet. In dieser schweren Zeit war Jules immer für sie dagewesen.

Einen kurzen Moment lang beobachtete Shannon die drei, doch dann widmete sie sich ihrer heißen Schokolade und anschließend ihrem Croissant. Wie erwartet schmeckte beides wieder fantastisch. So hatte ihr Tag immerhin etwas Gutes, denn bisher war er alles andere als gut verlaufen. Zuerst wurde sie von ihrer besten Freundin versetzt und dann konfrontierte sie dieses glückliche Paar auch noch mit ihrem Exfreund.

Shannon hatte Kopfschmerzen. In ihrem Kopf waren so viele Gedanken, die alle wild durcheinanderwirbelten. Sie versuchte, nach einem von ihnen zu greifen, konnte jedoch keinen von ihnen zu fassen bekommen, es waren viel zu viele. Sie versuchte, an etwas Gutes zu denken, doch auch das wollte ihr nicht gelingen. Ihre Gedanken wurden von Angst, Wut und Sorge dominiert.

Die brünette Frau war neidisch, dass sie nicht so ein Kopfmensch wie ihre Freundin Jules war. Jules hatte immer die volle Kontrolle über ihre Gedanken und Emotionen. Bei Shannon war es genau umgekehrt. Ihre Gedanken und Gefühle steurten sie. Sie konnte nichts dagegen tun, so gerne sie das auch würde. Sie hatte Jules schon oft gefragt, wie sie immer so kontrolliert sein konnte, doch hatte sie ihr diese Frage nicht beantworten können.

Shannon aß ihr Croissant auf und schob den bis auf ein paar Krümel leeren Teller von sich. Sie setzte ihre Tasse an ihre Lippen und starrte wieder aus dem Fenster. Viel zu sehen gab es da draußen nicht, doch hatte sie auch nichts Besseres zu tun. Ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet ihr, dass sie schon seit einer halben Stunde hier saß. Etwas könnte sie noch warten, vielleicht tauchte Jules doch noch auf, doch ewig wollte sie hier auch nicht alleine sitzen müssen.

Ihre Gedanken machten oft urplötzliche Gedankensprünge. So war es nicht verwunderlich, dass sie hin und wieder an etwas Seltsames dachte, von dem sie sich fragte, wie sie überhaupt darauf gekommen war. Sie hatte sich mittlerweile fast schon daran gewöhnt, auch wenn sie diese Tatsache nach wie vor störte, doch konnte sie nichts gegen ihre Gedanken tun.

"Was, wenn ich die Einzige bin, die keine Gedanken lesen kann?" Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, als sie hörte, wie Glas zerbrach. Das Fenster, neben dem sie saß, zersprang in tausend Teile. Sie versuchte noch, sich zu ducken, war jedoch nicht schnell genug und spürte, wie die scharfen Kanten der Glasscherben in ihre Haut schnitten.

Vorsichtig richtete sich Shannon wieder auf. Mit einer Hand fasste sie sich an ihre Stirn. Sie spürte, wie Blut an ihren Fingern kleben blieb. Langsam drehte sie sich zu den anderen Leuten im Café um. Sie wollte sichergehen, dass niemand sonst verletzt worden war. Als sie jedoch den Ausdruck in den Augen der Menschen um sie herum sah, lief ihr ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Ihre Augen waren ganz schwarz. Es war unmöglich, ihre Pupillen von ihrer Iris zu unterscheiden.

"Jo?", fragte sie unsicher. Sie wollte wissen, ob der ältere Mann das auch sah oder ihr ihre Augen gerade einen Streich spielten, da es ihr doch ziemlich unwirklich vorkam, von allen hier Anwesenden mit dem selben Blick angeschaut zu werden. "Ja, Shannon?" Als sie die Stimme des Cafébesitzers direkt hinter sich vernahm, zuckte sie zusammen und drehte sich zu ihm um.

"Ist etwas nicht in Ordnung?", fragte er sie. Seine Stimme klang genau so wie immer, doch auch in seinen Augen lag dieser seltsame Blick, was ihn nicht wie den Mann, den sie schon seit Jahren kannte, wirken ließ. Sein sonst so warmes und freundliches Gesicht sah nun kalt und leer aus. Die Augen waren bekanntlich der Schlüssel zur Seele, doch seine waren nun ganz schwarz.

Shannon wich zurück, ohne Jo dabei aus den Augen zu lassen. Sie konnte die Blicke der anderen Leute noch immer auf sich spüren. Sie wusste nicht, was hier gerade vor sich ging, doch es war ihr ganz und gar nicht geheuer. "Wo willst du denn hin?", fragte Jo ohne zu blinzeln. Alamiert stellten sich ihre Nackenhaare auf. Die junge Frau beschleunigte ihre Schritte. Sie musste hier raus.

Kurz vor der Tür stellten sich ihr plötzlich zwei Teenager in den Weg, deren Augen ebenfalls tiefschwarz waren. Shannon wollte wieder zurück, doch dort stand nun nicht mehr nur Jo, sondern auch alle anderen, die im Café gesessen hatten. Sie zählte acht. Sie fluchte innerlich. Gegen elf hatte sie alleine doch überhaupt keine Chance.

"Was soll die Scheiße?", fragte Shannon laut. Langsam wichen ihre Angst und die Unsicherheit der Wut. Das konnte doch alles nur ein schlechter Scherz sein. Sie hatte einen seltsamen Gedanken gehabt und plötzlich wurde sie von allen mit dem selben Ausdruck in den Augen angeschaut? Das glaubte ihr doch kein Mensch. Sie glaubte es ja selbst nicht. Das klang total verrückt.

"Willst du denn nicht auf Jules warten?" Jo's Worte fühlten sich an wie Nadelstiche, die ihr Herz trafen. "Was hast du da gesagt? Was ist mit Jules? Was habt ihr mit ihr gemacht?!", fing Shannon an zu schreien. Wütend ballte sie ihre Hände zu Fäusten. "Wenn ihr ihr irgendetwas getan habt, dann bringe ich euch alle eigenhändig um!"

Shannon erhielt keine Antwort auf ihre Frage, was sie nur noch mehr aufregte. Angespannt beobachtete sie Jo und seine zehn Personen Armee. Keiner von ihnen rührte sich, doch sie war sich nicht sicher, ob das nicht vielleicht nur täuschte und sie gerade ihren nächsten Zug planten. Falls sie wirklich Gedanken lesen konnten, wäre das eine Erklärung dafür, dass keiner von ihnen sprach. Möglicherweise unterhielten sie sich gerade über ihre Gedanken.

"Ach, wisst ihr was? Ich scheiß' auf euch! Ich habe keinen Bock auf diese Psycho-Scheiße!", meinte sie dann. Ohne über die möglichen Konsequenzen nachzudenken, ging Shannon auf die beiden Jugendlichen, die sich vor ihr aufgebaut hatten, zu und schob sie zur Seite. Sie griff nach der Türklinke. Sie rechnete fest damit, dass die Teenager oder auch einer der anderen sie aufhalten würden, doch dem war nicht so.

Shannon stürmte aus dem Café. In Sicherheit war sie jedoch noch nicht. Sie drehte sich um und vergewisserte sich, dass ihr auch ja niemand folgte. Durch die gläserne Eingangstür des Cafés sah sie, wie noch immer alle Blicke auf sie gerichtet waren. Erneut bekam sie eine Gänsehaut. Sie drehte sich schnell wieder um und begann zu rennen.

Sie war nicht alleine auf der Straße. Die Leute um sie herum sahen auf den ersten Blick normal aus, doch sobald sie an ihnen vorbeilief, starrten sie sie mit diesem schwarzen Blick an, mit dem sie auch die Leute aus dem Café angesehen hatten. Shannon schaute noch einmal zurück zum Café. Sie sah, wie sich die gläserne Tür öffnete. Sie wartete nicht ab, wer heraus kam, sondern rannte so schnell sie konnte.

Shannon spürte ihr Herz wie wild in ihrer Brust schlagen. Sie musste nach Hause. Dort wäre sie in Sicherheit. Das hoffte sie zumindest. Sobald sie in ihrer Wohnung angekommen war, würde sie als erstes alle Türen und Fenster verriegeln und dann sofort Jules anrufen. Sie musste wissen, ob es ihr gut ging. Möglicherweise war Jules etwas Ähnliches passiert, was sie nicht hoffte, doch dann wüsste sie wenigstens, dass sie sich das Ganze nicht nur eingebildet hatte. Gerade fiel es ihr nämlich ungemein schwer, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Sie hatte sich noch nie in einer Situation wie dieser befunden.

2016 Wörter

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