Drei nach Leave

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Am nächsten Morgen verschlafen Benji und ich. Früher ist Elsa immer in mein Zimmer gekommen, wenn ich verpennt habe und dann hat sie mich geweckt. Aber Elsa ist nicht mehr da und wir müssen los.

Es bleibt keine Zeit zum Duschen. Auf dem Weg nach unten, putze ich mir noch die Zähne und Benji zieht seine Jacke an.

„Wenn wir durchgängig doppelt so schnell fahren wie erlaubt, schaffen wir es vielleicht noch", überlegt Benji und ich binde mir die Schuhe zu. Als ich gerade meine Zahnbürste im Gästeklo ins Waschbecken werfen will, klopft es an der Tür.

„Mach mal auf", nuschele ich und spucke die Zahnpasta aus. Ich höre, wie Benji jemanden begrüßt und dann haste ich auch in den Flur.

„Hi Will." Oh Shit. Sie steht in ihren riesigen Pulli gehüllt in der Tür, wie ein Schmetterling im Kokon. Sie Kapuze hat sie in die Stirn gezogen, wie am ersten Tag. Die rosa Strähnen fallen heraus und ihre Augen strahlen, obwohl sie im Schatten liegen.

Sie ist so schön, so klar, so echt.

„Ähh", ist alles, was ich hervorbringe und sie zieht die Augenbrauen zusammen. Dann grinst sie und ihre Zähne sind unfassbar.

„Ich wollte euch abholen", überbrückt sie mein Schweigen. Aus den Augenwinkeln sehe ich wie Benji mich anstarrt.

„Bist du mit Auto da?", mischt er sich ein und zieht den Reißverschluss seiner Jacke bis an' s Kinn und die Kapuze wie sie über den Kopf.

„Nein", lacht sie dann plötzlich übertrieben. Benji und ich sehen uns an, weil wir nicht verstehen, was so lustig ist.

„Ich habe keinen Führerschein", erklärt sie dann.

„Jeder in unserem Alter hat einen Führerschein", rutscht Benji das raus, was wir beide denken und ich stoße ihm in die Rippen. Vielleicht haben ihre Eltern ja nicht genügend Geld dafür.

„Ich nicht", zuckt sie mit den Schultern und sieht auf ihr Handgelenk.

„Der Unterricht hat begonnen", stellt sie erstaunt fest und Benji schlägt sich die Hand gegen die Stirn.

„Wir hätten es geschafft, wenn sie nicht gekommen wäre", knurrt er als wir durch den Vorgarten zum Auto laufen.

„Klar, mit 200km/h", versuche ich sie irgendwie zu verteidigen.

„Was kreuzt die auch einfach hier auf?", beschwert er sich weiter, obwohl Leave direkt hinter uns läuft.

„Ist doch nett von ihr", zucke ich mit den Schultern, als wäre das etwas ganz selbstverständliches.

„Ihr wärt doch eh zu spät gekommen", beweist Leave munter lächelnd und kein bisschen beleidigt, dass sie die ganze Zeit mitgehört hat. Benji steigt wortlos ein.

„Ich mag sie nicht", murmelt er.

„Weil sie keinen Führerschein hat?"

„Weil sie Recht hat."

Nach der Schule denke ich erst, dass Leave sicher am Auto wartet, damit wir sie wieder mitnehmen, aber das tut sie nicht. Benji weigert sich, auf sie zu warten.

„Du bist doch nicht ernsthaft sauer auf sie, oder?", frage ich, als wir den Parkplatz verlassen.

„Wegen ihr muss ich schon wieder nachsitzen", beschwert er sich. Ich will sie verteidigen, aber Benji hebt die Hand. „Wir hätten es geschafft", ist er sich sicher und deswegen belasse ich es dabei. Am Ende schmeißt er mich noch aus dem Auto.

Zuhause parkt er in der Garage und geht ohne ein Wort erst in die Küche und geht dann mit nur einer Dose Cola in mein Zimmer. Ich folge ihm. Wenn er gereizt ist, ist er wie ein Mädchen. Oder ein kleines Kind.

„Ich will heute nichts mehr von der Ollen hören", unterstreicht er den Eindruck noch mehr als er sich an meinen Computer setzt und irgendwelche Hausaufgaben macht.

„Vermissen dich deine Eltern nicht langsam mal wieder?", frage ich und er dreht sich nicht mal um.

„Oh bitte, ich könnte denen einfach irgendein anderes Kind mit 'nem IQ von 140 und gelber Haut ins Wohnzimmer setzen und sie würden es nicht mal merken", murmelt er und im Flur klingelt das Telefon.

„Will?", rauscht ihre Stimme am anderen Ende des Telefons. Mein Name ist so kurz und die Verbindung ziemlich schlecht und trotzdem spüre ich schon jetzt, dass irgendwas nicht stimmt.

„Ist was passiert?", frage ich und dann höre ich sie keuchen.

„Ich kriege keine Luft." Und dann ist die Leitung tot.

Verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt.

Ohne Benji Bescheid zu sagen, verlasse ich das Haus in Socken und ohne Jacke. Es nieselt draußen und weil meine einzige Erklärung, wo sie sein könnte, Lill ist, renne ich.

Ich weiß nicht, ob es ein Gefühl ist oder irgendwas anderes, aber ich weiß, dass sie da ist. Ich war noch nie bei ihr Zuhause und sie hat nicht gesagt wo sie ist. Sie wusste, dass ich weiß, wo sie steckt. Oder sie konnte einfach nichts mehr sagen.

Das Wasser läuft mir in die Augen und mir ist eiskalt. Die Lunge brennt und obwohl meine Beine mich am Hügel angekommen kaum noch tragen können, sprinte ich weiter. Als ich oben angelangt bin, sehe ich sie nicht sofort. Sie sitzt nicht wie sonst an den Baum gelehnt da.

„LEAVE!", rufe ich sie bei ihrem Namen, aber ich bekomme keine Antwort. Dann sehe ich sie. Hinter dem Stamm auf dem Wurzeln liegt sie im nassen Gras.

„Leave!", wiederhole ich mich und dann bin ich bei ihr. Sie starrt in den Baumwipfel. Immerhin ist sie bei Bewusstsein. Ihr Atem rasselt, doch als sie mich sieht, lächelt sie.

„Du bist da", verwendet sie all ihre Luft für diesen Satz. Obwohl wir uns noch so fremd sind, fühlt es sich richtig an, sie in meinen Schoß zu ziehen. Ihre Hände zittern.

„Ich hole einen Krankenwagen", sage ich und sie schüttelt den Kopf.

„Wir haben keine Zeit." Stirbt sie jetzt?

Ihre Hand legt sich an meine Wange und dann sagt sie etwas, was ich sehr lange nicht verstehen werde.

„Ich bin nur wegen dir und ihr hier." Bevor ich fragen kann, was sie meint, unterbricht uns jemand.

„Ach du Scheiße." Benji ist da. Er kniet sich zu mir und starrt Leave an. Seine Haare sind tropfnass und er hat die Autoschlüssel noch in der Hand.

„Wir müssen sie ins Krankenhaus bringen", bestärkt Benji meinen Plan, doch Leave schüttelt nur durchgehend den Kopf.

„Es ist noch nicht Zeit", sagt sie und setzt sich vorsichtig auf. Ich stütze ihre Arme.

„Dann bringen wir dich nach Hause", schlage ich einen Kompromiss vor.

„Nein." Benji starrt mich an. Er wartet ab, was ich jetzt tue.

„Wieso nicht?", frage ich und sie muss husten. So lange, bis sie noch blasser als sie ohnehin schon ist, wird.

„Ich habe kein Zuhause", sagt sie dann und in dem Moment, bleibt nur noch eine Möglichkeit.

„Hol das Auto so weit wie möglich an den Fuß vom Hügel", trage ich Benji auf und ich sehe an seinem Blick, dass ihm das nicht gefällt.

„Mach schon!" Er steht wortlos auf und geht. So sehr er auch manchmal ein Idiot ist – im Ernstfall kann ich mich auf ihn verlassen. Immer.

„Was soll das hier?", frage ich sie, als er außer Hörweite ist. Sie lächelt mich an und fröstelt. Ich ziehe meinen nassen Sweater aus, obwohl mir schon so arschkalt ist. Sie protestiert nicht, als ich ihn um ihre Schultern lege.

„Du musst mir vertrauen, okay?", sagt sie und im Moment spricht alles genau dagegen.

„Wieso lässt du dir nicht helfen?", hake ich nach und ihre Lippen werden langsam blau. Weiß der Geier, wie lange sie schon hier ist. Bevor ich weiß, was genau ich da tue, ziehe ich sie in meine Arme.

„Noch nicht. Du bist noch nicht so weit." Sie spricht in Worten, die ich nicht verstehe. Chinesisch wäre einfacher im Moment. Da könnte ich Benji fragen. Ihr Atem ist heiß und weil ich nur noch mein T-Shirt anhabe, haucht sie gegen mein Schlüsselbein.

„Wann bin ich so weit?", spiele ich das Spiel mit, weil ich sie anders nicht erreiche und sehe zu ihr herab. Ihre Haare sind nass und strähnig und trotzdem kann ich mir nichts schöneres vorstellen als sie.

„Wenn du mich liebst."

-

Wir fahren sie zu mir nach Hause. Molly und Mom sind nicht da, aber man kann nie vorsichtig genug sein. Deswegen trage ich sie hoch in mein Zimmer und lege sie in mein Bett.

Sie liegt in meinem Bett. Das ist das erste Mal, dass ein Mädchen in meinem Bett liegt und so habe ich mir das nicht vorgestellt.

„In 'ner halben Stunde verschwinde ich", kündigt sie an, bevor sie einschläft. Benji und ich gehen in die Küche, wo er sich an die Theke lehnt und mich skeptisch mustert. Die Arme hat er vor der Brust verschränkt und die Augenbrauen hochgezogen.

„Wir sollten sie zu einem Arzt bringen. Das ist doch nicht normal." Er hat Recht, aber das, was sie vorhin gesagt hat, macht mich unsicher.

„Die Kleine ist krank."

„Vielleicht hat sie einfach 'ne Grippe oder so", sage ich und glaube meinen eigenen Worten kein Stück.

„Jaaah klar. Wenn ich 'n Kater nach dem KFC-Wochenende habe, ist das wie 'ne Grippe oder so." Er hat so Recht.

„Meinst du, sie wird sterben?" Er zuckt mit den Schultern und dann holt er sein Handy aus der Hosentasche.

„Fragen wir den Notarzt, den ich jetzt rufen werde."

Der Krankenwagen ist innerhalb weniger Minuten da, doch als wir die Sanitäter die Treppe hoch in mein Zimmer führen, ist das Bett leer.


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