Zwei nach Leave

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Als ich Leave am nächsten Tag bei Lill wiedertreffe, sieht sie ziemlich mitgenommen aus. In der Schule habe ich sie nicht gesehen und deswegen bin ich Benji wohl ziemlich auf die Nerven gegangen.

Sie sitzt mit geschlossenen Augen an den Stamm gelehnt da, den Kopf in den Nacken gelehnt und die Hände auf die Knie gelegt.

„Alles in Ordnung?", frage ich und sie tippt neben sich auf den Boden. Ich soll mich setzen.

„Lill ist heute sehr schweigsam", murmelt sie, nachdem wir eine Weile nur nebeneinander gesessen haben. Ihr Knie berührt meinen Oberschenkel.

„Redet sie sonst?", frage ich und muss mir ein Lachen verkneifen. Eigentlich war das ironisch gemeint, aber sie bejaht.

„Nicht wirklich, natürlich", hängt sie dann noch hinten ran, lässt das Kinn auf die Brust fallen und atmet tief durch.

„Also unwirklich?", wiederhole ich das was sie gesagt hat, nur anders formuliert, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll. Jetzt öffnet sie die Augen und sieht mich das erste Mal heute an.

„Vielleicht ist sie krank", sagt sie dann so todernst, dass ich echt darüber nachdenke, ob sie sich ganz böse den Kopf gestoßen hat.

„Ach, es wird ihr schon gut gehen", versuche ich sie zu beruhigen, weil sich Tränen in ihren hellen Augen sammeln. Vielleicht sollte ich sie zu einem Arzt bringen. Wer weiß, vielleicht stimmt irgendwas mit ihrem Gehirn nicht? Bevor ich überhaupt daran denken kann, wie ich sie schnellstmöglichst ins Krankenhaus schaffen kann, fängt sie an zu lachen. Sie lacht so sehr, dass sie sich ins Gras fallen lässt und den Bauch halten muss. Ihre Haare fallen ihr ins Gesicht und zwischen den rosa Locken blitzen ihre Zähne auf. Irgendwann schafft sie es, sich auf den Ellbogen abzustützen und sich die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen. Die Haare umrahmen jetzt wieder ihr herzförmiges Gesicht und mir fallen ihre Grübchen auf.

„Du hast mir das wirklich geglaubt", stellt sie belustigt fest und ich weiß nicht, ob ich sauer sein soll, weil ich mir ernsthaft Sorgen gemacht habe, oder ob ich lachen soll.

„Ich muss jetzt los", sagt sie dann überraschend und steht auf. Die Haare streicht sie sich aus dem Gesicht und dann lächelt sie mich an.

„Soll ich dich nach Hause bringen?", frage ich, weil es mir so gar nicht passt, dass unsere Zeit für heute schon wieder zu Ende ist.

„Nein", lächelt sie milde und ich stehe auf, klopfe mir die Hose ab.

„Wieso nicht?", rutscht es mir raus und sie greift nach meiner Hand. Ihre Aufmerksamkeit richtet sich auf unsere Finger, die sich miteinander verschränken. Eine Weile sagt sie gar nichts, dann sieht sie mir direkt in die Augen.

Einen Moment denke ich, dass ich alles falsch gemacht habe mit der Frage. Dass ich zu aufdringlich war und dass es jetzt vorbei ist mit ihr und Lill und mir. Obwohl es noch nicht mal angefangen hat.

Und dann geht sie ohne ein weiteres Wort.

Als ich Zuhause ankomme, ist das Licht im Flur gelöscht. Mom und Molly sitzen vor dem Fernseher im Wohnzimmer und das sollte ich echt ausnutzen. Ich sage nur kurz „Hallo" und verschwinde dann nach oben. Ich brauche eine heiße Dusche. Die wäscht zwar nicht die Gedanken an Leave aus meinem Kopf aber vielleicht ihren Geruch, den ich immer noch in der Nase habe.

„Wo warst du?", erschreckt eine Stimme mich so dermaßen als ich in mein Zimmer komme, dass ich einen Satz zurück mache und fast über das Geländer falle.

„Ich schwör' s dir, ich bring' dich irgendwann nochmal um", fluche ich, als ich realisiert habe, dass es Benji ist.

„Du hast meine Frage nicht beantwortet", sagt er und ich schließe die Tür hinter mir. Er spielt Fifa und sein Gegner schießt ein Tor.

„FUCK, hör auf dich zu freuen, du Penner! Du hast es nicht verdient, dich zu freuen. Du bist ein Lügner, verdammter Wichser. Hörst du?" Naja, immerhin vergisst er dadurch, dass er mich was gefragt hat.

„Wir waren verabredet, Will. Wegen dir muss ich jetzt gegen diesen Möchtegern-Messi spielen und ich verliere. Also sag mir verdammt nochmal, wo du warst?" Okay, oder auch nicht. Würde ich es nicht besser wissen, würde ich denken, wir wären verheiratet.

„Wir waren verabredet?"

„Wir sind immer verabredet. Gäbe es einen Kodex, würde das da drin stehen. Die Ausnahme wäre, dass einer von uns ein Date hat, das zu achtzigprozentiger Wahrscheinlichkeit auf Sex hinauslaufen würde. Oder, wenn einer von uns tot wäre." Vielleicht sind wir wirklich verheiratet und ich hab das durch den Autounfall einfach vergessen.

„Ich war bei Leave."

„Wer ist Leave?" Ich stöhne genervt auf und ziehe meinen Pulli und das T-Shirt aus. Benji spielt weiter, sieht kurz zu mir und dann wieder auf den Bildschirm.

„Sehe ich da dein erstes Brusthaar? Glückwunsch, Mann. Das sollten wir feiern." Wortlos gehe ich ins Bad und betrachte mich kurz im Spiegel.

Schlecht: Benji hat gelogen, meine Brust ist glatter als ein Babyhintern.

Gut: Immerhin sehen dafür die Haare auf meinem Kopf nicht schlecht aus heute.

Wie ich wohl in Leaves Augen aussehe? Ob sie auf Muskeln steht? Das wäre sehr ungünstig, ich bin der unsportlichste Mensch überhaupt. Benji hat Muskeln, der geht aber auch joggen und macht Kraftsport. Ich kriege schon 'nen halben Herzinfarkt beim Hundertmeterlauf in der Schule. Als Benji und ich noch klein waren, haben ihn unsere Mitschüler immer geärgert, weil er als letzter einen Wachstumsschub hatte. Der kam bei mir ziemlich früh. Nur leider sah ich dadurch aus wie eine Spargelstange und das einzige, was sich seitdem geändert hat, ist die Breite meiner Schultern. Und das nicht weil ich Muskeln bekommen habe, sondern wegen der Gene meines Vaters. Der konnte zwar nichts, aber breite Schultern hatte er. Naja, Ende vom Lied ist, dass Benji ein verdammter Hulk ist und ich Mister Fantastic von Fantastic Four ohne die Superkräfte. Also einfach nur lang.

Vielleicht gut: Leave ist ziemlich kleine – vielleicht reicht es ihr, dass ich groß bin.

Als ich vom Duschen wiederkomme, spielt Benji immer noch Fifa.

„Weil du so lange zum Kacken brauchst, habe ich schon wieder verloren", beschwert er sich und ich muss lachen.

„Asiaten sind einfach nicht für diesen Sport gemacht, sieh' s ein." Er wirft mir den zweiten Controller zu und startet eine neue Runde.

„Also, wer ist jetzt Leave?", fragt er und wackelt mit den Augenbrauen.

„Hat dir jemand ins Gehirn gespuckt? Was meinst du, wer Leave ist?" Die Theorie mit den amerikanischen Bakterien wird immer wahrscheinlicher. Ich sollte das demnächst mal googeln.

„Hab den Namen noch nie gehört." Und der Typ soll hochbegabt sein? Irgendwelche Verbindungen in seinem Kopf scheinen sich getrennt zu haben. Ist doch wohl klar, wer Leave ist.

„Wo wir gerade dabei sind: Wer ist so bescheuert und nennt sein Kind Leave?" Obwohl die Frage irgendwo berechtigt ist, macht sie mich wütend.

„Ist doch völlig egal wie sie heißt, meine Fresse", fahre ich ihn an und ziehe die Augenbrauen zusammen.

„Wowowow, ruhig Tiger. Fast könnte ich in Erwägung ziehen, Angst zu bekommen."

„Du bist der größte Pisser den es gibt, weißt du das?" Er stößt mir seinen Ellbogen in die Seite.

„Ich mach doch nur Spaß. In Wahrheit hatte ich sogar wirklich Angst", meint er dann und ich schieße ein Tor.

„Immerhin spiele ich besser Fifa als du."

„Ohja, darauf stehen die Weiber. Erzähl das doch das nächste Mal den Cheerhäschen am KFC-Wochenende. Oder noch besser, deinem Häschen – wie heißt sie nochmal?"

„Leave, verdammt. Willst du mich verarschen?", brülle ich jetzt fast und bin kurz davor meinen Controller in den Fernseher zu werfen.

„Weiß ich doch, Mann", lacht er.

„Also – wie ist Leave so?", versucht er mich zu beschwichtigen.

„Komisch." Gut, das klingt jetzt negativer als es ist.

„Wie attraktiv", reagiert Benji daraufhin natürlich wie erwartet.

„Ist sie so heiß-irre oder so irre-irre?" Manchmal frage ich mich echt, wieso der Typ mein bester Freund ist.

„Man, keine Ahnung. Ich kenne sie doch noch gar nicht." Benji nickt, als hätte er mich genau verstanden.

„Das legitimiert natürlich absolut, dass du auf sie abfährst." Ich hasse diesen Scheißkerl.

„Ich fahre nicht auf sie ab." Er sieht mich mit schief gelegtem Kopf und hochgezogenen Augenbrauen an. „Ich finde sie...interessant." Er lacht so sehr, dass er nach einer Weile nach Luft schnappen muss und ich stoße ihn von meinem Bett und schieße noch ein Tor.

„Die Namen meiner Cousinen sind auch...interessant", prustet er und ich beende das Spiel. „Oder die Handtasche von Mrs Ericsen." Er kriegt sich nicht mehr ein und ich verdrehe entnervt die Augen. „Oder die Fragestellung der letzten Englischklausur. Die war auch...interessant." Er kugelt sich vor lachen und ich wünsche mir, dass er sich den Kopf an der Bettkante stößt und verreckt.

„Jetzt halt' s Maul. Sie ist wahrscheinlich das schönste, klügste und anziehendste Mädchen, das ich je kennengelernt habe und ich kenne sie noch nicht mal wirklich und wenn alles gut geht, werde ich sie irgendwann heiraten. Also sprich nicht so über meine zukünftige Freundin." Benji hört auf zu lachen und setzt sich auf. Er sieht mich jetzt sehr ernst an.

„Das würde ja bedeuten, dass es keine KFC-Wochenenden mehr geben würde. Ich bin ganz eindeutig dagegen, dass du dich weiter in das Mädel verknallst", sagt er mit so viel Dramatik in der Stimme, dass ich es ihm fast abkaufen würde, wenn ich ihn nicht kennen würde.

„Benji, du gehst mir auf den Sack", stöhne ich und er setzt sich wieder auf' s Bett.

„Du verletzt meine Gefühle", sagt er und greift nach meiner Hand, um sie an seine Brust zu drücken.

„Spürst du mein brechendes Herz?" Ich entziehe ihm meine Hand und wische sie theatralisch an meiner Hose ab.

„Du solltest echt zum Arzt gehen und das da", ich weise auf seinen Kopf „prüfen lassen." Bevor er antworten kann, klopft es an meine Tür. Molly steckt den Kopf rein, nachdem ich „Ja" gerufen habe.

„Will, wir...oh, hi Benji", sagt sie nicht mal wirklich erstaunt. „Wir wollten uns noch was zu Essen bestellen. Möchtet ihr auch was?", fragt sie, als wäre es das normalste der Welt, dass mein bester Freund schon die ganze Zeit hier war. Naja, irgendwie ist es ja auch normal.

„Ich ja, unser junger Freund hier hat den Magen voll mit Schmetterlingen. Der braucht nichts", antwortet Benji bevor ich es tun kann und dafür ramme ich ihm mit aller Kraft die Ellbogen in die Rippen. Er ächzt sogar. Das macht das Ganze allerdings nicht rückgängig. Molly kommt zu uns und strahlt mich an. Das letzte Mal hat sie so geguckt, als Mom ihr von meinem eintretenden Stimmbruch mit dreizehn erzählt hat. Mit genau der selben Begeisterung hält sie auch jetzt meinen Blick fest.

„Du bist verliebt?" Ich weiß nicht, wie ich mich aus der Situation retten soll. Benji ist ein verdammtes Arschloch.

„Ich bin hungrig."

„Wie heißt sie?", löchert sie mich weiter.

„Arrive", zieht Benji mich auf.

„Halt' s Maul, Benji." Molly legt ihre Hand auf meinen Arm und ich betrachte diese Geste. Falls sie jetzt denkt, dass ich mich deswegen öffne, hat sie sich gewaltig geschnitten.

„Wie heißt sie denn nun?", hakt sie nochmal nach und ich schenke meinem besten Freund so einen Mörderblick, dass er die Klappe hält.

„Ich bin nicht verknallt", versuche ich mich irgendwie noch zu retten und stehe auf. Molly macht es mir nach und ich überlege, wo ich hin kann, ohne, dass sie mir folgt.

„Und ich muss jetzt auf' s Klo", stammele ich und dann verschwinde ich ins Bad. Ich höre nur noch wie Benji „Ist er wohl" sagt.


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