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Die ersten Wochen in der Schule überstehe ich mit einer Menge „Will-deine-Schwester-ist-tot-und-ich-muss-mein-Gewissen-beruhigen-obwohl-du-mir-eigentlich-scheiß-egal-bist-und-überhaupt"-Gespräche, aber das ist okay, weil ich bei keinem einzigen wirklich reden muss. Mein Anteil besteht aus „Danke", „Nein, danke", „Ich komme klar" und „Meine Tante ist Psychologin". Der einzige Lehrer, der nichts von Elsa wissen will, ist mein Musiklehrer. Ich bekomme sogar Ärger, weil ich auf den Test nicht vorbereitet bin und meine Entschuldigung, dass ich mehrere Tage im künstlichen Koma lag und eine Beerdigung hinter mir habe, beeindruckt ihn nicht im Geringsten.

„'Will, du weißt, ich hasse alle meine Schüler, also bitte fühl dich jetzt nicht benachteiligt, wenn ich dir keine Sondergenehmigung für den Test geben kann. Die anderen haben auch nicht viel mehr Punkte erreicht als du'", schildere ich Benji seine Worte, der mir das nicht abkauft. Na gut, vielleicht hat er es nicht genau so gesagt, aber gemeint.

„Gott sei Dank habe ich den Scheiß abgewählt", bemerkt Benji aber dennoch. Seine Eltern haben ihn – typisch Asiaten – schon sehr früh dazu gezwungen erst Geige, dann Klavier und dann Saxophon zu lernen. Letzteres spielt er immer noch, obwohl er seit Monaten nicht mehr zum sündhaft teurem Unterricht geht. Er ist irgendwann einfach nicht mehr hingegangen und hat mit seinem Lehrer ausgemacht, dass der die Hälfte der Kohle weiterhin kassieren kann, wenn er seinen Eltern nicht erzählt, dass er nicht mehr dabei ist. Die andere Hälfte bekommt er. Davon gehen wir einmal im Monat zu KFC und danach zu einem Chearleading-Contest oder so. Manchmal auch auf Pole-Dance-Meisterschaften, aber vor den meisten der Weiber dort habe ich echt Schiss. Die haben meistens noch mehr Muskeln und Körperbeherrschung als ihre muskulösen Bodybuilder-Freunde. Deswegen Cheerleader – die Typen aus den Mannschaften dort sind immer entweder schwul oder mit einer von denen verwandt. Meistens schwul. Ist an sich nicht annähernd so teuer wie der Monatsbeitrag in der Musikschule, aber nach diesen Contests versuchen wir immer noch Mädels in kurzen Röckchen und mehr Make-Up als Gesicht abzuschleppen. Auch das ist jetzt nicht besonders preisintentsiv, aber da wir bisher so gut wie nie Erfolg mit diesen Aktionen hatten, sind wir danach immer in den Schnapsladen neben unserem Supermarkt gegangen und haben uns alles gekauft, was wenig Geschmack, aber viel Prozente hatte. Jaaah, das KFC-Wochenende ist das beste Wochenende im Monat.

Benji pennt heute bei uns. Er hat heute Saxophonunterricht. Als wir nach einigen (meiner Mom nach zu vielen) Stunden PS3 in die Küche kommen, um was zu essen, ist Molly, mal wieder, da.

„Mein Lieblingsneffe lässt sich auch mal wieder blicken", begrüßt sie uns beide und hängt dann noch ein „ach und Hallo Will" hinten ran.

Das macht sie dauernd. Sie und Benji haben da irgendwas am Laufen, was manchmal ziemlich unheimlich ist. Und ich meine das jetzt nicht auf die sexuelle Art und Weise. Die beiden genießen es einfach, mich fertig zu machen.

„Hallo Lieblingstantchen", spielt Benji das Spiel mit und obwohl ich sie dafür hasse, macht es mir eins klar – die Normalität kehrt langsam aber sicher zurück und ich weiß nicht, ob ich schreien oder lachen soll, weil Elsa noch immer in meiner Brust hockt.

Ich träume von dem Käfig in meiner Brust und meiner Schwester, die darin ihren Zauberstab schwingt. Sie zwinkert mir zu und Nebel steigt auf, bis er mein Gehirn in Wolken hüllt.

-

Am nächsten Morgen sind wir ziemlich pünktlich in der Schule, weil Benji eine Nachprüfung schreibt und pünktlich sein will. Sein E30 fährt wieder mehr oder weniger normal und wir können in aller Ruhe einen Parkplatz suchen.

Ich wünsche ihm drinnen, dass er verkackt und er mir, dass ich in Mathe ohne ihn verrecke. Leider wird sein Wunsch wohl eher in Erfüllung gehen als meiner. Meine Mathelehrerin ist ganz überrascht, dass ich als zweiter in die Klasse komme.

„Will, dich habe ich ja frühestens in zwanzig Minuten erwartet", scherzt sie und sieht nochmal auf die Uhr, als könnte sie gar nicht glauben, dass in einer viertel Stunde der Unterricht beginnt. Vielleicht sollte ich an meiner Unpünktlichkeit arbeiten. Obwohl, eigentlich müsste Benji daran arbeiten. Aber der hat eine seltsame Prioritätensetzung – solange er keine Prüfung hat, interressiert es ihnen einen Scheiß, ob er zu spät kommt oder nicht. Vielleicht ist das eine Art Rache an seine Eltern – schlechte Noten kann er aus Stolz nicht schreiben, aber immerhin hat er massig Verspätungen auf seinem Zeugnis. Was für ein Draufgänger er doch ist. Der hat echt keinen guten Einfluss auf mich. Denn ich schreibe nicht mal gute Noten.

Ich setze mich an meinen Tisch und erst dann fällt mir auf, dass ich das Mädchen, das noch vor mir da war, nicht kenne. Sie sitzt am Fenster und hat die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Wäre sie nicht so zierlich, könnte sie auch ein Typ sein. Der Pulli, den sie trägt ist vom vielen Waschen ausgebleicht und die dunklen Jeans und die Chucks sind unscheinbar. Könnte eventuell zur Emo-Fraktion gehören, bin mir da aber noch nicht so sicher. Dafür ist der Pulli zu hell. Übrigens ist das nicht so ein „Ich-habe-zu-wenig-Taschengeld-und-keinen-Job-für-einen-neuen"-Pulli, sondern eher so ein „Ich-steh-einfach-drauf-und-trag-das-Ding-täglich"-Pulli. Die Arme hat sie verschränkt und die Beine überschlagen. Sie starrt einfach aus dem Fenster und nimmt auch keine Notiz von den anderen, die nach und nach in den Raum kommen und ihren Kopf auf die Taschplatte legen. Normalerweise gehöre ich zu ihnen, aber das Mädchen interessiert mich. Sie regt sich erst, als es klingelt und zieht die Kapuze runter. Okay, definitiv kein Emo. Ihre Haare sind hellrosa und sehen genauso verwaschen aus wie der Pulli. Obwohl, was weiß ich schon von Emos? Vielleicht tragen die das ja mittlerweile so?

Weil sie so weit vorne und ich relativ weit hinten sitze, kann ich ihr Gesicht nicht sehen und deswegen hoffe ich, dass sie dazu aufgefordert wird, sich vorzustellen. Doch das passiert nicht, sie wird in Ruhe gelassen. Ich weiß nicht mal, wie sie heißt, als die Stunde vorbei ist.

Benji wartet draußen auf mich, als ich fertig bin und ich will ihm das Mädchen zeigen, aber sie ist noch vor allen anderen draußen.

„Ist sie dir nicht aufgefallen? Die Haare waren rosa Mann! Seid ihr Asiaten jetzt auch noch farbenblind?" Er rechtfertigt sich damit, dass sie bestimmt eine Mütze oder so aufhatte.

„Würde ich zumindest so machen, wenn meine Haare rosa wären."

„Alter, du brauchst keine rosa Haare, um scheiße auszusehen", brumme ich und wir gehen zur nächsten Stunde.


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