5. Kapitel

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Die Nachricht, dass die berüchtigte Rebellengruppe, welche der Elyktra bereits ein paar Mal das Leben schwer gemacht hatte, in der Nähe der vorgesehen Strecke der Forschungsgruppe gesichtet wurde, hatte sich schnell in der Elyktra rumgesprochen.
Egal, ob auf den Feldern, in den Militärhallen, den Laboren oder sonst wo, man machte sich Gedanken darüber, ob sie auch wirklich eine potenzielle Gefahr darstellten.

Auch Anatol Lowlaze hatte von den Gerüchten gehört, dass die Gruppe es nun auf die Forschungsmission abgesehen hatte.
Er war sich nicht ganz sicher, ob dies stimmte oder einfach reiner Zufall war.
Um ehrlich zu sein, hatte er gar nicht genug Zeit, um sich zu viel den Kopf darüber zu zerbrechen.
Denn Anatol steckte mit beiden Beinen tief in Arbeit fest.

Zum einen waren da seine üblichen Pflichten als Lehrer für Überleben, dann musste er sich aber zusätzlich noch stellvertretend um den Unterricht von Nicolas Wesley und Colin West kümmern.
Daran war seine Kollegin Aurelija Koskow und der Teilzeitlehrer Iskandar Rachid zwar auch beteiligt, doch Iskandar Rachid war eben nur Teilzeitlehrer und Aurelija durfte aus irgendeinem Grund, der Anatol nicht bekannt war, nicht die volle Anzahl an Stunden übernehmen, die sie als Lehrkraft übernehmen konnten.

Anatol liebte seinen Beruf und würde nie auch nur darüber nachdenken, ihn aufzugeben, aber über ein klein wenig Freizeit würde er sich nicht unbedingt beschweren.
Schließlich wollte er auch Zeit mit seiner Familie verbringen, welche er schon zum zweiten Mal in der Woche wegen Überstunden hatte sitzen lassen.
Und dann war da auch noch sein Falke Eldalón, um den er sich kümmern musste.
Er gab es nicht zu, aber er musste zu viel arbeiten.

Es war bereits dunkel draußen und Anatol saß noch immer an seinem Schreibtisch, versunken in Schülerarbeiten, Unterrichtsplanung und Anweisungen zu seinen Vertretungsstunden, die er von Nicolas Wesley noch am gleichen Tag vor seiner Abreise erhalten hatte.
Sie waren zwei Blätter lang, doppelseitig.

Er war gerade dabei, sich die letzte Seite davon durchzulesen.
Danach, so hatte er es sich vorgenommen, würde er sich endlich in sein Bett verkriechen.

In seiner Wohnung war es merkwürdig still.
Neben dem Geräusch seines Stiftes auf dem Papier vor sich, hörte man nur das leichte Flattern von Eldalóns Flügeln.
Der Falke hatte anfangs noch versucht, Anatol von seiner Arbeit wegzulocken, damit dieser mit ihm spielen würde, hatte es nun aber anscheinend aufgegeben und es sich auf einem Schrank gemütlich gemacht.

Draußen herrschte kein Wind und regnen tat es auch nicht.
Selbst in der Elyktra schien die Stille ausgebrochen zu sein.
Als ob mit dem Aufbruch der Forschungsgruppe, es sich niemand erlaubte, zu sehr auf eine erfolgreiche Rückkehr zu hoffen.

Anatol las die letzten Sätze seines Kollegen, ignorierte seine passiv-aggressive Verabschiedung sowie die nicht unbedingt liebenswerte Bemerkung zu seiner "zahmen Federratte" und ließ seinen Schreibtisch samt Arbeit zurück.
Für heute hatte er genug getan.

Am liebsten hätte er noch eine heiße Dusche genommen oder noch ein wenig gelesen, aber seine Beine trugen ihn nur noch durch die Küche, den Flur entlang, Richtung Schlafzimmer.
Er war so müde, beinahe hätte er die schnellen Schritte überhört, die von der anderen Seite seiner Haustür kamen.
Und fast hätte er somit verpasst, wie ein weißer Briefumschlag unter ihr hindurch in seine Wohnung geschoben wurde.

Reglos blieb er im Türrahmen stehen und starrte den eben aufgetauchten Brief für ein paar Sekunden an, bis er ihn schließlich vom Boden aufgehoben hatte und ihn skeptisch beäugte.
Ihm war bewusst, dass er die Tür hätte öffnen können, um nach der Person zu schauen, die den Brief soeben zu ihm gebracht hatte.
Aber es waren keine Schritte mehr im Flur zu hören, also versuchte er es gar nicht erst.
Außerdem hatte er ganz und gar keine Lust auf ein weiteres Gespräch bei einer solchen Uhrzeit.

Der Brief war sehr dünn und leicht.
Viel konnte sich darin nicht befinden.
Vielleicht waren es ja weitere Anweisungen Nicolas', welcher er nur vergessen hatte, Anatol zu geben.
Innerlich machte er sich schon bereit, ihn einfach in den Mülleimer zu werfen, doch er schien nicht von dem Techniklehrer sondern von einer gewissen Doktor Ane Salmela zu kommen, einer Wissenschaftlerin, wenn er sich nicht ganz täuschte.
Er war nicht adressiert an Anatols Namen oder seine Adresse.
Also war sie es wahrscheinlich selbst gewesen, die den Brief bei ihm vorbeigebracht hatte.

In dem Umschlag befand sich wie erwartet nur ein einziges Blatt Papier.
Die Schrift sah so aus, als ob sich jemand sehr viel Mühe gegeben hätte, ordentlich und fehlerlos zu schreiben, aber hin und wieder war die Tinte verschmiert oder ein Wort war offensichtlich neu geschrieben worden.
Doch Anatol war schließlich Lehrer, Handschriften würde er erkennen können.
Zumal es in diesem Brief nicht sonderlich viel zu lesen gab.

Sehr geehrter Anatol Lowlaze.
Mein Name ist Ane Salmela und ich bin Wissenschaftlerin im Labor der ersten Kuppel der Elyktra.
Meine Kollegen und Kolleginnen und ich sind verantwortlich für die Forschung und Weiterentwicklung unserer geschätzten Einrichtung.
Die Leiterin wies uns ungefähr zur Zeit der Verkündigung des Forschungsprojektes an, uns einer neuen Forschung zu widmen.
Unsere Aufgabe besteht darin, an einem bereits bestehenden Entwurf weiterzuarbeiten, der von Nicolas Wesley begonnen wurde.
Da Mr. Wesley aufgrund der Forchungsmission auf bestimmte Zeit nicht seinen Erfindungen nachgehen kann, hat man uns also damit beauftragt.
Nun schreibe ich Ihnen aus dem Grund, dass man mir mitteilte, dass Sie in dem Besitz sämtlicher Aufzeichnungen Nicolas Wesleys seid.
Diese Aufzeichnungen und Pläne benötigen wir für unsere Forschung.
Am besten kontaktieren Sie mich schon morgen, damit wir gemeinsam alles durchgehen können, solange es Ihnen nichts ausmacht.
Sie finden mich den ganzen Tag über im Labor 008.
Ich bedanke mich im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen, Ane Salmela.

Etwas an dieser Sache war merkwürdig.
Der Nicolas, den Anatol kannte, würde seine Erfindungen, seien es nur Entwürfe, nie an eine fremde Person weitergeben, zumindest nicht freiwillig.
Seine Technik war für den Lehrer von größerer Bedeutung als Luft zum Atmen.
Vermutlich war sie sogar eine Art Lebenselixier für den Mann.
Anatol konnte sich gar nicht vorstellen, was er die ganze Reise fern von der Elyktra und seinen Geräten überleben sollte.
Und schon gar nicht in dem Wissen, dass jemand anderes nun in dem Besitz dieser Geräte war.
Nein, etwas konnte hier nicht stimmen.

Anatol wusste nicht einmal dass er im Besitz dieser besagten Pläne war.
Hatte er sie nur zwischen den Massen an Anweisungen übersehen, oder gab es da ein Missverständnis?
Seufzend schlurfte der Mann zurück in die Küche, wo seine Arbeiten noch immer auf dem Tisch ausgebreitet waren.
Er nahm sich die Blätter Nicolas' zur Hand und suchte nach irgendwelchen Entwürfen oder etwas, was dem nahe kam.
Aber Anatol fand nirgends auch nur etwas in der Art.
Morgen würde er wohl mit der Wissenschaftlerin reden müssen und das Missverständnis klären.
Aber jetzt würde Anatol keiner Ablenkung mehr nachgehen, nur noch sein Bett wartete auf ihn.

Es war Freitag.
Und glücklicherweise begann der Unterricht für Anatol am Freitag erst um 10:35 Uhr, was ihm genug Zeit gab, um Ane Salmela wegen des Briefes und der nicht vorhandenen Aufzeichnungen aufzusuchen.
Nach einem frischen Kaffee und einem lapprigen Stück Toast, das wahrscheinlich schon viel zu lange bei Anatol rumgelegen hatte, hatte sich der junge Mann früh am Morgen auf dem Weg zu den Laboren gemacht.

Normalerweise herrschte in deren Nähe immer viel Wusel und Chaos.
Wenn man nicht aufpasste, konnte man schnell von Wissenschaftlern, die nur in ihrer eigenen Welt lebten, überrannt werden.
Das war Anatol als kleiner Junge bereits ein paar Mal passiert.
Damals war er zu neugierig gewesen, was für Gemische oder Forschungen sich wohl hinter den Türen der Laborräume verbargen.
Er war lange nicht mehr hier gewesen, wie ihm auffiel.
Und trotzdem würde nur jemandem, der noch nie die Elyktra betreten hatte, nicht auffallen, wie ruhig und still die Etage auf einmal war.
Es war fast beängstigend.

Zögerllich hatte Anatol an der Tür des Labors 008 geklopft und wartete nun darauf, dass sich jemand ihm zeigte.
Kaum zwei Sekunden waren vergangen und schon hatte sich die Tür geöffnet.
Zum Vorschein kam eine kleine, etwas rundliche Frau mit kurzen, dunkelbraunen Haaren, die in alle Richtungen abstanden.
Ihr Mund war zu einem nervösen Lächeln verzogen und die Hand am Türrahmen tippte energisch gegen das Metall.

"Ah, Sie sind bestimmt Mr. Lowlaze, hab ich Recht?", fagte ihn die Frau mit einem vorsichtigen Lächeln.
Anatol nickte langsam, in der Hoffnung, dass sie das als Zeichen empfinden würde, dass es keinen Grund zur Unruhe gab.
"Ja, das bin ich. Sie sind dann Doktor Ane Salmela?"
Anatol erwiderte Anes Lächeln, nur etwas entspannter.

"Ich habe Ihren Brief erhalten und glaube, es gab ein Missverständnis."
Anes Augen weiteten sich, die Verwirrung war ihr förmlich auf das Gesicht geschrieben.
"Es tut mir leid, aber ich habe leider nie die Pläne von Nicolas Wesley erhalten, von denen in Ihrem Brief die Rede war."
"Verdammt, das tut mir leid", begann die kleine Frau und schlug sich mit dem Handballen gegen die eigene Stirn.
"Das habe ich komplett vergessen, zu erwähnen."
Nun war es Anatol, der verwirrt dreinblickte.
"Und wie unhöflich von mir", redete Ane weiter und trat aus der Tür heraus, um Platz für Anatol zu machen.
"Kommen Sie herein, kommen Sie herein!"

Anatol folgte der Wissenschaftlerin in den Raum hinein.
Genau so wie außerhalb der Labore herrschte auch innen eine unbekannte Ruhe.
Bis auf einen anderen Wissenschaftler, der aber gerade dabei war, zu gehen, war Ane die einzige in dem Laborraum gewesen.
Was war denn hier passiert?

"Ich hätte Ihnen schon viel früher Bescheid geben sollten."
Ane murmelte noch etwas undeutliches vor ihr hin und war dann auch schon zwischen den Schranktüren eines Regals verschwunden, wo sie nach etwas zu suchen schien.
Obwohl Anatol nun einfach wissen wollte, was Ane ihm so dringend hätte mitteilen müssen, zwang er sich zur Geduld.
Die Frau wirkte ohnehin schon verwirrt genug, wenn nicht auch ein klein wenig verängstigt.

"Wollen Sie etwas trinken? Ich habe es gleich gefunden, keine Sorge", ertönte ihre Stimme aus dem wohl einzigen momentanen Chaos' in der Laboretage, das sich nur in den Schränken befand.
"Wie bitte?"
Anes Kopf war plötzlich hinter einer der Schranktüren aufgetaucht und blickte Anatol fragend an.
Dieser schüttelte nur lächelnd den Kopf.
"Ich habe nichts gesagt und nein, danke. Ich habe keinen großen Durst."
"Oh."
Mehr sagte sie dazu nicht.

Nachdem Anatol Ane noch ein bisschen dabei zugesehen hatte, wie diese in dem Labor umhergeirrt und sämtliche Schubfächer und Schränke umgeräumt hatte, bis sie letztendlich doch bei ihm ankam, ein paar Blätter und ein Schlüsselbund in der Hand.
Sie platzierte alles vor Anatol auf dem Tisch, an dem er saß.

"Das haben wir heute morgen hier unterzeichnet von der Leiterin und ihrer Stellvertreterin aufgefunden."
Sie breitete die verschiedenen Blätter auf der Oberfläche aus.
Es waren deutlich jegliche Skizzen und Berechnungen zu erkennen, in Nicolas' Handschrift.

"Sind das-?"
"Die Pläne? Ja, das sind sie", fiel Ane ihm ins Wort und fuhr sofort weiter fort.
"Es musste wohl wirklich ein Missverständnis gegeben haben, weswegen man sie uns doch sofort hat zukommen lassen. Das tut mir aufrichtig leid. Aber wenn Sie schon einmal hier sind, wollte ich Ihnen zumindest den hier mitgeben."
Sie hatte auf den Schlüsselbund gedeutet und einen Schlüssel davon Anatol in die Hand gedrückt.
"Das ist der Schlüssel zu Nicolas' Wohnung. Der lag dabei, falls wir noch mehr Entwürfe oder Geräte benötigen sollten, aber ich habe ein schlechtes Gefühl dabei, den Schlüssel von jemandes Wohnung zu besitzen, den ich nicht einmal richtig kenne, geschweige denn der mich kennt", gab sie offen zu.
"Also dachte ich, da Sie ja der Kollege von Mr. Wesley sind, könnten Sie ihn aufbewahren oder eventuell zurückgeben? Würden Sie mir diesen Gefallen tun?"
Sie starrte ihn mit abwartend mit ihren hellbraunen Augen an.

Das machte die Angelegenheit ja noch merkwürdiger.
Warum wurde der Schlüssel eines Elyktrabwohners einfach an die Wissenschaftler gegeben, damit diese freien Zugang zu seinem Zuhause haben konnten?
Damit konnte Nicolas einfach nicht einverstanden sein.
Alles, was ihn als Individuum ausmachte, sprach dagegen.
Anatol fand zwar, dass Ane definitiv die richtige Entscheidung diesbezüglich getroffen hatte, aber er wollte nicht derjenige sein, der sich nun um den Schlüssel kümmern musste.
Er hatte schon genug zu tun.

Anatol nickte schließlich widerstrebend.
"Ja, das dürfte kein Problem sein. Auch wenn es ja nicht unbedingt so ist, dass jemand freiwillig dieses Labyrinth an Erfindungen und Technikkram betreten würde. Aber ich werde dafür sorgen, dass er zurückgegeben wird."
Ane lächelte ihn schräg an.
"Für mich klingt dieses Labyrinth nur zu verlockend. Aber ich danke Ihnen."

Gerade wollte sie sich schon wieder abwenden und die eben herausgeholten Pläne wieder dorthin zurück packen, wo sie sie hergeholt hatte, doch Anatol beschloss, die Gelegenheit zu nutzen und bei der ganzen Geschichte ein wenig nachzuhaken.

"Warum sind die Laborräume eigentlich auf einmal so trostlos?", fragte er die Frau.
"Es ist kaum eine Menschenseele hier oben zu finden. Das ist doch nicht üblich, oder?"
Bei seiner Frage drehte sich Ane wieder zu ihm um, ein seltsamer Ausdruck war in ihr Gesicht getreten.
Sie wirkte beinahe, als hätte Anatol sie bei irgendetwas ertappt.

"Mit dem Befehl der Leiterin, Mr. Wesleys Entwurf auszuarbeiten, wurden, bis auf ein paar Ausnahmen, alle weiteren Forschungen aufs Eis gelegt", begann sie stockend.
"Nur wenige dürfen an ihren oder anderen Projekten weiterarbeiten und bis dahin werden alle jene, die momentan von nicht zu großer Bedeutung sind, aus den Laborräumen entnommen. Warum, weiß keiner genau."
Ane wollte erneut zum Reden ansetzen, aber dann verzog sie auf einmal ihr Gesicht, als hätte sie etwas zu saures gegessen und der Satz blieb ihr im Halse stecken.
"Eigentlich darf ich Ihnen das gar nicht sagen", teilte sie Anatol mit leicht zittriger Stimme mit.
Er schob die ihm eben anvertraute Information für den Moment beiseite und tat so, als ob sie keineswegs merkwürdig und verschwörerisch herüberkamen.
Um Ane zu besänftigen, winkte er stattdessen schulterzuckend ab und erhob sich aus seinem Stuhl.
"Meine Lippen sind geschlossen. Keine Sorge", versicherte er ihr.
Die Braunhaarige blickte ihn dankbar an und seufzte erleichtert.
"Ich danke Ihnen, auch für den kurzfristigen Besuch. Ach, und vergessen Sie Mr. Wesleys Wohnungsschlüssel nicht."

Nicht nur auf dem Weg zum Unterricht, sondern auch im Unterricht selbst, schwirrte jeder Gedanke Anatols ausschließlich um Nicolas' übernommene Forschung, sowie um die sonstlichen eigenartigen Vorgängen, die derzeit im Labor geschahen.
Als ob die seltsamen Entscheidungen, die die weiteren Forschungen betrafen, nicht schon fragwürdig genug waren, wurde alles nur noch kurioser, wenn man den Fakt betrachtete, dass von den Wissenschaftlern Geheimhaltung gefordert wurde.

Warum in aller Welt hatte sich die Leiterin auf einmal dazu entschieden, den Fokus auf nur ein Projekt zu legen, ohne allen anderen auch nur ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken?
Wozu bedaß man ein Labor voll mit Wissenschaftlern, wenn sich dort nur ein paar aufhielten, um einem Bauplan zu folgen, dessen Erfinder nicht einmal in der Nähe war, um Umstimmigkeiten oder Fragen aufklären zu können?

Und dann war da noch die Sache mit Nicolas' Wohnungsschlüssel.
Warum zur Hölle, hatte man ihn offen herausgegeben, und das vermutlich auch noch ohne seine Zustimmung?
Erneut schlich sich das Bedenken bei ihm ein, dass eventuell noch mehr dahinter stecken musste.
Was beunruhigend war, denn die Elyktra hatte zwar Geheimnisse, aber keine dieser Art.

Nachdem seine letzte Unterrichtsstunde zu Ende war, stand er nicht einmal auf, um seine Sachen zu packen und den Klassenraum zu verlassen.
Er blieb einfach auf dem Lehrerpult sitzen, wo er immer während des Unterrichts saß und starrte ins Nichts, Nicolas' Schlüssel in seinen Händen.
Als würde er dort die Erklärung für die Dinge finden, die ihn nicht in Ruhe ließen.
Seine Gedanken drehten Kreise, rannten Runden, ja sie liefen einen ganzen Marathon und Anatol fand einfach keinen Weg, um aus der Kurve zu entkommen.
Eine Hand auf seiner Schulter, er blieb in der Bahn stehen.

"Anatol?"
Er hatte gar nicht bemerkt, dass jemand den Raum betreten, geschweige denn seinen Namen gerufen hatte.
Aufzuckend drehte er sich zu der Person hinter ihm um und erblickte das Gesicht seiner Kollegin Aurelija Koskow.

"Ist das dein Schlüssel?"
Erst jetzt registrierte er, dass sie ihm Nicolas' Schlüssel vor die Nase hielt und darauf wartete, dass er ihn ihr abnehmen würde.
Er wusste gar nicht, dass er ihn in Gedanken fallen gelassen hatte.

"Oh, nein. Aber danke dir", sagte er und betrachtete den Schlüssel nun in seinen Händen.
Aurelija beobachtete ihn immer noch.
"Ist- Ist alles in Ordnung bei dir? Du wirkst so-"
"Alles bestens", log er.
Er war sich nicht ganz sicher, ob er Aurelija von der Sache mit dem Labor erzählen wollte, beziehungsweise konnte.
Irgendjemandem musste er es sagen, aber doch nicht der ersten Person, der er begegnete.
Aurelija hatte wohl bemerkt, dass Anatol ihr keine weitere Antwort geben würde und hatte sich von ihm abgewandt.
"Ok, na dann bis Montag."
Er blickte ihr hinterher.

"Glaubst du manchmal, die Elyktra verheimlicht Dinge vor uns?"
Bei seinen Worten blieb sie in der Tür stehen.
Sie drehte sich wieder zu ihm herum, den Kopf schief gelegt.
"Wie bitte?"
"Glaubst du, die Elyktra verheimlicht uns etwas?"
Es sah so aus, als ob ihr die Frage unangenehm war, aber sie antwortete zu seiner Überraschung trotzdem.
"Nun ja, alles wird sie uns bestimmt nicht mitteilen, aber was meinst du damit?"

Warum hatte er sie noch gleich gefragt?
Anatol hatte eigentlich gar nicht vorgehabt, das zu tun.
Viel mehr ging die Frage an sich selbst und eigentlich kannte er die Antwort bereits.
Vielleicht wollte er einfach nicht alleine mit dieser sein.

"Ich glaube, etwas geht im Labor vor sich", setzte er an.
Aurelija wirkte verwirrt.
Er glitt von dem Lehrerpult und lehnte sich stattdessen mit dem Rücken dagegen.
"Heute wollte eine Ane Salmela mit mir reden."
"Die Wissenschaftlerin?"
Er nickte.
"Sie wollte irgendwelche Pläne von Nicolas haben, die sie übernehmen sollte."
"Nicolas übergibt freiwillig seine Entwürfe an dich?"
"Nein, nicht einmal an mich, sondern an das Labor selbst. Ich habe keine Entwürfe von ihm bekommen, nur Anweisungen zu den Vertretungsstunden. Also bin ich zum Labor, um das mit Doktor Salmela zu klären. Wie es aussieht, hat man ihr die Pläne sofort zukommen lassen, zusammen mit seinem Wohnungsschlüssel."
Er hob Nicolas' Schlüssel hoch und sah zu, wie sich Aurelijas Augen weiteten.
"Das ist Nicolas' Wohnungsschlüssel?", fragte sie ungläubig.
"Und das Labor besitzt die Entwürfe zu seinen Erfindungen?"
"Genau das habe ich mich auch gefragt."

Am liebsten hätte er wissen wollen, was gerade durch Aurelijas Kopf ging, aber sie sah nur schweigend den Schlüssel in Anatols Händen an.
"Und das ist noch nicht mal alles. Sie wollen fast alle anderen aktuellen Forschungen pausieren. Du glaubst gar nicht, wie es da oben aussieht.
Es waren vielleicht drei Leute am arbeiten."
Aurelija schüttelte langsam den Kopf.
"Warum würden sie so etwas tun?"
Er zuckte mit den Schultern.
"Das ergibt doch keinen Sinn."
Da stimmte er ihr gedanklich zu.
"Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Wir können das doch nicht einfach ignorieren, oder?"

Aurelijas Blick wanderte schnell von dem Schlüssel zu Anatols Gesicht.
"Also ich werde mich da nicht einmischen", sagte sie.
Empörung schwang in ihrer Stimme mit.
"Die Elyktra mag Geheimnisse haben, aber ich denke, dass alles, was sie tut, aus einem Grund geschieht. Du magst deine Bedenken haben, aber was sollen wir da schon tun?"
Bevor Anatol etwas sagen konnte, hatte sie sich schon wieder umgedreht und ließ ihn perplex am Lehrerpult stehen.

Es musste bereits früh am Morgen sein, als Anatol aus seinem Tiefschlaf durch aggressives Klingeln und Klopfen an seiner Haustür geholt wurde.
Die ersten paar Male Klingeln, hatte Anatol das Geräusch noch in seinen Traum mit einbezogen, der von seinem alten Spanischlehrer gehandelt hatte, wie er ihm Trompete spielend die Formen irgendwelcher Verben an die Tafel geschrieben hatte.
Traumdeutung hatte er schon längst aufgegeben.

Nach ungefähr einer Minuter war er dann doch aufgewacht und hatte nach einer weiteren auch begriffen, dass er nicht mehr am Schlafen war.
Halb wach, noch halb schlafend schlug er seine Bettdecke zur Seite und stämmte sich aus dem warmen, gemütlichen Bett.
Auf dem Weg zur Haustür gab er noch ein oder zwei müde Flüche von sich und machte sich bereit, demjenigen, der seine kostbare Ruhe störte, entgegen zu treten.

"Guten Morgen, Anatol."
Aurelija Koskow blickte mit ihren dunklen blauen Augen zu dem im Pyjama vor ihr stehenden Mann auf.
Aber im Moment machte das Anatol sein Aussehen eher wenig aus.
Viel mehr wollte er wissen, was der Grund für Aurelijas Besuch war.
Hatte sie doch über seine Worte nachgedacht und war nun bereit, sich seinem Vorhaben anzuschließen?
Sie wirkte entschlossen.
Müde und ein wenig besorgt, aber entschlossen.
Ihm fiel auf, dass sie noch immer die gleichen Sachen wie am davorigen Tag anhatte, ihre Haare waren leicht zerzaust und sie kam Anatol generell etwas erschöpft vor.
Er hatte nicht einmal eine passende Bemerkung zu ihrem Aufzug.

Anatol bemerkte, dass er Aurelija eine ganze Weile nur angestarrt hatte und rieb sich kraftlos beide Augen.
Aurelija sah ihm dabei abwartend zu.
"Du hattest Recht", verkündete sie.
Verwundert lehnte sich Anatol an den Türrahmen, in dem er stand.
"Ich hatte was?"
"Recht hattest du."
"Kannst du das nochmal wiederholen?", fragte er grinsend.
So langsam kam sein Körper zu Sinnen.

"Ich habe die ganze Nacht in der Bibliothek verbracht und bin alle abgebrochenen Forschungen durchgegangen", meinte die Schwarzhaarige.
Sie hatte einen Berg an Akten vor ihrer Brust umklammert, die alle drohten, zu Boden zu stürzen.
Es war eine Leistung Aurelijas, alle gleichzeitig balancieren zu können.
Und das auch noch mit Schlafentzug.

"Hast du wirklich die ganze Nacht da unten verbracht?"
Die Lehrerin nickte unbekümmert, ihre Konzentration lag nur auf dem Aktenstapel vor sich.
"Und? Hast du etwas herausgefunden?"
Wieder nickte sie und richtete den Blick wieder auf Anatol.
Verstohlen blickte sie sich nach allen Seiten im Flur um, als ob sie Angst hätte, jemand könnte ihre Unterhaltung mitbekommen.
"Kann ich hereinkommen?"
Anatol trat beiseite, breitete seine Arme als wilkommende Geste aus und schloss die Tür hinter Aurelija.

"Tut mir leid wegen der Unordnung", murmelte er und folgte der ihn ignorierenden Frau in seine Küche, wo sie sich an dem vollgekramten Holztisch niederließ.
"Möchtest du einen Kaffee? Oder Tee?"
"Hast du Schwarzen Tee?"
"Wer trinkt denn Schwarzen Tee?"
Aurelija sah ihn verständnislos an.
"Ich bin ehrlich gesagt nicht davon ausgegangen, dass du jetzt überhaupt einen Tee Kaffee vorziehen würdest. Ich habe eigentlich gar keinen Tee Zuhause", gab er nach einer unangenehmen Pause zu.
"Dann eben Kaffee."

"Also dann, schieß los. Was ist deine geheimnisvolle Entdeckung?", wollte Anatol nun endlich wissen, als er sich mit zwei Tassen heißen Kaffee zu Aurelija an den Küchentisch gesetzt hatte.
Die Frau griff gierig nach dem Getränk und nahm einen großen Schluck, bevor sie begann, zu erzählen.

"Zuerst habe ich dir ja nicht glauben wollen. Ich habe gedacht, du wärst verrückt geworden oder versuchst, ein paar Verschwörungstheorien aus Langeweile oder so zu verbreiten", begann sie und schlug ein paar der Akten vor ihr und Anatol auf.
"Aber dann konnte ich nicht mehr aufhören, über etwas anderes nachzudenken und habe beschlossen, mal einen Blick darauf zu werfen. Meine Schwester Anastasia ist Wissenschaftlerin und auch ihre Projekte wurden abgebrochen, sie hat praktisch keine Arbeit mehr, bis auf dieses Projekt von Nicolas. Aber selbst da sind nur wenige für die Mitarbeit zugelassen."

Aufmerksam hörte Anatol der Frau zu, während er mit seinem Knie auf und ab wippte.
Er war etwas beunruhigt.
Wenn selbst Aurelija ihm Recht gab und meinte, dass etwas bei dieser Sache nicht stimmen konnte, wollte er gar nicht wissen, was alles nun dahinter stecken könnte.

"Ich habe es geschafft, sie dazu zu überreden, mir eine Liste mit allen abgebrochenen Projekten zu geben, und was sie beinhalteten."
"Und?"
"Erinnerst du dich an diese merkwürdige Fehlermeldung vor ein paar Tagen im digitalen Archiv der Elyktra?"
Anatol nickte gespannt.
"Ich bin dort sämtliche Artikel durchgegangen und es sind nur die nicht verfügbar, die etwas mit den eingestellten Konzepten zu tun haben. Alles andere ist aufrufbar."
"Was wären das für Projekte?"
"Zum Beispiel das Projekt meiner Schwester, wie man den Reifeprozess verschiedener Pflanzen beschleunigen kann. Ein paar andere waren, wie man Sonnenenergie noch effektiver nutzen kann, oder jede Menge drehten sich um die Widerherstellung von vertrocknetem Boden oder der Herstellung von besseren Medikamenten. Solche Sachen eben."
"Warum bricht die Elyktra genau diese Forschungen ab und sperrt dann noch Informationsquellen zu diesen Themenbereichen?", fragte Anatol fassungslos.

Das ergab einfach keinen Sinn.
Der Gedanke dieser gesamten Einrichtung war doch das Schaffen von neuen, bewohnbaren Oasen, genau so wie die Beseitigung der vielen Krankheiten durch die giftigen Gase, die mit der Zeit nur noch schlimmer wurden.
Das konnte nur ein gewaltiger Fehler sein.

"Ich weiß es nicht, aber das ist sehr beunruhigend", sprach Aurelija seine Gedanken laut aus.
"Ich weiß nicht, wie diese Erfindung von Nicolas aussieht oder was sie bewirken soll, aber vielleicht ist sie ja so vielversprechend, dass man die anderen gar nicht mehr benötigt.  Vielleicht ist das wirklich nicht mehr als ein Fehler im System", sagte Aurelija eher zu sich selbst.
Sie wirkte nicht überzeugt von ihrer eigenen Aussage.
"Du meinst eine Art Supermaschine, die Pflanzen wachsen lässt, Luft reinigt, Müll recycelt und nebenbei noch die Welt rettet?"
So sehr Anatol ihr auch glauben wollte, war ihm klar, dass dem vermutlich nicht so war.
Die ganze Sache war so verrückt und merkwürdig.

Beide hatten den Kopf in die eigenen Hände gelegt, sich mit den Armen auf dem Tisch abstützend.
Anatol kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum.
"Vielleicht sollten wir herausfinden, was diese Erfindung ist, die auf einmal so wichtig ist", schlug er schließlich vor.
"Vielleicht erklärt das alles."
"Oder macht alles noch komplizierter", entgegnete Aurelija.
"Eins davon. Vielleicht auch beides. Vielleicht  überdenken wir dann nochmal die Sache mit dem Aufstellen von Verschwörungstheorien."

《⊙》

Ein paar Tage später als versprochen, aber immerhin kein ganzer Monat.
So langsam kann ich richtig mit der Story anfangen und ich bin gespannt, wie ihr sie so findet.
Außerdem danke für die paar weiteren Charaktere, die noch erstellt wurden.
Jetzt müssten auf jeden Fall alle Plätze gefüllt worden sein.
Und vielen lieben Dank fürs Lesen <3
Ich werde mich weiterhin mit dem Schreiben des nächsten Kapitels beeilen. :)

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