Heiler

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Und wieder sehen mich alle verdattert an. Entweder gewöhne ich mich endlich daran, auf diese Weise im Mittelpunkt zu stehen oder ich halte in Zukunft den Mund. Letzteres dürfte mir allerdings recht schwer fallen.

Laus begreift als erster. „Du hast recht! Wenn er in die Erinnerungen sehen kann, kann er das wahrscheinlich auch." Er wendet sich an Aria. „Ruf ihn!"

„Wen?" Andés Schicksal nimmt Aria sichtlich mit; sie ist heute gar nicht so in Form wie sonst. Auf Kreta hatte sie jede Menge Verehrer, die an ihrem Rocksäumen hingen, aber auf dem Festland haben noch nicht so viele Männer ihre Bekanntschaft gemacht. Es gibt nur einen, den wir meinen können.

„Dionysos, du Schaf", Medeas liebevolle Anrede bringt Aria wieder zu sich. „Ich weiß zwar nicht, warum deine Brüder meinen, er könnte das. Aber andere göttliche Verehrer hast du, glaube ich, noch nicht."

Noch. Ich muss grinsen. Medea hat recht. Sollte Aria jemals auf den Olymp kommen, würde sie die versammelte Götterschar gehörig durcheinander wirbeln.

Seufzend berührt Aria die Weintraube an ihrem Diadem, die direkt auf ihrer zimtfarbenen Stirn liegt. „Das ist schon das zweite Mal. Ich wollte mich ihm nicht so sehr verpflichten." Sie sieht zu Andé. „Aber du bist mir das natürlich wert. Selbst wenn er mich dann gleich für sich fordern sollte."

????? JA. Es ist offensichtlich, dass Andé nicht mitkommt. Aber er vertraut Aria.

„Dionys", sagt Aria nun. „Es tut mir leid, dich schon wieder rufen zu müssen, aber wir brauchen dich. Ich hoffe, du bist gerade nüchtern."

????

Armer Andé. Wir werden ihm noch sehr viel zu erzählen haben.

„Bin ich, keine Sorge", sagt jemand hinter Aria. Die fährt zusammen. „Kannst du dir abgewöhnen, mich zu erschrecken?"

Dionysos tritt hinter ihr hervor. „Ich sollte mich besser direkt vor dir manifestieren?"

„Ich glaube, das ist besser als mich von hinten anzusprechen, ja."

„Ich werde es mir merken. Was ist geschehen? Habt ihr wieder göttliche Wahrzeichen gestohlen?"

Aria versucht streng zu blicken, aber ein Schmunzeln schleicht sich in den rechten Mundwinkel. „Nein. Diesmal hat keiner etwas angestellt. Es geht um meinen Bruder."

„Welchen?" Die Frage ist berechtigt, immerhin hat Aria fünf von der Sorte. Aber Dionysos hat bereits den hilflosen Andé auf seiner Kline erblickt und tritt näher. „Was ist mit ihm geschehen?"

„Er ist blind und gelähmt", teilt ihm Medea mit. Dionysos hebt die Schultern. „Ich bin leider kein Heiler. Aber ich kann Asklepios für euch holen, wenn ihr das wollt."

„Kannst du in seinen Kopf sehen?", erkundigt sich Ikar sachlich. „Die Mädchen sagen, da ist etwas kaputt, aber sie können nicht sehen, was."

„Hineinsehen ja. Aber ich habe keine Ahnung, ob etwas da drin richtig ist oder nicht. Ich brauche einen Vergleich." Dionysos tritt zu mir und legt eine Hand auf Andés Stirn, die andere auf meinen Kopf. „Mal sehen."

In der Luft vor uns bilden sich zwei Bilder. Mein Gesicht neben Andés. Wir sehen uns tatsächlich erstaunlich ähnlich. Nur die zweifarbigen Haare und Augen stören die Übereinstimmung.

„Dabei fällt mir ein, wie hast du das eigentlich hinbekommen?", fragt mich der junge Gott. „Auf Naxos konntest du das noch nicht."

„Helios hat es mir gezeigt."

„Du hast also endlich gemerkt, dass du ein Titanenabkömmling bist. Das ist gut. Ich spürte deine Kraft auf Naxos und wunderte mich schon, dass du sie nicht anwendest. Ariadne, welchen Teil des Kopfes möchtest du sehen?"

„Den Hinterkopf, dicht über dem Nacken."

„Gut." Die Köpfe in der Luft drehen sich und werden größer, der Blick fokussiert sich auf den unteren Teil des Hinterkopfs. Dann rückt Dionysos die Perspektive näher und die Haare verschwinden.

Bei mir sieht man einen glatten Übergang vom Nacken zum Hinterhaupt. Bei Andé zeigen sich einige wulstige, rote Narben rund um eine gut drei Finger breite und einen Finger tiefe Delle.

„Kein Wunder, wenn das Druckschmerz verursacht", murmelt Ikar.

Aria und Medea betrachten aufmerksam das Bild. „Ich hätte eine längere Delle erwartet", meint Aria.

Jetzt schauen auch Laus und Ikar genauer hin. Ich hingegen traue mich nicht, mich zu rühren.

„Das scheint ein Schwertgriff gewesen zu sein", urteilt Ikar. „Keine Keule oder sowas. Die hätte ihm den Schädel völlig eingedrückt."

Fee schaudert. „Das will ich mir gar nicht vorstellen." Aus dem Augenwinkel erkenne ich, dass sie nicht auf Dionysos' Bilder sieht.

„Darum hat er das auch überlebt", stellt Laus fest. „Es wurde nur ein Teil seines Hirns getroffen. Du meinst doch, die Seele ist im Kopf – also dann wohl im Hirn?"

Fee stösst einen Schreckensruf aus. „Ich esse nie wieder eingelegtes Schafshirn!"

„Zu spät, du bist schon selbst so ein Schäfchen", spottet Laus. „Beim Tod entweicht die Seele doch ins Eleysium, was du dann isst, enthält keine Seele mehr."

Fee sieht nicht sehr überzeugt aus, sagt aber klugerweise nichts mehr.

Dionysos schmunzelt nur, schiebt jetzt aber den Blickwinkel etwas weiter. Unter die Haut. Weißliche Knochen schimmern durch rotes Adergeflecht. Bei mir unversehrt, bei Andé sieht man deutlich die Risse im Knochen. Ich wußte gar nicht, dass auch Knochen bei der Heilung vernarben.

Dionysos geht etwas tiefer. Jetzt wendet auch Tess den Blick ab. Interessant. In der Schlacht seinen Gegnern Wunden bis auf die Knochen zu schlagen hat ihm doch auch nichts ausgemacht.

Aria hingegen sieht genauer hin. „Das muss das Hirn sein." Sie meint die Ansicht von mir. Da wird unter dem Knochen unter einer dünnen Haut graue und weißliche Masse sichtbar. Ich sehe nun auch lieber fort. Und prompt zu Andé.

????

„Oh, das haben wir dir nicht gesagt", mit schlechtem Gewissen registriere ich, dass ich vergessen habe, meinen Bruder auf dem neuesten Stand zu halten. „Dionysos zeigt uns gerade, wie es in meinem und in deinem Kopf aussieht. Er meint, was bei dir anders ist als bei mir, muss kaputt sein."

!!!!! Andés mehrmaliges Zwinkern ist jetzt langsamer und nachdrücklicher.

„Oh, du würdest das auch gerne sehen können?"

JA.

Der Gott des Wahns braucht keine Übersetzung, obwohl wir ihm Andés Zwinkersprache noch nicht erklärt haben. „Ich kann es versuchen. Moment mal ... siehst du es nun?"

JA!

„Das ist interessant. Ich glaube, das sollte er sich ansehen." Dionysos verschwindet. Die Bilder allerdings bleiben bestehen.

„Was ist denn jetzt los?", fragt Laus verdutzt.

„Ist ihm wohl langweilig geworden", schnaubt Aria. „Oder er meint, das genügt jetzt."

„Interessant ist es jedenfalls", stellt Medea fest. „Schau, Aria, wo man bei Teri ein intaktes Hirn sieht, ist bei Andé vor allem Blut zu sehen."

Aria schaut. Ich lieber nicht.

„Er blutet innerlich", bestätigt Aria. „Guck mal, hier pulsiert es."

Ich höre Laus hinter mir würgen. Auch Ikar hat sich inzwischen abgewandt. Nur unsere beiden Ärztinnen sehen noch hin.

„Das Blut drückt auf sein Hirn", sinniert Medea. „Man müsste den Blutfluss stoppen und das angesammelte Blut entfernen. Aber wie?"

„Das werde ich mir einmal ansehen."

Wir erschrecken alle bei dieser neuen Stimme. Selbst Andé reißt die Augen auf.

Dionysos ist direkt vor Aria erschienen, die überrumpelt zurücktritt, über die Fransen an ihrem Rock stolpert und Ikar in die Arme fällt. In dieser etwas würdelosen Position fällt ihr „Wo beim Aides warst du?" lange nicht so gebieterisch aus wie geplant.

„Er hat mich geholt. Ich halte das für eine gute Idee." Hinter Aria und Ikar steht der Begleiter des jungen Gottes. Beide fahren überrascht herum, wodurch Aria nun endgültig auf den Boden rutscht.

Wortlos neigt sich Dionysos vor und reicht Aria die Hand; es gelingt ihm sogar, sich ein Grinsen zu verkneifen. Nur das amüsierte Funkeln seiner grünen Augen verrät ihn. Außer mir bemerkt das aber niemand; die Blicke der anderen richten sich auf den Mann, den Dionysos mitgebracht hat.

Er kommt nun hinter Ikars Flügel hervor. Neben Ikar wirkt er klein, ist aber wohl doch überdurchschnittlich groß, wenn auch von schlankem, fast schmächtigem Körperbau. Kurzes, blondes, gelocktes Haupthaar und Bart sowie ein weiter, reich gefalteter weißer Chiton, der ihm bis zu den aufwendig gearbeiteten Ledersandalen reicht, verleihen ihm die Würde eines weisen, älteren Mannes. Aber die zarten Gesichtszüge sind jugendfrisch und seine Bewegungen verraten die Energie eines Jünglings.

Die Reaktionen auf sein Erscheinen fallen sehr unterschiedlich aus. Medea blickt den Neuankömmling verdutzt an, Aria lächelt ihm zu: „Kalí méra! Schön, dich mal wieder zu sehen!" Laus verschwindet schleunigst hinter Tess, der seinerseits mit gerunzelter Stirn überlegt, mit wem er es diesmal zu tun hat. Ich frage mich, ob sich der Athener Prinz auf sein kretisches Abenteuer eingelassen hätte, hätte er geahnt, womit er es in der Folge alles zu tun bekommt.

Auch Ikar zuckt zusammen, zieht sich in den Hintergrund zurück und versucht, seine Flügel so klein wie möglich zu falten. Was wohl wenig bringt, angesichts der Tatsache, dass unser Besucher hinter Ikars Rücken aufgetaucht ist und die Flügel längst gesehen haben muss.

Fee hingegen bricht in erleichterte Tränen aus und fällt dem Blonden kurzerhand um den Hals. „Wie gut, dass du gekommen bist! Du kannst ihn retten, nicht wahr? Du kannst alles wieder gut machen? Sag mir, dass du ihn gesund machen kannst!"

Vorsichtig löst unser Besucher Fees Arme von seinem Hals. „Ich weiß es nicht, aber ich werde versuchen, was möglich ist", verspricht er meiner Schwester. „Vergiss aber nicht, ich bin nicht der Gott der Wunder oder der Magie. Nur jener der Heilung."

????

Ich beuge mich zu Andé hinunter. „Dionysos ist mal kurz verschwunden und hat Hilfe geholt."

????

Im Gegensatz zu Tess muss ich über die Identität des Mannes nicht lange nachdenken. „Asklepios."

!!!! JA!

Sieht aus, als ob Andé den Gott der Heilung auch schon kennt. Und ihm vertraut.

Ich balle fest die Fäuste, wobei ich mir die Nägel ins Fleisch kralle und bete inbrünstig, ohne eigentlich wissen, zu wem, dass Fees und Andés Vertrauen gerechtfertigt ist.

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