Kapitel 1 - Erlöschende Hoffnung

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Leise hallte das Geräusch fallender Tropfen durch die Dunkelheit und wurde von den unebenen Wänden des alten Gemäuers zurückgeworfen. Gelegentlich huschte ein winziger Schatten von einer Seite zur anderen und kratzende Schritte von Mäusen und Kanalratten, die einander leise fiepend Botschaften übermittelten, drangen durch die Finsternis. Dort verschmolzen sie mit dem Geräusch nackter Füße auf feuchtem Stein, die sich vorsichtig durch die engen Gänge bewegten.

Ängstlich wie die vierbeinigen Bewohner der finsteren Gänge drängten sich die dürren Körper an die feuchten Wände. Die Kleidung war dünn und zerschlissen. Kaum mehr als Lumpen, welche die dunklen Flecken sowie anderen Spuren der Gewalt nicht verbergen konnten und auch ohne Worte Geschichten des Leids erzählten. Finger mit splitternden Nägeln zitterten, während sie sich langsam vorwärts tasteten und vor jeder Rille in den unebenen Steinen vor Schreck zurückwichen, als hätten sie sich daran verbrannt. Ihre Augen zuckten nervös durch die Schwärze, ohne sie zu durchdringen, sodass sie eher stolperten, anstelle sichere Schritte zu setzen. Keiner wagte es auch nur zu flüstern aus Furcht, sie könnten sich damit verraten.

Zu der stickigen Luft, welche sie umgab, stieg ihnen ein schwerer Gestank in die Nase. Er ließ sie immer wieder keuchen und ihren Atem flach und schwer werden. Fäkalien und Abwässer umspülten ihre nackten Füße und bildeten die Quelle des widerlichen Gestanks.

Die unübersichtlichen Katakomben unter Lutetia, dem ehemaligen Paris, waren alles andere als eine sichere Passage. Schmutziges, brackiges Wasser, modriger Stein, Urin und Feuchtigkeit, eine widerliche Mischung. Ganz zu schweigen von dem, was in der Dunkelheit lauern konnte. Doch die Verzweiflung trieb sie weiter.

„FINDET SIE!"

Wie ein Paukenschlag donnerte das animalische Brüllen durch die Korridore und ließ die Wände erzittern. Dröhnende Schritte erhoben sich, eilten durch das Labyrinth der Gänge und wurden von den Wänden wie Querschläger in alle Richtungen zurückgeworfen. Ein Gemisch aus Knurren, Dröhnen und Zischen drang zunehmend lauter durch die zuvor noch drückend stille Geräuschkulisse.

Keuchend zogen die Flüchtenden scharf den Atem in ihre Lungen. Ihre Köpfe flogen zurück und starrten in die verworrenen, dunklen Gänge zurück, die sie bereits hinter sich gelassen hatten. An ihren Hälsen konnte man erkennen, wie sich ihr Puls beschleunigte, noch bevor sich ihre Augen vor Entsetzen und Todesangst weiteten.

„Oh nein...", japste einer der Menschen.

„Sie kommen", keuchte eine junge Frau, deren Finger sich in die zerlumpten Kleider krallten. Die Fetzen dessen, was einmal ein hübsches Kleid gewesen sein mochte, schlugen wilde Falten um die schmutzigen Finger und konnten die Angst, die ihr Herz zum Rasen brachte, doch nicht bändigen.

„Wir sind verloren!", wimmerte ein kleiner Junge mit wirren blonden Haaren, der sich sofort an den größten der Männer vor ihnen klammerte. Die leuchtenden Flämmchen von kindlichem Schalk in seinen jungen Augen waren schon lange von Krieg und den verheerenden Folgen erstickt worden. Er war noch jung, aber er hatte ausreichend Zeit gehabt, die Bedeutung der Schrecken kennenzulernen. Die Welt, wie er sie einst kannte, gab es nicht mehr.

Die Herrschaft der Menschen endete vor vier Jahren abrupt und blutig. So ging die alte Welt verloren und eine neue, die Welt der Vaesen, wurde geboren. Seit jenem Tag herrschten Kreaturen, die man bisher nur aus Märchen und Geschichten kannte mit spitzen Fangzähnen, scharfen Klauen und unnatürlicher Kraft. Eben jene Wesen, welche die letzten überlebenden Menschen jetzt jagten wie flüchtende Beute.

Das Gemurmel der verängstigten Menschen schwoll an, wie die Geschwindigkeit ihres Herzschlages. Ein zunächst gedämpftes, dann immer hektischer werdendes Stimmengewirr erhob sich. Es steigerte sich zu einem verheerenden Durcheinander, ohne dass die Narren daran dachten, dass die Laute für ihre Verfolger wie Signalfeuer in der Dunkelheit wirkten.

„Ich will noch nicht sterben!", krächzte eine andere Stimme, der Panik und den flatternden Nerven erlegen. Mit panisch aufgerissenen Augen drängte sich ein korpulenter Mann an der Gruppe vorbei. Er stieß die junge Frau und den Jungen beiseite wie lästige Fliegen, die taumelnd gegen die Wand prallten und dann stolperten.

Die Körper fielen übereinander und stürzten ächzend in den Dreck zu ihren Füßen. Wulstige Finger griffen grob nach der vordersten Gestalt, um auch sie, wie die ausgemergelten Leiber zuvor, aus dem Fluchtweg zu schieben.

„Aufhören!"

Unerwartet schnellte die Hand des großen Mannes vor und packte die herannahenden Finger am Handgelenk. Den Schwung des Kerls nutzend, lenkte er den massigen Körper in einer einzigen, fließenden Bewegung, die zweifellos von Kampferfahrung zeugte, an ihm vorbei.

Mit einem lauten Platschen landete der Dicke mit dem Gesicht voran in der stinkenden Mischung aus Schlamm und Fäkalien. Röchelnd spuckte er aus, würgte und erbrach sich reflexartig in die widerliche Brühe.

Der Anführer der fliehenden Gruppe blickte auf den jämmerlichen Haufen zitternder Angst am Boden herab und öffnete bereits den Mund, um etwas zu sagen, als:

„Habt ihr das gehört?"

Ein dunkles Grollen ertönte aus der Ferne, noch bevor ein Wort seine Kehle verlassen konnte.

„Das kam von dort!", ergänzte eine andere, begleitet von einem scharrenden Geräusch wie Stein, der übereinander schabte. „Schnell!"

Sofort versteiften sich die Körper der Flüchtenden. Panisch starrten die Blicke in die Dunkelheit, dann kam Bewegung in ihre Körper. Die Herzen schlugen wild in ihren Brustkörben wie eine Herde durchgehender Pferde.

'Nein! Oh, bitte nein!', lag in ihren Gesichtern eingemeißelt, wie auf der Fratze eines Todgeweihten in der Sekunde vor dem unvermeidlichen Ende.

Verzweifelte Wut blitzte in einigen der geweiteten Augen auf, als ihr Blick auf den dicken Dummkopf fiel, der sie in diese Lage gebracht hatte. Sogar die Hand des kleinen Jungen ballte sich vor Wut.

Hinter ihnen kam das Geräusch schwerer Schritte schnell näher. Die Laute wurden lauter und machten es zunehmend schwieriger, selbst die eigenen Gedanken zu hören.

„Schnell!" Hastig kämpfte sich der kleine Körper des Jungen auf die Beine. „Es ist nicht mehr weit, oder?" Das spärliche Licht der Gänge ließ die grünen Augen des Jungen eine Sekunde hoffnungsvoll aufleuchten, wie ein junges Pflänzchen, welches auf die erste Frühlingssonne hoffte. „Geist wird dort auf uns warten und dann sind wir sicher, nicht wahr?"

„Da!", zerriss plötzlich ein grollender Ruf nur wenige Meter entfernt die angespannte Stimmung, bevor jemand den Mund öffnen konnte, um dem Jungen zu antworten. „Schnappt sie!"

Keuchend stockte der Atem der kleinen Gruppe, als ihre Verfolger aus einer der zahlreichen Abzweigungen und Zugänge strömten. Auf den ersten Blick wirkten die massigen Gestalten wie die wahr gewordenen Schrecken der Hölle: dämonische Fratzen aus Granit und Stein. Lange Hörner wanden sich um massive Schädel und aus kantigen Kiefern ragten spitze Hauer. Wütend bebende, steinerne Nüstern bliesen zischend heißen Atem in die stickige Luft, während die Klauen mit einem widerlichen Scharren über den Stein fuhren - Gargoyle.

Den Blick auf die heranstürmende Meute gerichtet, die einst die steinernen Wächter und Augen der Stadt und dann ihr Untergang gewesen waren, erstarrten die zitternden Leiber der Geflüchteten förmlich ebenfalls zu Stein. Stöhnend drückten sie sich an die Wand hinter ihnen und kniffen die Augen zusammen, um sich ihrem scheinbar unausweichlichen Schicksal zu ergeben.

„Narren!"

Inmitten der Dunkelheit zu ihrer anderen Seite, blitze plötzlich ein neues Augenpaar auf, welches das Geschehen bisher stumm aus dem Schutze der Schatten heraus beobachtet hatte. Zuerst mochte man es ebenso für eine Bedrohung halten, denn dem leuchtenden Silber der von einer schmalen Pupille durchzogenen Iriden, wohnte ein eisiger Schein inne, dem jegliche Wärme zu fehlen schien.

Eine helle, weiße Pfote schob sich aus dem Schleier Dunkelheit in das Dämmerlicht des steinernen Ganges und offenbarte die Formen einer ganz anderen Kreatur alter Mythen: Eine gewaltige Raubkatze, die einem ausgewachsener Menschen bis an die Brust reichen und an einen schneeweißen Panther erinnern mochte. Das Fell schimmerte trotz des wenigen Lichtes wie frisch gefallener Schnee, einzig die Brust schmückte ein schwarzer Fleck.

Ein Caith Sith - So schön wie Schnee, doch genauso kalt.

'Törichte Menschenbrut', grollte es unbarmherzig in seinen Gedanken, während er sich nicht zum ersten Mal unweigerlich fragte, aus welchem Grund er diesem Ungeziefer überhaupt half, wenn sie sich nicht einmal selbst zu verteidigen vermochten. Wie weit würden sie schon kommen, wenn sie beim Anblick der heranstürmenden, dummen Köter den Kampfeswillen bereits verloren?

Menschen waren es nicht wert, für sie sein Leben zu riskieren. Sie waren nichts. Schwach, weich. Erstarrten beim Funken der Gefahr wie ihre einst in Stein gehauenen Figuren, die ihnen nun ihrerseits den blanken Schrecken ins Gesicht meißelten. Sie hatten ihre Mitmenschen überfallen, bekriegt und unterjocht. Doch kaum gab es Gegner, die es mit den Stärksten aufnehmen konnten...

Er konnte nichts als Abscheu für diese Geschöpfe empfinden, die einst diese Welt beherrscht und mit ihrer Frechheit die Grenzen eingerissen und damit ihre Welt genommen hatten. Leider war es nur diesen zu verdanken, dass er überhaupt noch den Nervenkitzel des Kampfes empfinden konnte. Dafür war er geboren, ausgebildet und geschaffen worden: der Kampf. Es war das Einzige, was seinem Leben noch einen Sinn zu verleihen vermochte.

Nein. Nicht ganz das Einzige. Da war noch...

„Bruder!" Neben ihm riss ihn eine gepresste Stimme aus seinen Gedanken. Bernsteinfarbene Augen suchten fieberhaft seinen Blick, während die schmalen Schultern seines dunklen Begleiters vor Anspannung unruhig in der Dunkelheit zitterten. Es war ein Wunder, dass Kaie noch nicht vorgestürmt war, um die unwürdigen Fleischlinge zu retten, die jenem so unbegreiflich am Herzen lagen.

„Worauf wartet ihr?", fauchte er die Menschen noch einmal an und straffte seine breiten Schultern. Muskeln spannten sich unter dem glatten weißen Pelz, als er sich an den stinkenden Felllosen vorbeidrängte.

Die wütende Meute hatte sie fast erreicht. Der Gestank von Moosen und Weihrauch mischte sich mit dem Gestank von Fäkalien. Er kannte diese Nuance inzwischen nur zu gut, denn sie umgab diese Steinköpfe wie ein unsichtbarer Schleier.

'Feind', schrie es in ihm und spannte seine Sinne wie ein Musiker die Saiten seines Instruments. Augenblicklich begann sein Herz schneller zu schlagen und das Feuer des Kampfes in seinen Adern zu entfachen.

Es war an der Zeit zu töten.

Wortanzahl: 1.613 Wörter

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro