Kapitel 16 - Zwei Raubtiere

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Myreilles Blick klebte an diesem Mann wie der eines Falken, der seine Beute auserkoren hatte und nur noch auf den richtigen Moment wartete.

Es war nicht das erste Mal, dass sie diesen Tanz vollführten. Beide kannten sie die Schritte und den Rhythmus, auch wenn ihre Tanzpartner andere arme Seelen gewesen waren. Es war das Kreisen zweier Raubtiere, die einen Schritt vor den anderen setzten, um die Schwachstellen des anderen auszuloten.

Myreille war kein Narr. Wenngleich er verletzt war, konnte er immer noch eine Gefahr darstellen. Nicht so groß wie im gesunden Zustand, aber eine, die sie nicht einzugehen bereit war. Ihr Körper war ihr Kapital und sie konnte es sich nicht leisten, ernsthaft verletzt zu werden – in mehr als einer Hinsicht.

Ihr Herr kannte keine Gnade. Wenn sie versagte, würde sie ihren Wert und ihre Nützlichkeit unter Beweis stellen müssen, oder man würde sie töten. Und wenn ihr Körper Schaden nahm, würde ihr Nutzen schwinden, und ihr Herr würde über den Verlust sicher nicht erfreut sein...

Mit einem hörbaren Schnauben glitt der Blick des Katers zur Seite, ohne dass er ihr den Kopf zuwandte. Sie konnte sehen, wie sich seine Schultern unter dem Mantel bewegten... und aus irgendeinem Grund war ihr, als liefe ein warm-kalter Schauer über ihren Rücken, ohne wirklich zu ihr zu gehören.

„Willst du mich nun etwa doch den Hunden vorwerfen, Püppchen?", fragte er.

Die Strigoi ahnte, was er denken musste. Dass sie nur darauf wartete, dass er einen Fehler machte und ihr einen Grund gab, ihn endlich anzugreifen. Dass sie ihm wie ein wildes Tier an die Kehle springen und es kaum erwarten konnte, sein Blut zu trinken. Als wäre sie eines jener unkontrollierbaren Neugeborenen, die in den ersten Stunden oder Nächten nach der Verwandlung an nichts anderes denken konnten, als ihren alles verzehrenden Durst zu stillen. Nur damit sie schließlich merkten, dass nichts auf der Welt diesen jemals wieder besänftigen konnte. Hrmpf.

„Warum sollte ich dich jemand anderem überlassen?" Die Vampirin neigte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. Der dunkle Schleier legte sich andächtig in Falten über ihre Schulter, und die kleinen Schmuckperlen an ihrer Kleidung klirrten bei der leichten Bewegung. „Wenn dich jemand tötet, Kater, dann bin ich es. Es wird ein fairer Kampf sein ... und dann wirst du mir in die Augen sehen, während dein Lebenslicht erlischt."

Sie sagte es so einfach, als würde sie ihm erklären, dass der Himmel blau ist. Töten war für sie so einfach wie Atmen. Zumindest meistens.

Langsam, als vermied der Kater eine zu schnelle Bewegung, hob er seine Hand zu der Maske, und es schien, als wolle er sie abnehmen. Aber die Finger berührten das Porzellan nicht.

„Du hast sie ihm geschenkt", murmelte er schließlich, und seine blauen Augen legten sich auf sie, als wollte er die Wahrheit und die Geschichte aus ihren toten, kalten Zügen lesen wie schwarze Buchstaben von weißem Pergament.

Aber... da war nichts. Die Maske auf ihrem Gesicht, die aus Porzellan und die aus Eis und Schnee, war undurchdringlich und verbarg die Wahrheit hinter sich wie ein eisernes Schloss, einen wertvollen Schatz.

Plötzlich erschien ein leichtes, trauriges Lächeln auf seinen Lippen, das Myreille mehr irritierte, als sie sich eingestehen wollte. Aber schnell genug hatte sie sich wieder gefangen und schnaubte auf seine Bemerkung.

„Ja", antwortete sie schlicht. Es war eine einfache Antwort. Gleichzeitig war es nur ein winziges Fragment eines größeren Ganzen, einer Geschichte, die weit über ein paar Porzellanmasken hinausging.

Ihre Augen folgten seiner Bewegung, als der Kater die Finger hob, aber die Maske nicht abnahm.

„Ich kannte ihn... Kaie...", verriet er und ließ die Hand wieder sinken. „Aber ich habe dich nie mit ihm gesehen. Nie von dir gehört. Also werde ich dir nichts geben, bis ich weiß, was das zu bedeuten hat."

Missbilligend kräuselte die Vampirin ihre mit schwarzem Lippenstift geschminkten Lippen. Ihre Miene wurde für den Bruchteil einer Sekunde weicher - nur um kurz darauf wieder zu Eis zu erstarren, wie eine Eisfläche unter einem eisigen Winterhauch.

Derselbe Wintersturm fegte auch über das Gesicht des Caith-Sith vor ihr. Er ließ die blauen Gletscher hinter der Maske dunkler erscheinen als zuvor, fast so, als wäre der kleine Sonnenstrahl, der sich darin verfangen hatte, verschwunden. Knirschend fletschte er die Zähne, und als Raubkatze hätte er sicherlich die Ohren angelegt und die Zähne gefletscht. Er hätte seine Krallen ausgefahren und sein Fell gesträubt.

„Woher kanntest du meinen Bruder?"

Myreille nahm seine feindselige Haltung wahr, und auch wenn sie es nicht so offen zeigte, spiegelte sie jene wider, indem sie die Hand sinken ließ und ihre Position nur um einen Hauch veränderte.

Die Luft um die beiden schien zu knistern, während sie um mehrere Grade absank.

Ihre schlanken Arme sanken seitlich an ihren Körper und ihre Finger streiften den Schwung ihrer Hüften. Ihre Fingerspitzen zuckten. Die langen Fingernägel waren tödlicher als manche Dolchklinge ... Sie war kein Caith-Sith und musste sich nicht erst verwandeln. Sie war immer bewaffnet, immer kampfbereit.

Und dieser Mann war ein Lügner und ein Mörder.

Sie hatten ihn mit dem Satyr erwischt, und jetzt war er hier. Es wäre das Beste, ihn außer Gefecht zu setzen und ihn unter anderen, für sie günstigeren Umständen zu verhören.

Warum also... zögerte sie? Schon wieder?

Was hielt sie zurück, wie ein unsichtbarer Faden, der an ihr zerrte?

Aus welchem Grund verhielt sie sich so gegen ihre Natur, gegen ihre Prägung?

Sie fühlte sich wie ein Gefäß, in das von irgendwo zu viel Wasser eingedrungen war und dessen Inhalt über den Rand schwappte. Es war gefährlich... und unmöglich. Der Letzte, der das in ihr ausgelöst hatte, war Kaie. Und nur er.

Myreille atmete tief durch und versuchte, die heiße Glut in ihrem Inneren zu unterdrücken. Sie musste sich konzentrieren.

„Kaie hatte keinen Bruder", zischte sie und bleckte kurz die Zähne, „er kam und ging immer allein."

Dieser Kater ärgerte sie, wie es seit Jahren keiner mehr getan hatte. Viel zu leicht, als würde jedes seiner Worte direkt unter ihre Haut dringen, anstatt an dem Panzer jahrzehntelanger Erfahrung zu zerschellen.

Vielleicht war es der kurze Moment der Hoffnung gewesen, der in ihr aufgeflammt war und die kalte Leere, die sein Tod hinterlassen hatte, noch deutlicher werden ließ.

Ihre feine Nase kräuselte sich, und plötzlich spürte sie das Gewicht der Maske viel deutlicher auf ihrem Gesicht.

Ein Teil von ihr war fort ... und würde nie mehr zurückkehren.

Die Vampirin versuchte tief durchzuatmen, richtete sich ein wenig auf und neigte leicht den Kopf, bevor sie langsam einen Schritt näher trat. Sein Körper war so heiß, zweifellos von Fieber geplagt, sodass sie die Wärme spürte, die er ausstrahlte, als sie so dicht vor ihm stand und sein Gesicht fixierte.

„Kaie war einer meiner Stammkunden", murmelte sie, und ein erzwungenes, emotionsloses Lächeln umspielte ihre Lippen, erreichte aber nicht ihre Augen.

Dort schimmerten silberne Flecken zwischen dem kalten Weiß, durchzogen es wie Flüsse aus Quecksilber und machten sie lebendiger, weil sie das Funkeln nicht verbergen konnten. Ein von kaltem Schnee bedeckter Schatz: Emotionen.

Gefühle, die sie nicht haben durfte, einfach weil sie war, was sie war: untot. Und alle Meister versprachen ihren Sprösslingen die Befreiung von allen menschlichen Lastern, die sie in einem dreckigen Grab in der Erde zurückließen. Wahre Freiheit, fern von Reue. Aber da war es: ein Schimmer von Geheimnis und Schmerz, der ihre Lippen bewegte, als sie weitersprach:

„Und eines verspreche ich dir: Jeden, der etwas mit seinem Tod zu tun hat ... werde ich eigenhändig in Stücke reißen. Auch dich, Kater..."

Wortanzahl: 1.236 Wörter

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