Kapitel 17 - Brudermörder

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Die Luft schien zu brennen und hätte eine ganze Stadt mit der Spannung, die zwischen ihnen knisterte, versorgen können. In ihm sowie in Myreille blitzte eine stumme Wut auf, die jedoch nur über den Sturm des Verlustes hinwegtäuschen konnte, wenn man nicht genau hinsah. Im Grunde aber täuschten sie weniger den anderen, als vor allem sich selbst.

Auch Zane war eine Klinge, die über Jahrzehnte hinweg kalt und heiß geschmiedet worden war. Gnadenlose Hämmer hatten ihn geformt, die ihn immer dann trafen, wenn der Kampf tobte. Aber das war sein einziger Lebenszweck gewesen: Geschaffen für den Kampf. Derselbe Zweck, dem auch sie als Blutjägerin gedient hatte. Sie waren beide Marionetten, die sich bewegten, wie sie sollten, nicht wie sie wollten.

Sie hatte ihren Meister. Er hatte einst seinen König, der seine Schritte lenkte und ihn in den Kampf schickte.

Man sah Leben erlöschen. Existenzen zerbrachen wie Wellen an einer Klippe. Es zerriss einen, doch für Trauer war kein Platz, denn sie schwächte einen Krieger. Und wenn die Caith-Sith etwas nicht duldeten, dann war es Schwäche. Also gab man sich der Wut hin, dem Zorn und dem Gedanken an Rache. Man überließ dem wilden, animalischen Teil der Seele die Kontrolle und wurde wirklich zu einem wilden Tier.

Es gab keinen Raum, keine Zeit und keinen Platz für Gefühle.

Und nun trafen sich die scharfen Klingen in den Augen.

„Stammgast", zischte Zane gefährlich leise. Er kniff die Augen noch fester zusammen, und die blauen Irden schienen noch bösartiger aufzuflackern, während er scharf die Luft einsog. Sein Herz hämmerte wild in seiner Brust. Er fühlte sich zerrissen und wie ein Schiff einem Sturm ausgeliefert, der ihn hin- und herwarf.

Was sie sagte, war zutiefst beleidigend. Der Vorwurf, dass sein Bruder – die Sonne, das Licht zu seinem Schatten – mit jemandem wie ihr verkehrt hatte, noch dazu auf eine Art, wie ihre Stimme es andeutete... war unverzeihlich.

Für Wesen wie sie hatte Zane nichts als Abscheu übrig. Jene, die ihren Körper verkauften oder zu ihrem Vorteil nutzten. Eine brodelnde Wut loderte in ihm auf und flüsterte ihm mit leiser Stimme zu, er dürfe nicht zulassen, dass dieses untote Miststück das Vermächtnis seines Bruders beschmutze. Es drängte ihn, sich trotz seiner Verletzungen auf sie zu stürzen und die Chance zu nutzen, die sich ihm bot.

Sie war ihm so nah. Er brauchte nur einen Herzschlag, um sich zu verwandeln. Nur einen Augenblick, und seine Zähne und Klauen könnten dieses bereits tote Herz für immer zum Schweigen bringen.

Doch der Gedanke, fühlte sich gleichzeitig so falsch an, wie die Tat der Menschen, die die Vaesen erst in diese Welt gebracht hatten. So deplatziert wie seine bloße Existenz an diesem Ort. Als würde er sich mit dieser Tat am Ende nur das Letzte nehmen, was ihn noch atmen ließ, oder sich selbst den Dolch in die Rippen stoßen. Er wollte ihr die Kehle durchschneiden und gleichzeitig diese sündigen Lippen küssen.

Es war nicht nur ihr Duft. Es war auch etwas in ihren Augen, das dort nicht hingehörte. Leben und Menschlichkeit, die dort nicht sein durften. Er konnte es sehen, aber mehr noch spürte er es, als würde es aus ihr herausströmen: Gefühle, auch wenn sie sie zu verbergen versuchte.

Sie waren sich so ähnlich wie ihr eigenes Spiegelbild und doch so grundverschieden. Er hasste die Wesen der Nacht. Sie hatten ihm so viel genommen: seine Freiheit, sein Gewissen, sein Leben. Er konnte nicht anders, als sie zu hassen. Und doch spürte er dieses verdammte Band, das an ihm zerrte, gegen seinen Verstand ankämpfte und ihn den nächsten Atemzug tun ließ. Cernunnos musste ihn wirklich verachten, oder er war wirklich verrückt geworden. Durch das Fieber, durch Kaies Tod oder durch die Einsamkeit.

Diese Frau ... sie stieß ihn ebenso ab, wie sie ihn anzog.

Als gäbe es ein unausgesprochenes Abkommen zwischen ihnen:

Ein Auge für ein Auge, ein Kuss für einen Kuss.

Er richtete sich auf und schnaubte, wie es nur die Gestaltwandler mit ihrer animalischen, wilden Seele konnten. Als er den Kopf hob, kräuselte sich seine feine Nase und verriet seinen Unmut. Wie konnte sie annehmen, dass ER etwas mit Kaies Tod zu tun hatte?!

„Ich hätte ihm niemals ...", hob er an, bevor er eine Bewegung aus den Augenwinkeln bemerkte.

Zielsicher wie ein abgeschossener Pfeil drängte sich eine Gestalt durch die Menge, direkt auf sie zu. Seine scharfen Augen erfassten blondes Haar, bevor sich seine Muskeln anspannten, als wäre er auf einen Granatsplitter getreten.

„Scheiße!", fluchte er barsch und bewegte sich instinktiv von der Jägerin weg, um sich in die Schatten zu drängen und zu versuchen, sich dort zu verstecken.

Doch es war bereits zu spät.

Unter einer Maske aus weißem Elfenbein starrten ihn die leuchtend roten Augen des verfluchten Vampirsprosses an. Zuerst war der Blick des Bastards auf die Vampirin gerichtet... doch dann erfasste er ihn und Zane konnte trotz der Maske den Moment des Erkennens in seinem Gesicht ablesen. Der Mund, eben noch zu einem Ruf bereit, stockte und die Worte schienen ihm im Halse stecken zu bleiben.

„Verräterin!", stieß er heiser zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. In diesem Moment setzte Zane zur Flucht an, um die wenigen Sekunden zu nutzen, die ihm noch blieben, um Abstand zwischen sich und die Vampirbrut zu bringen.

Das durfte alles nicht wahr sein!

Wie konnte er nur so dumm sein? Natürlich war sie nicht allein! Natürlich musste dieser Idiot hier irgendwo herumlungern. Er hätte verschwinden sollen, seinem Instinkt vertrauen. Von einer Kreatur wie ihr ging nie etwas Gutes aus! Wie auch, sie hatte weder Herz noch Seele.

„Was?", hörte er die viel zu weiche Stimme, in der zu seinem eigenen Unverständnis tatsächlich eine seltsame Mischung aus Überraschung und ... ja, was? Was schwang da mit? Besorgnis? Nein, niemals.

Zane nahm am Rande seiner Wahrnehmung wahr, dass sie reflexartig sogar die Hand nach ihm ausgestreckt hatte. Der Vampirspross drängte sich dazwischen, packte Zane und es kam zu einem kurzen Gerangel. Dann stieß der Bastard ihn weg, sodass er taumelte.

Das wäre seine Chance zur Flucht gewesen.

Doch kaum wollte er sich abstoßen, um zu fliehen, schoss der Schmerz wie ein Blitz sein Bein hinauf. Das Knie gab sofort nach, während der Raum vor seinen Augen in allen erdenklichen Farben explodierte und er auf den kalten Boden stürzte. Zane musste sich zwingen zu atmen, während sich der Raum zwischen flackernden Lichtern und schwarzen Flecken vor seinen Augen zu drehen begann.

Währenddessen zog Casimir Myreille mit einem Ruck an sich, als wäre er der Held, Zane die Gefahr und sie eine hilflose Jungfrau in Not.

Was zum Teufel?!

„Es ist der Weiße Geist! Der Verräter Oberons! Dreckiger Menschenfreund! Ergreift ihn!" Das Gebrüll schnitt wie ein Messer durch das Gemurmel in der Halle. Der feine Zwirn spannte sich über den Muskeln des ungebetenen Gastes, als er die bleiche Hand hob und urteilend auf den Caith-Sith am Boden zeigte.

Wie das Summen in einem Wespennest erhob sich ein Stimmengewirr im Saal, bevor donnernde Schritte es hinwegfegten. Die Musik, die von den Wänden widerhallte, und die Schreie der Hehler wurden von dem Dröhnen verschluckt, und Zane sah zwischen den dunklen Punkten in seinem Blickfeld, wie mächtige Körper auf ihn zustürmten.

Mit einem Mal war ER die begehrteste Ausbeute in der Halle.

Die Trolle, die bisher regungslos als stumme Wächter vor den Toren gestanden hatten, setzten sich in Bewegung. Jeder ihrer schweren Schritte ließ die alten Säulen und den Boden erzittern. Seine Instinkte vibrierten und Zanes Finger zuckten, während er verzweifelt versuchte, sich auf die Beine zu bringen.

'Komm schon, Zane!', trieb er sich an, während seine Muskeln zitterten, aber nicht gehorchen wollten. 'Du hast schon Schlimmeres überlebt! Los, beweg Dich!'

Ein dunkler Schatten fiel über seine Gestalt, verdunkelte den steinernen Boden und der Geruch von Stein und Moos stieg ihm in die Nase, als eine massive Hand nach ihm schnappte. Für einen Moment schien die Zeit langsamer zu vergehen.

Der dunkle Schleier vor seinen Augen lichtete sich, während Wut und Adrenalin durch seine Adern schossen.

Er wollte nicht sterben.

Er wollte seine Freiheit nicht verlieren. 

So erbärmlich sie auch sein mochte, es war mehr, als er in vielen Jahren besessen hatte.

Sein Leben war nichts, und doch war es das Kostbarste, was er besaß. Das Herz, das in seiner Brust schlug, während Kaies viel zu früh zum Schweigen gezwungen worden war.

Er musste leben!

Das tiefe Grollen ließ seine Brust vibrieren, obwohl es schmerzte. Doch der Schmerz trieb ihn nur noch mehr an. Mit aller Kraft stieß er sich mit dem gesunden Bein vom Boden ab, rollte sich zusammen und sprang unter den großen Steinfingern hindurch. Er spürte den Luftzug der Bewegung an seinem Ohr, als die Hand des Trolls ins Leere griff.

Entkommen - fürs Erste.

Jetzt musste er verschwinden!

In dem chaotischen Durcheinander, das durch die Trolle und seine Anwesenheit entstanden war, machten sich seine katzenhaften Reflexe bemerkbar. Zwischen den Beinen des massigen Trolls entkommen, zog er sein Bein unter den Körper, um sich hochzuziehen, als ein Ruck seinen Körper erschütterte.

Ein eiserner Griff schloss sich um seinen Arm und klobige Finger drückten sich wie in einem Schraubstock zusammen. Sein Körper zuckte, und dem Instinkt folgend, sich loszureißen, zerrte Zane an seinem Arm. Doch statt sich zu lösen, wurde der Griff nur noch fester.

Wieder drehte sich der Raum, als sein Körper dem Ruck hilflos folgte, wie eine Marionette, an deren Fäden gezogen wurde. Die goldene Maske fiel klirrend zu Boden und schlitterte zwischen die Beine der Umstehenden. Der Troll ging nicht zimperlich mit ihm um. Sein Körper wurde förmlich herumgerissen, und diesmal verließ der Schmerzenslaut Zanes Lippen. Schreiend hing er in der Luft, bevor eine weitere Steinkralle seinen anderen Arm packte.

„Wenn das nicht der dreckige Sidhe ist, der von seinem eigenen Volk verachtet und gejagt wird", drang eine herablassende Stimme an sein Ohr.

Es war ein Gargoyle mit einer bestialischen Fratze, dessen Lippen sich verächtlich verzogen, während der Gehörnte selbstgefällig seine Beute musterte. „Da haben wir ja einen großen Fang gemacht. Für den wird Oberon einiges löhnen. Los, durchsucht ihn!"

Überall hörte man Raunen, Tuscheln, verächtliche Stimmen oder Gemurmel, die von Verräter, Mörder und Menschenfreund sprachen. Viele hatten nichts als Abscheu für jene übrig, die sich mit den "Ratten" dieser Welt einließen oder ihnen gar halfen.

Gefangen im Griff des Trolls wand sich Zane wie eine Schlange und versuchte zwischen Schmerz und Verzweiflung, sich mit Gewalt zu befreien - vergeblich. Zwei steinerne Engelsstatuen packten seinen Mantel, zogen und zerrten an dem Stoff. Einer der beiden griff in die Innentasche ... und dann blitzte eine Klinge im schummrigen Licht der Laternen auf.

Ein Dolch lag in den steinernen Händen. Mit einem Parier aus Kupfer, einem Griff aus Messing und Knochen und einer Klinge aus kaltgeschmiedetem Eisen.

Es war der Dolch, der seinem Bruder das Leben genommen und den er gesucht hatte.

Der Blick auf das kaltgeschmiedete Eisen ließ Zanes Widerstand erlahmen.

„Nein..."

Der tobende Sturm in seinem Inneren legte sich so schnell, wie er gekommen war. Er sah nicht einmal, wie das Grinsen auf den Zügen des Gargoyles noch breiter wurde. Zane hörte nur die laute Stimme, die wie ein Hammerschlag eines höheren Urteils tönte:

„Wie es aussieht, können wir dem Verräter und Menschenfreund einen weiteren Titel hinzufügen: Brudermörder."

Wortanzahl: 1.856 Wörter

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