Eins

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Die Dunkelheit scheint jeden meiner Schritte zu verschlucken, so finster ist es bereits. Nur hin und wieder spenden die Laternen am Straßenrand etwas Licht und trotzdem ist dieser Weg jedes Mal eine Qual für mich. Da meine Schicht in dem kleinen Italiener in der Stadt immer erst abends beginnt, bin ich frühestens Mitternacht, meistens noch später draußen. Zu dem Haus in dem meine Mutter, meine Schwester und ich wohnen, fährt kein Bus mehr um diese Uhrzeit, weswegen ich jedes Mal eine knappe Stunde heim laufen muss. Wäre ich nicht nächstes Jahr mit der Schule fertig und müsste für mein Studium sparen, hätte ich schon längst gekündigt. Aber ich kann meine Mutter nicht mit den Kosten alleine lassen. Nicht nach alldem, was sie für Alma und mich getan hat, seit unser Vater verstorben ist.

Trotzdem hasse ich diesen fast täglichen Marsch. Ein ganzes Stück davon führt nur an einem Feld auf der einen und einem dichten Waldgebiet auf der anderen Seite vorbei. Manchmal zähle ich meine Schritte bis ich endlich auf das nächste Haus stoße und meine Handytaschenlampe ausschalten kann, denn dort wurden nicht mal mehr Laternen aufgestellt.

Einmal musste ich Alma anrufen, weil selbst das Zählen meinen Herzschlag nicht beruhigen konnte und ich mich beobachtet gefühlt habe. Sie hat erst aufgelegt, als ich wohlbehalten vor der Haustür stand.

Heute ist wieder einer dieser Tage. Dauernd bilde ich mir Geräusche ein, die noch lauter sind als das feste Klopfen in meiner Brust, doch sobald ich mich panisch umdrehe und ins Schwarze leuchte, ist es so still, so gespenstisch still, als hätte jemand die Zeit angehalten. Als würde der Wald für einen Augenblick aufhören zu rascheln und der Wind stehen bleiben.

Irgendetwas stimmt nicht.

Hektisch entsperre ich mein Handy, tippe die Nummer meiner Schwester ein und will gerade auf den grünen Hörer drücken, als ich hinter mir ganz eindeutig Schritte höre. Den Atem anhaltend fahre ich herum und kann einen Schrei nicht zurückhalten, als ich den jungen Mann hinter mir erkenne.

Ruckartig mache ich einen Satz zurück, bloß weg von ihm, knicke dabei aber so unglücklich mit dem Knöchel um, dass ich auf der gefrorenen Erde lande.

„Tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldigt er sich, überwindet mit wenigen Schritte die Distanz zwischen uns und hält mir seine Hand hin.

„Schon gut", versuche ich mit fester Stimme zu sagen, doch von ihm aufhelfen lasse ich mir nicht. Das bringt ihn zum Schmunzeln.

„Hast du dir weh getan?", fragt er immer noch lächelnd aber eine Spur besorgter, als er sieht, dass ich versuche, meinen schmerzenden Fuß zu entlasten.

„Nein, alles okay", presse ich knapp hervor.

Er macht mir Angst. Bestimmt ist er anderthalb Köpfe größer als ich, durchschnittlich, vielleicht sogar eher athletisch gebaut und mit klaren, markanten Gesichtszügen. Eine schwarze Mütze verdeckt sein blondes Haar, das hier und da darunter hervor lugt. Ich leuchte ihn immer noch mit meinem Handy an, während er eine Taschenlampe auf mich gerichtet hat.

„Würde es dir was ausmachen, mir nicht direkt ins Gesicht zu leuchten?", fragt er grinsend. Seine Zähne blitzen.

„Ich...ich muss jetzt eh los", nuschele ich, drehe mich umständlich wieder in die richtige Richtung und will los marschieren, aber sowohl mein Knöchel, als auch seine Hand, die plötzlich nach meinem Arm greift, hindern mich daran.

„Lass mich dir helfen", sagt er sanft. „Bitte."

Aber ich denke nicht daran, entziehe ihm mit einem Ruck meinen Arm und humpele los. „Nein", sage ich bestimmt.

Obwohl der Boden unter meinen Füßen knirscht, höre ich sein genervtes Seufzen.

Nicht mehr weit, bald bin ich Zuhause. Nicht mehr weit.

Viel zu weit, viel, viel zu weit, denn keiner bekommt mit, wie der Typ mir plötzlich etwas über den Hinterkopf zieht, dass mir schwindelig wird und meine Knie einknicken. Ich lande wieder im Dreck, kann mich diesmal aber nicht bewegen, weil ich mich darauf konzentrieren muss, nicht ohnmächtig zu werden. Er hat wirklich fest und gezielt zugeschlagen. Wärme breitet sich von dem Punkt, den er getroffen hat, aus. Vor meinen Augen verschwimmt alles.

Sachte greift er mir unter die Arme und hebt mich hoch, ich kann kaum noch die Augen offen halten.

„Wir hätten einfach gemeinsam zu meinem Wagen laufen können, Venus. Jetzt muss ich dich bis dorthin tragen und du verlierst vermutlich gleich das Bewusstsein. Wir hätten es doch viel bequemer haben können." Mein Kopf fällt in den Nacken, langsam verliere ich jegliche Körperspannung und meine Mütze rutscht mir vom Kopf. „Aber du wirst das schon noch lernen. Da bin ich mir sicher. Du bist die richtige, Venus, das weiß ich."

Er hat mich zwei Mal Venus genannt. Die Worte „Ich heiße Stina" bleiben mir auf den Lippen hängen, als ich endgültig ins Nichts abrutsche.

Mein Körper fühlt sich unheimlich schwer an, als ich zu mir komme. Blinzelnd öffne ich die Augen, versuche mich irgendwie zu orientieren. Der Schwindel ist abgeklungen, der Schmerz im Kopf nicht.

Überrascht stelle ich fest, dass ich in einem Bett liege, zugedeckt und auf mehreren weichen Kissen. Vorsichtig bewege ich meine Arme und Beine.

Er hat mich nicht mal gefesselt.

Mühsam richte ich mich auf und lasse meinen Blick durch das große Zimmer schweifen, in dem ich mich befinde. Die Fenster sind von dunklen Vorhängen verdeckt. Nur eine kleine Lampe auf dem Nachttisch neben meinem Bett spendet etwas Licht. Doch bevor ich mich weiter umsehen kann, höre ich das Geräusch einer sich öffnenden Tür und mein Blick schnellt in die Richtung, aus der es kommt.

Es ist wirklich er. Es ist wirklich passiert. Er hat mich wirklich hier her gebracht.

Augenblicklich atme ich schneller ein und aus, schlage die Decke beiseite und stehe auf, wobei ich fast stürze, weil sich ein alarmierender Stich durch meinen Kopf zieht.

Wieder lächelt er als wäre alles völlig normal so wie es ist und schließt die Tür hinter sich, ohne mich aus den Augen zu lassen.

„Du solltest dich wieder hin legen oder zumindest setzen. Wahrscheinlich hast du eine Gehirnerschütterung", empfiehlt er mir, während er gemächlich auf mich zuschlendert. Die Hände hat er hinter seinem Rücken verschränkt und er taxiert mich wie ein Raubtier seine Beute betrachtet.

„Du brauchst keine Angst haben", sagt er sanft, als er genau vor mir steht. Ich weiche einen Schritt zurück, spüre die Matratze in den Kniekehlen und plumpse wieder aufs Bett. Amüsiert hält er meinen Blick fest, setzt sich neben mich, hält dabei aber einen kleinen Abstand. „Ich werde dir nicht weh tun."

„Das hast du schon", schaffe ich es endlich, meine Stimme wieder zu finden.

„Weil du dich nicht an die Regeln gehalten hast. Du wolltest weg laufen, obwohl ich gesagt habe, dass ich dir helfe."

„Von welchen Regeln sprichst du bitte?", fauche ich ihn an, Wut keimt in mir auf.

„Oh, die wirst du noch kennenlernen. Eigentlich sind sie ganz einfach. Benimm dich, entzieh dich mir nicht, widersteh den Versuchungen und dir passiert nichts. Das klingt doch einfach und fair", meint er spöttisch.

„Und mit welchem Recht stellst du diese Bedingungen auf?", frage ich ihn zornig und rutsche ein Stück von ihm weg.

„Sagen wir es so: der Stärkere von uns beiden bin definitiv ich. Also würde ich an deiner Stelle auf mich hören."

Jetzt platzt mir der Kragen! Vielleicht etwas zu schnell springe ich auf, taumele ein Stück, fange mich aber wieder und funkele ihn mit verengten Augen an.

„Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Du kannst mich nicht einfach bewusstlos schlagen und hier her verschleppen. Das ist Körperverletzung und Freiheitsberaubung! Und...und ich habe keine Angst vor dir!"

Er lacht. Ohne jeden Skrupel lacht er.

„Du hast Angst vor mir. Und das im Moment definitiv berechtigterweise, weil du kurz davor bist, die Regeln erneut zu brechen und weil du ein schlaues Mädchen bist, weißt du, was das bedeutet." Er sagt es ganz beiläufig, richtet sich auf, strafft die Schultern und sieht mich abwartend an.

„Überleg dir gut, was du jetzt tust, Venus."

„Ich heiße Stina", schreie ich ihn an, mache auf dem Absatz kehrt und stampfe ungeachtet des leichten Ziehens in meinem Fuß Richtung Tür.

„Ich hab' dich gewarnt", höre ich ihn sagen, doch ich schenke ihm keinen weiteren Blick, bevor ich die Tür aufstoße und den hellen Flur betrete.

„Ehrlich gesagt hätte ich gedacht, dass du zumindest zögerst. Es ist ja irgendwie süß, wie du dich dagegen wehrst, aber das musst du dir abgewöhnen, meine Schöne", rät er mir, doch er hält immer noch Abstand, während ich weiter laufe.

„Komm schon, wenn du jetzt stehen bleibst und zurück in dein Zimmer gehst, überleg ich es mir vielleicht nochmal und bestrafe dich diesmal nicht", bietet er mir an.

„Ach, fahr doch zur Hölle", fluche ich.

„Kleines, das war gerade so nett von mir. Wir hätten wie zwei erwachsene Menschen über die Zukunft sprechen können, aber du machst es mir wirklich nicht leicht."

Ich gelange an eine Treppe, will gerade den ersten Schritt herab machen, als ich plötzlich eine Hand an meinem Rücken spüre.

Ehe ich realisieren kann, was das bedeutet, werde ich schon nach vorne gestoßen. Ich schaffe es nicht, mich am Geländer festzuhalten, sondern pralle mit voller Wucht mit Armen und Brustkorb auf den Stufen auf. Ächzend weicht mir die Luft aus den Lungen, irgendetwas in mir knackt und ich rutsche weiter abwärts. Mit jeder Stufe schwillt der Schmerz in mir an, breitet sich aus und fängt an zu brennen, sodass ich nur noch die Augen schließen und hoffen kann, dass es bald aufhört.

Und das tut es. Sobald ich unten angelangt bin, öffne ich vorsichtig die Augen und rolle mich keuchend auf den Rücken.

„Das musste doch nicht sein", höre ich ihn tadelnd sagen. Mit der Zunge schnalzend kommt er leichtfüßig, die Hände in den Hosentaschen zu mir herab.

Zitternd stütze ich mich mit den Armen hoch, kann aber kaum sitzen, ohne, dass mir die Rippen weh tun.

Er steht nun direkt über mir, blickt auf mich herab und als er sich zu mir hockt, weiche ich automatisch zurück.

„Schsch...schon gut! Das war es schon. Ich tue dir jetzt nicht mehr weh, du hattest deine Bestrafung." Sanft legt er eine Hand auf meinen Oberschenkel, wodurch sich ein unangenehmer Schauer von der Stelle ausgehend über meinen kompletten Körper ausbreitet.

„Ich bringe dich jetzt hoch und dann gebe ich dir was gegen die Schmerzen, was hältst du davon?"

Schweigend starre ich ihn an, flehe ihn mit meinem Blick förmlich an, mich in Ruhe zu lassen und zucke erneut zurück, als er seine Arme nach mir ausstreckt, um mich hoch zu heben.

„Beruhig dich! Es ist alles gut", flüstert er. Und weil es nichts bringt, sich weiter zu wehren, lasse ich es zu, dass er mir in den Rücken und unter die Beine greift, um dann die Treppe mit mir wieder hinauf zu steigen. Dabei gibt er sich alle Mühe, vorsichtig zu sein, doch jetzt, da mein Herzschlag langsam ruhiger wird, werden die Schmerzen noch viel lauter.

In meinem Zimmer lässt er mich behutsam auf dem Bett ab. Mit aller Kraft widerstehe ich dem Verlangen, mich in die Kissen sinken zu lassen und die Augen zu schließen.

Ich will nicht schwach sein.

„Warte kurz", meint er und geht, um nur Momente später mit einer Tablette und einem Glas Wasser wieder zu kommen.

„Du wirst davon vermutlich müde werden, aber Schlaf wird dir gut tun. Wir besprechen dann alles Weitere, wenn du etwas klarer bist", sagt er, hilft mir, mich aufzurichten und legt mir die Tablette in die Handfläche.

„Ich will das nicht", versuche ich es ein letztes Mal, während Tränen in mir aufsteigen.

„Du wirst lernen, es zu wollen, Kleines. Das verspreche ich dir."

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