Zwei

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Komm gerne runter, sobald du dich bereit fühlst.

Der kleine Zettel liegt neben Orangensanft, Müsli und Obst auf einem Tablett neben meinem Bett. Als ich aufgewacht bin, war der Saft noch kalt. Kondenswasser hatte sich am Glas gebildet, das nun eine traurige Pfütze um dessen Fuß formt. Einen Moment hatte ich darüber nachgedachte, alles mitsamt meiner ganzen Wut an die Wand zu feuern, aber das wäre ein Regelbruch, da bin ich mir ziemlich sicher.

Und ich habe Angst vor den Konsequenzen.

Deswegen habe ich es gelassen, das Essen unangerührt angestarrt und den Text in der ordentlichen, schrägen Handschrift immer und immer wieder gelesen.

Sobald ich mich bereit fühle, schreibt er. Wann soll ich mich bitte für das bereit fühlen, was da vor mir liegt? Wann werde ich mich je für seine irren Pläne bereit fühlen?

Ich werde es lernen, hat er gesagt.

Ich will es aber nicht lernen. Ich will nicht lernen, aufzugeben. Ich will mich ihm nicht fügen.

Auch wenn er tatsächlich sehr viel stärker ist als ich, auch wenn er mir mit Leichtigkeit weh tun kann, was er nun zwei Mal bewiesen hat – noch gebe ich nicht auf. Solange ich noch in der Lage bin, weg zu rennen, habe ich nicht verloren.

Am liebsten würde ich ihm komplett aus dem Weg gehen, aber die Tatsache, dass ich irgendwann auch mal auf die Toilette muss, durchkreuzt diese Pläne. Als ich es nicht mehr aushalten kann, stehe ich vorsichtig auf. Sobald ich meinen Oberkörper aufrichte und strecke, fühlt es sich an, als würden sich tausend kleine Nadeln durch meine Knochen bohren. Ich bilde mir sogar ein, ein Knirschen zu hören, als ich vor Schmerz wieder auf das Bett sinke.

Meine Nase und Augen beginnen zu brennen, ich bin kurz davor in Tränen auszubrechen, doch indem ich versuche, tief und ruhig einzuatmen, vergrößert sich der Schmerz in meinen Rippen nur noch mehr und immer weniger Luft erreicht meine Lunge. Schluchzend lege ich eine Hand auf meine Brust und starre auf meine Oberschenkel, in der Hoffnung, dass es von alleine aufhört, aber das tut es nicht.

Es hört nicht auf, weh zu tun.

Und plötzlich ist er da, legt eine Hand auf meinen Rücken und eine an meine Wange, streicht mir die Haare aus dem Gesicht und hebt mein Kinn an. „Hey, ganz ruhig! Beruhig dich, Kleines! Sieh mich an!", fordert er besorgt und hält meinen Blick fest.

„Schon gut, du musst ruhig atmen, dann wird es besser."

„Ich kann nicht", stoße ich hervor und mein Oberkörper bebt, weil ich nicht aufhören kann zu weinen, wodurch die Nadeln mehr und mehr zu Messerstichen werden.

„Doch, du kannst das! Du bist stark! Du hast einen eisernen Willen, das weiß ich! Also kannst du das auch", sagt er.

Woher willst du das wissen?, will ich ihn fragen, aber über meine Lippen kommt nur ein ersticktes Keuchen, weil mir die Luft zum Atmen ausbleibt. Panisch sehe ich ihm genau in die Augen und schüttele mit dem letzten Bisschen Kraft, das ich zusammenkratzen kann, den Kopf.

„Verdammt", murmelt er, hebt mich kurz entschlossen hoch, wodurch mir ein lautloser Schrei entfährt, weil sich das anfühlt, als würde jemand Benzin über das Feuer, das in meinen Rippen brennt, gießen.

„Entschuldige", murmelt er, trägt mich eilig hinaus und bringt mich in ein Badezimmer. Dort setzt er mich vor der Badewanne ab, damit ich mich anlehnen kann und beginnt in mehreren Schränken zu wühlen.

Schwarze Punkte breiten sich über meinem Sichtfeld aus. Erst sind sie ganz klein, doch sie werden rasend schnell größer.

Ich sehe nur noch, wie er sich endlich zu mir umdreht und etwas in der Hand hält. Die Freude über seinen Fund verschwindet augenblicklich aus seinem Gesicht, als die Punkte zu einem schwarzen, lautlosen Meer werden und ich zur Seite kippe.

Diesmal sitzt er an meinem Bett, als ich aufwache. Ich fühle mich als wäre ich in Watte gepackt, abgeschirmt von der Welt. Wie ein Schmetterling in seinem Kokon. Selbst die winzige Bewegung meinen Kopf zur Seite zu drehen, erfordert eine ungeheure Anstrengung. Fast wären mir die Augen wieder zugefallen, hätte ich nicht die Nadel in meinem Arm gesehen, die über einen Schlauch zu einem Infusionsbeutel führt. Eine klare Flüssigkeit tropft geradewegs in meinen Körper.

Was zur Hölle ist das und wo hat er es her?

Er scheint meinen Blick lesen zu können, auch wenn ich nur schockiert die Augen weiten kann. „Ich hab' dir ein starkes Schmerzmittel gegeben, damit sich das von vorhin nicht wiederholt", informiert er mich.

Würde ich mich nicht so schwammig fühlen, würde ich vermutlich ausrasten.

„Wo...woher hast du das?", nuschele ich und kneife die Augen kurz zusammen, weil meine Sicht verschwimmt.

„Aus dem Krankenhaus."

Fragend warte ich auf weitere Erklärungen.

„Ich studiere Medizin."

Er tut was? Wenn er so intelligent ist, müsste er doch wissen, was seine Handlungen für Folgen mit sich bringen, oder nicht? Wahrscheinlich weiß er das ganz genau, immerhin erinnert er mich dauerhaft an die Konsequenzen meiner Taten.

„Du bist überrascht", stellt er lächelnd fest.

Er könnte so attraktiv sein, wenn er nicht so irre wäre. Seine blonden Haare passen zu seinem hellen, typisch nordischen Teint, er hat einen markanten, wie gemalten Kiefer und hellblaue, stechende Augen. Ja, er ist wirklich kein hässlicher Typ. Wahnsinn, wie der Charakter das Bild eines äußerlich gesegneten Menschen verderben kann.

„Hättest nicht gedacht, dass ich klar denken kann, oder?", scherzt er.

Oh doch, das habe ich. Schon allein die Art wie er spricht, zeigt, dass er nicht dumm ist. Intelligent aber verrückt.

„Ich habe mich noch nicht vorgestellt", stellt er fest, weil ich nicht antworte, sondern ihn unentwegt anstarre. Mich auf ihn zu fokussieren, macht es einfacher, sich nicht den Schmerzmitteln zu ergeben und wieder abzugleiten.

„Ich bin Leif. Das erstmal für den Anfang. Wir werden uns noch besser kennenlernen, weil das wichtig ist für unsere Zukunft, aber im Moment glaube ich nicht, dass du dir viel von mir merken könntest, wenn ich es dir erzählen würde."

Für unsere Zukunft.

Mir wird schlecht.

„Alles okay?", fragt er sanft. So wie er sich jetzt gibt, würde man nie denken, dass er Menschen einfach so die Treppe runter stößt, oder ihnen etwas über den Schädel zieht.

Oder sie entführt.

„Du machst dir Sorgen und das verstehe ich. Du musst dich noch an die Situation gewöhnen und das akzeptiere ich." Obwohl ich bis vor ein paar Sekunden nicht mal seinen Namen kannte, weiß ich, dass er mir als nächstes leise, hintergründig drohen wird. „Aber denk dran, dass du meine Geduld nicht ausnutzen solltest."

Weil du mich sonst wieder verletzen wirst, ich weiß.

„Es wird einfacher werden, Venus, das verspreche ich dir. Wenn du aufhörst dich zu wehren und meine Regeln einhälst, wird es einfacher. Für uns beide."

„Ich heiße Stina", murmele ich.

Ein Lächeln huscht über seine Lippen. „Ich muss zugeben, dass mich diese leise Gegenwehr irgendwie reizt. Außerdem bist du im Moment quasi unzurechnungsfähig, deswegen ist das okay. Für den Moment."

Für den Moment, sagt er. Aber nicht für immer.

„Alles Weitere erkläre ich dir, wenn es dir etwas besser geht." Er streckt seine Hand aus und will sie auf meine legen, aber dafür reicht meine Kraft dann noch aus, um sie ihm zu entziehen. Wieder lächelt er. „Du wirst es lernen müssen, wenn das mit uns funktionieren soll. Und bevor du protestierst – es wird funktionieren, also wirst du es lernen. Ich werde dir viele Freiheiten lassen, aber das steht nicht zur Debatte, Venus. Du wirst es lernen."

Ich heiße Stina.

Es dauert schätzungsweise zwei Tage, bis ich wieder halbwegs auf den Beinen bin. Genau weiß ich es nicht, weil ich viel schlafe und die Vorhänge immer noch kein Licht von draußen herein lassen. Leifs Essen rühre ich nicht an, was er genau drei Mal stillschweigend akzeptiert.

Beim vierten Mal dann nicht mehr. „Du musst essen. Ich will nicht, dass du abnimmst oder noch schwächer wirst. Du bist genau so richtig, wie du bist. Zumindest optisch. Den Rest kriegen wir noch hin."

Wütend schnaube ich. „Ich verweigere dein Essen ganz bestimmt nicht, weil ich Komplexe habe."

Seine linke Augenbraue schnellt in die Höhe. „Ich kann dich auch intravenös ernähren. Und falls du vorhast, dir die Nadel aus dem Arm zu reißen, kann ich dich auch fesseln. Wie gesagt – ich lasse dir viele Freiheiten, wenn du dich an die Regeln hältst. Und eine Regel ist, dass du isst und aufhörst, dich so selbstzerstörerisch und kindisch zu verhalten."

Kopfschüttelnd kann ich mir ein freudloses Lachen nicht verkneifen. „Oh ja, ich bin definitiv diejenige, die hier zerstörerisch handelt."

Er verdreht die Augen. „Offensichtlich geht es dir wieder gut genug, dass wir uns jetzt über die Regeln unterhalten können. Nachdem du gegessen hast."

„Ich werde dein scheiß Zeug nicht anrühren", fauche ich ihn an.

Damit ist die Phase der Schonung definitiv beendet, denn innerhalb nicht mal einer Sekunde ist er bei mir, greift grob nach meinem Kiefer und drückt mich gegen die Wand. Sein Gesicht ist mir so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüre. Obwohl es weh tut, halte ich seinem Blick stur stand.

„Vergiss nicht wer du bist und wer ich bin, Venus."

„Ich bin Stina", presse ich hervor, keine Ahnung, wie ich immer noch so aufmüpfig sein kann, aber ich bin nicht seine scheiß Venus.

Die Quittung folgt sofort, indem er meinen Kopf gegen die Wand schmettert. In meinen Ohren klingelt es, kurz verschwimmen seine kalten Augen vor mir, aber ich lasse seinen Blick genau so wenig los wie er meinen.

„Ich bin Stina."

„Es ist einfach, du wirst es sofort verstehen. Das ist das Schöne daran." Er macht eine kunstvolle Pause. Mittlerweile ist wieder genügend Abstand zwischen uns und die Luft ist auch nicht mehr ganz so geladen wie vor ein paar Minuten. Dafür spüre ich bereits die Beule, die an meinem Hinterkopf anschwillt. „Widersteh den Versuchungen. Ich werde dir, wie ich bereits erwähnt habe, viele Freiheiten lassen. Du wirst gar nicht merken, dass du entführt wurdest, weil ich dich nicht so behandeln werde. Solange du dich an die Regeln hältst. Das einzige, was ich dir vorerst nicht erlauben kann, ist, das Haus zu verlassen. Sonst darfst du alles tun, was du möchtest. Sofern du nicht versuchst zu fliehen oder irgendwie auf dich aufmerksam zu machen."

Skeptisch verenge ich die Augen. „Was meinst du mit Versuchungen? Ich nehme mal an, dass du die Tür nicht offen stehen lassen wirst."

Er lächelt schief. „Genau das habe ich vor. Ich werde nicht abschließen, du hast Zugang zu Internet und Telefon und wenn du dir etwas zu essen machen willst, werde ich dir nicht nur stumpfe Plastikmesser zur Verfügung stellen."

Er ist wirklich krank. Irgendwas stimmt nicht mit ihm.

„Aber du solltest wissen, dass jeder einzelne Winkel dieses Hauses mit Kameras ausgestattet ist. Selbst in der Dusche, sogar in der Garage. Zu der und damit auch zu meinem Wagen hast du übrigens freien Zugang. Aber wie gesagt, noch wirst du das Haus nicht verlassen dürfen. Wenn du auch nur versuchen solltest, weg zu laufen oder die Polizei zu rufen, werde ich es wissen."

Der Typ ist komplett übergeschnappt. Was für ein Spiel versucht er mit mir zu spielen?

„Und noch eins: gewöhn dich an den Gedanken, dass ich dir näher kommen werde. Nicht heute, morgen auch noch nicht, aber es wird passieren. Es wird einfacher und angenehmer, wenn du dich nicht wehrst."

Kündigt er gerade an, mich zu vergewaltigen?

„Hast du noch Fragen?"

Sprachlos starre ich ihn an. Doch da fällt mir tatsächlich eine Frage ein, die nicht „Bist du vollkommen bescheuert?" lautet: „Wieso Venus?"

Er verzieht amüsiert den Mund. „Weil du einen neuen Namen für ein neues Leben mit mir brauchst. Und da Venus die Göttin der Begierde und der Versuchung ist, fand ich ihren sehr treffend."

Nach dem Gespräch kündigt Leif an, sich vorerst zurückzuziehen, damit ich „das Ganze wirken lassen kann". Der spinnt total!

„Ich habe übrigens ein paar Sachen für dich besorgt. Einen Teil davon findest du im Bad, den Rest werde ich gleich in deinem Zimmer auspacken, wenn du ein Bad nimmst", weist er mich charmant darauf hin, dass ich stinke. Wobei er damit recht hat. „Vor der Treppe rechts", instruiert er mich.

Im Badezimmer wird mir klar, dass er vermutlich eine ganze Drogerie ausgeraubt haben muss. Er hat wirklich an alles gedacht, was mir erneut Angst macht. Scheinbar plant er wirklich, dass ich länger bleibe.

Dass ich für immer bleibe.

Sogar Schminke hat er gekauft. Beim Blick in den Spiegel über dem Waschbecken sehe ich, dass ich die eigentlich auch bitter nötig hätte, nachdem ich die Reste der alten, verschmierten Wimperntusche abgewaschen habe. Aber er braucht nicht glauben, dass ich mich für ihn hübsch machen werde.

Während ich Wasser in die Wanne lasse und der heiße Dampf sich langsam ausbreitet, schäle ich mich vorsichtig aus meinen Klamotten.

Ich sehe wirklich furchtbar aus. Blaue Flecke überall, ein riesengroßer unter der Brust. Mit zitternden Fingern berühre ich die handflächengroße Stelle, die größtenteils dunkelblau, in kleinen Partien aber auch schon lila wird. Wie ein seltsam geformter Kontinent in den Farben des ganzen Universums.

Zu was wird er noch in der Lage sein? Obwohl ich jetzt schon aussehe wie ein geprügelter Hund, habe ich das Gefühl, dass das gerade mal ein zu belächelnder Anfang war.

Während ich mir die Zähne putze, laufen mir die Tränen die Wangen herab und verschwinden unsichtbar im Abfluss.

Nachdem ich mich zumindest ein bisschen sauberer fühle, rubbele ich meine Haare etwas trocken und betrachte erneut mein Spiegelbild. Augenringe, ziemlich blass um die Nase und man sieht, dass ich geweint habe, obwohl ich meine Haut stundenlang versucht habe, im Wasser aufzuweichen. Unsicher streiche ich mein kinnlanges Haar aus der Stirn, das nun, zugegeben, extrem gut duftet. Leif hat ein sündhaft teures Shampoo und Conditioner gekauft. Ich glaube, ich habe in meinem Leben letzteres noch nie benutzt.

Aber schminken werde ich mich nicht. Ganz sicher nicht.

Wenn ich daran denke, dass ich gleich wieder hier raus muss, breitet sich Übelkeit in mir aus. Wird er im Zimmer auf mich warten? Wird er mich wirklich noch nicht anrühren? Gerade jetzt, da ich nur einen Bademantel trage, den er übrigens auch neu gekauft hat. In meine alten Klamotten will ich nicht wieder rein, die sehen wirklich übel aus.

Erst jetzt wird mir bewusst, dass er mich vermutlich gerade nackt gesehen hat. Er sagte, dass er selbst im Badezimmer Kameras installiert hat. Unsicher sehe ich mich um und obwohl ich es wusste, rutscht mir das Herz in die Hose, als ich eine außerhalb meiner Reichweite an der Decke finde. Ein stummer Beobachter, so klein, dass man ihn übersehen könnte, wenn man nicht darauf achtet. Aber ich habe darauf geachtet.

„Reiß dich zusammen, Stina! Was hättest du tun sollen? Wenn du daran gedacht hättest sie zu verhängen, wäre er bestimmt ins Bad gekommen und wer weiß, ob er dich dann nicht doch sofort...", rede ich mir ein, reibe mir mit den Handflächen übers Gesicht und unterdrücke den Drang, erneut zu weinen. „Jetzt hör auf zu heulen", knurre ich mich selbst an, richte mich auf und straffe die Schultern. Tief durchatmend beruhige ich mich langsam.

Toll, jetzt führe ich auch noch Selbstgespräche. Vermutlich werde ich hier noch genau so verrückt wie Leif.

Gott, Stina, hör auf so zu denken! Du wirst hier nicht bleiben bis du verrottest!

Ein leises Klopfen erschreckt mich so sehr, dass ich zusammenzucke und sofort ein vorwurfsvolles Stechen in der Brust spüre.

„Ist alles in Ordnung?", höre ich ihn gedämpft fragen.

„Frag doch deine Kamera", antworte ich schnippisch.

„Du stehst jetzt eine gefühlte Ewigkeit vor dem Spiegel und wirkst so, als traust du dich nicht raus."

Er beobachtet mich wirklich. Er hat mich wirklich nackt in der Wanne gesehen.

„Ich will mich nicht vor dir anziehen", gebe ich zu. Wahrscheinlich grinst er gerade stumm in sich hinein.

„Musst du auch nicht. Du findest alles in deinen Schränken und ich werde dich dabei alleine lassen. Naja", sagt er und lacht. „fast."

So ein verfluchter Wichser. Zum zweiten Mal weist er mich darauf hin, dass er alles, was ich tue, auf irgendeinem Bildschirm mit verfolgen kann.

„Ich gehe jetzt, du kannst dich also schnell raus schleichen", kündigt er an und dann ist es still. „Der Bademantel steht dir übrigens."

Ein paar Minuten warte ich noch, bis ich vorsichtig die Tür öffne, einen Blick auf den Flur werfe und mich dann zügig zurück in mein Zimmer stehle.

Leif hat nicht nur Kosmetika und Klamotten gekauft, sondern auch Bücher, einen Fernseher und einigen anderen Kram, mit dem er mir suggerieren will, wie nett und normal die Situation ist.

Die scheiß Glotze würde ich am liebsten vor Wut aus dem Fenster schmeißen, aber wer weiß, wie lange ich hier noch bleibe. Vielleicht werde ich ihn ja wirklich mal benutzen. Außerdem fände Leif das sicher nicht so lustig. Er würde zwar lächeln, während er mir die nächsten Knochen bricht, aber er würde sie mir definitiv brechen.

Sogar einen Schreibtisch und einen Laptop hat er mir hin gestellt.

Und mein Handy. Mein eigenes Handy. Er hat es auf mein Kopfkissen gelegt. Einen Augenblick starre ich es von der Tür aus ungläubig an.

Ob es funktionstüchtig ist? Hat er das ernst gemeint vorhin, als er sagte, ich könne Telefon und Internet benutzen?

Meine Finger kribbeln, als ich langsam auf das Bett zu laufe.

Es ist voll aufgeladen, aber ich habe weder Empfang noch verpasste Anrufe oder Nachrichten, die ich definitiv haben müsste.

So sehr vertraut er mir also doch noch nicht. Vielleicht müsste ich mich dafür erst beweisen. Leif sagte auch, dass ich vorerst nicht das Haus verlassen dürfe.

Aber was ist sein Ziel? Worauf läuft das alles hinaus? Wenn er mich vögeln will, wieso tut er es dann nicht sofort? Körperlich ist er mir in jedem Fall überlegen, egal ob jetzt oder später.

Vielleicht will er wirklich so etwas wie eine Beziehung mit mir aufbauen. Eine gestörte, vollkommen asymmetrische Beziehung, aber das kann er sicher erfolgreich ignorieren. Immerhin konnte er mich ja auch ohne Probleme entführen.

Er will, dass du es auch zu ignorieren lernst. Dass du vergisst, wer du bist und wie du her gekommen bist. Oder dass du es zumindest akzeptierst.

Wahrscheinlich redet er sich sogar ein, ich könnte ihn irgendwann mögen, wenn er mich nur lange genug weich klopft, so wahnsinnig wie er ist.

Mal wieder wird mir übel allein durch meine Gedankengänge. So übel, dass ich auf den Boden sinke, mich mit dem Rücken an die Wand lehne und die Augen schließen muss.

Beruhig dich, Stina. Es wird alles gut! Jetzt erneut zu hyperventilieren, hilft dir auch nicht weiter.

Dass Leif ins Zimmer gekommen ist, kriege ich erst dann mit, als er plötzlich eine Hand auf meine Schulter legt. „Ruhig atmen! Durch die Nase ein, durch den Mund wieder aus...so ist gut."

Es hilft nichts, die Augen geschlossen zu lassen, denn meine Tränen sickern auch so hindurch.

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