Zayn-Schwindende Zuversicht

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Seit Tagen lasse ich jetzt schon die Chemo über mich ergehen. Es geht mir immer schlechter damit und ich bin kurz davor, alles abzubrechen. Ich habe einfach keine Kraft mehr. Nach jeder Infusion muss ich mich übergeben, kann kaum etwas essen, auch schlafen kann ich nicht wirklich. Außerdem vermisse ich Liam jede Sekunde mehr. Ich bekomme jeden Morgen ein paar Nachrichten von ihm und jede macht mich trauriger. Er hört sich verzweifelt an und ich frage mich, warum sich die anderen Jungs nicht um ihn kümmern. Sie müssen doch merken, wie schlecht es Liam geht. Ein paar der Sachen, die er mir geschrieben hat, klingen wirr und ergeben keinen Sinn. Ich bin versucht, ihm zu antworten, aber dann müsste ich ihm erklären, was los ist und das kann ich nicht.

Seufzend stecke ich meine Kopfhörer in die Ohren, drehe die Musik laut und versuche, damit die Gedanken zu übertönen, die sich in meinem Kopf breit machen. Ich darf jetzt nicht dauernd an Liam oder die Band denken. Meine Gesundheit ist wichtiger als alles andere und ich weiß nicht, wie lange ich noch durchhalte. Sollte ich erfahren, dass ich keine Chance habe, werde ich sie kontaktieren und mich von ihnen verabschieden. Den ganzen Tag dämmere ich vor mich hin, versuche, mich ein wenig zu erholen. Morgen bekomme ich die letzte Infusion, dann darf ich für zwei Wochen nach Hause.

In zehn Tagen steht eine Untersuchung an, die zeigen wird, ob die Therapie angeschlagen hat. Was wird, wenn das nicht der Fall ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich weiß zwar, dass die Option besteht, den Tumor operativ zu entfernen. Doch das Risiko gehen die Ärzte erst ein, wenn alle anderen Mittel versagt haben. Unter halb geschlossenen Lidern sehe ich, dass die Tür aufgeht und meine Mutter kommt mit meinen Schwestern herein. Ich werde umarmt, geküsst und festgehalten. Es tut so gut, mich anlehnen zu können.

"Schön, dass ihr da seid", sage ich gerührt und spüre Tränen in meinen Augen brennen.

Sie erzählen mir, was sie alles gemacht haben und lenken mich damit ein wenig von meinem Zustand ab. Da ich schnell erschöpft bin, halten sie sich nicht lange auf. Eine halbe Stunde später verabschieden sie sich schon wieder. Mama schickt meine Schwestern raus, damit sie kurz mit mir alleine reden kann. Sanft streicht sie mir durch die Haare und zieht irritiert die Hand zurück. Meine Augen folgen der Handbewegung und was ich sehe, schnürt mir die Luft ab. Zwischen Mamas Fingern befindet sich ein Büschel meiner Haare. Nicht genug, dass ich körperlich und seelisch eh schon am Ende bin, nein, jetzt fallen mir auch noch die Haare aus.

"Kannst du mich bitte alleine lassen?", frage ich mit letzter Kraft.

"Natürlich, aber ich muss dir trotzdem noch etwas sagen."

"Was denn?"

"Liam hat angerufen. Er klang richtig verzweifelt und hat geweint. Denkst du nicht, du solltest mit ihm reden?"

"Ich kann nicht. Er soll mich auf keinen Fall so sehen."

"Ach, Zayn."

Mama nimmt mich in den Arm, sagt aber nichts mehr. Es wäre eh zwecklos. Ich werde meine Meinung nicht ändern, auch wenn sie mich noch so sehr darum bittet. Als ob sich Liam noch für mich interessieren würde, wenn er mich jetzt sehen würde. Abgemagert, bald ohne Haare und komplett am Boden. Nein, die Schmach erspare ich mir. Wenn ich nicht mit ihm rede oder ihn sehe, kann er auch nicht Schluss machen. Daran halte ich fest und bitte ihn ihm Stillen um Verzeihung. Nachdem Mama mich nochmal fest umarmt und auf die Stirn geküsst hat, lässt sie mich allein.

Ich möchte weinen und schreien, aber kein Laut kommt über meine Lippen. Da ich gerade keine Infusion bekomme, kann ich aufstehen. Langsam schleppe ich mich in das kleine Bad, stelle mich vor den Spiegel und schaue mich an. Rote Augen, schwarze Ringe darunter, eingefallene Wangen, zerzauste Haare. Mit den Händen fahre ich hinein und ziehe ein paar Büschel heraus. Wie im Rausch reiße ich daran, leises Wimmern entkommt mir. Ich war doch immer so stolz auf meine schwarzen Haare und jetzt verliere ich sie. Ich kann nicht aufhören an den verbleibenden Strähnen zu ziehen, dabei laufen nun doch die Tränen. Erst als ich völlig erschöpft zu Boden sinke, höre ich auf. Wie lange ich auf dem kalten Boden liege, weine und schluchze, weiß ich nicht. Eine sanfte Hand auf der Schulter holt mich zurück in die Wirklichkeit.

"Komm, ich helfe dir ins Bett."

Stephanie hat mich gefunden, ihre leise Stimme durchdringt den Nebel in meinem Hirn. Sie hilft mir hoch, schwer lehne ich an ihr. Im Schneckentempo gehen wir zum Bett und ich sinke erschöpft auf die Matratze.

"Brauchst du ein leichtes Beruhigungsmittel?"

"Lieber ein starkes", krächze ich.

"Das verträgt sich nicht mit der Chemo, sorry."

"Schon gut, dann nehme ich eben das leichte Mittel. Hauptsache ich kann mal für ein paar Stunden vergessen, was los ist. Ich kann nicht mehr, ich kann einfach nicht mehr."

"Nur noch eine Infusion, Zayn. Danach kannst du dich ausruhen und ein wenig erholen. Gib jetzt nicht auf, du bist stark und schaffst das. Ich bin gleich wieder da." Minuten später kommt sie zurück, injiziert mir das Medikament und schaut mich besorgt an. "Versuch zu schlafen, dein Körper muss sich erholen."

Ich spüre, wie ich ruhiger werde, die Gedanken drehen sich nicht mehr wie verrückt und ich lasse mich in den Schlaf gleiten. Tatsächlich fühle ich mich ausgeruht, als ich nach drei Stunden aufwache. Vorsichtig strecke ich mich und horche in mich hinein. Keine Übelkeit, keine Kopfschmerzen und auch sonst keine Beschwerden. Das ist seltsam, weil ich seit Tagen nur aus Schmerzen bestanden habe. Ich trinke einen Schluck Saft, setze mich auf und reibe mir die Augen. Leises Klopfen an der Tür, dann kommt der Arzt herein.

"Ich sehe du bist wach. Konntest du dich ein bisschen ausruhen?"

"Ja, ich fühle mich etwas besser als die letzten Tage."

"Das ist gut. Nur nicht aufgeben."

Er misst meinen Blutdruck und den Puls, leuchtet mir in die Augen und hört die Lunge ab. Zufrieden nickt er und will sich schon verabschieden, aber ich halte ihn auf.

"Was ist mit meinen Haaren? Wachsen die irgendwann wann wieder nach?" Oh Gott, ich klinge so unsicher, als wäre ich ein kleines Kind.

"Selbstverständlich wachsen die wieder nach, aber es wird eine Weile dauern. Sobald dein Körper sich komplett erholt hat, setzt das Haarwachstum wieder ein."

Das erleichtert mich und gibt mir ein Stück Hoffnung zurück. "Danke Doc."

"Ruh dich noch etwas aus, bevor es Essen gibt und versuch auch etwas davon zu essen. Du brauchst deine ganze Kraft."

"Ich werde es versuchen, auch wenn ich kaum Hunger habe."

"Das ist leider eine Nebenwirkung der Chemo, aber auch das wird besser. Wir sehen uns morgen, schönen Abend."

"Schönen Abend, bis morgen."

Ich zwinge mich abends zum Essen und schaffe es, ein paar Löffel Griesbrei und ein Stück Banane zu mir zu nehmen. Zum ersten Mal seit fast einer Woche muss ich mich nicht übergeben und das fühlt sich richtig gut an. Die Nachtschwester bringt mir ein Schlafmittel und ich lasse mich davon einlullen. Tief und traumlos schlafe ich, bis am Morgen die Putzfrau hereinkommt und das Licht einschaltet.

"Guten Morgen", begrüße ich sie und setze mich auf.

"Guten Morgen", antwortet sie freundlich und wischt das Zimmer.

Kurz darauf gibt es Frühstück und auch jetzt zwinge ich mich dazu, etwas zu essen. Mir ist klar geworden, dass ich mich nicht hängen lassen darf, wenn ich zu den Jungs zurückkehren möchte. Eine junge Schwester holt das Tablett ab, spritzt mir das Mittel gegen die Übelkeit und sagt mir, dass der Arzt gleich da sein wird. Wenige Minuten später kommt er herein, in der Hand den vorerst letzten Beutel mit der Infusion. Ich schlucke schwer, meine Finger krallen sich in die Bettdecke.

"Guten Morgen, Zayn. Bereit für die letzte Chemo?"

"Nicht wirklich, aber machen Sie nur", sage ich und strecke ihm den Arm hin.

Während das Medikament in meinen Körper läuft, lenke ich mich mit einem Spiel auf dem Handy ab. Ich habe das Gefühl, als würde ich es heute besser verkraften. Zwei Stunden später ist es vorbei und ich schließe die Augen, um ein wenig zu schlafen. Eine Nacht muss ich noch im Krankenhaus bleiben, dann darf ich nach Hause. Stumm bete ich, dass bei der Nachuntersuchung ein gutes Ergebnis heraus kommt. Das Klingeln meines Handys weckt mich und ich taste verschlafen danach.

"Hallo Mama, schön das du anrufst."

"Hallo Schatz, wie geht es dir heute?"

"Ganz gut. Kommst du mich morgen früh abholen?"

"Natürlich hole ich dich ab. Ruh dich aus, wir sehen uns morgen. Ich liebe dich, Schatz."

"Ich liebe dich auch, Mama."

Gähnend kuschle ich mich erneut in die Decke, drehe mich auf die Seite und seufze leise. Ich bin froh, wenn ich hier raus komme und mich von meiner Familie umsorgen lassen kann. Mama wird sich bestimmt gut um mich kümmern und mich aufpäppeln. Ohne meine Familie wüsste ich nicht, was ich machen sollte. Sie sind in dieser schweren Zeit mein einziger Halt.

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