Die Vasixaras (Teil 1)

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Sioda stürzte zu einer Kiste, die neben der Stiege zu den Kajüten angeschraubt war. Er öffnete sie, griff sich den erstbesten Sack aus Pholatrova-Leder und mit den wichtigsten Werkzeugen eines Schatzsuchers ausgestattet war. Danach schloss er die Truhe, warf sich den einen Riemen des Sackes über die Schulter und hechtete zur Reling, um sich von dort in die Tiefe zu stürzen. Er schwamm so schnell, dass er die Strömungen des verdrängten Wassers kaum an seiner Haut spürte, wenn er es mit den Armen von sich wegdrückte, um vorwärtszukommen. Seine Beinmuskeln brannten nach kurzer Zeit, weil er so fest strampelte, wie er nur konnte. Seine Umgebung glitt an ihm vorbei, ohne, dass er sie bewusst wahrnahm. Ihm fiel gerade mal auf, wie es immer dunkler wurde und bald konnte er nicht einmal mehr die Hand vor Augen sehen. Zum Glück waren sein Gehör und Geruchssinn umso besser ausgeprägt, weshalb er sich ganz auf diese verließ.

Lorcans Geruch zog nach links. Er passte seinen Kurs an, wäre fast gegen einen Stalagmit geschwommen. Im letzten Moment wich der Niom aus. Vielleicht sollte er doch zur besseren Orientierung einen Gesang anstimmen. Dann könnte ihn vermutlich auch Lorcan hören und wusste, dass er auf dem Weg war. Aber was, wenn er von irgendeinem Tier oder Seeungeheuer bedroht wurde? Dieses würde durch seinen Gesang sicher auch auf ihn aufmerksam.

Sioda hielt inne und überlegte kurz. Er spielte mit einem Hautfetzen, der von seiner Unterlippe abstand. Aber sollte wirklich ein Ungetüm Lorcan bedrohen, könnte sein Gesang es ablenken und wenn er dadurch selbst in Gefahr geriet, war es ihm egal. Alles war besser als blind durch die Dunkelheit zu irren und so vielleicht zu spät zu Lorcans Rettung zu kommen. Sioda setzte sich wieder in Bewegung, hielt seine Nase in die Strömung. Ja, er war auf der richtigen Fährte. Lorcans penetranter Duft wurde stärker. Er räusperte sich kurz und begann zu singen. Sein Tempo erhöhte er auf seine vorherige Geschwindigkeit. Durch sein kurzes Zögern hatte er bereits wertvolle Zeit verloren.

Ah, rechts vor ihm war ein Hindernis. Er wich nach links aus. Jetzt kam er in eine Art Schacht und seine schiefe Stimme hallte von allen Seiten wider. Sioda widerstand dem Drang, sich die Ohren zuzuhalten und sang etwas leiser. Der Schacht, oder was auch immer es war, wurde enger und obwohl er aufpasste, schrammten seine Knie immer wieder an der steinernen Unterfläche entlang. Kurz fragte Sioda sich, ob er überhaupt immer noch richtig war, doch Lorcans Duft raubte ihm schon fast den Atem und beantwortete so seine Frage.

Aber beunruhigte ihn auch. Der Kapitän hatte Angst. Diese Schärfe würde er überall erkennen. Sein Herz zog sich zusammen und sein Magen krampfte. Ihm kam es so vor, als würde er nicht vom Fleck kommen. Wie lange müsste er denn noch schwimmen, bis er Lorcan erreichte? Ob es schon zu spät war?

Sioda lauschte, ob er irgendwelche Geräusche hörte, die Aufschluss über die Situation seines Freu... Lorcans gaben. Nichts. Er hörte mit seinem eigenen Gesang auf und lauschte noch einmal. Ganz schwach vernahm er einen Singsang. Hierher. Sioda verdrehte die Augen. Er liebte diese ausführliche Wegbeschreibung. Dennoch strampelte er fester mit den Beinen, um schneller voranzukommen.

Der Schacht machte plötzlich eine Biegung nach unten und öffnete sich weit zu einer Höhle. Als hätte er eine Tür aufgestoßen, die die übrigen Geräusche gedämpft hatte, drangen Schaben und Krachen, als würde etwas Großes mit einem Niom ringen und der Gesang fast schmerzhaft an seine Ohren. Mit einem Mal verstummte allerdings der Gesang, während die Kampfgeräusche um ein Würgen erweitert wurden. Siodas Herz setzte einen Schlag aus, um mit doppelter Geschwindigkeit seine Arbeit wieder aufzunehmen.

Er konnte immer noch nichts sehen, während er weiter hinabtauchte, doch im Wasser lag der Geruch von Angst und etwas, dass er nicht besser als mit „Gefahr" bezeichnen konnte. Sioda wandte sich nach rechts und kniff im nächsten Moment geblendet die Augen zusammen. Helle Blitze glühten auf der Innenhaut seiner Lider nach, während er auf das Licht zuschwamm.

Der Niom kannte nur ein Wesen, das so ein Licht abgab, ehe es seine Beute verspeiste. Bevorzugt in einem Stück. Die Vasixaras war ein längliches Seeungeheuer, das seiner Beute auflauerte, sie mit Zuckungen seines Schwanzes anlockte, sie dann blitzschnell umschlang, blendete und durch Zusammenpressen der Muskeln seines schlangenartigen Körpers seine Beute erdrückte.

Da Sioda gerade das Aufblitzen des Lichts gesehen hatte, bedeutete es, dass Lorcan nicht mehr viel Zeit blieb. Er stieß sich mit kräftigen Zügen weiter voran. Vorsichtig blinzelte er zuerst das eine Auge auf, dann das andere. Nun konnte er ein wenig von seiner Umgebung erkennen. Doch Sioda bemerkte nur Lorcan, der verzweifelt versuchte, sich aus der Umklammerung des Ungeheuers zu befreien. Mit zusammengekniffenen Augen kratzte und fuchtelte der Kapitän mit den Armen, doch seine Nägel glitten nutzlos über die schuppige Haut der Vasixaras, deren mächtiges Haupt mit der Blendangel und dem riesigen Maul, das sie weit aufgerissen hatte, über Lorcan aufragte.

Sioda dachte nicht nach, sondern stieß einen Schrei aus und schoss vorwärts. Er biss das Ungetüm, krallte sich an dem harten Schuppenkleid fest. In solchen Momenten wünschte er sich, die nadelspitzen Zähne seiner Mutter, der Ophira. Die würden mehr ausrichten.

Die Vasixaras reagierte kaum darauf. Er spürte, wie sie ihre Muskeln immer weiter anspannte, den Druck um Lorcans Hals und Brust verstärkte. Der Niom öffnete verzweifelt den Mund in einem letzten Versuch, Luft aus dem Wasser durch seine Kiemen zu filtern. Doch Sioda sah bereits, wie seine Bewegungen an Kraft verloren und sein Gesicht leicht bläulich anlief. Seine Haare waberten in einem losen Chaos offen um seinen Kopf und die Augenklappe war verrutscht. Sioda ließ von der Vasixaras ab, die ihn immer noch nicht zu bemerkt haben schien.  Er musste etwas tun! Und zwar schnell. Wenn ihm nur eine Schwachstelle einfiele, die diese Viecher hatten. Eine einzige ...

Der Kopf des Monsters schnellte nach hinten, die Blendangel schwenkte nach hinten. Plötzlich wusste Sioda was zu tun war. Er wartete kurz ab, schoss dann genau in dem Moment hoch, als die Blendangel knapp über ihm baumelte und klammerte sich daran fest. Er bohrte seine scharfen Fingerschuppen ganz tief in die weiche, schleimige Haut. Die Vasixaras brüllte auf, löste ihre Todesumklammerung, um sich um den neuen Angreifer- das neue Opfer- zu schlingen.

Ach, Quallenquark! Das hätte er kommen sehen müssen. Zumindest war Lorcan befreit und am Leben. Sioda wollte zu dem anderen Niom schauen, doch die Vasixaras, die versuchte ihn durch Nicken zu erwischen, verhinderte das. Ihm wurde flau im Magen und er biss die Zähne zusammen. So ein Rodeo war er nicht gewöhnt, das war viel schlimmer als ein Unterwassersturm oder ein starker Strom. Seine Füße schabten über die spitzen Zähne. Seine Fußsohlen wurden aufgeritzt und er stöhnte auf. Das brachte ihn auf eine Idee. Eine dumme Idee. Eine extrem dumme, aber was Besseres fiel ihm nicht ein.

Sioda zog die Beine an, setzte seine Füße so an den Schaft der Blendangel, dass sie knapp unterhalb der fleischlichen Blendkugel Halt fanden. Er streckte den Kopf weg, dass seine Augen nicht mehr direkt in das Licht schauen mussten. Helle und schwarze Punkte tanzten vor seinem inneren Auge, doch er ließ sich nicht beirren und schlug seine Finger nochmal extra tief in das glitschige Fleisch. Es schmatzte und eine glibberige Flüssigkeit floss über seine Hände. Die Vasixaras brüllte erneut auf und schnappte nach der Leuchtangel. Das war der Moment, auf den er gewartet hatte. Als das Ungetüm sein Maul wieder aufriss, um den Störenfried endgültig zu verschlingen, spannte Sioda seine Beinmuskeln an. Der Gestank nach verwesendem Fisch und vermoderndem Unkraut drohte ihm fast, die Sinne zu rauben, doch er hielt die Kiemen geschlossen. Im letzten Moment sprang er ab, krallte sich an dem aufgestellten Hauptschuppenkranz fest, den die Vasixaras nur bei Angriffen aufstellten. Das Ungetüm registrierte nicht schnell genug, dass seine Beute nicht mehr an der Blendangel hing. Unbarmherzig schlossen sich die scharfen Zähne schon darum und tauchte die Höhle erneut in Dunkelheit.

Doch das hielt die Kreatur nicht lange auf. Sioda musste schnell handeln. Immer noch geblendet und nun dazu wieder in der völligen Finsternis, kramte er mit der einen Hand in seinem mitgebrachten Sack nach etwas Spitzem und Langem, das stark genug war durch Schuppenhaut zu dringen. Mit der anderen hielt er sich an dem Schuppenkranz fest, während er seine Beine fest an den Hals der Bestie presste, um nicht runterzufallen. Er hörte, wie Fleisch und Knochen zermalmt wurden. Als das Ungeheuer erneut sein Maul aufriss, drang erneut der Gestank zu Sioda, nur mischte sich nun der Geruch von Blut dazu. Der Niom schluckte mehrmals gegen seine Übelkeit an.

Die Vasixaras buckelte nun noch heftiger als zuvor. Ihr massiger Körper rammte Wände und brachte die gesamte Höhle zum Beben. Das Wasser wirbelte um sie herum in wilden Wirbeln. Sioda hörte Steine splittern und polternde Grollen von stürzendem Geröll, doch er verscheuchte jeden Gedanken an Lorcan oder die Einsturzgefahr aus seinem Kopf. Er musste sich darauf konzentrieren, die Vasixaras unschädlich zu machen. Endlich zog er den gesuchten Gegenstand, eine Spitzhacke, hervor und hob es über seinen Kopf. In dem Moment rammte die Vasixaras erneut eine Höhlenwand, quetschte eines von Siodas Beinen zwischen ihrem Körper und dem Stein ein. Er schrie auf.

Seine Hand schnellte instinktiv zu seinem Bein, doch dadurch lockerte sich sein Griff um die Spitzhacke. Sie rutschte aus seinen Fingern und blitzschnell griff er danach, jonglierte sie hin und her, bis er sie im letzten Moment doch noch fangen konnte. Sioda hob sie hoch, tastete mit der anderen Hand nach der weichen Stelle unter dem Schuppenkamm und stach die Hacke dort hinein.

Das war die empfindlichste Stelle und gleichzeitig die, die am gefährlichsten zu erreichen war, weil sie nur erreichbar war, wenn die Vasixaras den Schuppenkamm aufstellte. Und das tat sie nur in Angriffssituationen.

Beinahe sofort sackte die Kreatur in sich zusammen wie ein Sack nasser Wäsche und Sioda purzelte von ihr herunter. Fast schmerzhaft presste sich das Wasser aus seinen Kiemen, als er verzweifelt die Luft einsog. Sein Brustkorb hob und senkte sich in einem schnellen Rhythmus. Sioda zwinkerte ein paar Mal, um diese lästigen Lichtpunkte zu vertreiben. Dort wo sein Bein eingequetscht worden war, pochte es unangenehm und er war sich sicher, dass er nicht nur blaue Flecken zu beklagen haben würde. Hoffentlich hatte er keine offenen Wunden. Er tastete es ab, spürte aber nichts Ungewöhnliches. Die bedeuteten fast immer den Tod. Lorcan hatte damals mit seinem Auge Glück gehabt.

Lorcan!

Sioda setze sich auf, rappelte sich auf die Füße und schaute sich in der Finsternis der Höhle um. Vorsichtig stieß er einen kurzen Schrei aus, um anhand des Echos abzuschätzen, wo sich der Körper des Nioms befand. Und vielleicht, so hoffte Sioda, war er bei Bewusstsein und würde ihm antworten. Lorcans aufdringlicher Duft, der sich mit dem sauren Stechen der Angst vermischt hatte, waberte wie ein Film in der gesamten Höhle. Aber doch, leicht links vor Sioda war er am stärksten Der Niom schwamm darauf zu, ignorierte dabei das Ziehen in seinem Bein. Der Kapitän war jetzt wichtiger.

Er kniete sich hin und tastete den Boden ab, bis er etwas Weiches fühlte. Seine Hand wanderte weiter und bald spürte er Lorcans Gesicht. Das kühle Leder seiner Augenklappe, seine struppigen Haare. Dass sie sich genauso ungezähmt anfühlten, wie sie an jenem Abend vor all der Zeit ausgesehen hatten, entlockte Sioda trotz der Gefahr, der sie gerade entronnen waren, ein Lächeln auf die Lippen. Ein Löwenfisch, in der Tat.

Der Bart des Schatzsuchers kratzte leicht, als Sioda darüberfuhr und mit einem Finger über die Lippen wanderte. Unglaublich weich und so verführerisch lecker ... Sioda fuhr sich mit der Zunge über seine eigenen und schalt sich im nächsten Moment. Du sitzt hier in einer vermutlich einsturzgefährdeten Höhle mit einem Seeungheuer, das du getötet hast und begrapscht einen bewusstlosen Niom, den du nicht einmal magst.

Ruckartig zog er seinen Finger zurück, legte sie aber kurzerhand wieder auf Lorcan. Genau genommen, auf seine Kiemen, um zu überprüfen, ob sie arbeiteten. Ganz schwach klappten sie auf und zu. Sioda stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus.

Jetzt musste er ihn nur noch rausschaffen.

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