Wie Lorcan zu seiner Augenklappe kam (Teil 2)

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Die Vasixaraterne spendete erstaunlich viel Licht, obwohl sie selbst nur blass schimmerte. Nur das ständige Umhertanzen bei seinen Vorwärtsstößen machte es schwieriger, den Weg vor ihnen wirklich zu erkennen, denn jedes Mal, wenn sie zurückschwang hüllte sich der Gang vor ihnen in Dunkelheit. Das Wenige, das er sah, unterschied sich nicht großartig von anderen Höhlen: Stein, abgebröckelte, scharfe Kanten an den Wänden, Geröllbrocken am Boden. Stalaktiten und Stalagmiten machten den Gang zu einem Labyrinth von Hoch und Nieder. Gelegentlich zweigten schmale Gassen ab, die in noch dunkleres Gewässer führte. Selbst das Licht seiner Baumellaterne konnte diese nicht erhellen. Je tiefer sie hineindrangen, desto kühler wurde es und Lorcan bewegte unablässig seine Zehen, um sie aufzuwärmen. Töne wurden vollständig verschluckt, dass selbst sein sensibles Gehör nichts vernehmen konnte.

Lorcan drehte sich nicht zu seinen Gefährten um, doch er wusste, dass sie immer noch hinter ihm waren. Gelegentlich spürte er Arianwens Finger seine Füße streifen, wenn sie mal wieder zu nah schwamm und er roch Sioda. Sein Geruch umgab den Kapitän auf jeder Seite, verteilte sich in dem schmalen Gang und vermischte sich mit der schneidenden Kälte, die zwar kein Geruch war, aber mittlerweile so penetrant, dass sie fast alle anderen Gerüche überdeckte. Fast. Ab und zu erschnupperte er zusätzlich etwas Süßlich-Feuchtes, das ihn an verdorbenes Fleisch erinnerte. Doch war es immer viel zu kurz, als dass Lorcan dem viel Beachtung beimaß. Hier unten war sicher schon Vieles gestorben.

Endlich öffnete sich der schmale, düstere Gang in eine weitläufige Höhle, die durch Löcher in der Decke sogar Licht von der Oberfläche bekam. Obwohl es nun heller war, stellten sich Lorcan die Nackenschuppen auf. Im Wasser lag Gefahr, das spürte er. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Mit einem kräftigen Tritt schwamm er über die zwei Felsen, die diesen Eingang zur Höhle blockierten. Er zwängte sich durch den Spalt, der gerade breit genug für ihn war und schwebte schließlich mitten in der Höhle.

Lorcan stemmte die Hände in die Hüften und nahm die Höhle in sich auf. Von seinem Standpunkt aus sah er vier weiter Eingänge, die ähnlich schmal waren wie der, aus dem sich Sioda gerade hervorzwängte. Arianwen schwamm schon in der Höhle umher und inspizierte ein Moosbett auf einem Steinriff genauer. Sioda kam zu ihm und an der Art, wie seine Finger nervös an seiner Lippe zupften, während seine Augen Arianwen gar nicht mehr losließen, merkte Lorcan seine Sorge. Behutsam legte er eine Hand auf die Schulter des Halbnioms. Dieser zuckte zusammen und für einen kurzen Moment flackerte Siodas Blick zu ihm, um sich sofort wieder an seine Schwester zu heften.

„Beruhige deine Gewässer. Ihr passiert nichts", versuchte Lorcan ihn zu besänftigen. Sie waren nun schon auf einigen Schatzsuchen gewesen und obwohl Sioda Arianwen gegenüber oft den Beschützer raushängen ließ, auch wenn sie die eindeutig nicht brauchte, hielt er sich meist mit seiner Sorge zurück. Was war jetzt anders?

Als hätte der Halbniom seine Gedanken gelesen, pfiff er: „Riechst du es nicht?"

Der Kapitän hob den Kopf und schnupperte. Ihm fiel nichts Ungewöhnliches auf und er schüttelte den Kopf. Sioda rümpfte die Nase. „Es riecht, als wäre etwas gestorben und würde nun verderben. Wie kannst du das nicht riechen? Es stinkt bis zum Wassergrund!"

Lorcan öffnete den Mund und Wasser strömte hinein. Er schmeckte nach und tatsächlich: Kaum befand sich das Wasser in seinem Mund, schmeckte er den süßlich-fauligen Geruch, den er zuvor schon wahrgenommen hatte. Nur war er dieses Mal stärker und der Geschmack von frischem Blut hatte sich dazu gemischt. Korallenkacke! Von wegen ‚das war alt'. Lorcans und Siodas Köpfe schnellten in die Höhe und sie blickten sich hektisch um. Sie hatten denselben Gedanken. Arianwen! Doch die die Niomfe schwamm seelenruhig auf einen der Höhleneingänge zu, drehte sich aber zu ihnen und blickte sie auffordernd an. Als keiner der beiden reagierte, machte sie kehrt und kam auf sie zu.

„Was ist? Ihr seht aus, als hättet ihr Tote gesehen."

„Nicht gesehen, aber gerochen", erwiderte Sioda und beäugte seine Schwester, als würde er hinterfragen, ob er den einzigen mit intakten Geschmacksporen war.

„Das wollte ich gerade untersuchen. Dort ist es am stärksten", pfiff Arianwen gelassen.

Sioda riss die Augen auf und stürzte vor, um Arianwen an den Schultern zu fassen und durchzuschütteln. Auch Lorcan starrte sie an, obwohl er mehr das Prickeln des Abenteuers und eine grimmige Bewunderung für den Munt der Niomfe empfand als Sorge. Hoffentlich sah Sioda das seinem Gesicht nicht an.

Was denkst du dir dabei, alleine wohin zu schwimmen, wo es nach Blut und Verwesung riecht?"

„Ich bin ja nicht allein geschwommen, sondern bin zurückgekommen. Jetzt können wir es gemeinsam untersuchen." Sie klimperte mit den Wimpern und lächelte Sioda unschuldig an. Lorcan unterdrückte ein Lachen.

„Gem-." Die Spannung von Siodas Lippen versagten und er presste stattdessen nur eine Faust gegen seinen Mund. Seine Augen waren weit aufgerissen und einzelne rote Äderchen traten hervor. Das sah nicht gesund aus. Hoffentlich würde er nicht platzen. Was das überhaupt möglich?

Im nächsten Moment Moment schluchzte Sioda und kniff die Augen zusammen. Er wandte sich kurz ab, seine Schultern hoben und senkten sich stark. Lorcans Finger zuckten. Er hätte Sioda gerne getröstet. Stattdessen wandte er sich ab und stellte sich neben Arianwen. Stumm hielt er die flache Hand hin und nachdem sie ihm einen Seitenblick zugeworfen und dann zu Sioda riskiert hatte, schlug sie ein. Sioda sah immer noch nicht zu ihnen, stattdessen rieb er sich jetzt mit dem Ärmel über die Augen und schniefte. Lorcan hüpfte: „Du bist wirklich eine Wandernde Sucherin." Er zwinkerte und Arianwen grinste ihn mit roten Wangen und einem breiten Lächeln an. 

Schließlich drehte sich Sioda wieder zu ihnen, die Ränder um seine Augen waren gerötet und die Lider leicht geschwollen.

„Folgen wir dem Gestank", wies er an. Sein Pfeifen klang schwach, als hätte er sich dem Unausweichlichen ergeben.

Zu dritt schwammen sie zu dem Eingang, aus dem der Geruch drang. Sioda streckte die Zunge kurz raus und nickte dann. Das war der richtige Gang. Zwei spitze Felsen versperrten den Zugang zur Höhle so, dass nur ein schmaler Spalt für sie zum Durchquetschen blieb. Lorcan machte den Anfang, weil er der Kapitän war und immer noch die baumelnde Vasixaraterne trug. Arianwen folgte ihm und die Nachhut bildete Sioda.

Je tiefer sie in den Gang vordrangen, desto stärker wurde der Gestank. Lorcan musste sich nun nicht mehr anstrengen, ihn wahrzunehmen. Viel eher konzentrierte er sich, um sich nicht zu übergeben. Sein Frühstück stieß ihm auf und er bereute so früh überhaupt etwas gegessen zu haben. Leichtfüßig sprang er ab und glitt über einen Felsbrocken, der ihm den Weg versperrte, um sich gleich zu ducken und unter der tiefhängen Decke durch zu tauchen. Dieser Tunnel schrie förmlich „Ich bin so unwegsam, weil ich einen großen Schatz verstecke". Zumindest, wenn er es positiv betrachtete, doch seit er Sioda kannte, hörte er immer ein nervendes Pfeifen, das vom Schlimmsten ausging. Auch jetzt dröhnte es in seinen Ohren: „Ich bin so unwegsam, weil ich in einer Sackgasse und Todesfalle ende."

Mit solchen Gedanken machte die Schatzsuche keinen Spaß. Anstatt des freudig flatternden Herzklopfens pochte es nun unangenehm in unregelmäßigem Rhythmus gegen seine Brust. Die Rückenschuppen stellten sich auf und seine Finger wurden klamm. Vehement schüttelte Lorcan den Kopf und sog in ein paar kontrollierten Zügen Wasser durch seinen Mund ein. Er übergab sich fast, aber sein Herzschlag beruhigte sich wieder. Er würde sich definitiv nicht die Freude an der Suche nach der Steintafel vermiesen lassen, nur weil es ein wenig nach Blut und Verwesung müffelte. Ganz sicher nicht!

Ein schrilles Kreischen, das seltsam verwaschen klang, drang als Echo von allen Seiten auf ihn zu. Doch da der Geruch vor ihm am stärksten war und der Gang nur geradeaus führte, vermutete er das, was auch immer das Geräusch ausgestoßen hatte, auch dort lauerte. Etwas zupfte an seinem Mantel und Lorcan hielt inne. Arianwen blickte zu ihm auf und Sorge schimmerte in ihren Augen. Sioda blickte an ihrer Schulter vorbei und wo seine Schwester leicht beunruhigt aussah, wurde er vor Furcht zerfressen. Falten zerfurchten die Stirn des Halbnioms und seine Lippe zitterte.

„Bist du sicher, dass wir das hin wollen?", pfiff Sioda und Lorcan unterdrückte ein Augenrollen.

„Dort ist die Steintafel, ganz sicher."

„Und was macht dich da so sicher?"

Lorcan überlegte kurz und zuckte dann die Schultern. Er drehte sich um und wollte weiterschwimmen, doch Arianwen hielt ihn zurück. Sie hatte seinen Mantel immer noch nicht ausgelassen.

„Das ist selbst für dich ziemlich waghalsig."

Lorcan schnaubte und tätschelte beiden Geschwistern den Kopf, dass er bei Sioda mehr streichelte, war natürlich Humbug.

„Ich weiß. Darum weiter!"

Erneut wandte er sich um und diesmal hielt ihn Arianwen nicht zurück. Sie setzten ihren Weg fort.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro