6. Kapitel

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Den ganzen nächsten Zyklus musste Brud in Soras Bau bleiben. Er durfte nur zum Beutehaufen gehen, um sich etwas zu essen zu holen, aber zum Heulfelsen aufzubrechen war ihm verboten. Schließlich könnte er hinfallen und die Wunde erneut aufbrechen. Während dieser Zeit übernahmen abwechselnd Anam und Roc persönlich seine Pflichten. Tila besuchte ihn nur selten, was nur verständlich war. Sie durfte keine Aufmerksamkeit erregen.

»Heute ist ein Zyklus um«, begrüßte Brud Sora, als sie am Morgen von Jani zurückkehrte. Die Wölfin hatte endlich ihre Welpen bekommen. Drei Stück, denen sie die Namen Jun, Meja und Rato gegeben hatte. Jedoch war Rato leicht kränklich und um einiges schwächer als seine Geschwister, weswegen Sora jeden Morgen und Abend nach ihm sehen musste. Auch Tokun besuchte seine Gefährtin und Welpen fast täglich. Insgeheim wünschte Brud sich, er könnte Tila irgendwann auch so besuchen.

»Das ist richtig«, antwortete die Seherin und leckte sich mit der Zunge über die Lefzen. »Und ich nehme an, ich kann dich nicht einen Tag länger hier behalten.«

»Auf keinen Fall!« Brud stand auf und schüttelte sein struppiges Fell. »Ich möchte endlich wieder nach draußen. Ich werde das ganze Territorium ablaufen und den Wind in meinem Pelz spüren!«

»Dann geh«, meinte Sora nach einem kurzen Blick auf seine Narbe, die unter dem neuen Fell kaum mehr zu sehen war. »Und vergiss nicht, dem Urwolf deinen Dank zu schicken.«

»Danke!« Endlich!

Brud sauste aus dem Bau der Seherin hinaus, überquerte die Lichtung und tauchte direkt in den Wald ein. Hinter sich meinte er den verwunderten Ruf seiner Schwester zu hören, aber er ignorierte sie. Seine Pfoten trommelten über die Erde, sprangen über Wurzeln. Äste krallten sich in seinem Pelz fest, aber er rannte weiter, bis der Wald sich lichtete und er zum Berghang kam. Die Felsen, die seinem Rudel den Namen gegeben hatten, glitzerten silbern im Licht der aufgehenden Sonne.

Endlich wieder frei! Tila, heute Nacht werden wir wieder zusammen sein können! Die ganze Zeit über hatte er sich nach ihr gesehnt wie eine Motte nach dem Licht, aber ihre Besuche waren nur sehr selten und kurz gewesen. Manchmal hatten sie auch gar nicht miteinander geredet, sondern Tila hatte Sora etwas gefragt. Einmal auch, was sie tun musste, um gesunde Welpen zu bekommen. Wahrscheinlich hatte Roc ihr aufgetragen, sich bei Sora danach zu erkundigen. Bei dem Gedanken daran stieg wieder Wut und Enttäuschung in Brud auf und er rannte schneller.

Den Großteil des Tages durchstreifte er das Territorium. Einmal nahm er den Geruch von Anam und Tokun wahr, die anscheinend vor Kurzem hier vorbei gekommen waren, aber er sah sie nicht. Zwischen den Sträuchern in der Nähe des Baches, wo die Mütter oft hingingen, um ihre Welpen zu bekommen, erlegte er einen Hasen, den er zur Hälfte auffraß. Die andere Hälfte nahm er mit zum Heulfelsen, wo er auf die Abenddämmerung wartete.

Als die Sonne den Horizont berührte, erhoben die Heuler der vier Rudel ihre Stimmen. Brud hörte ihnen jedoch nicht zu. Er war sogar etwas frustriert darüber, dass Amra so lange brauchte, um von Iyashi zu berichten, der den Husten eines Hetzers geheilt hatte. Letztendlich stellte sich heraus, dass sie die Mutter des jungen Sehers des Waldmoosrudels war.

Brud riss sich zusammen und fasste sich so kurz wie möglich. Die anderen Heuler gratulierten ihm zu seiner Genesung und besangen noch eine Weile den Urwolf. Brud selbst stimmte nicht mit ein. Sein Blick richtete sich auf den Waldrand und er stieß ein leises Jaulen aus. Das Signal. Hoffnungsvoll starrte er in die Dunkelheit und hätte beinahe laut gebellt, als Tilas hellgraue Gestalt zwischen den Bäumen auftauchte. Als sie ihn sah, beschleunigten sich ihre Schritte, bis sie den Hang hinauf rannte.

»Endlich«, flüsterte sie, während sie ihre Nase in seinem Fell vergrub. »Weißt du, wie schlimm es war, dich leiden zu sehen und nichts tun zu können?«

»Es tut mir leid«, murmelte er zurück und leckte ihr tröstend über das Ohr.

»Bitte pass besser auf dich auf.«

»Werde ich.« Brud stupste den halben Hasen an, den er ihr übrig gelassen hatte. »Für dich.«

Tila leckte ihm dankbar über das Schulterfell und setzte sich hin, um den Hasen zu fressen. Das Blut färbte das Fell um ihre Schnauze herum leicht rot. Brud ließ sich neben ihr nieder und überlegte, wie er ihr das vorschlagen sollte, worüber er in Soras Bau die ganze Zeit gegrübelt hatte. Sie schien zu merken, dass ihm etwas auf der Seele lag und schaute zu ihm auf. Ihre Ohren zuckten.

»Ist alles in Ordnung, Brud? Was ist los? Du wirkst so nachdenklich.«

»Es ist nur...« Er zögerte kurz, fand nicht die richtigen Worte. »Ich liebe dich«, platzte es schließlich aus ihm heraus.

Tila brummte belustigt und stupste ihn an. »Das weiß ich doch. Genauso sehr wie ich dich liebe.«

»Aber wir werden nie zusammen sein können, wenn... wenn nichts passiert.«

Sofort verdunkelten sich Tilas Augen. »Wir haben doch schon besprochen, dass du keine Chance gegen Roc hast. Du darfst ihn nicht herausfordern, wenn dir dein Leben lieb ist. Bitte tu mir das nicht an.«

»Ich weiß. Das ist es nicht, was ich meine.« Er holte tief Luft. »Bei der Hirschjagd mit dem Waldmoosrudel habe ich Keet und Ami das Leben gerettet. Sie haben gesagt, dass sie mir einen Wunsch erfüllen werden, sollte ich einen haben. Ich könnte mir wünschen, dass sie uns bei sich im Rudel aufnehmen.«

Tila riss erschrocken die Augen auf. »Weißt du, wie gefährlich das ist? Das können wir unmöglich machen!«

»Warum nicht?«, beharrte Brud. »Keet hat mir sein Wort gegeben. Er wird es nicht brechen. Er ist ein guter Rudelführer. Das wissen alle.«

»Denkst du, Roc wird mich einfach so gehen lassen?« Tila schob die abgenagten Knochen des Hasen weg, sodass sie den Heulfelsen hinunter fielen. »Er wird uns verfolgen. Und wenn er herausfindet, dass wir uns im Waldmoosrudel verstecken, wird er Keet auffordern, uns zurück zu schicken. Und das wird er sicher tun. Denn wenn er es nicht tut, bedeutet das Krieg.«

»Aber... Keet ist niemand, der andere Wölfe einfach so in den Tod schickt.«

»Weißt du nicht, wie Keet Rudelführer geworden ist?«, fragte Tila. »Er hat den vorherigen getötet, weil er meinte, er wäre stärker. Alle respektieren ihn. Aber viele haben auch Ehrfurcht vor ihm. Er ist nicht dumm. Wenn er die Wahl hat, entweder sein Rudel in Gefahr zu bringen oder zwei Flüchtige dem Tod auszuliefern, wird er eher letzteres tun.«

Brud sah sie zweifelnd an, musste ihrem Blick aber schließlich ausweichen. Sie hat recht. Es war naiv von mir zu glauben, dieser Plan würde klappen...

»Aber was sollen wir dann tun?«, fragte er und konnte die Verzweiflung in seiner Stimme nicht unterdrücken. »Ich möchte nicht, dass Roc dich weiterhin zu etwas drängt, was du nicht möchtest. Oder dich sogar zwingt...«

»Zwingen wird er mich nicht!«, unterbrach Tila ihn barsch. »Ich bin nicht wehrlos und das weißt du auch.«

Brud knirschte mit den Zähnen. Schwieg.

»Ich weiß genauso wenig wie du, was wir tun können«, meinte sie schließlich.

Wir könnten dem Pfad meines Vaters folgen, dachte Brud und erschrak selbst über diesen Gedanken. Jeder von uns tötet einen Wolf. Wir werden einzeln verstoßen und finden uns dann in der Verbannung zusammen. Aber wie werden wir dann leben? Ganz ohne Rudel. Alleine. Mit Wolfsblut an unseren Zähnen.

Mit hängenden Schultern legte er sich neben Tila und spürte die Wärme ihres Fells dicht an seinem. So blieben sie bis es Zeit wurde, sich zu trennen. Brud glaubte, die Sonne bald hassen zu müssen, wenn sie seine Zeit mit Tila weiterhin verkürzte. Urwolf, verschlinge den Tag, dachte er. Mach, dass eine ewige Nacht herrscht.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro