Moospfote

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Moospfote blinzelte.

Die warmen Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach weit über ihr brachen, ließen die Insekten wie goldene Fünkchen tanzen. Vögel begannen langsam ihre Lieder wieder aufzunehmen. Ihre bunt schillernden Stimmchen hallten durch den Wald und ließen beinahe vergessen, welcher Schrecken noch Augenblicke zuvor den Wald heimgesucht hatte.

Zufrieden schloss sie die Augen und genoss das warme Prickeln auf ihrem Bauch. Das Moos unter ihr war herrlich weich. So weiches Moos hatte sie bisher noch nirgendwo im Wald gefunden. Es schien, als wäre der Boden aus reinem, flauschigen, duftenden Moos, hunderte Lagen übereinander, sodass sich Moospfotes Rücken tief in das saftige Grün schmiegte, ohne jeglichen Widerstand zu spüren.

Bienen summten an den Wänden des Erdlochs, das über und über mit Schlingpflanzen, Farnen, Moosen und Blumen bewachsen war. Schmetterlinge schwirrten hin und her, als könnten sie sich nicht entscheiden, welcher Nektar ihnen am besten schmeckte. Ihre bunten Flügel bildeten ein regenbogenfarbenes Spektakel und Moospfote folgte ihm träge.

Sie atmete tief ein, in der Erwartung, von herrlich frischer Waldluft erfüllt zu werden, doch ein saurer Gestank mischte sich unter den Duft des Waldes. Sie rümpfte die Nase und rollte sich zur Seite.

Der junge Wolf hatte ihr den Rücken zugedreht.

"Oh mann, du stinkst wirklich, weißt du das?", murmelte sie schläfrig und richtete sich auf. Sie streckte ihre vom langen Dösen schon ganz steife Beine und trottete zu dem weiß schwarzen Jungtier.

Moospfote beugte sich über ihn und musste missmutig feststellen, dass er immer noch bewusstlos war.  Seine Augäpfel zuckten unruhig hinter den geschlossenen Lidern.

Hat er einen Albtraum?

Moospfote setzte sich und legte den Kopf schief. Sie lag hier schon seit Sonnenhoch und bald würde die Abenddämmerung einsetzen. Warum wachte er nicht auf?

Sorgenvoll beugte sie sich vor und schnüffelte an dem wunderschön gezeichneten Fell des Wolfes. Es roch nach Blut. Moospfote seufzte frustriert und ließ ihren langen Schwanz unruhig durch das Moos gleiten. Sie hatte ihn schon direkt nach seinem Sturz untersucht, konnte in dem dichten Fell aber keine Verletzungen finden. Zuerst hatte sie vermutet, dass der Blutgeruch noch von den anderen Wölfen des Rudels stammte, doch Moospfote hatte nun keine Zweifel mehr. Noch immer konnte sie Blut riechen und wenn sie ihre Nase in das weiche Fell des Tieres steckte, dann wurde er so stark, dass ihr übel wurde.

"Was mach ich nur mit dir?", sprach sie ihre Gedanken laut aus und bemitleidete sich selbst, wie verloren sie klang.

Sie hätte eigentlich schon längst nach ihren Clankameraden sehen und ihnen beim Vertreiben der großen Wölfe helfen sollen. Es war glasklar, dass sie danach die Katzen zu dem gefangenen Jungtier führen hätte sollen und zusammen hätten sie dann auch ihn verjagt. Einfach. Ganz einfach. Das war das einzig richtige.

Und doch saß sie jetzt hier neben ihm. Hatte ihre Clankameraden zurück zum Lager gehen hören. Hatte sie nicht eingeholt und ihnen nicht von diesem Jungtier erzählt. Wahrscheinlich machten sie sich schon Sorgen, wo sie blieb.

"Aaaaa Mäusedung!", fluchte sie und warf dem kaum atmenden Wolf vor ihr böse Blicke zu. "Warum helfe ich dir überhaupt?", knurrte sie und fragte sich das wohl schon zum zehnten Mal. Irgendetwas hielt sie ab, ihn an ihren Clan zu verraten. Doch sie wusste beim besten Willen nicht was.

Bevor sie vor Frustration noch das herrliche Moos ausrupfen konnte, beschloss Moospfote kurzerhand zu jagen. Wenn sie ihn schon nicht heilen konnte, dann konnte sie dem sichtlich abgemagerten Tier wenigstens eine warme Mahlzeit beschaffen. Vielleicht weckte ihn der Beutegeruch. Und mit gefülltem Magen heilte es sich sicher auch besser!

Also warf sie dem zusammengesunkenen Fellhaufen noch einen bedauernden Blick zu, flüsterte "Ich bin gleich wieder da" und hangelte sich an den Schlingpflanzen nach oben. Sie rammte ihre Krallen in den dichten Pflanzenbewuchs, sammelte Kraft in ihren Hinterläufen und stieß sich dann ab, um mit einem gewaltigen Satz aus dem Erdloch zu springen. Elegant landete sie zwischen den Wurzeln des Baumes.

So. Was fressen Wölfe denn am liebsten? Mäuse? Vögel?

Während Moospfote eilig lostrabte, wurde ihr klar, dass diese riesigen Wölfe wohl etwas größere Beute bevorzugten, anstatt kleinen Vöglein hinterher zu springen. Freudige Erregung machte sich in ihr breit, als ihr etwas einfiel.

Sie hatte am Morgen, als sie den Uhu gefangen hatte, seltsame Spuren jenseits der Waldgrenze entdeckt. Das war die optimale Gelegenheit, diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, denn so konnte sie sich gleichzeitig vergewissern, ob die Wölfe sich auch wirklich hinter der Grenze niedergelassen hatten.

Sie rannte los. Die lange Pause hatte ihrem Körper gut getan. Neue Energie jagte durch ihre Muskeln und sie fühlte sich kräftiger und stärker denn je. Sie ließ ihre Sprünge immer länger werden, streckte ihre Beine, als würde sie über Schluchten und nicht über kleine Baumstämme springen. Ihr langer Schweif war mittlerweile fast so lang wie ihr restlicher Körper und machte es ihr möglich, selbst die ungelenkigsten Bewegungen auszugleichen. Ihre großen Pfoten, die sie am Anfang so verabscheut hatte, stellten sich als echter Gewinn heraus: Ihr schwerer Körper konnte sein Gewicht dadurch deutlich gleichmäßiger auf dem Waldboden verteilen, sodass die Beute sie nie kommen hörte, obwohl sich ein solch großer Körper durch das Dickicht schob.

Sie spürte, wie der Boden allmählich feuchter wurde und die Sonne nicht mehr durch das dichte Blätterdach dringen konnte. Die Luft roch nach Moder und Pilzen. Moospfote konnte verstehen, warum die MoorClan-Krieger die Grenze schon wenige Katzensprünge vor ihr gezogen hatten. Als sie die Duftmarken überschritt, kam sie sich wie ein Eindringling vor. Sie duckte sich tiefer und stellte die Ohren auf. Ab hier musste sie vorsichtig sein. Der penetrante Geruch der Wölfe und ihres Blutes hing immer noch schwer unter den Baumkronen, haftete an jedem Grashalm, an jedem Strauch, den Moospfote passierte.

Ihr Herz schlug schnell und regelmäßig. Sie konzentrierte sich, ruhig zu atmen.

Keine Angst. Sie sind schwach. Sie werden dich nicht angreifen... beruhigte sie sich selbst und setzte bedacht eine Pfote nach der anderen auf den finsteren, dicht bewachsenen Waldboden. Das Dickicht raschelte. Moospfote zuckte zusammen und kauerte sich nieder. Doch da bemerkte sie, dass dieser Teil des Waldes genauso belebt war, wie das MoorClan-Territorium. Er war zwar düsterer und roch etwas vermodert, das hinderte dennoch die vielen kleinen Beutetiere nicht daran, unbekümmert durch das Unterholz zu streichen. Das Rufen eines Spechtes klang durch den Wald und wurde von einem hölzernen Klopfen eines anderen abgelöst.

Moospfote entspannte sich wieder und schloss ihre Augen. Mit einem langen Atemzug nahm sie die zahlreichen Düfte auf, die die Waldluft anfüllten.

Specht. Der Duft ihrer Lieblingsspeise umgab sie. In diesem Teil des Waldes schien es nur so von ihnen zu wimmeln, sie hörte die Flügelschläge und ihr Kratzen an den Baumrinden der umliegenden Bäume.

Maus. Das leise Trippeln und Scharren der Nager konnte sie in ihren Ballen spüren. Das Unterholz war voll von ihnen. Eine buddelte ahnungslos eine Katzenlänge vor ihr, doch das war ihr zu einfach. Und sie wollte mit etwas Eindrucksvollerem zum Wolf zurückkehren.

Dachs.  Ihre Ohren zuckten unruhig. Nachtschatten hatte ihr von den katzengroßen Tieren erzählt. Sie waren reizbar und aggressiv, doch ihr Fell legte sich wieder etwas, als sie erkannte, dass der Geruch schal war. Wahrscheinlich hatte der Dachs seinen Bau tief im Wald, weit weg von der Grenze angelegt und war hier nur vorbei gekommen.

Plötzlich erschmeckte sie einen neuen Geruch auf ihrer Zunge. Er war kräftig und schmeckte nach Erde. Erde, Schlamm und Würmern. Nussig. Wild und borstig. 

Sie schlug die Augen auf und folgte mit weit geöffnetem Mund der Duftspur, die sie tiefer in den Wald hineinführte. Sie musste einigen toten Bäumen ausweichen und das eine oder andere Mal über bemooste Felsen klettern, doch nach kurzer Zeit wurde der Duft immer stärker. Es konnte nicht mehr weit sein! Eilig umrundete sie einen Erdhügel voller Farne. Abrupt blieb sie stehen, ihr Herz machte einen kleinen Satz.

Was... was ist das?

So ein seltsames Tier hatte Moospfote noch nie gesehen. Es war doppelt so groß wie eine Katze, hatte dichtes graues Fell und eine seltsam geformte Nasenspitze. Zwei große, flauschige Ohren bewegten sich im Takt des wühlendes Kopfes, der genüsslich im Schlamm bohrte, als gäbe es nichts leckeres als nassen Dreck.

Moospfote streckte vor Ekel die Zunge raus. Das große Tier rammte seinen Kopf gegen einen tief im Schlamm steckenden, kleinen Baumstamm und Schlammbatzen flogen in alle Richtungen. Ein Haufen Maden kam unter dem weggestoßenen Holz zum Vorschein.

Irrrg... Das will das Ding doch jetzt nicht fressen!

Mit lauten Grunzgeräuschen machte sich das Tier über die Maden her.

Das reichte Moospfote. Sie wollte diesem widerlichen Geschlabber nicht länger zusehen. Mit einem kampflustigen Knurren sprang sie aus dem Dickicht hervor und jagte über den schlammigen Boden auf das Wesen zu. Moospfote war zuversichtlich. Sie war fast gleich groß und deutlich schneller als ihre Beute. Sie würde keine Chance haben zu entkommen.

Mit großen Sprüngen trugen ihre Beine sie auf das Tier zu.

Das Tier, das anscheinend überhaupt gar nicht vorhatte, zu fliehen. Es hob nur den Kopf. Von den riesigen Hauern, die aus dem Maul ragten, tropfte Schlamm. Dann senkte es seinen Kopf und rannte auf Moospfote zu.

Oh verfuchst.

Ihre Gedanken rasten. Damit hatte sie nicht gerechnet. Blitzschnell observierte sie das Tier, schätze Masse, Gewicht und Reaktionsgeschwindigkeit.

Ich schaffe das.

Ohne abzubremsen hielt sie auf das entgegen donnernde Tier zu. Einen Herzschlag bevor die gefährlichen Hauer des Tieres ihre Brust zertrümmert hätten, katapultierte sie sich aus dem Schlamm, fuhr die Krallen aus und landete mit allen vieren auf dem Rücken des Tieres. Schmerz fuhr in ihre Ballen. Das Fell war alles andere als weich. Es war borstig und stachelig.

Abrupt kam der große Vierbeiner zum Stehen und hätte Moospfote beinahe abgeworfen. Verärgert jaulend presste sie sich fester an den Leib und schlug ihre Zähne in die graue Schwanzwurzel. Ein tiefes Grunzen war die Antwort. Plötzlich hob sich das Hinterteil des Tieres immer und immer wieder. Ihr Kiefer schlug schmerzhaft gegen ihre Zähne und je länger es mit den Hinterbeinen ausschlug, desto mehr rutschte sie an der Seite des borstigen Tieres ab.

Na warte, so leicht wirst du mich nicht los.

Das Tier warf sich wild hin und her. Immer wieder musste Moospfote ihre Krallen aufs Neue in das dicke Fell schlagen, um nicht den Halt zu verlieren. Was sie vorhatte, war riskant, landete sie daneben, war sie den rasenden Hufen und den knochenharten Eckzähnen ihres Widersachers ausgeliefert und würde sich schwere Verletzungen zuziehen. Sie zögerte. Nur für einen Herzschlag. Dann drückte sie sich ab, vollführte eine Drehung in der Luft und landete mit voller Wucht auf dem dicken Kopf ihrer Beute.

Mit einem triumphierenden Knurren jagte sie ihr die Krallen in die panisch geweiteten Augen.

Das Tier stieß ein gequältes Quieken aus und stürmte vorwärts. Moospfote kämpfte, um sich auf dem ziellos rasenden Wesen zu halten - was nicht einfach war mit all dem rutschigen Schlamm auf dem Fell - als seine Flucht in einem Baumstamm ein plötzliches Ende fand. In hohem Bogen wurde Moospfote durch die Luft geschleudert und landete in einer riesigen Pfütze Schlamm.

Sofort prustete sie den Dreck aus ihrer Nase, schüttelte die Ohren frei und sprang zu dem noch benommenen Riesending. Der große Kopf wiegte langsam hin und her, die vier borstigen Stummelbeine ausgestreckt zuckte der große Körper, die Hinterbeine fuhren in Zeitlupe durch den Schlamm.

"Oh nein, du stehst nicht mehr auf", schnurrte sie stolz, sprang einmal über den haarigen Rücken und drückte den großen Kopf mit der Pfote zur Seite, um an die Halsschlagader zu gelangen. Als sie ihre Zähne durch die lederne Haut stieß und saftiges Blut ihre Zunge benetzte, durchströmte sie eine gewaltige Welle des Triumphs. Sie hatte es geschafft! Sie hatte ein Tier erlegt, das größer als sie selbst war!

Wenige Herzschläge lang röchelte das Tier, ein lang gezogenes Quietschen und das schwache Strampeln der Hufe waren die letzten Zeichen des Überlebenskampfes, dann half Moospfote mit ihren Pfoten nach und zerfetzte den Hals, sodass dickes, dunkles Blut in Strömen durch die Borsten schwappte und den schlammigen Boden rötlich färbte.

Kurzerhand ließ Moospfote das sterbende Tier zurück und machte sie daran, die umliegenden Bäume auf den Geruch der verletzten Wölfe zu untersuchen.

Sie musste einfach wissen, wo sie sich niedergelassen hatten. Sie musste ihren Clan in Sicherheit wissen! Außerdem ließ sie der Gedanke an die riesige Felswand nicht mehr los. Sie versperrte den Wölfen den Weg und war es dann nicht eine Frage der Zeit, bis sie den Weg zurück in das MoorClan-Territorium wagten?

Schon bald fand sie die Spur der Wölfe wieder. Ein Fellbüschel an einer Dornenranke zitterte leicht im schwachen Wind. Moospfote sog den Duft ein und glitt weiter, verfolgte den kräftigen Duft durch den Wald. Kurz wurde er schwächer, als sie einen kleinen Bach überqueren musste, doch es kostete sie nur ein paar Herzschläge, um ihn auf der anderen Seite wieder aufzunehmen. Ganz versunken in ihrer Verfolgungsjagd trugen ihre kräftigen Beine sie durch das finstere Pflanzendickicht, sie brauchte sich nicht einmal anzustrengen, denn die Verletzungen der Wölfe waren so stark, dass der Blutgeruch wie ein roter Faden in der Luft hing. Moospfote brauchte ihm nur zu folgen.

Das eintönige Traben und die Sicherheit ihrer Bewegungen ließen sie entspannt die Lider senken. Langsam schweiften ihre Gedanken ab und sie fragte sich, was aus dem HeideClan-Schüler geworden war.

Hat er sicher zurückgefunden?

Noch immer bedauerte sie ihre harsche Reaktion. Der verletzte Blick des Katers schwebte ihr immer noch vor Augen.

Dabei wollte er nur helfen ... Ich sollte mich bei ihm entschuldigen!

Das konnte sie allerdings nur, wenn sie auf die große Versammlung durfte, fiel ihr ein. Sie war letztes Mal richtig frustriert gewesen, als Krummpelz ihr fast schon grinsend verkündet hatte, dass sie nicht mit durfte, "da du ja schon letztes Mal dabei warst". Ihre Nase kräuselte sich, als sie sich an seine hämischen Worte zurückerinnerte. Zum xten Mal fragte sie sich, was der zweite Anführer wohl gegen sie hatte. War er wirklich so engstirnig, dass er sie allein aufgrund ihres Aussehens verurteilte?  Das konnte und wollte sie nicht glauben.

Plötzlich dröhnte direkt über ihr das Klopfen eines Spechtes und riss sie aus den Gedanken. Eilig prüfte sie die Luft, um ihren Kurs zu überprüfen.

Entsetzt blieb sie stehen. Sie hatte die Spur verloren!

Vor ihr ragte die Felswand auf. Groß und breit und hoch jagte das Felsgestein in den Himmel. Eine undurchdringliche Mauer, so weit das Auge reichte.

Wo sind sie hin?

Verzweifelt prüfte Moospfote erneut die Luft, doch sie konnte die Wölfe kaum noch riechen. Sie waren genau hier gewesen. Doch sobald sich Moospfote in die eine oder andere Richtung entlang der Felswand bewegte, verflog der Geruch schneller, als sie 'Maus' sagen konnte.

Nervös fuhr sie mit ihrer Zunge über ihre Schnauze. Ihre Blicke flogen hin und her und sie drehte sich einige Male um die eigene Achse, doch es war aussichtslos. Die Wölfe waren spurlos verschwunden. Genau an dieser Stelle.

Kalter Schweiß rann ihr durch den Pelz.

Was sollte sie nun ihrem Clan sagen? Dass die Wölfe plötzlich Fliegen gelernt hatten? Das war die einzige halbwegs logische Erklärung, die ihr verzweifeltes Gehirn gerade zu Stande bringen konnte.

Ein, zwei Herzschläge blieb sie noch ratlos stehen, dann machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte zurück. Egal was hier passiert war, Rauchwind musste davon erfahren!

Moospfote keuchte vor Anstrengung, als sie endlich wieder bei dem toten Riesending ankam. Oder...

was davon noch übrig war.

Moospfotes Herz setzte für einen Moment aus.

Die Hälfte des Tieres fehlte. War brutal weggerissen worden. Kopf, Hauer, Schultern, Vorderbeine. Einfach weg.

Moospfote fing an, unkontrolliert zu zittern.

Mit eingezogenem Schwanz und angelegten Ohren kroch sie näher. Sie musste einen lauten Aufschrei unterdrücken, als sie die riesigen Spuren sah, die der Räuber hinterlassen hatte. Dunkel und tief schimmerten sie aus dem blutigen Schlamm hervor. Riesige Krallen.

Moospfotes Herz pochte dumpf und hart gegen ihre Rippen. Sie schnappte nach Luft, als müsste sie ertrinken.

Das war ihr zu viel. Sie drehte durch. Panik jagte wie eine gewaltige Welle durch sie hindurch.

Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, packte sie das verbliebene Hinterteil ihrer Beute und begann zu rennen.

So schnell, wie es der immer noch riesige Fleischhaufen eben zu ließ.

Alles in ihr schrie, ihre Beute los zulassen und zu fliehen, doch ihre Zähne führten ein Eigenleben und dachten nicht einmal daran, ihre einzigartige Trophäe zurück zu lassen.

Sie kam quälend langsam voran. Ihr eigener Angstgeruch brannte bitter in ihren Nasenflügeln, die sich vor Anstrengung blähten. Prustend und schnaufend zog sie und zog sie. Ihre Schultern schmerzten unter der Last und ihr Maul war schon ganz taub, doch verbissen klammerte sie sich an das Fleisch, als könnte es sie schützen.

Komm schon! knurrte sie wimmernd  in sich hinein. Schneller, schneller, schneller!

Jedes Rascheln, jede Bewegung im Schatten jagte ihr heißen Schrecken durch die Glieder. Sie fühlte sich umzingelt. Bedroht und in Gefahr. Je länger sie sich weiterkämpfte, desto sicherer war sie sich, nicht entkommen zu können.

Es wird mich holen! Es wird mich fressen, wie meine Beute! Ich will noch nicht sterben!

Plötzlich verlor sie den Halt unter ihren Pfoten.

Und fiel.

"Aaaaa!!"

Blob.

Leicht federnd kam sie auf allen vieren auf. Das noch blutige, halbe Beutestück landete mit einem dumpfen Wumms neben ihr im Moos.

Verdattert blinzelte Moospfote.

Vor ihr stand ein Wolf. Eisblaue Augen starrten sie an.

Moospfote sah sich kurz um und realisierte, dass sie wieder in das Erdloch gefallen war. Nur diesmal von der anderen Seite.

Ein Knurren ließ sie aufschrecken.

Der junge, schwarzweiße Wolf hatte sich angstvoll gegen die gegenüberliegende Wand gedrückt, seinen Schweif eng zwischen die Hinterläufe gepresst und bedrohlich  die Zähne gebleckt. Entsetzen lief wie ein Schauer über Moospfotes Rücken. Diese Zähne waren riiiiesig! Ein Biss in den Nacken und sie wäre tot. Eilig duckte sie sich hinter den erbeuteten Haufen Fleisch, dessen Blut langsam in das weiche Moos darunter sickerte.

"Äh.. ha..hallo? Wie wäre es, wenn du das hier frisst", sie schob den haarigen Fleischbrocken mit dem Kopf näher an den Wolf heran. "und nicht mich?"

Abwartend kroch nun auch sie rückwärts und presste sich nervös an die Wand.

Der Wolf sah erst sie an. Seine blauen Augen waren verwundert geweitet. Selbst in seiner ängstlichen Pose war das Tier Angst einflößend. Es war einen halben Kopf größer als Moospfote und die Krallen sahen gefährlich scharf aus. Sie versuchte, sie nicht anzustarren, doch so ruhig sie vor kurzem noch neben dem Tier gelegen hatte ... Jetzt war er nicht mehr bewusstlos, sondern äußerst lebendig.

Für einen Herzschlag fixierte der Wolf sie noch, dann ertönte ein gewaltiges Rumoren und der Wolf näherte sich vorsichtig ihrem Geschenk. Moospfote stutzte. Dann musste sie lachen. "Beim heiligen SternenClan, du musst aber ganz schön Hunger haben! Bedien dich!" Bei ihrem Miauen hob der Wolf verwirrt den Kopf und starrte sie für einen Moment an. Dann gab es für ihn kein Halten mehr. Er machte sich über das Tier her, als gäbe es kein Morgen mehr. Blut spritzte zu allen Seiten, Fell wurde zerfetzt und Knochen zersplittert. Es war ein einziges Geknurre, Geschlabber und Geschmatze.

Als ihr ein Fleischfetzen ins Gesicht klatschte, schüttelte sie ärgerlich den Kopf. "Also wirklich, was ist das denn nur für ein Benehmen?", murmelte sie, doch als sie das verhungerte Tier so lustvoll schmatzen und rülpsen hörte, wurde ihr es warm ums Herz. Der arme Kerl musste seit Monden nichts gegessen haben, seine Rippen stachen selbst unter dem dichte Pelz wie Äste eines Baumes hervor und der Appetit, den er gerade bewies, sprach Bände.

Es dauert nicht lang und alles was von ihrem triumphalen Fang übrig war, waren Gerippe und Fellfetzen. Selbst den Schwanz hatte der Wolf mit Haut und Haar verschlungen.

Nun saß der junge Wolf aufrecht da und leckte sich genüsslich das Blut von den weißen Pfoten. Sein Bauch war ganz aufgebläht von den Fleischmassen, die er in sekundenschnelle in sich rein gefressen hatte, was Moospfote ein Schnurren entlockte. Aufmerksam stellten sich die Ohren des Jungtiers auf und seine großen, unschuldigen Augen sahen sie interessiert an.

"Na? Hat's geschmeckt?", kicherte sie und war selbst ganz erstaunt, wie locker sie mit dem gefährlichen Raubtier sprach. Der Wolf strahlte etwas aus, was sie faszinierte. Sie wollte ihn zu einem Freund machen.

Plötzlich schluckte der Wolf und sperrte sein Maul weit auf, sodass die großen Zähne in den letzten Strahlen der Sonne aufblitzten. Moospfote duckte sich schon argwöhnisch, als der Wolf auf einmal seinen Kopf schüttelte und dann einen gewaltigen Rülpser entließ. Laut wie ein fallender Baumriese donnerte das Geräusch durch den Wald.

Erschrocken sprang sie nach vorne und presste mit beiden Pfoten das längliche Maul des Wolfes zusammen. "Pssst! Man darf dich doch nicht hören! Sonst verjagen sie dich!", flüsterte sie eindringlich und der verdutzte Wolf blinzelte.

Vorsichtig ließ sie ihn wieder los. Der Wolf starrte sie an. Sie starrte zurück.

"Pssssssss..."

Ungläubig schnappte Moospfote nach Luft, als der Wolf plötzlich anfing die Lefzen zu verformen und sie nachzuäffen. "Pssssst. Pst. Pssssst." Als fände er das irre witzig, gluckste und druckste er und schleckte ihr dann mit seiner riesigen Zunge quer übers Gesicht.

"Igitt! Iiiiiiee, geh von mir weg, du Riesehund!", lachte sie und schob den weißschwarzen Kopf sanft von ihr weg. Gutmütig funkelten die Augen und seine Zunge hing ihm spielerisch aus dem Maul. Es war ein wirklich Herz erwärmender Anblick.

Glücklich leckte auch sie ihm über die feuchte, schwarze Schnauze.

Sie hatte einen Freund gefunden. So lange war sie allein gewesen. Seit Funkenjunges sie verlassen hatte, hatte sie nie jemandem zum Spielen gehabt. Niemandem in ihrem Alter, der mit ihr herumtobte und das Leben als Junge genoss. Und nun war da ein Wolf. Keine Katze, sondern ein Wolf, der ausgerechnet in ihrem Alter zu sein schien und durch einen seltsamen Schicksalsschlag bei ihr gelandet war.

War das zu glauben?

Der Wolf blickte ihr tief in die Augen. Und sofort wusste sie, dass auch er sie als Freundin akzeptiert hatte.


Noch bis tief in die Nacht erzählte Moospfote dem Wolf über sich. Über ihre Mutter und über Funkenpfote. Über die Clans und das Leben in der Wildnis. Und der Wolf schien sie mit jedem Wort besser zu verstehen. Sein großer Kopf ruhte auf seinen Pfoten und er lauschte mit sanft wedelndem Schwanz dem Klang ihrer Stimme. Moospfote konnte nicht fassen, welch ein geduldiger Zuhörer dieser Wolf war. Und das obwohl er doch so anders war. Glücklich erzählte sie und erzählte sie, bis sie irgendwann auf die Idee kam, ihrem neuen Freund fragen zu stellen.

Das Zucken seiner aufmerksam aufgestellten - und übrigens unglaublich flauschigen - Ohren verriet, dass ihm die veränderte Tonlage aufgefallen war. "Woher kommst du? Was ist mit deiner Familie passiert? Wie heißt du?". Immer wieder stellte sie ihm die gleichen Fragen. Langsam und deutlich, in der Hoffnung, dass der Wolf sie verstehen würde. Doch der Wolf wedelte nur begeistert mit dem Schwanz und drehte sich auf den Rücken, als wolle er spielen. Ein wenig enttäuscht seufzte sie, schnurrte aber dann und warf dem Wolf einen Moosball zu. Sofort schlug der Wolf nach ihm und pfefferte ihn treffsicher an die Wand.

"Wow, gute Reflexe!", lobte sie und lachte. Um es schwerer zu machen, war sie beim nächsten Mal gleich zwei.

Blob. Blob.

Lautlos flogen die Moosbälle an die Wand.

"Du bist richtig gut!", stellte sie begeistert fest und so ging es noch einige Male hin und her.

Sie lachten gemeinsam - was bei ihrem Freund eher wie ein heißeres Knurren klang - und dachte sich immer neue Spiele aus, bis die Sterne schon hell am Silbervlies leuchteten.

Irgendwann sank Moospfote erschöpft auf den weichen Bauch ihres Freundes, der ebenfalls schwer atmete. Ein komischer Laut entfuhr dem Wolf und Moospfote sah verwundert auf. Der Wolf versuchte es erneut und auf einmal merkte sie, dass er versuchte, ihr Schnurren nachzuahmen! Allerdings klang es eher wie Husten. Liebevoll schleckte sie ihm über die Schnauze und kuschelte sich in sein warmes Fell.

Plötzlich hustete ihr Freund. Zunächst dachte sie sich nichts dabei und döste weiter, doch sein Brustkorb fing an, sich immer heftiger zu schütteln, Keuchen und Husten vermischten sich, bis ihr Freund röchelnd auf der Seite lag und Blut spuckte.

Panisch sprang sie hinunter und tastete die Brust ihres winselnden Freundes ab, doch sie spürte nur das Beben und hörte seinen rasselnden Atem. Blut lief ihm am Mundwinkel entlang. Moospfotes Ohren legten sich panisch an, als erneut der Blutgeruch ihre Nase durchflutete.

Sie konnte ihm nicht helfen. Doch sie wusste, wer das sehr wohl konnte.

"Halte durch, ich hole Hilfe!", jaulte sie, hastete die Schlingpflanzen hinauf, hievte sich über den Rand und jagte über den Waldboden davon.


"Honigmaul! Honigmaul, wach auf!", zischte sie. Ihre breiten Schultern drückten sich durch den Eingang der Heilerhöhle. Unsanft stieß sie die kleine Kätzin an. "Honigmaul!" Sofort schreckte die schöne Kätzin auf und sah sie verwirrt mit ihren großen, bernsteinfarbenen Augen an. "Moospfote! Was ist denn passiert? Warum weckst du mich so sp..." "Ich brauche deine Hilfe! Schnell!" Ohne sich zu kümmern, ob die Heilerin ihr folgte, machte sie kehrt und presste sich aus dem Erdbau. Mit bebenden Flanken sah sie sich um und vergewisserte sich, dass niemand ihren stürmischen Einbruch gesehen hatte. Herbstfeuer, die heute zusammen mit Blaubeermond Wache hielt, saß tief unten am Fuß des Hügels und hatte ihr den Rücken zugewandt.

Puh.

Ungeduldig warf Moospfote einen Blick über die Schulter. Wo blieb Honigmaul nur?

Einen Herzschlag später kam die orange weiße Kätzin mit einem großen Blattbündel im Maul aus dem Bau gestürmt und warf ihr einen fragenden Blick zu. Moospfote stürmte los.

Die Heilerin hatte viel zu kurze Beine. Moospfote musste immer wieder anhalten, damit Honigmaul sie nicht aus den Augen verlor, was Moospfote vor Frustration auffauchen ließ. "Tut mir leid, isch bin eben nischt die Schnelschte", nuschelte die Heilerin vorwurfsvoll, als sie mal wieder die wartende Schülerin eingeholt hatte. Scham brannte in Moospfotes Pelz. Sie hatte die Heilerin mitten in er Nacht aus dem Schlaf gerissen und hetzte sie durch den ganzen Wald ohne ihr überhaupt zu verraten, weshalb. Entschuldigend senkte Moospfote den Kopf und rannte weiter.

Nach einer quälend langen Jagd durch den Wald, waren sie endlich an dem Erdloch angekommen. Ein Blick hinab reichte, um Moospfote vor Sorge in Panik geraten zu lassen. "Er ist schon wieder bewusstlos!" Sie warf der Heilerin, die sichtlich erstaunt war, einen Wolf zu sehen, einen flehenden Blick zu. "Du musst ihm helfen, Honigmaul! Er spuckt Blut und ich weiß nicht, was ich tun soll!"

Ohne zu zögern sprang die winzige Kätzin in das Loch. Sicher kam sie auf dem Moos auf und machte sich sofort daran, den Wolf abzutasten und abzuhorchen. Völlig perplex beobachtete Moospfote die Heilerin. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Heilerin ohne Fragen einen Wolf behandeln würde. Mitten in der Nacht. In einem Erdloch.

Sie sprang ebenfalls hinunter.

Honigmaul war bereits dabei einen Brei aus ein paar Beeren und unterschiedlichen Blättern zu formen. Ohne aufzusehen, erklärte sie:

"Er hat innere Blutungen. Ich kann nicht viel machen, außer seine eigenen Heilkräfte anzukurbeln und ihn in eine stabile Lage zu bringen. Dann braucht er vor allem Ruhe und darf sich nicht bewegen." Ihr Stimme klang sanft und weich. Wie Honig. Moospfote suhlte sich in der Ruhe, die die Heilerin ausstrahlte, und ließ ihr Herz sich beruhigen. Langsam stieß sie die Luft aus. "Danke", keuchte sie erleichtert und folgte besorgt den bedachten Bewegungen der Kätzin. "Du rettest ihm das Leben" Honigmaul öffnete mit einer Pfote den Mundwinkel ihres bewusstlosen Freundes und schob ihm die Paste tief in den Rachen. Als sie die Pfote wieder herausholte, war sie voller Blut und Schleim. Moospfote bewunderte, wie gelassen die Heilerin ihre Pfote am Moos abstreifte und einen weiteren Stapel blätter zu zerkauen begann. "Du musst seine Kehle massieren, damit er es schluckt", wies sie Moospfote an, die sofort loslegte.

In Gedanken feuerte sie ihren Freund an. Komm schon, du musst schlucken! Du darfst nicht sterben, nicht jetzt! Wir sind doch gerade erst Freunde geworden!

Ungeweinte Tränen brannten in ihren Augen. Sie wusste nicht wieso, doch sie hatte den Wolf schon so ins Herz geschlossen, als wäre es ihr eigener Bruder. Er durfte einfach nicht sterben!

Schließlich hatte er die ganze Paste geschluckt, die Honigmaul zubereitet hatte. Sie hoben ihn gemeinsam etwas an und legten ihn mit dem Rücken an die Wand, um ihn in eine stabile Lage zu bringen. "Du musst bei ihm bleiben und dafür sorgen, dass er sich nicht bewegt. Die kleinste Bewegung könnte sein heilendes Organ, welches auch immer betroffen ist, erneut aufreißen. Hast du mich verstanden?" Moospfote nickte ernst und legte sich neben ihren Freund. Die Heilerin nickte ihr ein letztes Mal zu. Sie lächelte zuversichtlich. "Ich hoffe wirklich, er übersteht die Nacht", flüsterte sie, dann kletterte sie erstaunlich geschickt trotz ihrer Stummelbeine die Höhlenwand empor und ihr Pelz verschwand im Dunkeln.

Moospfote drückte ihre Schnauze vorsichtig in das Brustfell des Wolfes, das ganz verklebt war von getrocknetem Blut. Sie begann, es langsam sauber zu lecken.

Das ist alles meine Schuld... Ich habe ihn zum Spielen aufgefordert. Wäre er nicht so herumgetobt, wäre das alles gar nicht passiert...

Traurig presste sie sich in das Moos und beobachtete das langsame Auf und Ab seiner Flanken.

Die ganze Nacht lag sie wach. Die Angst, um das Leben ihres neuen Freundes, hielt sie wach.

Irgendwann trafen die ersten Sonnenstrahlen in das Erdloch. Ein Uhu schickte einen schläfrigen Morgengruß durch den Wald.

Und Moospfote blinzelte nur. Wach und angespannt beobachtete sie die zuckenden Lider des Wolfes.

Als die Sonne sein zweifarbiges Haar streichelte und ein Schmetterling seinen Weg auf die Ohrspitze fand, schlug ihr Freund die Augen auf.

Hilfesuchend und vom Schmerz getrübt suchten seine Augen Moospfotes Blick. Als sie sich trafen, schnaufte der Wolf erleichtert und schloss erneut seine Augen.

Dann holte er rasseln Luft.

"Donner. Ich ... Donner."

Er lächelte und sank in einen tiefen Schlaf.

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