024 ** Und jetzt? ** Fr. 16.8.2019

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Zum Glück hat Dr. Fahrendorf sich so energisch für Max eingesetzt. Seine Stimme war richtig furchterregend. Aber wir drei anderen sind dafür noch immer auf 180, als wir uns für die zweite große Pause treffen.
Wie kann es angehen, dass niemand dieses Weib dran hindern kann, so offen einen einzelnen Schüler zu schikanieren? Was ist der Grund, dass sie so siegessicher auftritt und sich völlig im Recht fühlt? Da muss jetzt Papa ran!
Lustlos kicke ich einen Stein beiseite, während wir auf Max warten.

Kurz darauf kommt er zu uns an die Mauer geschlendert. Er hat sich einigermaßen beruhigt. Mit der Süß scheint es wieder besser zu laufen, nachdem sie sich am Montag ausgesprochen haben. Wir vier nehmen uns einfach wortlos in die Arme. Dann hocken wir uns auf die Mauer.
„Du, soll ich mal mit Papa reden? Er als Anwalt findet doch am ehesten raus, wie man die stoppen kann."
„Stimmt. Lasses Vater kann vielleicht doch noch was machen. Es kann doch nicht sein, dass im total überregulierten Deutschland eine so große Gesetzeslücke klafft, dass man sowas nicht unterbinden kann."
Moritz klingt genauso frustriert, wie ich mich fühle.
Max nickt nur. Und seufzt.
"Das hat er doch damals auch schon erfolglos probiert."
Nicht aufgeben, Max!

Dr. Fahrendorf und Frau Tucher spazieren über den Hof, beide mit einer Stulle in der Hand. Sie bleiben in unserer Nähe stehen, ohne uns zu beachten. Wie auf Kommando halten wir alle die Klappe.
„Das, Jenny, war eine echte Lehrstunde als Antwort auf die Frage, warum Lehrer nicht verbeamtet werden sollten. Mit diesem Freifahrschein in der Tasche kann denen fast nichts mehr passieren. Aber selbst ohne das. Ich verstehe nicht, warum sie sich soooo verdammt sicher ist, dass sie mit allem durchkommt."

„Sie macht so viel kaputt. Weil Max in dem LK von Antonia ist, weiß ich ein bisschen was mehr. Dem Jungen steht das härteste Jahr seines Lebens bevor. Er braucht jedes Gramm Kraft, um das Schuljahr zu schaffen. Auf der anderen Seite will er nicht, dass alle seine Lehrer eingeweiht werden. Er sagte, er wolle das selbst schaffen und nicht in Watte gepackt werden."
„Wenigstens hat er Antonia erlaubt, uns beide und Herrn Erdmann einzuweihen. Nach dem Ding heute ist das dringend nötig. Die Frau ist unberechenbar."
„Wie gings vorhin eigentlich alleine weiter?"
„Ich sag ja – sie fühlt sich dermaßen sicher, das ist nicht normal. Jeder andere von uns bekäme dafür einen Eintrag in die Personalakte. Sie hat nur einen Rüffel bekommen. Und dabei hatte ich das Gefühl, dass der Direx sich fast an seinen eigenen Worten verschluckt hat vor Wut, dass er nicht mehr machen kann. Dabei könnte er. Und müsste auch. Es ist alles so ... einerseits offensichtlich falsch und andererseits total nebulös. Das macht mich völlig irre.
Ich habe immer mehr Hochachtung vor Max. Ich freue mich richtig drauf, ihn bei dem Survival-Projekt näher kennen zu lernen. Das heute hätte er nicht tun müssen. Aber er hat gesehen, dass wir zu weit weg sind, und ist dann selbst hingerannt. Er fand helfen wichtiger, als selbst aus der Schussbahn und in Sicherheit zu sein. Das machen nicht viele!"

Ob denen bewusst ist, dass wir zuhören? Max neben mir läuft grade dunkelrot an. Aber, hei! Soll er doch mitkriegen, dass er von vielen so hoch geschätzt wird.

„Naja – ohne dich wäre er heute jedenfalls ziemlich verraten gewesen. Wahrscheinlich hätte sie es auch noch fertig gebracht, sogar die Kleinen der Lügnerei zu bezichtigen, wenn du nicht dabei gewesen wärst."
Die beiden haben ihre Stulle zu Ende gegessen und schlendern nun weiter, zurück Richtung Hauptgebäude. Neben mir lässt Max den Atem los. Aber dann müssen wir doch alle grinsen.
„War das Absicht, war das Absicht – oder war das Absicht?"
„Hmmmmm – also – ich würde sagen ... das war Absicht."

Nach der Sechsten treffen wir uns wieder in der Mensa. Ich könnte eigentlich nach Hause, aber inzwischen habe auch ich das Gefühl, dass wir Max rund um die Uhr bewachen müssen. Milly kommt zu uns dazu. Erst als die anderen in ihre Kurse gehen, mache ich mich auf den Weg. Und zu Hause stiefele ich als erstes in die Küche und kippe den ganzen Salat Mama vor die Füße. Die wird so stinkwütend, dass sie aus Versehen einen Teller runterschmeißt.
„O.K., jetzt reichts. Da muss Thorsten ran. Und diesmal warst du dabei, jetzt kann er hoffentlich was machen. Sagst du Max beim Training nachher, dass er zu uns rüberkommen soll? Und er soll selbst entscheiden, wen er alles mitbringt."
„Mach ich, Mama."

Als ich Max zum Tanztraining abholen will, sagt Tanja mir, dass er schon vor über einer halben Stunde weg ist. Das ist seltsam. Also radele ich alleine hin und treffe die anderen an den Fahrradständern. Freitags ist dann immer total viel los, weil vor uns die Mini's Balett haben und die ganzen Mütter hier stehen und warten. Wir wühlen uns durch, um zu sehen, ob Max schon hier ist. Wir finden aber nur Luis. Und der zeigt bei unserer Frage auf die Kellertreppe.
Aber da unten sind doch nur die Toiletten? Oder - ne, da ist auch noch ein Raum für kleinere Gruppen.
„Alles klar, danke!"

Wir sprinten nach unten. Schon auf halber Treppe schallt uns das Wummern von Bässen entgegen. Und als wir die Tür zum kleinen Tanzsaal öffnen, fliegen uns bald die Ohren weg. Max hat irgendeinen aggressiven K-Pop-Rap auf volle Lautstärke gedreht und powert, dass ihm bereits jetzt der Schweiß in Strömen runterläuft. Die ganze Wut muss raus. Das ist offensichtlich. Und jetzt verstehe ich auch, warum die Süß ihm diese Themaveränderung für die Facharbeit vorgeschlagen hat. Das Tanzen hat so viel mit Max Geschichte und Persönlichkeit zu tun. Ich tanze Standard. Max IST Tanz. Durch und durch.

Soll er sich doch auf seine eigenen Spuren begeben!

Paul geht zur Anlage direkt neben der Tür und dreht gaaaanz langsam den Song immer leiser, damit Max merkt, dass wir da sind. Als der Song dann aufhört, fällt Max schwer atmend einfach um. Eine Weile setzen wir uns still neben ihn und lassen ihn wieder zu Atem kommen. Dann fängt er von selbst an zu reden.

„Ich mach das tatsächlich. Ich hab seit gestern total viel über den Zusammenhang zwischen Psyche und Körper, Bewegung, Tanz gelesen. Es ist unglaublich, wieviel wir unbewusst über unseren Körper ausdrücken. Ich hab schon so viele Ideen für diese Facharbeit, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Eins steht jedenfalls fest: es hilft wirklich."
Max richtet sich auf, um uns mit Umarmungen zu begrüßen.
„Müssen wir schon hoch?"
Ich schaue auf meine Uhr und nicke. Also machen wir uns schnell auf zu unseren Tanzsälen.

Luis schaut uns entgegen, geht aber gar nicht drauf ein, winkt Max und Moritz rein und startet das allgemeine Contemporary-Training mit Aufwärmübungen. Ich selbst gehe in den Saal nach nebenan, wo Gary uns mal wieder mit dem Slow Fox quält. Auch Paul geht zu seinem Training.
Als alle anderen weg sind, gehe ich rüber, und wir setzen uns nochmal zusammen, um über die Facharbeiten zu sprechen. Max erzählt uns einfach, was er in den letzten Tagen im Internet gefunden und für sich verstanden hat.
„Das Tanzen ist so sehr ein Teil von mir, es ist so sehr mein Weg, mich auszudrücken, dass ich nie mehr ohne kann und will. Das ist nicht nur mein Hobby, das steht richtig mit mir in Beziehung, in Kontakt. Ich will dem nachspüren, was das heißt."

Luis hört ruhig zu und lächelt dann.
„So sollte es sein. Nicht einfach eine abgeschriebene Geschichte des Tanzens. Sondern deine Geschichte mit dem Tanzen. Da wirst du sicher einiges an entsprechender Literatur brauchen. Wirst du klarkommen mit dem Psychologengeschwafel?"
„Ich WILL damit klarkommen."
„Gut. Ein Studienkollege von mir ist in Richtung Tanzpädagogik und -Therapie gegangen. Ich piepe ihn an, ob er Literatur darüber hat, die dir was nützt.
Seid ihr anderen auch ein bisschen weitergekommen mit euren Themen und Gliederungen?"
„Ja, wir haben uns am Mittwoch mit unserer Lehrerin getroffen und die Themen ein bisschen genauer besprochen im Hinblick darauf, dass sie Zentral-Abi-tauglich sind. Wir halten dich auf dem Laufenden."
„Prima, dann lasst uns noch ein bisschen ackern. Heute machen wir uns ans Bellett. Paul, dir ist hoffentlich klar, dass ich dich dabei auf deinem Niveau rannehmen werde."
Paul grinst nur und dreht aus dem Stand eine elegante Pirouette.

Während Max und ich gemeinsam nach Hause radeln nach dem Training, sage ich ihm noch, dass er heute Abend mal rüberkommen soll.
„Mama meinte, du solltest selbst überlegen, wen du mitbringen willst."
Max verzieht mit schmerzhaftem Grinsen sein Gesicht.
„Mit Papa oder ohne Papa ... Puh."
Die Frage erübrigt sich dann allerdings, denn grade, als wir ankommen, fährt Onkel Axel aus der Einfahrt.
„Richtig, Papa hat ja Kegelabend! Na dann ..."
„O.K. Dann bis nachher."

Kurz danach piept Max mich an. Tanja hat etwas Bedenken, weil sie nicht will, dass Onkel Axel sich ausgeschlossen fühlt. Aber sie wird doch mitkommen. Sobald die Kleinen bei uns im Bett sind, werden wir Bescheid sagen.

Um 21.00 Uhr klopft es an der doppelten Küchentür. Max und Tanja kommen rüber. Wir setzen uns im Wohnzimmer zusammen.
„So, Max. Dann erzähl uns einfach mal deine ganze Geschichte mir dieser Frau. Und am Schluss die beiden Vorfälle von dieser Woche."
Max knetet nervös seine Hände. Dann holt er tief Luft und rollt alles ab der siebten Klasse nochmal auf. Papa ergänzt das um alles, was er damals über den Elternbeirat versucht hat.
„Und jetzt geht sie ganz offen und mit offensichtlichen Lügen auf dich los und kommt immer noch damit durch???"
Max nickt nur.
„Und du hast eigentlich alle entscheidenden Leute an der Schule hinter dir, und trotzdem ändert sich nichts?"
Max nickt wieder.
„Ich hab einfach nur noch Angst. Die viermal Nachsitzen im letzten Halbjahr waren einer der Gründe, warum Papa mir das Tanzen verbieten wollte. Wenn das jetzt grad so weitergeht, dreh ich durch. Dann bin ich geliefert."

Papa springt auf und tigert im Kreis durch den Raum.
Fenster.
Tür.
Fenster.
Tür.
Wir anderen halten alle unseren Mund, denn das heißt, dass er nachdenkt und nicht gestört werden sollte.
"Dr. Miegel ist offensichtlich wütend und kann nicht so, wie er will. Dann scheint er nicht die Bremse zu sein. Vielleicht sollten wir ..."
Fenster.
Tür.
Fenster.
„O.K. - nächste Woche sind Elternbeiratswahlen. Ich lasse mich in Lasses Jahrgang wieder wählen. Dann komme ich an alle Unterlagen des Schulelternbeirates von damals legal ran. Und an die Adressen der vielen anderen Familien, die sich auch an Frau Hartmann aufgeribbelt haben. Wir sind damals ... Dr. Miegel hat aber eigentlich ... Letzten Endes sind wir damals beim staatlichen Schulamt gescheitert. Das sollten wir etwas unter die Lupe nehmen.
Wenn die Beschwerden von unten nach oben nicht durchkommen, dann wählen wir eben den Weg von oben nach unten. Ich werde mich direkt an die entscheidende Stelle im Regierungspräsidium wenden. Dieser Dr. Fahrendorf hat nämlich recht. Die Frau fühlt sich viel zu sicher. Da stimmt was nicht."

Max steht einfach auf und nimmt Papa in die Arme.
„Danke, Onkel Thorsten. Du ahnst nicht, WIEVIEL mir das bedeutet!"
„Von Herzen gern, Max. Du bist doch wie mein dritter Sohn! Ich kann da allerdings keine schnelle Sache draus machen. Nächste Woche die Wahl, dann muss das Gremium tagen und einen Vorsitzenden wählen. Dann komme ich an die Unterlagen ran. Und wenn ich Eingaben beim RP mache und und und, dann gibt es immer die Fristen, wie schnell die anderen antworten müssen, blablabla. Das dauert. Ich hoffe einfach, dass du dir Kraft ziehen kannst aus der Tatsache, DASS ich was anfange. Und bis dahin musst du ihr weiter aus dem Weg gehen, so gut es eben geht."
Max seufzt und nickt.

„Tanja, ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich dich und Axel nicht übergehen möchte. Es scheint nur zur Zeit so zu sein, dass Axel nicht bereit ist, etwas für seinen Sohn zu tun, und dass er selbst extrem dünnhäutig ist. Ich überlasse es dir zu entscheiden, was und wieviel Axel von diesem Abend und den Vorfällen erfährt. Für mich ist alles vorstellbar von 'ich bin offiziell euer Anwalt, wenn ihr die Frau oder die Schule oder ... verklagt' über 'du dirigierst an Axel vorbei das Geschehen' bis zu 'ich mach das im Alleingang und lasse euch beide da völlig raus, weil es so nicht weitergeht'. Ich würde viel dafür geben, dich da ganz rauslassen oder noch besser dir die Wahl lassen zu können, welche Rolle du da spielen wirst. Aber Max braucht dich, so schwer diese Zwickmühle auszuhalten ist für dich."

Tanja wirkt erschöpft, aber sie nickt.
„Danke, Thorsten. Das ist in der Tat grade sehr schwer, weil ich im Laufe dieses Sommers immer mehr das Gefühl hatte, dass ich den Mann nicht mehr kenne, mit dem ich da verheiratet bin. Aber ich bin absolut auf Max Seite und werde mein Bestes geben, Axel mit ins Boot zu holen. Ansonsten: du hast freie Bahn, ich hindere dich an gar nichts."

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8.10.2020    -    9.4.2021

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