033 ** Plan B ** Di. 27.8.2019

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Wie gut, dass Axel noch im Büro und Max schon beim Tanzen ist. Keiner von beiden darf mich so sehen!
Ich habe in den letzten sieben Tagen so viel geheult wie im ganzen Rest meines Lebens zusammen. Wie Axel mit Max und mir umgeht, ist nicht mehr zu ertragen. Und ich fürchte, Max hat mich sehr wohl verstanden. Ja, sobald er aus dem Haus ist, werde ich gehen. Ich bin gerne Max Ziehmutter. Ich wollte nicht einen Tag lang seine Mutter verdrängen oder seine Tante Jana ersetzen. Ich habe schnell sein Vertrauen gewonnen, und er sagt ja selbst immer wieder, dass ich ihm eine gute Mutter war und bin. Aber ich halte es einfach nicht mehr aus, wie dieser liebenswerte junge Mann in meinem Namen systematisch zerbrochen wird.

Eigentlich bin ich ein sanftes, genügsames Pflänzchen, bin nicht umsonst Gärtnerin geworden. Aber vor einer Woche bin ich zum ersten Mal in meinem Leben richtig energisch und wütend und laut geworden. Und jetzt? Ich war am Mittwoch bei meiner Gynäkologin, und – Bingo! Nachdem wir jahrelang sehnlichst und vergeblich darauf gewartet haben, bin ich ausgerechnet jetzt schwanger. Zu meinem eigenen Entsetzen war mein allererster Impuls: Nicht mit diesem Vater!
Ich hatte schlagartig das Bild vor Augen, dass ich früh sterbe und Axel dann mit diesem Kind genauso umgeht wie jetzt mit Max.
Das darf niemals passieren. Nicht länger für Max. Und niemals für mein eigenes Kind!

Ich weiß nicht, wie lange ich das vor den beiden verheimlichen kann. Aber ich möchte jetzt erstmal für mich sortieren können, was das für mich heißt.
Mit wem will ich leben, wie will ich leben, wo will ich leben? Alles ist umgestürzt wie ein Kartenhaus. Ich weiß gar nichts mehr!
Das Kind wird im späten Frühjahr kommen. Wenn Max unter allerhöchstem Druck mitten im Abi steckt und gegen den Widerstand seines Vaters die Aufnahmeprüfungen an den Hochschulen absolvieren muss.
Der denkbar ungünstigste Zeitpunkt für alle Beteiligten.

Mutlos und völlig verheult greife ich nach der nächsten Packung Taschentücher. Da klopft es an die Wohnzimmerscheibe.
Jana. Die darf mich auch nicht so sehen!
Ich tue so, als hätte ich nichts gehört, aber sie bleibt hartnäckig. Darum lasse ich sie schließlich doch rein. Sie schaut mich an, sagt kein Wort und nimmt mich einfach in die Arme. Was natürlich sofort den nächsten Tränenstrom auslöst. Sie lässt mich einfach heulen.

Erst nach einer ganzen Weile lotst sie mich zum Sofa.
„Ach, Tanja. Max hat uns erzählt, was hier in den letzten Wochen alles abgegangen ist. Und dass es dir nicht gut geht."
„Geht schon."
„Nein, lüg bitte weder dir noch mir was vor. Es geht nicht! Du bist nicht meine Feindin. Axel ist grade Max und scheinbar auch dein Feind. Kannst du bitte zulassen, dass ich mich um dich kümmere, damit du mit deinem Schmerz nicht alleine bist?"

Ich schaue sie mit großen Augen an. Ich hatte nie das Gefühl, ich sei ihre Feindin, weil ich ihrer Schwester als Ehefrau nachgefolgt bin. Wir kamen auch all die Jahre freundschaftlich und gut miteinander klar. Aber mit dieser direkten Solidarität habe ich dann doch nicht gerechnet. Und es überrumpelt mich so, dass ich einfach nur in ihre Arme sinke und ihr all, all das ganze Furchtbare dieses Sommers vor die Füße kippe.
„Und ausgerechnet jetzt bin ich schwanger geworden!"
„Hei, ich freu mich für dich, das ist doch schöööön! ... Und scheiße."
Wir müssen beide leise lachen.
„Naja. Eigentlich nicht witzig. Aber ich ahne, in welcher Zwickmühle du dich jetzt befindest. Du fühlst dich zuständig für Max, möchtest dein eigenes Kind schützen, müsstest eigentlich in Ruhe für dich sortieren, was du jetzt daraus machen willst. Das ist dezent zu viel auf einmal. Ein richtiges Durcheinander."
Ich nicke bloß.

Jana ist so herrlich pragmatisch.
„Pass auf, ich helf dir beim Sortieren. Und das bedeutet: wir brauchen hier sofort einen Ortswechsel, denn es kann nicht mehr lange dauern, bis Axel aus der Firma kommt. Das heißt, wir beide setzen uns jetzt auf unsere Hollywood-Schaukel ganz hinten in meinem Garten. Da muss er dich erstmal finden."
Energisch zieht sie mich vom Sofa und raus in den Garten. Die Terrassentür schieben wir ganz ran. Nebenan sagt sie kurz ihrer Tochter Lotta, dass wir eine Weile nicht gestört werden wollen. Dann machen wir uns auf zu Janas geheimem Lieblingsfleckchen hinten an der Ecke ihres Gartens.

Als nächstes fängt sie an aufzuzählen.
„Ist es in Ordnung, wenn ich einfach mal den Wust aus meiner Sicht anschaue?"
Ich nicke wieder.
„Gut. Da das deine erste Schwangerschaft ist, wird das so schnell keiner sehen. Du bist noch nicht 'ausgeleiert'. Du musst aber demnächst deine Kollegin informieren wegen der arbeitsrechtlichen Auflagen. Mit der kannst du ja gut, die wird dichthalten, und dir alle Freiheiten einräumen, die du brauchst, wenn du sie darum bittest. Außerdem werde ich die Küchentür aufschließen, du kannst jeder, wirklich jeder Zeit zu mir kommen, ich will gerne für dich da sein. Einsame Tränenorgien sollten der Vergangenheit angehören."
Erneutes Nicken.

„Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Max noch vor dem Abitur rausfliegt?"
„Sie steigt leider. Denn er erzählt mir, dass diese Frau Hartmann es immer noch auf ihn abgesehen hat. Und wenn Axel das mitkriegt, brennt ihm die Birne durch. Er glaubt Max kein Wort. Auch die Tatsache meiner Schwangerschaft könnte dazu führen."
„Wieso das denn???"
„Axel will ja Max zwingen, sich von mir adoptieren zu lassen. Und Max weigert sich. Zu recht. Wenn da nun ein Kind von mir kommt, könnte es sein, dass Axel ihn 'entsorgen' wird. Es ... es ist so grausam, das laut auszusprechen. Ich glaube inzwischen, dass Axel krank ist und dringend therapeutische Hilfe bräuchte. Aber das sieht er natürlich gar nicht ein."

„Um ehrlich zu sein: das habe ich in den letzten Wochen auch ein paarmal gedacht. Dann musst du leider damit rechnen, dass du noch während der Schwangerschaft selbst auch die Biege machen wirst. Das heißt: als nächstes überlegen wir, wo und wie du mit deinem Kind leben und dich dort wohlfühlen kannst. Wir planen also in den nächsten Wochen deine 'Flucht', damit dich nicht die Ereignisse überrollen. Nicht, weil du wirklich weg willst. Sondern, damit du weg kannst, wenn es nötig ist, um Axel zur Vernunft zu bringen. Denn vielleicht ist das das einzige, was ihn noch wachrütteln kann."

Ich schüttele mich.
Wie furchtbar!
„So. Und jetzt gibt es eine Sache, die wichtiger ist als alles andere. Nämlich dein Kind!"
Ich schaue sie fragend an.
„Ich weiß nicht, wie intensiv du dich bereits mit Schwangerschaft, der Entwicklung deines Kindes und solchen Sachen beschäftigt hast. Es ist einfach so. Dein Kind ist nicht nur über die Plazenta mit dir verbunden sondern auch emotional. Dein Kind spürt, ob es dir gut oder schlecht geht. Und es spürt, ob es willkommen ist. Deshalb glaube ich, dass du als allererstes für dich sortieren solltest, dass dieses Ungeborene ü-ber-haupt-nichts dafür kann, dass sein Vater grade ein bisschen spinnt. Ich bin mir sicher, dass du dieses Kind willst und schon jetzt unendlich liebst. Und das solltest du dem Zwerg mit Worten, Gefühlen und Liedern auch zeigen. Es klingt verrückt. Aber – ja, die Kinder spüren das. Sie können zum Beispiel ab dem fünften Schwangerschaftsmonat hören.
Zum Glück musst du an die gesamte Babylogistik keinen einzigen Gedanken verschwenden. Wir haben immer gewusst, dass ihr Kinder wollt, und haben darum alles aufgehoben. Egal, ob Junge oder Mädchen – es ist alles da. Führe ein Schwangerschaftstagebuch, in dem du dich auf die tolle Tatsache konzentrierst, DASS dieses Kind da ist und bald in deinen Armen liegen wird."

Ich habe wieder Tränen in den Augen.
Das heißt, dass das Kind auch hören wird, wenn wir uns streiten! Oh Himmel, wie grausam.
„Tanja? Lass laufen! Du bist völlig überfordert und heulst zu recht. Und dein Körper schaltet auf einen ganz anderen Hormonstatus, es ist normal, dass du in den nächsten Wochen beim Blick in den Spiegel ab und zu denken wirst: 'Wer ist das?' Gönne es dir, diese Schwangerschaft von ganzem Herzen zu genießen, denn sie hat nichts mit Axels Gemütszustand zu tun. Halte für den Moment Vater und Kind in deinem Kopf und deinem Herzen auseinander."

Wie soll das denn gehen???
„Und – ja, das ist leichter gesagt als getan. - Pass auf. Kauf dir bitte keine Schwangerschaftsratgeber und Erziehungsbücher. Erstens hab ich nebenan gefühlt zwei Meter davon in meinem Regal stehen. Und zweitens weiß ich genau, was davon mir geholfen hat, und was alles nicht. 90% dieser Bücher sind nämlich entweder rosarot oder dunkelschwarz, und beides ist nicht hilfreich. Frag immer mich. Und manchmal werde ich dir eines meiner Bücher in die Hand drücken."

„Warum tust du das alles für mich, Jana?"
„Weil du ein liebenswerter Mensch bist und das alles nicht verdient hast? Weil ich dich mag? Weil du immer gut für Max warst? Weil du meine Schwägerin bist? Weil alles zusammen? Tanja, du bist ein Teil dieser Familie, du gehörst ganz dazu. Der einzige, der im Moment nicht so richtig reinpasst, ist Axel."
Erleichtert nehme ich sie in die Arme, und sie drückt mich, fest und liebevoll.
„Danke! Das bedeutet mir sehr viel!"

Wir hören Axel im Garten nach mir rufen. Ich sollte also demnächst auftauchen.
„Lass dich ansehen. Ja, das ist gut. Man sieht die Tränenorgie nicht mehr auf den ersten Blick. Schultern straffen, du schaffst das! Ach, und Max Zimmer bei uns ist nach wie vor für ihn da. Sollte Axel durchdrehen, hat Max sofort ein Zuhause."
Ich drücke sie noch einmal feste und schaue ihr dankbar in die Augen. Sagen kann ich grade nichts. Ich schlendere durch den Garten zurück und antworte irgendwann möglichst leicht auf Axels Rufe.
Pokerface, Tanja, du schaffst das!

Ich komme um die alte Kastanie herum auf ihn zu und lächele ihm entgegen.
„Hallo, Axel. Schön, dass du da bist. Ich hab mit Jana was für ihren Garten besprochen."
„Hallo, Tanja, Liebes."
„Hast du großen Hunger? Soll ich gleich das Abendessen machen?"
„Wie ein ausgehungerter Löwe. Ja, das wäre toll."
Sehr gut.
Denn das heißt, dass er in sein Arbeitszimmer abbiegt und die Börsenberichte liest, während ich in der Küche das Abendessen mache. So habe ich noch etwas Zeit gewonnen, um mich zu fassen.

Aber es fällt mir verdammt schwer. Ich stehe mitten in meiner Küche, drehe mich um mich selbst wie ein aufgezogener Brummkreisel und weiß einen Augenblick lang nicht, was ich hier eigentlich tun will. Und ich gäbe viel darum, wenn ich jetzt gaaaaaanz woanders wär.

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17.10.2020    -    22.4.2021

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