036 ** zuviel ist zuviel ** So. 1.9.2019

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Gut, dass der Survival-Kurs nur an ein paar Samstagen stattfindet und nicht jede Woche. Es war total spannend, und wir freuen uns alle schon wie bekloppt auf die ganze Woche vor den Herbstferien. Aber fünf Stunden Survival, die Lerngruppe dahinter geschoben, dann alle Hausaufgaben und Lernerei für die kommende Woche. Bei der Facharbeit muss ich vorwärts kommen. Ich bin jetzt dabei, alle Informationen und Zitate, die ich gefunden habe, zu sortieren und daraus eine Gliederung zu stricken, an der ich mich entlang hangeln kann. Aber geschrieben habe ich noch kein einziges Wort. Und jetzt noch das Sonntagstraining obendrauf. Das wird sich in der nächsten Woche vermutlich rächen.
Keine Pause ist zu wenig Pause ...

Auf den letzten Drücker starte ich zum Tanzen. Aber das Training ist wie immer großartig. Wir vier Jungs können uns schon jetzt nicht mehr vorstellen, wie es ohne Milly war, weil sie sich so phantastisch in unsere Riege einfügt. Heute wollen wir die Grundstruktur für unseren Auftritt festlegen, und die Ideen strömen nur so. Paul und Luis haben sich inzwischen geeinigt, welche klassische Männerpartie Paul tanzen soll, bis Moritz dazukommt und ihn stört. Moritz ist am beeindruckendsten, wenn er einfach im Flow ist und improvisiert. Am meisten grübeln und probieren wir an dem Part rum, wo ich dazu komme und versuche, die beiden unter einen Hut zu bekommen. Lasse und Milly proben schon fleißig eine genüsslich-aufreizende Rumba. Und die Akrobatik-Elemente am Schluss wollen wir erst später anfügen.

Schließlich setzen wir uns nochmal zusammen und berichten vom jeweiligen Stand unserer Facharbeiten. Luis gibt uns Tipps, und wir probieren manches davon für die praktischen Prüfungen aus. Da bisher keine Zeit dafür war, berichten wir nun ausführlicher von meinem Tanzrausch vom vorletzten Donnerstag. Ich erzähle, welche Gefühle dazu geführt haben, Milly, Moritz und Paul berichten, wie sie mich wahrgenommen haben und wie sie mich sanft aus dieser Art Trance wieder rausgeholt haben. Da dies eine für mich sehr vertraute Runde ist, kann ich ganz offen sprechen und erzählen, was ich alles schon zu meinem Thema erfahren und an diesem Mittag tatsächlich am eigenen Leib gespürt habe. Mir fällt auch ein, dass Frau Süß mich dabei gefilmt hat. Aber das möchte ich dann doch nicht zeigen.
„Vielleicht später mal."
Den Stick hab ich ja immer noch in der Hosentasche – aber ich trau mich noch nicht dran ...

Schließlich feilen wir noch an Millys praktischer Prüfung, damit wir anderen ein besseres Gefühl für Akrobatik bekommen. Milly leitet uns an und bekommt von uns und Luis häufige Rückmeldung, wie sich die Figuren, ihre Art zu erklären und ihre Hilfestellungen anfühlen. Dabei denken wir auch an unsere akrobatische Toberei im Schwimmbad. Als wir schließlich einfach zu platt sind, um uns noch irgendwie zu rühren, strahlt sie uns an.
„Ich weiß gar nicht, was ich all die Jahre ohne euch und das hier gemacht habe."
„Zirkus? Nö, ganz im Ernst, Milly. Du bereicherst uns sehr, und uns macht es Spaß, dir weiterzuhelfen. Ich bin mindestens genauso neugierig auf deinen Zirkus, wie du auf einmal Spaß am Tanzen hast. Was wir hier miteinander tun, kommt uns allen zu gute."
Milly strahlt mich an. Aber das war nicht einfach ein Kompliment. Ich habe das wirklich so gemeint. Wir profitieren alle davon.

Luis muss uns schließlich rausschmeißen, damit er Feierabend machen kann. Wir finden mal wieder kein Ende, und nur das Wissen, dass es Luis genauso viel Spaß macht wie uns, verhindert, dass wir vor Scham im Boden versinken. Zu Hause angekommen wanke ich sofort ins Bett. Ich bin zu müde zum Essen, zu müde zum Reden, zu müde für alles. Und ich bin offensichtlich eingeschlafen, bevor ich ganz gelegen habe, denn zu müde zum Umziehen war ich wohl auch.

Mo. 2.9.2019

Mein Wecker erfährt eine ausgesprochen unsanfte Behandlung. Er ist aber auch selbst Schuld – was macht der denn so einen Höllenlärm gefühlt mitten in der Nacht??? Als ich jedoch schließlich die Augen aufklappe und die Uhrzeit sehe, durchfährt mich der Schrecken.
Bin ich wieder eingepennt? Das schaff ich nie! Und sonst weckt mich doch immer Tanja nach ...
Ich fahre in die Senkrechte, springe in frische Klamotten, danke Gott, dass ich immer streberhaft am Tag vorher meinen Ranzen packe, und rase raus zu meinem Fahrrad.
Platt! Wie kommt das denn?
Keine Zeit, das festzustellen. Ich schultere meinen Rucksack, atme tief durch und gebe Gas.

Natürlich komme ich trotzdem total zu spät. Und laufe direkt der Hartmann in die Arme. Sie will mich gleich zum Direx schleppen, aber ich tauche unter ihrem ausgestreckten Armen durch und hole im Sprint zum Klassenraum für die Sporttheorie das Letzte aus mir raus. Natürlich rutscht mir dann noch die Tür aus der Hand und knallt ins Schloss.
Mist, unauffällig geht anders ...
Ich lasse mich auf meinen Stuhl fallen und sortiere erstmal meinen Atem, bevor ich mich endlich entschuldigen kann. Frau Süß grinst mich an.
„Es ... tut mir total ... Leid, dass ich ... zu spät bin. ... Ich hab verpennt, ... und dann war mein Rad ..."
Es klopft an der Tür.
„Und das wird Frau Hartmann sein, die mich ... wegen Zuspätkommens zum Direx schleppen wollte."

Schlagartig sitzt der komplette Kurs senkrecht auf den Stühlen, und auch der Gesichtsausdruck von der Süßen ändert sich. Sie bittet herein, und tatsächlich stakst Frau Hartmann durch den Türrahmen. Frau Süß streckt den Rücken durch und funkelt sie an.
„Ich möchte Maximilian Gersten zum Direktor mitnehmen. Er ist zu spät gekommen und hat sich dann auch noch mir widersetzt."
Alle schauen die Süß an.
„Dass mein Schüler zu spät gekommen ist, habe ich von allein gemerkt, vielen Dank, Frau Kollegin. Und dass er nun auch noch die zweite Hälfte vom Unterricht verpasst, sehe ich nicht ein. Es geht heute um die Facharbeiten. Darf ich Sie also bitten, meinen Unterricht zu verlassen, damit ich weiter arbeiten kann?"
Mit hochrotem Kopf stampft die Hartmann raus.

Ich atme durch und will weiter erklären.
„Nachher, Max."
Frau Süß lächelt mich an und macht ganz normal weiter mit Sporttheorie. In der anschließenden Klassenlehrerstunde dann fragt sie mich doch, was denn war. Ich hab ja selbst drüber nachgedacht.
„Ich befürchte, dass sich allmählich der vollgepackte Stundenplan bemerkbar macht. Durch den Survival-Tag war das Wochenende extrem dicht und anstrengend. Alles hat Spaß gemacht und geklappt. Aber mein Körper hat heute Morgen einfach gestreikt. Ich bin sofort nach dem Weckerklingeln wieder eingeschlafen. Und dann war auch noch mein Fahrrad platt, weshalb ich heute auch alles andere laufen und heute Abend irgendwie mein Fahrrad reparieren muss, damit ich morgen wieder fahren kann."

Einen Moment lang sieht sie mich so ... fragend? ... oder besorgt? ... oder keineAhnungwie an.
„Das kann ja mal passieren."
Sie steht dann einfach für konkrete Fragen zu einzelnen Facharbeiten zur Verfügung. Moritz und Paul kommen sofort zu mir.
„Lasse hatte sich schon gewundert, dass du nicht vor dem Haus auf ihn gewartet hast. Er war auch knapp dran und war etwas frustriert, dass du ihn nicht rausgebimmelt hast sondern alleine gefahren bist."
„Naja, er wird mir schon nicht den Kopf abreißen, Paul. Ich muss nur mein Rad heile kriegen."
Moritz winkt ab.
„Schreib Lasse, warum du noch später warst als er. Und frag ihn, ob er der beste Vetter der Welt sein und dein Rad für Dich reparieren will. Falls er drankommt ..."
„Gute Idee! Kommt er."
Ich tippsele sofort los, entschuldige mich dolle fürs Zuspätkommen und frage ihn, ob er mir den Gefallen tun mag. In der großen Pause stößt er dann zu uns und sagt sofort zu.
„Du sahst gestern Abend sooo fertig aus. Allmählich wird die Luft dünner. Ich mach das gerne für dich. Und am besten gebe ich dir nachher gleich mein Rad. Ich hab nach der Schule nix mehr, ich kann nach Hause laufen."
„Du bist der größte Schatz, dens gibt, Lasse. Tausend Dank! Ich muss ja nach Spanisch noch zur Süß heute."

Dann fällt mir was ein.
„Ich glaube, ich sollte von mir aus zum Erdmann oder zum Direx gehen und die Situation schildern. Wer weiß, was die Hartmann wieder draus gemacht hat. Und Zeugen hab ich ja wiedermal keine."
Die anderen drücken mir die Daumen, und ich tigere in den Verwaltungsflur.

Der Direx steht grade bei Frau Zimmermann, schaut mir entgegen und verzieht sein Gesicht.
Keine gute Voraussetzung ...
Aber er spricht mich gleich an.
„Alles gut, Max. Der Sturm ist schon vorüber. Ich bin ganz bei Frau Süß. Wer zu spät kommt, sollte nicht noch mehr verpassen. Nur – als du ihr davongelaufen bist, hatte sie dich da festgehalten? Oder ..."
„Danke, Dr. Miegel. Sie wollte grade nach meinem Ärmel greifen, und da bin ich unter ihrem Arm durchgetaucht. De facto haben wir uns so überhaupt nicht berührt. Und selbst wenn – sie hat mich nicht anzufassen, oder?"
Der Direx säufzt und nickt.
„Alles harmlos. Los, flitz wieder in die Pause."
„Danke nochmal!"
Und schon bin ich wieder weg.
Na, das ging ja glimpflich ab.

Nach Spanisch radele ich auf Lasses Rad zu Frau Süß. Wir konzentrieren uns auf Stochastik, und wieder merke ich, dass ein zu volles Wochenende nicht gut ist. Für heute ist eigentlich die Luft schon raus. Und die Süß merkt dass auch.
„Max? Kann es sein, dass dir das grade ein bisschen über den Kopf wächst?"
Ich nicke bloß müde.
„Ziemlich genau so. Ich habs schon gestern Abend gemerkt. Und dann heute morgen wieder. Und dann der Sprint. Ich muss bei den beiden anderen Survival-Tagen echt aufpassen, dass ich mir da irgendwo 'ne Lücke lasse. Ich wollte mit der Facharbeit möglichst weiterkommen, damit ich die nicht in die Klausurenphase reinschleppe. Dabei hab ichs wohl etwas übertrieben."

Mein Handy piept wegen einer Nachricht von Lasse.
„Du musst durch Scherben gefahren sein. Ist wieder heile."
Und ich jage ein paar Danke-Sticker zurück. Frau Süß lässt nicht locker.
„Schaffst du dann diese Woche im normalen Takt? Oder sollen wir Mittwoch ausfallen lassen?"
„Auf keinen Fall. Sonst komme ich bei der Klausur überhaupt nicht klar."
„Was kannst du stattdessen weglassen?"
„Ich denke, ich werde morgen Tanzen sausen lassen. Ich sage einfach dem Trainer Bescheid, dass er mit den beiden was üben soll, was nur die beiden brauchen. Ich hab ja das Privileg, dass ich alles ein bisschen kann."
„Das klingt gut. Du musst bald Luftholen. Ist sonst alles in Ordnung?"

Ich zögere. Denn es ist ja durchaus nicht alles in Ordnung.
„Meine ... Stiefmutter Tanja. Nach dem großen Streit mit meinem Vater geht's ihr gar nicht gut. Sie hat viel geweint, kaum noch gegessen. Und sie hat beschlossen ... falls Papa mich rausschmeißt, wird sie sofort auch gehen. Ich fühle mit ihr, sie fühlt mit mir, wir fühlen uns beide furchtbar dabei. Sie ... Sie meint, dass Papa vielleicht psychisch krank ist und sie ihn nur zur Vernunft bringen kann, wenn sie ihm ein so deutliches Stopzeichen hinstellt."

Frau Süß streicht mir kurz über die Schulter.
„Das fühlt sich bestimmt scheußlich an. Aber wenn ich ehrlich bin – den Verdacht hatte ich auch schon. Du musst davor bitte keine Angst haben. Krank ist krank, egal in welcher Form. Seelische Probleme und Altlasten sind wie ein Beinbruch, nur ohne Gips. Es sollte normal sein, dass man sich da genauso Hilfe holt. Man sieht den Bruch einfach nicht, weil er innendrin ist. Aber was Frau Frey da bereit ist zu opfern für ihn, das ist ein großes Geschenk, wenn es gelingt. Ich wünsche euch beiden sehr, dass er das annehmen kann."
„Tante Jana kümmert sich grade ganz viel um sie. Darüber bin ich total froh."
„Ich auch. Mach heute bitte nichts mehr, höchstens was kleines Schönes. Und schlaf früh."
„Versprochen."

.....................................................................

20.10.2020    -    23.4.2021

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro