081 ** Tänzer und Engel ** Fr. 20.12.2019

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Ich war froh, dass sich Max gestern noch geöffnet hat. Er hat so unglaublich viel aushalten müssen in diesem halben Jahr. Und selbst, wenn es toll ist, dass er und sein Vater wieder aufeinander zugehen können – sein weiches Herz und seine Empathie machen es ihm nun auch noch schwer zuzusehen, wie sich sein Vater quält. Für Max wurde es echt Zeit, dass die Ferien kommen.

Heute haben wir in der dritten Stunde natürlich keine Mathe-Nachhilfe mehr gemacht. Und so haben wir uns vor den Ferien gar nicht mehr gesehen. Jetzt sitze ich hier an meinem Schreibtisch und verpacke alle Geschenke, schreibe kleine Briefe dazu – und starre immer wieder diese zauberhafte Glasfigur von den Tänzern an, die seit Mittwoch mein Fensterbrett ziert. Ich hab echt keinen Schimmer, wann und wie ich ihm das kleine Kunstwerk geben soll.

Soll ich das mit der Post schicken? Das wird dann aber ein richtiges Paket, damit das Ding nicht kaputt geht, und kommt wahrscheinlich nicht mehr rechtzeitig an. Soll ich es ihm persönlich geben? Dann sterbe ich vor Aufregung, was er wohl dazu sagt. Einfach in den Briefkasten schmeißen? Dann müsste ich was dazu schreiben, damit klar ist, für wen das ist. An Heilig Abend vorbeibringen? Dann kriegen das so viele mit. Das wäre nicht gut. Och, Menno. Ich kann mich nicht entscheiden!

Als ich die Karte an Tante Anni schreibe, fällt mir wieder ein, dass ich Papa nach ihrem Taufnamen fragen wollte. Das wäre echt zu witzig, wenn Max da intuitiv richtig getroffen hätte. Ich mache ein Päckchen für Tante Anni fertig, das ich einfach in den Briefkasten werfen kann – bloß nicht mehr Schlangestehen auf dem Postamt. Alle anderen Sachen stelle ich auch aufs Fensterbrett.

Jenny ist mal wieder bei Lennart. Ich fühle mich immer öfter allein in unserer Wohnung. Aber es war ja klar, dass wir nicht unser ganzes Leben lang aufeinander hocken werden wie so'ne koreanische K-Pop-Band. Und ich gönne ihr ja auch ihr Glück. Trotzdem fühlt es sich sch... an. Da entgleitet mir jemand, der schon mein ganzes Leben lang da war. Immer. Selbst in der finstersten Stunde. Jenny war immer da. Und jetzt muss ich sie gehen lassen, weil jemand anderes zu ihrem Lebensmittelpunkt wird.

So. 22.12.2019

Kann mir mal jemand eine Eingebung vom Himmel schmeißen??? Aber bitte gut zielen!
Ich weiß IMMER NOCH nicht, wie Max an sein Geschenk kommen soll.
Hmpf.
Jenny und ich haben uns heute den ganzen Tag durch die angestauten Berge auf unseren Schreibtischen geackert. Hefte kontrollieren, Klausuren korrigieren, Ich bereite die Zeugnisse für meine Sportler vor, weil ja die Q3 jetzt schon endet. Lehrerpost, schulinterne Mitteilungen, Werbung, ... Es soll einfach über die Feiertage nichts liegen bleiben als Mahnmal. Wir räumen auch gemeinsam das Wohnzimmer auf, machen eine Putzorgie im Bad und landen schließlich übermütig in der Küche. Jenny fängt an, mit Mandarinen zu jonglieren.
„Fang!"
Ich werfe eine vierte dazu, aber da sie das gar nicht kann mit vier Bällen, fallen schließlich alle runter. Also essen wir sie gemeinsam auf, damit sie nicht matschig werden.

„Wann haben wir eigentlich das letzte Mal gelesen? Es war so viel Trubel in den letzten Tagen."
Ich flitze ins Wohnzimmer und zähle schnell die verbliebenen Teetüten.
„Da sind noch fünf. Es dürften aber eigentlich nur noch drei sein"
„Na dann – auf geht's. Ich will wissen, ob aus der Maschine doch noch was wird."
Der Tee ist schnell gekocht – es ist wieder der mit dem Zimtgeschmack, den wir beide so mögen. Und bald sitzen wir, eingemummelt in eine riesige Kuscheldecke, auf dem Sofa, mit Teetassen in der Hand, einem Teller voller Kekse und dem Buch auf meinem Schoß. Wir haben uns angewöhnt, passend zu unseren Spitznamen die Rollen mit verteilten Stimmen zu lesen, und das ist manchmal einfach saukomisch. Jenny ist ein dermaßen genial-wuseliger Hektik-Kater, dass ich Tränen lachen muss.

„Das war das vorletzte Kapitel. Das passt doch. Morgen lesen wir das letzte, und an Heilig Abend trinken wir den letzten Tee miteinander."
„Du, wie ist bei euch das Timing an Weihnachten? Wann wollen wir denn frühstücken?"
Jenny dreht die Augen zur Decke.
„Da mein lieber Herr Papa mal wieder just in time lebt, muss noch der Weihnachtsbaum gekauft werden. Also soll ich schon um 10.00 Uhr da sein."
„Gut. Dann sagen wir: Frühstück um 8.00 Uhr? Dann können wir uns Zeit lassen."
„Das passt."

Mo. 23.12.2019

Die Wohnung ist geputzt, der Schreibtisch ist leer, die Geschenke sind verpackt, der Kühlschrank ist gefüllt. Ich sitze in meinem Zimmer und drehe Däumchen. Am Anfang der Ferien dauert es immer ein paar Tage, bis ich runtergeschaltet und mich auf mehr Freizeit eingestellt habe. Und: da steht immer noch die Glasfigur. Langsam wird's echt eng für die göttliche Eingebung.
Ich bin ein ganz schöner Feigling! Was soll denn schon passieren?

Dass ihr entdeckt werdet? Dass du auf die Nase fliegst? Mir fällt da bestimmt noch mehr ein ...

Hau.Ab!!!

Pfff. Ich geh ja schon.

Na, ganz toll. Die Stimme kann ich grade überhaupt nicht gebrauchen.
Zum Glück bin ich wieder stabil, und so lässt sie sich schnell wieder vertreiben.

Jenny steckt den Kopf zur Tür rein. Sie hat unseren kleinen Baum besorgt.
„Hilfst du mir beim Aufstellen und Schmücken?"
Jei, eine Ablenkung!
Ich springe auf und gehe mit Jenny ins Wohnzimmer. Meine Krippenfiguren sind jeden Tag ein bisschen mehr geworden und jeden Tag ein Stückchen mehr auf den Stall zu gewandert. Gemeinsam stecken wir den Baum in den Ständer, schmücken ihn mit roten Kugeln, Strohsternen und einer kleinen Lichterkette und legen schonmal unsere gegenseitigen Geschenke darunter. Im Laufe der nächsten Tage wird da sicher noch was dazukommen, denn wir mögen es, wenn die ausgepackten Geschenke da noch eine Weile liegen.

„Sollen wir dann die Geschichte zu Ende lesen?"
„Hm. Ich hab jetzt richtig Hunger. Lass uns erst kochen und essen."
Eine Weile später füllt ein bunt gemixtes Gemüserisotto unsere Mägen. Satt lehne ich mich zurück.
„Jetzt lesen?"
Wir räumen schnell die Küche auf, kochen den Tee und kuscheln uns wieder aufs Sofa. Mit großem Vergnügen lesen wir, was aus Pettersson, Findus und der Weihnachtsmannmaschine wird.
„Schade, dass das Buch schon zu Ende ist. Ich könnte ewig weiter so auf dem Sofa sitzen und vorlesen."
„Es hindert uns doch keiner dran, auch in Zukunft gemeinsam Bücher zu lesen. Zumindest im Winter macht das echt Spaß. Im Sommer werden wir sicher zu oft draußen sein."

Ich klappe das Buch zu und stecke es zurück in den nun fast leeren Adventskalenderkorb, den ich auch unter den Baum gestellt habe.
„Das war wirklich eine schöne Idee von Max. Der tägliche Ruhemoment hat gut gewirkt gegen die Schulhektik."
Mein Blick fällt aus dem Fenster. Es dämmert deutlich, die Straßenlaternen sind schon angegangen und feiner Schnee glitzert im künstlichen Licht.
„Hei, weiße Weihnacht! Es ist zur Zeit so kalt draußen, dass das sicher liegen bleibt. Keine Ahnung, wann wir DAS das letzte Mal hatten."

Im Flur fällt mein Blick auf die bereits eingetrudelte, aber noch nicht geöffnete Weihnachtspost. Kurzerhand greife ich den Stapel und zwei kleine Päckchen und lege sie alle in den Korb. Wir gehen in unsere Zimmer, und beim Blick auf das Fensterbrett weiß ich wieder, warum Aufschieberitis eine echt lästige Angewohnheit ist.
Jetzt wird's allmählich eng. Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mein Geschenk morgen nach dem Frühstück selbst dort hinzubringen. Hoffentlich sieht mich dann keiner.

Mo. 23.12.2019

Schei... - ich bin sooo ein Feigling! Was ist so schwer daran, einen Holzengel ein paar Straßen weiter zu tragen? Richtig – gar nichts. Och Menno ...
Ich liege auf meinem Bett und schaue der Sonne beim Sinken zu. Die Tage waren sehr angefüllt mit allerlei organisatorischem Kram. Ich hatte überhaupt keine Zeit, über Papa, Mama oder die Isenburg nachzudenken. Aber jetzt sind alle Geschenke verpackt. Der Baum steht und ist geschmückt. Der Kartoffelsalat ist fertig und zieht vor sich hin. Jetzt kann es Weihnachten werden. Und rumms – sofort fängt mein Kopf wieder an zu rotieren.
Und der Engel ist halt noch hier. Da bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mein Geschenk morgen nach dem Frühstück selbst dort hinzubringen. Hoffentlich sind die beiden dann nicht schon weg.

Alle anderen scheinen mit ihren familiären Weihnachts-Vorbereitungs-Verpflichtungen auch fertig zu sein, denn wie von Zauberhand ploppen wir fast gleichzeitig im Gruppen-Chat auf und fangen an zu jammern, wie aaaaaaaanstrengend das ist, Weihnachten vorzubereiten. Wir vertrödeln noch ein bisschen Zeit mit Antoine, denn der ist ganz aufgeregt. Es hat sich viel bei ihm getan in den letzten Wochen. Jetzt ist er kribbelig, weil er zwar in Langenberg mal in die Stadt darf. Aber es ist sein erster Ausflug nach Essen mit Übernachtung, und er freut sich wie Bolle drauf. Witzigerweise ist auch Sebastian völlig durch den Wind vor lauter Vorfreude. Allmählich habe ich einen Verdacht. Aber ich halte schön noch eine Weile meine Klappe.

Als ich ins Bett gehe, fängt es draußen an zu schneien. Aber so richtig!
WOW! Weiße Weihnacht! Das hab ich ja noch nie erlebt.
Ich schleiche mich nochmal ans Fenster und starre in die Nacht. Es ist tatsächlich so kalt draußen, dass der Schnee wahrscheinlich liegen bleiben wird. Und das finde ich echt cool.

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5.12.2020

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