127 ** mea culpa ** Di. 7.4.2020

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Bald ist auch Mittagessen. Als ich auf dem Weg zu meinem Zimmer am Empfang vorbei komme, drückt mir die Dame einen Brief in die Hand.
„Frau Süß? Der ist heute für Sie gekommen."
Huch??? Wer schreibt mir denn einen Brief? Und hierher? Wer weiß das ü... Jenny. Auwei. Da muss was passiert sein.
„Danke!"

Ich rase die Treppe rauf in mein Zimmer und reiße den Umschlag auf. Schnell fange ich an zu lesen. Und was Jenny da schreibt, trifft mich wie eine kalte Dusche.
Max.
Schlagartig verstehe ich, was die anderen mit dem Denkmal meinen. In meiner Angst ist Adrian in meinem Kopf so übermächtig geworden, dass ich geglaubt habe, ich müsse ihn erst wegräumen, bevor ich Max an mich ranlassen kann. Ich selbst habe den alten Ängsten so viel Macht über mich gegeben. Aber statt Max als Kraft und Hilfe zu gewinnen, habe ich ihm dadurch ein riesiges Hindernis in den Weg gelegt. Und er wird an diesem Hindernis in meinem Kopf nicht vorbei kommen können, so lange ich ihn nicht lasse. Ich habe ihm ja nichtmal gesagt, dass ich hier bin und was ich hier mache.
Armer Max!
Ich war blind und habe mich darum für die falsche Reihenfolge entschieden.
Ich Idiot!

Ich weiß gar nicht, was ich jetzt zuerst tun soll. Mit fahrigen Händen stelle ich mein Handy an und entsperre es. Sofort beginnt hektisches Gebimmel wegen all der Nachrichten von den Menschen, die nicht wissen, wo ich grade bin und dass ich ausgeschaltet habe. Immerhin war ich über drei Tage off. Ich lege das Handy erstmal weg, damit es sich ausbimmeln kann.

Als endlich Ruhe ist, greife ich es mir wieder und wähle schnell Max Nummer. Ich will keine Nachricht schreiben, es gibt kein Ausweichmanöver mehr. Er soll meine Stimme hören und spüren können, dass ich das ganz ehrlich meine.
Wenn er das überhaupt noch hören will. Denn diesmal hab tatsächlich ich Bockmist gebaut und ihm damit sicher sehr weh getan.

Aufgeregt zähle ich das Klingeln, bis Max Gott sei Dank an sein Handy geht.
„Max hier."
„Max, hier ist Anni. Ich habe grade Jennys Brief bekommen. Und ich muss mich ganz furchtbar bei dir entschuldigen. Ich habe einen riesigen Fehler gemacht. Es tut mir so leid, Schatz. Hast du einen Moment zum Reden?"

Erstmal ist beängstigende Stille am anderen Ende.
„Ich bin in der Gärtnerei. Warte, ich suche mir einen ruhigen Platz."
Ich höre seine Schritte am anderen Ende, dann schließt sich dort geräuschvoll eine Tür.
„So. Da bin ich. Ich höre dir zu."
Hilfe, klingt das abweisend. Max ist total dicht.
Nervös laufe ich in meinem Zimmer auf und ab. Das Mittagessen ist jetzt egal.

„Max, ich schäme mich in Grund und Boden. Ich war so verängstigt und so auf mich fixiert, dass ich einfach nur noch weglaufen wollte. Es war nicht in Ordnung, dass ich dir nicht erzählt habe, was ich machen werde. Und dass das eine sehr spontane Entscheidung war, ist auch keine Entschuldigung. Dir hätte ich es als allererstes erzählen müssen. Es tut mir sehr leid. Hoffentlich kannst du mir verzeihen."
Stille am anderen Ende. Dann seufzt Max ganz tief auf.
„Natürlich verzeihe ich dir. Ich weiß nur nicht mehr, wie das weiter gehen soll. Wenn dich die Panik immer wieder so in die Selbstisolation treibt, dann bin ich dazu verdonnert, der ewige Zuschauer zu sein, der ab und zu ein Ergebnis serviert bekommt. Jenny hat ..."
„Jenny?"
„Ja, Jenny. Und Lennart. Erklär ich dir später. Sie hat sich Beine ausgerissen, mich zu trösten und dein Verhalten irgendwie zu erklären, ohne mir zu viel zu verraten. Und dabei hat sie ganz klar gesagt: ich versteh's diesmal auch nicht."

„Ich ... ich habe mich in den letzten Wochen so furchtbar gefühlt. Ich liebe dich so sehr, und ich möchte dir so gerne vertrauen. Aber die alten Ängste haben Überhand genommen. Ich hasse das. Ich will leben! Ich will nicht vor meinem Freund zurückzucken, wenn der mich doch nur verwöhnen will. Und ... dann kam die Angst dazu, ... dann ..."
WOW, du hast schonmal flüssiger gestottert, Antonia Süß ...
„Dann ..."
„Ich liebe dich, Anni. Hab keine Angst, alles auszusprechen. Lass mich an deiner Seite stehen in diesem Prozess."
Äh ... Was hat Sabine vorhin gesagt? „Dann reiß doch den blöden Sockel endlich ein. Schick den Widerling in die Wüste. Wenn du erstmal anfängst, dann hilft dir Max von der anderen Seite her bestimmt."

„Dann kam die Angst dazu, dass du das nicht lange mitmachen würdest, dass du nicht noch Jahre warten würdest, bis ich dir mehr erlaube. Und deshalb wollte ich ..."
Max seufzt wieder vernehmlich am anderen Ende.
„... deshalb wolltest du es jetzt übers Knie brechen, koste es, was es wolle. Ach, Anni."

Ich habe den ganzen Vormittag nicht geweint. Ich habe diese Aufstellung durchgezogen, die Kommentare und Beobachtungen angehört, meine Schlüsse daraus gezogen – aber jetzt fange ich endlich an zu weinen.
„Du ... klingst so ... wütend. Ich hab das falsch gemacht. Aber ... ich ... Max ..."
„Ich bin nicht wütend. Jedenfalls nicht mehr. Ich bin einfach furchtbar hilflos und furchtbar besorgt. Und riesig dankbar, dass Jennys Brief dich erreicht und wachgerüttelt hat. Jetzt redest du mit mir, jetzt kann ich für dich da sein. Aber es muss immer wieder deine Entscheidung sein, mich teilhaben zu lassen. Wir können das im Laufe der Zeit sicher gemeinsam bewältigen. Aber eben nur, wenn du mich lässt."

Jetzt heule ich endgültig die Sturzbäche, die schon heute Morgen hätten kommen sollen.
Ich muss mir unbedingt nach dem Mittagessen Sabine schnappen und das mit ihr nochmal durchkauen.
„Danke, Max. ich danke dir so sehr."
„Wofür, Liebes?"
„Dafür, dass du du bist. Ich hatte heute Morgen meine Aufstellung. Ich mein' - wieviel weißt du darüber?"
„Da es was mit Bewegung zu tun hat, habe ich das Thema für die Facharbeit auch beackert. Ich habs dann letztendlich über Bord geworfen, weil ich sowieso schon so viel Stoff hatte. Aber ich habe mich schon mit den ganzen Hellingers und Konsorten beschäftigt. Deshalb mache ich mir ja auch so Sorgen um dich. Das kann doch ganz schön heftig sein."

„Ist es n... naja, wenn man dabei was kapiert, ist es natürlich schon heftig. Aber wir arbeiten hier mit einer sanfteren, sehr selbstkontrollierten und gut begleiteten Variante. Keiner muss, jeder darf. Für jeden ist ein ganzer Tag eingeplant, mit viel Freizeit, persönlichen Ansprechpartnern, lockeren Gruppenaktivitäten, die uns in der Realität und Normalität verankern. Und das Wichtigste: es gibt nicht diese vorgegebenen Sätze zum Nachsprechen. Und wir sind uns auch nicht gegenseitig Darsteller. Die haben hier lebensgroße Figuren in ganz verschiedenen Posen. Einfach riesige Fotos, mit denen wir die Aufstellung machen. Niemand wird hier in eine Rolle gestopft, die ihn schlecht fühlen lassen kann. Wir dürfen uns ganz auf uns und unsere Wahrnehmung konzentrieren."
„Gott sei Dank! Das klingt gut. Das klingt, als ob die wissen, was sie tun, und ihren Teilnehmern wirklich gerecht werden. Was bin ich froh!"

„Jedenfalls habe ich heute Morgen meine Aufstellung gemacht. Und sehr viel gesehen. Manches davon habe ich jetzt bei unserem Gespräch hier nochmal besser verstanden. Ich werde mir heute Nachmittag meine Bezugsperson schnappen und das alles durchsprechen. Und spätestens, wenn ich das hab sacken lassen, werde ich dir das erzählen."
„Danke, Anni!"

„Ich ... hab Sehnsucht nach dir, Max. Ich fühle mich auf einmal so, als hätte ich dich am liebsten dabei."
Ich höre sein Grinsen.
„Wo muss ich hin? Schaff ich das heute noch?"
„Ach, du Lieber! Du, ich muss zum Mittag. Sonst geben die noch 'ne Vermisstenanzeige auf. Aber ich lass mein Handy jetzt an. Stumm, aber ich kuck regelmäßig drauf."
„Das ist gut. Ich liebe dich. Du schaffst das. Und wir schaffen das!"

Jetzt heule ich vor Glück.
Danke, Jenny! Ich war wirklich zu vernagelt.
Ich eile zum Speisesaal, wo mir Sabine gleich entgegen geht.
„Ist alles in Ordnung bei dir? Du wirktest vorhin so ... viel zu gefasst."
„Ja, jetzt ist endlich alles in Ordnung. Ich habe nur mit Max telefoniert. Könnten wir nachher darüber reden? Ich möchte einige Gedanken sortieren mit dir."
„Natürlich. Heute ist schönes Wetter. Wollen wir das bei einem Spaziergang machen?"
„Gerne. Ich bin gerne draußen. Ich nehme mir dann was für Notizen mit."
„Na, dann iss jetzt erstmal."

Erleichterung Max Di. 7.4.2020

Heulend sitze ich auf einem Haufen alter Säcke in einem der Gewächshäuser.
Gott sei Dank! Anni hat sich gemeldet.
Und wir haben nicht gestritten sondern uns dabei gefunden. So fühlt sich das richtig an. Auch, was sie über das Seminar erzählt hat, klingt verantwortungsvoll und tatsächlich hilfreich. Ja, ich wäre jetzt auch gerne bei ihr. Aber wahrscheinlich geht das nicht.
So ein paar Tage über Ostern ...

Erleichtert melde ich mich schnell noch bei Jenny, bevor ich mich wieder an die Arbeit mache.
„Anni hat sich gemeldet. Alles gut. Rest als Sprachnachricht."
Dann erzähle ich ihr kurz, was Anni alles über das Seminar verraten hat, und wie wir verblieben sind.
„Und jetzt muss ich ganz schnell wieder an die Arbeit. Meine Pause ist längst rum. Lass uns später telefonieren."

Ich flitze schnell wieder zu Milly, Moritz und Antoine, die heute mit mir hier sind. Sebastian ist bei seinen Eltern, um sich zu outen und anschließend mit ihnen zu besprechen, ob und wenn ja in welcher Form sie ihn in Zukunft unterstützen werden. Ich finde das total mutig. Erst das Outing und dann die Zukunft. Er spielt mit absolut offenen Karten, und ich hoffe, dass sich das für die beiden nicht rächt. In den letzten Monaten hat es sich immer wieder ausgezahlt, dass Sebastian ganz ruhig und beharrlich die Parameter zu Hause verschoben hat. Seine Eltern haben Schritt für Schritt gelernt, dass ein guter Kontakt zum eigenen Sohn wichtiger ist als, ihre Pläne für sein Leben durchzusetzen. Darum lenken wir heute Antoine ab und hoffen das Beste.

Auch in den nächsten beiden Tagen und am Samstag werden wir in der Gärtnerei arbeiten, weil das Ostergeschäft gut läuft. Gestern ist Tanja nach Hause zurück gekommen. Und morgen kommt Papa nach Hause. Und die Sorge um Anni obendrauf. Diese Woche stresst mich echt. Wie gut, dass Anni sich gemeldet und Entwarnung gegeben hat. Denn morgen möchte ich den Kopf frei haben für Papa. Ich freu mich wie Bolle, dass er nach Hause kommt, dass wir eine richtige Familie sein können.

Aber er selbst ist bestimmt sehr nervös. Antoine hat inzwischen ein bisschen erzählt, wie es ihm ging. Da ist die Angst, das Gelernte nicht umsetzen zu können, vom Umfeld nun doch nicht akzeptiert zu werden, zurück in die alten Muster zu rutschen. Er und Sebastian haben erzählt, was ihnen geholfen hat, diese Anfangshürde zu umgehen. Ich hoffe, ich schaffe das bei Papa auch. Er soll ganz gesund werden und sich hier wieder richtig zu Hause fühlen mit uns.

Nach der Arbeit verabschiede ich mich von den anderen und flitze nach Hause. Tanja hat den ganzen Tag geräumt, die Babyklamotten gesichtet, ihre Blumen gehätschelt, ist durch den Garten gestreift, und Lasse war so lieb, nach ihren Anweisungen Unkraut zu jäten und Büsche zu beschneiden, weil sie das inzwischen wirklich nicht mehr selbst kann. Als ich bei ihr reinschneie, stellt sie grade einen Strauß Frühlingsblumen aus dem Garten auf den Esstisch. Die Zimmer sehen wieder lebendig, bewohnt und hell aus, und das fühlt sich so richtig an!

Wir essen gemeinsam zu Abend und unterhalten uns über morgen. Onkel Uwe wird Papa abholen und nach Hause bringen. Wir haben alle miteinander verabredet, dass ich ab jetzt Wanderer zwischen den Welten sein werde. Mein Zimmer bleibt bei Tante Jana und Onkel Thorsten, essen werde ich aber häufig bei Papa und Tanja. Wenn das Baby frisch da ist, wird Tante Jana viel für uns kochen – oder ich. Papa, Lasse und ich werden in der Woche nach Ostern gemeinsam das Kinderzimmer renovieren. Ich freue mich auf diese Gemeinschaftsaktion.

Beim Abdecken nehme ich Tanja einmal von der Seite in die Arme. Von vorne geht nicht mehr gut.
Das Gör macht sich ganz schön dicke. Wird Zeit, dass es rauskommt ...
„Tanja, wie geht es dir jetzt mit all dem?"
„Ich bin ein bisschen erschöpft von der Umzieherei, aber es tut so gut, wieder in den eigenen vier Wänden zu sein."
Ich schüttele den Kopf.
„Ich meine – fühlt sich die Entscheidung, Papa noch eine Chance zu geben, für dich richtig an? Fühlst du dich damit wohl und geborgen, kannst du so an eine gemeinsame Zukunft glauben?"
Tanja lächelt.
„Ja, Max. Und das sind nicht nur die Hormone und der Nestbautrieb. Ja, ich liebe deinen Vater noch immer und wieder neu. Er geht mit dir und mit mir viel sensibler um als jemals zuvor. Und das wichtigste – er geht mit sich selbst ganz anders um als jemals zuvor. Wenn er nett zu mir ist, dann ist das nicht mehr der Kavalier-Automatismus. Es ist ... als ob seine Augen und Ohren zum ersten Mal seit langem geöffnet sind und wahrnehmen, was und wer um ihn herum ist."

Ich weiß gar nicht ein noch aus vor lauter Glück.
„Das klingt so toll, Tanja. Ich freu mich so auf die nächste Zeit. Ich vermute, dass Papa am Anfang ziemlich unsicher sein wird. Antoine hat uns erzählt, wie es ihm damit ging. Aber zusammen schaffen wir das – für und mit Papa. ... Ich hab dich manchmal so sehr vermisst!"

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20.1.2020

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