130 ** Eingewöhnung ** Mi. 8.4.2020

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Als Max zu Tür raus ist, muss ich noch einen Moment innehalten. Max hat eine Freundin, die älter ist, schon arbeitet und offensichtlich ... Ich finde keine Worte. Und Jana und Thorsten haben das gewusst und haben es laufen lassen! Mir hat niemand was gesagt.
Naja – ich habe Ende September ja auch mit Donnerschlag jede weitere Verantwortung abgelehnt.
Trotzdem ist die Kröte schwer zu schlucken.
Was will eine ältere Frau mit so einem jungen Kerl? Und was will Max mit einer älteren Frau, die ganz anders tickt und ganz andere Erwartungen hat?

„Puh, das geht mir alles zu schnell. Hast du was davon gewusst?"
„Nein, Axel. Hab ich nicht. Ich habe Max zugesehen, wie er jetzt sieben Monate lang Achterbahn gefahren ist. Aber ich bin immer davon ausgegangen, dass es mit dir, mit dem Mobbing durch Frau Hartmann oder mit meinem Auszug zu tun hatte. Nicht mit einer Beziehung. Aber ... was stört dich daran so? Ich fand, dass Max da grade sehr klar und vernünftig klang."
„Ich weiß es auch nicht. Der Altersunterschied? Das ich so lange nichts davon wusste? Dass ... ich selbst das Recht verwirkt habe, dazu eine Meinung zu haben? Es macht mich einfach nervös."
„Dir ist aber schon klar, dass du da sowieso nichts mehr zu melden hast? Denn jetzt ist Max tatsächlich sein eigener Herr."
„Ja, klar. Aber ..."
„Aber? Wir wissen doch gar nicht, wie groß der Altersunterschied ist. Vielleicht hat sie eine mittlere Reife und eine abgeschlossene Ausbildung und ist nur ein oder zwei Jahre älter als er. Sorg dich nicht so."
„Ich hab Angst."
Tanja fährt mir einmal zärtlich durchs Haar, und ich erzittere innerlich, weil ich das so sehr vermisst habe.
„Wovor?"
„Dass ... ich weiß nicht mehr, wann ich eine eigene Meinung haben und auch dafür einstehen darf. Und wann ich mich zurückhalten muss, damit ich mich nicht irgendwo einmische und Streit heraufbeschwöre. Ich finde es ganz schön schwer, da neu auszuloten, was jetzt dran ist. Die Uhr ist ja nicht stehen geblieben, während ich weg war."

Plötzlich steht Max mit Jana in der Tür.
„Mach dir darum keine Sorgen, Papa. Du machst das gut! Du antwortest nicht sofort sondern denkst erst kurz drüber nach. Und dann sagst du, wie es dir damit geht. Ich habe mich überhaupt nicht angegriffen gefühlt vorhin. Und ich verstehe, dass dich das überrumpelt hat und nervös macht. Deshalb darfst du jetzt Tante Jana ausquetschen. Sie kann dir erzählen, wie es ihr damit erging. Vielleicht hilft dir das."
Ich bin kurz zusammen gezuckt. Jetzt atme ich tief durch.
„Na, dann setzt euch. Ich spüre, wie wichtig deine Anni dir ist. Und wie wichtig dir ist, dass ich auch gut damit leben kann."

Es ist ein seltsames Gespräch, denn manche Fragen beantworten die beiden ganz offen, andere werden überhaupt nicht beantwortet. Auch Tanja hat Fragen. Und Jana legt schließlich die Facharbeit von Max auf den Tisch.
„Hat er dir die eigentlich mal zum Lesen gegeben?"
„Nein. Uwe hat mir davon vorgeschwärmt, aber er hat auch gemeint, dass ich mir Zeit lassen soll, die zu lesen, wenn ich aufnahmefähig bin für diesen neuen Aspekt von meinem Sohn. Max hat mir ja gesagt, dass er in Richtung Bewegungstherapie gehen möchte. Und dass das auch durch das Schreiben dieser Facharbeit entstanden ist. Aber ich glaube, ich warte tatsächlich noch ein bisschen damit."

„Dann zeig ich dir was."
Jana schlägt die Facharbeit ganz hinten auf und hält sie mir unter die Nase. Max hat offensichtlich eine Widmung hinten reingeschrieben. Und die lese ich natürlich sofort. Als ich kapiere, was Max da an mich gerichtet hat, schießen mir die Tränen in die Augen, und ich greife nach seiner Hand. Er erwidert meinen Druck.
„Ich hab das ganz ehrlich gemeint. Obwohl das nur zwei Wochen nach dem Rauswurf war. Ich ... es war nie alles nur schlecht, Papa. Kuck, und da steht Anni auch dabei."

Jana klappt die Facharbeit wieder zu.
„Das war auch der Grund, warum ich hellhörig geworden bin. Ich habe die endgültige Fassung tatsächlich erst jetzt vor einigen Wochen ganz gelesen. Ich war auch misstrauisch. Ich habe ihn dann direkt gefragt, und er hat mir ehrlich geantwortet. Du musst dir wirklich keine Sorgen machen, Axel. Thorsten kennt sie. Ich habe sie noch nicht persönlich kennen gelernt, aber ich bin mir sehr sicher, dass Max weder ausgenutzt noch verführt noch sonst irgendwie unvorteilhaft behandelt wird. Wir werden sie kennen lernen, sobald Max sein Abiturzeugnis in der Hand hat. Vertrau ihm. Er schließt dich nicht gezielt aus, sondern er schützt seine Anni. Die beiden wollen sich einfach noch Zeit lassen für ihren Weg."

Wenn Jana sich so sicher ist, dann kann ja hoffentlich nichts schief gehen.
Ich lausche nochmal in mich rein und stelle fest, dass es tatsächlich vor allem der Überraschungseffekt, der verletzte Stolz und der Schmerz sind, dass ich mir dieses Ausgeschlossenwerden selbst zuzuschreiben habe. Nicht die Tatsache, dass der Junge nun mal erwachsen wird und eigene Wege geht.
Es ist spannend, ihm dabei zuzusehen. Ich bin jetzt wirklich neugierig, was die nächsten Wochen so bringen werden.

Ich springe jetzt einfach mal mit Anlauf über meinen eigenen Schatten.
„Max, ich hoffe, du hast nicht das Gefühl, dass du dich rechtfertigen musst. Ich muss jetzt einfach die Lücken füllen. Und ich muss mich wie alle Eltern daran gewöhnen, dass du in dein eigenes Leben durchstartest. Gib mir ein bisschen Zeit."
„Na klar! Kein Problem."
„Danke! Und ich glaube, ich möchte jetzt mal mein Gepäck auspacken und das Haus für mich wieder warmwohnen."
Jana und Max gehen nach nebenan, ich trage meine Koffer und Taschen hoch und fange an, Schränke zu füllen, den Wäschekorb zu füttern und viele, viele Alltagskleinigkeiten an ihre Plätze zu räumen.

Anschließend spazieren wir durch unseren Garten, in dem Tanja mit Lasses Hilfe sofort wieder fleißig gebuddelt hat.
„Wird es denn ein Fleckchen geben, das du für einen Sandkasten freigeben wirst?"
„Ich weiß gar nicht, ob das nötig ist. Der Sandkasten von Ole steht doch fast auf der Grundstücksgrenze, bei der Kastanie. Der reicht eigentlich. Jana hat auch gemeint, dass wir den mit benutzen sollen, sobald es soweit ist. Ich hätte aber Lust auf eine richtig große Schaukel. Am liebsten an einem der starken Äste von dem alten Baum. Aber dazu muss Jana natürlich auch ihr O.K. geben."
„Na, ob du das kriegst? Der Baum ist heilig!"
Wir müssen beide schmunzeln.

Tanja lehnt sich an mich.
„Ach, Axel. Dass du wieder da bist! Jetzt kann das Kind ganz viel deine Stimme hören und sich an dich gewöhnen. Hab ich dir eigentlich schon verraten, was es wird?"
„Nein."
Mir wird ganz warm. Tanja ist so zugewandt und zärtlich.
Sie alle wollen mir wirklich den Weg ebnen, damit unser Zusammenwachsen gelingen kann.
„Willst du es wissen? Ich mein', wir haben ja für beides Namen rausgesucht. Aber ..."
„Hmmmm – nein. Ich will es nicht wissen. Ich glaube, ich lasse mich überraschen. Es wird auf jeden Fall wunderbar und einzigartig, denn es ist ein Kind von dir. Ob das dann ein Jakob oder eine Katharina ist, ist eigentlich Wurscht. Es ist willkommen und geliebt und ein riesengroßes Geschenk."
„Keine Vorliebe?"
Tanja mustert sehr aufmerksam mein Gesicht, zwinkert mir dabei aber zu.

Daran muss ich mich auch erst gewöhnen.
Sie alle wissen um mein Innenleben. Und darum empfinde ich im Moment jeden prüfenden Blick als Röntgenstrahl, auch wenn es gar nicht so gemeint ist. Denn eigentlich hatte Tanja bei Fragen, die ihr wichtig waren, schon immer diesen Röntgenblick drauf, das ist gar nichts Neues – es wirkt nur neu.
„Ich glaube, nein. Bei Max wussten wir es damals auch nicht. Und als er dann da war, war es eben ein wunderbarer Max. Ich hoffe einfach, dass es für dich und das Kind gut läuft und empfinde das als zweite Chance. Vielleicht wird es ja ein Blumenkind, wie du!"

Do. 9.4.2020

Max muss heute in der Gärtnerei arbeiten, und er hat sehr früh angefangen, damit wir nicht zu spät loskommen zum Baumarkt. Beim Abendessen haben wir gestern noch mal zu dritt besprochen, wie das Zimmer aussehen soll. Und dann hat Tanja uns freie Hand gegeben, Tapeten, Vorhänge und Co. passend dazu auszusuchen. Der Fußboden ist schon ausgesucht und in der letzten Woche verlegt worden. Die Vorhänge werden wir nähen lassen. Aber bei Farben und Tapete dürfen wir uns austoben, in seliger Unkenntnis des Geschlechts des Kindes. Und das ist ja vielleicht auch ganz gut so. Wir werden auf diese Weise jedenfalls nicht in Rosarausch verfallen.

Wir treffen uns um 15.00 Uhr am Baumarkt, weil Max mit dem Rad unterwegs ist. Bewaffnet mit Listen, Skizzen, Quadratmeterangaben, Raumhöhen, einem Zollstock und lauter verrückten Ideen stürmen wir die Abteilung für Raumausstattung. Wir wollen uns mit allem anderen nach dem Stoff richten, weil es umgekehrt wahrscheinlich viel schwerer ist.
„Was wird es eigentlich, Papa?"
„Wie?"
„Naja – ein Junge oder ein Mädchen."
„Weiß ich nicht. Ich habs mir nicht verraten lassen."
„Wiiieeeee??? Du weißt das nicht? Dann wissen wir ja gar nicht, ob wir jetzt in rosa Begeisterungsstürme ausbrechen sollen!"
„Genau deswegen."
Wir lachen noch, als wir schon in der Vorhang-Abteilung angekommen sind.

Ziemlich schnell sind wir bei einer Kombination aus zarten gelb, blau und grün-Tönen.
„Weißt du was?"
„Wasser ist nass."
„Mensch, Max!"
„Hier! Bei der Arbeit."
Ich schnipse ihm einmal vor die Stirn.
„Aua!"
„Stell dich nicht an und hör mir zu. Ich hab eine Idee."
„Echt? WOW!"
„Ist diese Rotzlöffeligkeit irgendwie an das Volljährigkeits-Gen gekoppelt? So warst du vor einem halben Jahr noch nicht."

Plötzlich wird Max ganz ernst und bleibt vor mir stehen.
„Das stimmt. Bei dir war ich nicht so. Ich hatte ja auch immerzu das Gefühl, dass ich den Kopf einziehen muss. Und das hab ich jetzt nicht mehr. Jetzt fühle ich mich sicher, wohl und angenommen bei dir."
Spontan nehme ich meinen großen Sohn in die Arme.
„Danke, Max. Das merke ich auch. Und es ist richtig schön so."

Mein Großer strahlt mich an.
„Und was war jetzt deine Idee?"
„Dass wir das untere Drittel der Wände hellgrün machen und die oberen zwei Drittel hellblau. Dann sieht es aus wie Wiese mit Himmel. Dieser Vorhangstoff passt gut dazu."
Max fängt an zu grinsen.
„Kannst du dich erinnern, als ich mal die Wände bemalt habe? Du bist erst ausgeflippt. Und dann hast du mir das Stück Wand abgetrennt und zum Malen frei gegeben."
„Hm. ... Komm mal mit."

Wir schnappen uns den Ballen Stoff und wandern zu den Tapeten. Hier können wir uns relativ schnell auf eine grün marmorierte Tapete für unten einigen.
„Wollen wir diese Hellblaue für oben nehmen? Oder sollen wir den Himmel einfach selbst streichen?"
„Wir werden auf jeden Fall jemand finden, der Lust hat, uns die Wände zartblau mit Wölkchen anzumalen."
Wir fangen an auszurechnen, wieviel Farbe und Tapeten wir brauchen, und beladen unseren Wagen damit. Da fällt mein Blick auf ein weiteres Regal. Auf eine selbstklebende Bordüre mit Schäfchen.
„Schau mal, Max. Das ist der perfekte Übergang von Wiese zu Himmel."
„G... enial. Wieviel Meter brauchen wir?"

Einer Eingebung folgend greife ich noch eine schmale Bordüre, die aussieht wie ein Endlos-Bilderrahmen. Als nächstes streben wir zurück zu den Vorhängen.
„Was für Gardinenstangen sind da eigentlich?"
Max dreht die Augen zur Decke und denkt angestrengt nach.
„Scherz. Ich hab keine Ahnung! Wie viele Jahre hab ich diese Vorhänge jetzt auf und zu gezogen?"
Er zückt sein Handy, knipst den Stoffballen und schickt das Bild zusammen mit ihrer unserer Frage an Tanja. Kurz darauf kommt eine Antwort.
„Total schön! Die Schiene ist an der Decke. Normale Röllchen."
Also geben wir die Vorhänge in Auftrag, denn die Raumhöhe hatten wir uns ja notiert.

„Brauchen wir noch was? Pinsel und Rollen und Co. haben wir. Ach, brauchen wir nicht noch diesen ganzen Kindersicherungskrams?"
„Richtig, lass uns in die Elektroabteilung gehen."
Es ist schon verrückt. Wenn man einmal anfängt ... Neben den diversen Steckdosen-, Schubladen-, Schrank-, Toiletten-, Kühlschrank- und sonstigen Sicherungen fällt uns auf, dass wir ja auch noch eine schöne Deckenlampe aussuchen könnten.

So arbeiten wir uns durch die Abteilungen des Baumarktes, inklusive der Abteilungen, von denen wir niemals gedacht hätten, dass wir dort landen würden. Bis wir an der Kasse sind, ist der Wagen ziemlich voll und unsere Stimmung prächtig. Und ich möchte meinem tollen Sohn schon wieder um den Hals fallen, weil es mir so gut tut, so entspannt Zeit mit ihm zu verbringen.

...............................................

23.1.2021

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro