138 ** die letzten Prüfungen ** Mo. 27.4.2020

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Ausschlafen, ordentlich frühstücken – und los. Mündliches Abi in Geschichte. Ich habe in den letzten Tagen beim Lernen gemerkt, WIE gut die Lerngruppen waren. Dadurch, dass ich Geschichte für die anderen aufbereiten musste, haben sich mir sowohl die großen Zusammenhänge als auch die nötigen Namen, Daten und Details ins Hirn gebrannt. Ich fühle mich sattelfest und sicher, komme, was da wolle.

Anni ist wieder fest in der Sonderschulmühle, und ich bewundere, wie gründlich sie sich weiterhin einarbeitet und auf jedes ihrer Kinder acht gibt. Sie könnte die Zeit da absitzen. Aber sie liebt ihren Job, und – seit der Doppelstress vorbei ist – sie liebt ihre acht kleinen Racker. Ich freue mich immer, wenn sie mir davon erzählt und dabei glänzende Augen hat. So hat der ganze Affenzirkus wenigstens einen Sinn!

Ich bin um 9.30 Uhr dran und kann darum ganz gemütlich antreten. Es werden immer vier Leute geprüft, dann bekommen die vier ihre Noten gesagt. Und das in vier Räumen nebeneinander gleichzeitig. So läuft das jetzt die ganze Woche. Wir Sportler werden allerdings alle gleich am Montag rangenommen, damit wir Puffer haben zu unseren zusätzlichen praktischen Prüfungen am Mittwoch und Donnerstag.

Wieder habe ich einen ganzen Haufen motivierender und anspornender Nachrichten in meinen WhatsApp-Kontakten, als ich um 9.00 Uhr in den Vorbereitungsraum gebeten werde. Ich bekomme als Texte Auszüge aus dem Genfer Abkommen von 1906, der Haager Landkriegsordnung (1907) den Genfer Konventionen (1949) und soll exemplarisch zwei Kriege des 20. Jahrhunderts betrachten im Hinblick auf die genannten Kriegsverbrechen und die Möglichkeiten und Grenzen des Internationalen Gerichtshofes.
Uff! Warum nicht gleich die Entwicklung der technischen Möglichkeiten der Menschheit seit der Entstehung von Lucy und Co. im ostafrikanischen Graben !?! Egal! Konzentrier dich!

Da ich aber genau weiß, was mein werter Herr Geschichtslehrer für wichtig hält, kann ich die möglichen Antworten doch auf ein machbares Maß reduzieren und komme entsprechend glatt durch die Prüfung. Kurz darauf bekomme ich gemeinsam mit drei anderen meine Note von richtig netten 12 Punkten verkündet und radele zufrieden wieder nach Hause.

Und jetzt? Tanzen! Nur noch tanzen.
Donnerstag die praktische Prüfung zusammen mit den anderen, dann die Aufnahmeprüfungen an den Hochschulen. Dann unser Stück bei der Abi-Feier. Und was noch fast keiner weiß: einmal Adele zum Anfassen. Darum stelle ich zu Hause nur schnell meinen nächsten Erfolg in meinen Status, stoße mit der Familie mit Sekt an und mache mich ans Organisieren. Das O.K. des Ball-Komitees und die Kontaktdaten der Coverband habe ich schon. Denen schicke ich jetzt eine längere Mail. Denn ich möchte am liebsten, dass die mir den Song live spielen, während ich dazu tanze.

Luis hat mich tatsächlich für bekloppt erklärt, als ich ihm nach dem letzten Training erzählt habe, was ich plane. Aber er ist darauf eingegangen, gemeinsam mit mir eine Choreo zu entwickeln. Morgen Abend üben wir zum letzten Mal als Gruppe unser Stück „Aufnahmeprüfung" als Kernstück unserer praktischen Prüfung. Wir wollen noch stärker den Bezug zu den Themen unserer Facharbeiten rausarbeiten und an ein paar Kanten feilen, die sich bei der ersten Aufführung als verbesserungsbedürftig erwiesen haben. Aber dann werden wir das bis Freitag erstmal ein bisschen ruhen lassen.

praktische Sportprüfung   *    Do. 30.4.2020

Puh – das wird spannend heute. Wir sind ein Präzedenzfall mit unserer Gruppenprüfung, und die Prüfer werden alle ganz genau hinschauen! Toll ist, dass gleich heute Morgen Frau Süß hier angerollt gekommen ist. Sie hat tatsächlich frei bekommen und wird in allen Prüfungen dabei sein. Die Leute vom Sport-LK, die gestern schon ran mussten, haben erzählt, dass sie zwar still aber unglaublich konzentriert und zugewandt war und dass ihnen das sehr gut getan hat. Wir vier freuen uns natürlich besonders drauf, weil die Süße dieses Unikum für uns und mit uns durchgekämpft hat.

Inzwischen habe ich natürlich auch kapiert, was da seit dem Herbst für ein Chaos war. Vor allem bei Max. Und der Süßen. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes süß. Ich mein' - ich weiß ja nix Konkretes, denn Moritz hält mustergültig dicht. Aber die beiden sind ununterbrochen Achterbahn gefahren, und der jeweilige Zustand war immer an ihrem Umgang miteinander und an der Habachtstellung von Moritz, Paul und Lasse zu erkennen. Dass Max nicht traurig sondern definitiv heimlich erleichtert war, als sie an die Sonderschule gewechselt hat, hat meinen Verdacht nur bestätigt.

Wir stehen gemeinsam unter der alten Eiche und warten drauf, dass wir in die kleine Halle können, um uns aufzuwärmen. Da rollt ein schickes Auto mit Düsseldorfer Kennzeichen auf den Lehrerparkplatz. Es steigen zwei Leute aus und schauen sich suchend um – eine Dame im Kostüm und ein Mann in legeren Freizietklamotten.
„Woll'n wir mal'n bisschen punkten? Die D'dorfer sind da. Wir könnten den Guide spielen."
Sofort schauen sich die Jungs um und fangen an zu grinsen.
„Wer ist der Höflichste von uns?"
Allgemeines Kichern. Paul und Moritz schubsen gleichzeitig Max in Richtung Parkplatz. Der zeigt den beiden einen Vogel und geht den zwei Prüfern vom RP lächelnd entgegen.

„Guten Tag. Sie sehen so suchend aus. Kann ich Ihnen helfen?"
„Ach, das ist aber nett. Wir suchen ..."
Wir kichern in sicherer Entfernung leise vor uns hin. Die Frau kramt einen Zettel aus ihrer Tasche und versucht, etwas zu entziffern.
„... wir ... wir müssen zur kleinen Sporthalle. Könnten Sie uns den Weg beschreiben?"
„Das ist kein Problem. Aber ich muss da jetzt sowieso selbst hin. Darum werde ich sie einfach begleiten."

Die drei laufen los.
„Das ist doch gar nicht nötig!"
Max lächelt.
„Doch, ist es. Denn ich bin einer der vier Prüflinge, wegen denen Sie vermutlich hier sind."
Zum ersten Mal mischt sich auch der sehr sportliche Typ ein.
„Na, dann wollen wir mal. Ich bin wirklich gespannt, was Sie zu bieten haben. Die vier Facharbeiten waren schon mal sehr aufschlussreich."
Was auch immer der damit meint ...

Wir anderen schließen uns dem Trupp an, als sie an der Eiche vorbeilaufen. Der Typ dreht sich zu uns um.
„Sind da noch ein paar Kandidaten dabei?"
Moritz wieder!
„Ja. Ich bin der Hiphopper, das ist die Balettratte, da ist unsere Zirkusmaus. Und der nette junge Mann, der sie grade eingesammelt hat, ist unsere eierlegende Wollmilchsau."
Die Frau kuckt kariert aus der edlen Wäsche, der Typ lacht.
„Inwiefern?"
Max ist ein bisschen verlegen geworden. Und darum greife ich schnell ein, bevor mein Herzallerliebster noch mehr Stuss von sich geben kann.
„Max tanzt alles ein bisschen. Sein Schwerpunkt liegt auf Contemporary. Das ist ja im Grunde kein eigener Stil sondern eine Art Tanztheater, das alle möglichen Elemente miteinander verbindet. Außerdem ist er der Gelenkigste von uns und kann gut improvisieren. Eine eierlegende Wollmilchsau eben."

Max schüttelt den Kopf.
„Könntet ihr dann mal wieder aufhören? Die Erwartungen, die ihr da grade weckt, kann ich niemals erfüllen. Und meine elegante Einleitung ist jetzt auch futsch."
Er zieht einen gespielten Schmollmund, und die Sportskanone lacht schon wieder.
„Keine Sorge, wir sind durchaus in der Lage, uns selbst ein Bild zu machen."
Jetzt lacht Max auch.
„Das befürchte ich ja grade."
Ui, die Dame kann lächeln!

Inzwischen sind wir an der kleinen Halle angekommen. Durch die Scheibe ist zu erkennen, dass die da drinnen grade mit der ersten Prüfung fertig sind. Kolja kommt raus. Wir klatschen ihn ab.
„Und? Wie lief's?" -
„Keine Ahnung. Is aber definitiv in trockenen Tüchern. Und mehr wollte ich gar nicht. Kommt jetzt unser Kleeblatt dran? Dann drück ich euch die Daumen!"
Wir warten noch ab, bis die da drinnen die Note beraten haben, und dann kommt Herr Recksing, um unsere „besonderen Gäste" in die Halle zu holen.

Wir verkrümeln uns in die Umkleiden, ziehen uns um und machen uns warm, damit wir gleich loslegen können. Danach treffen wir uns wieder auf dem Flur. Ein bisschen nervös sind wir jetzt schon, aber da macht es im Gruppenchat mit Luis PLING, und wir bekommen einen Schwall von Ermutigungen rübergeschickt.
Na dann!
Frau Süß kommt zur Tür und bittet uns herein.
„Ich drücke euch ganz, ganz dolle die Daumen! Macht einfach, was ihr am besten könnt. Dann wird das. Die Stimmung ist gut."
Tief durchatmen!

Die Prüfer sitzen an mehreren, aneinander geschobenen Tischen in einer Reihe, so dass sie die ganze Halle überblicken können. Wir erfahren, dass die Leute aus D'dorf Frau Seibert und Herr Wirth heißen, bauen uns vor ihnen auf und stellen uns vor. Am Schluss will auch Lasse was sagen, da unterbricht ihn die Dame.
„Warum fünf? Es sollten doch vier sein."
„Ja, aber das, was wir als praktischen Teil vorbereitet haben, braucht einen fünften Mann. Und der bin ich. Lasse Seitz, im Sport-LK des elften Jahrgangs und von Hause aus Tänzer mit dem Schwerpunkt Standard."
„Damit bin ich nicht einverstanden!"

Lange, betretene Gesichter bei unseren Paukern, flaues Gefühl im Magen bei uns. Frau Süß kramt sehr schnell in ihren Unterlagen und reicht Herrn Recksing ein Papier. Der liest vor.
„Beantragt wurde eine Gruppenprüfung für vier Abiturienten des Sport-Leistungskurses unter Zuhilfenahme mindestens eines weiteren Schülers zwecks Durchführbarkeit der Prüfung. Und genau das ist uns genehmigt worden."
Die Frau kneift angesäuert die Lippen zusammen. Der Recksing runzelt die Stirn. Zögert einen Moment. Und redet weiter.
„Ich möchte Sie bitten, die jungen Leute nicht zu verunsichern. Es geht alles mit rechten Dingen zu, und die Prüflinge sollten sich angstfrei konzentrieren können."

Er nickt uns zu, wir atmen tief durch und dann geht es los. Passend zu unseren Facharbeiten übernimmt Max das Aufwärmen und einige Bewusstmachungsübungen, die therapietauglich sind. Er leitet uns dabei an und erklärt gleichzeitig den Prüfern, warum er was macht und welche Muskulatur oder welcher Sinn wie angesprochen wird. Paul und Moritz üben mit uns ein paar der Figuren, die sie jeweils in dem Stück tanzen. Dabei demonstrieren sie nicht nur, dass sie selbst das beherrschen, sondern erklären auch den didaktischen Aufbau dieser Anleitung. Gemeinsam denken wir laut, welche Hilfsmittel wir brauchen und welche Vorsichtsmaßnahmen wir dabei beachten müssen. Schnell stellen wir eine rollende Tafel auf, auf die wir gestern mit viel Kreide und Gelächter einen Pausenraum mit Kaffeeautomaten gemalt haben. Oben an der Kante steht in großen Buchstaben „die Aufnahmeprüfung". Max macht die Musikanlage klar und legt das Kabel dazu. Wir legen Matten bereit für die Akrobatiknummer am Schluss.

Und dann geht es los. Wir ziehen nochmal unsere Jacken an und gehen zur Hallentür. Von da aus ist alles Routine, wir können jede Bewegung im Schlaf. Die Bewerber gehen in den Pausenraum, Paul hängt sein Handy an die Anlage und übt Bewegungen. Moritz knallt seine Musik drüber und fängt an zu Hiphoppen. Max kommt dazu und versucht zu vermitteln. Jetzt dudeln drei Musiken. Lasse zwinkert mir zu, wir gehen in Aufstellung und tanzen, lässig den Musikbrei ignorierend, eine lupenreine schwungvolle Chacha mittendurch. Und schließlich schnappe ich mir die Jungs und dirigiere sie durch ein paar Gleichgewichtsübungen, lasse sie die Matten auslegen, mache ein bisschen Zirkuspädagogik mit entsprechenden Erläuterungen und wir bauen eine schöne Pyramide. Dann kommt noch die Durchsage für die Bewerber vom Band, wir schnappen uns unseren ganzen Kram und rennen raus. So haben die Prüfer unser gesamtes Repertoir gesehen, und jeder von uns geht auf sein Spezialgebiet ein. Anschließend werden sie uns noch ein paar Löcher in den Bauch fragen und uns hoffentlich mit hübsch vielen Punkten wieder nach Hause schicken.
Hoffentlich.

Lasse verabschiedet sich schonmal bis nachher. Wir schauen uns draußen einen Augenblick lang in die Augen, nicken zufrieden und gehen wieder rein. Wir legen uns die Matten gegenüber des Prüfertisches zurecht und setzen uns drauf. Erwartungsvolle Stille tritt ein. Der Sportler hatte sich entspannt zurückgelehnt beim Zuschauen. Die Dame hat sehr viel mitgeschrieben. Herr Recksing eröffnet nun die Fragerunde, in der wir alle vier noch ein bisschen auf den Zahn gefühlt bekommen. Der Recksing und der Wirth ganz moderat, die Süße hält sich zurück, der Protokollant natürlich auch.

Und die Seibert packt aus. Schnell wird klar, dass sie die Facharbeiten nicht gelesen sondern sich nur Stichworte hat zuwerfen lassen. Aber wir nutzen das einfach, um sehr konzentriert die Kernaussagen unserer Facharbeiten nochmal auf unsere Vorführung anzuwenden. Wir sind jetzt so weit gekommen, ich jedenfalls fühle mich so sicher, dass die Lady mich nicht mehr aus der Bahn werfen kann. Und wenn einer von uns unsicher ist, reicht ein Blick ins Gesicht von der Süß, um uns wieder anzufeuern. Wir kriegen es zum Teil sogar hin, dass wir wie in einem Gespräch unsere Teilbereiche in Bezug zueinander und zu den Fragen setzen können.

Die Dame holt schon wieder Luft, aber da greift Herr Recksing ein.
„Ich denke, wir haben genug gesehen und gehört, um uns ein Bild machen zu können. Ihr wart bemerkenswert gut aufeinander eingespielt, habt euch gegenseitig Raum gegeben, damit jeder zum Zuge kam. Und ihr wusstet sehr offensichtlich, wovon ihr redet. Ich danke euch."
Wenn Blicke töten könnten.
Keine Ahnung, warum die so scharf ist, wenn sie nichtmal vom Fach ist. Vielleicht ist sie ja Juristin und hat den Auftrag, dafür zu sorgen, dass sowas Kompliziertes nicht nochmal vorkommt.

Herr Wirth schaut uns nochmal alle an.
„Ich habe Ihre Facharbeiten gelesen, fand jede einzelne großartig und habe dabei gespürt, dass sie von Anfang an miteinander im Gespräch waren. Diese Zusammenarbeit heute live zu erleben, war wirklich beeindruckend. Sie dürfen sich jetzt umziehen, während wir uns beraten."
Er nickt uns zu, und die Lady klappt ihren Mund zu.
DIE ist sauer! Aber mir doch egal. Hauptsache, wir haben es geschafft.

Nach uns sind noch Annika und Lore als letzte vom Kurs dran. Und um zwölf dürfen alle, die heute geprüft wurden nochmal antreten.
Jetzt wirds spannend! Vor uns war nur Kolja dran. Der kriegt 9 Punkte und ist damit völlig zufrieden. Annika und Lore kriegen 10 und 11 Punkte, und grade Lore freut sich wie ein kleines Kind zu Weihnachten, weil sie ja das Jahr hatte wiederholen müssen. Ihre Eltern haben ihr wohl ziemlich Druck gemacht.

Die Süße zwinkert uns zu.
Oder nur Max? Egal.
Ich verkneife mir ein Grinsen. Und dann kommts. Ich habe 12 Punkte, Moritz und Paul haben 13 Punkte. Und Max satte 15 Punkte. Mein Moritz reckt die Siegerfaust in die Luft.
„Ja! Folkwang, wir kommen!"
Die Dame zieht missbilligend eine Augenbraue hoch. Und der Rest der Prüfungskommission fängt sofort laut an zu lachen.

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31.1.2021

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