157 ** das Fest ** Fr. 19.6.2020

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Am Jagdhaus Schellenberg stehen schon einige Autos, aber wir sind nicht die letzten, als wir den Festsaal betreten. Es wird eine ziemlich große Feier. Im Grunde ist es konsequent so. Diese fünf, sechs jungen Leute haben dieses zum Teil ziemlich grausame Jahr miteinander gemeistert. Da sollten sie auch zusammen feiern. Max, Moritz und Paul, Sebastian mit Antoine natürlich, Milly – sie alle konnten ihre Eltern davon überzeugen, dass es viel schöner und auch günstiger ist, wenn sie gemeinsam feiern. Also haben Sebastians Eltern Nägel mit Köpfen gemacht und für alle einen Saal hier im Jagdhaus Schellenberg gebucht. Jeder zahlt nur sein eigenes Essen. Das ist unglaublich großzügig. Wir sitzen an Familientischen, die zur Raummitte hin geöffnet sind, sind aber beieinander, alle Jüngeren kommen an einen Kindertisch.

Ich stelle mein unförmiges Paket auf einen Stuhl an der Seite und lasse mir dann von Max meinen Platz zeigen. Kurz nach uns kommen noch mehr Leute an, bis schließlich alle Familien da sind. Wie ich die Familie von Max inzwischen kenne, dürfen sich die Abiturienten vermutlich auf einiges gefasst machen. Fünf Absolventen – fünf Väter-Reden. Und Max hat mir verraten, dass sie auch noch was geplant haben. Ich bin gespannt, was kommt.

Als alle Anwesenden inklusive diverser Paten und Großeltern auf die Plätze sortiert worden sind, gibt es eine grooooße Vorstellungsrunde. Nicht alle Eltern haben sich schon gegenseitig gesehen, und natürlich müssen wir uns besonders bei Sebastians Eltern bedanken, die so großzügig und tief in die Tasche gegriffen haben. Den Anfang macht Paul, der seine große Familie vorstellt und gleich dazu sagt, dass wir uns diese Masse an Namen nun wirklich nicht merken müssen. Als Max anfängt, die Menschen an seinem Tisch vorzustellen, sehe ich in manchen Gesichtern Verwirrung.

Nach der gesamten Familie komme ich dann dran.
„Außerdem ist heute auch meine Freundin dabei. Sie werden sie erkennen, es ist Frau Süß, die bis vor einem halben Jahr auch unsere Tutorin war. Jetzt ist sie nun wirklich und endgültig nicht mehr unsere Lehrerin, weshalb ich sie endlich auch ganz offiziell an meiner Seite haben darf. Sie hat heute Vormittag in ihrer kurzen Rede an uns gesagt, dass wir die durch sie verursachten Turbulenzen mit ausgehalten haben. Aber eigentlich habe ich diese Turbulenzen erzeugt. Denn ich war noch nicht achtzehn, als wir in der Silvesternacht übereinander gestolpert sind und ... ja, sich daraus alles andere ergeben hat. Darum hat ... Mensch, ist das verwirrend. Was sag ich denn nu, Schatz? Antonia, Toni, Anni ist nur für mich – oder doch Frau Süß?"

Die anfängliche Irritation und manche gerunzelte Stirn lösen sich nun auf, und seine Freunde lachen Max ordentlich aus. Ich muss auch lächeln.
„Also – Für dich natürlich Anni. Für alle anderen Abiturienten Toni, für deine Familie Antonia – und für alle anderen Familien Frau Süß. Kriegen wir das hin?"
Grinsen und Kopfnicken.
Ich wende mich kurz an meine ehemaligen Schüler.
„Ich bin es leid, von euch gesiezt zu werden, dafür seid ihr mir viel zu wichtig geworden. Ja, Max hat es grade schon angedeutet – mein halbes Jahr an der Helen-Keller-Schule kam ziemlich plötzlich – weil ich nicht mehr Max Lehrerin sein durfte. Ich bin unglaublich froh, dass dieses Affentheater jetzt vorbei ist. Und ich freue mich sehr, dass ich auf diese Weise mit einigen von euch euren Erfolg feiern kann."

Der Wirt kommt rein und flüstert einem Mann am Tisch mit Sebastian und Antoine was zu. Das wird also wohl Sebastians Vater sein. Daraufhin klingelt der an seinem Glas.
„Da mich bisher fast niemand kennt, möchte ich mich gerne auch vorstellen. Ich bin Fritz Mahlzahn, das ich meine Frau Susanne, und unser Sohn Sebastian hat Abitur gemacht. Bei ihm ist noch sein Freund Antoine. Verzeih, mein Sohn, dass ich dir jetzt vorgegriffen habe."
Uff. Ich staune. Der Mann bringt es tatsächlich fertig, ganz gelassen „sein Freund" zu sagen. Der hat offensichtlich auch eine Menge dazu gelernt in diesem Jahr.
„Ich freue mich, dass ich all ihre Freunde heute kennen lernen und uns allen dieses gemeinsame Fest ermöglichen darf. Der Wirt hat mir grade mitgeteilt, dass der erste Gang serviert werden kann. Darum denke ich, wir sollten noch die letzten Familien vorstellen und dann mit dem Essen beginnen."

Er nickt seinem Sohn zu. Sebastian übernimmt den Staffelstab und stellt den Rest der Leute an seinem Tisch vor.
Wer fehlt denn noch? Ah, Milly und Moritz.
Das ist dann zügig erledigt. Und kaum hat sich die Familie von Moritz wieder hingesetzt, kommen mehrere Kellner mit Suppentellern herein.

Die klare Tomatensuppe mit Kräutern schmeckt irre lecker. Nur das Wissen darüber, dass noch mehrere Gänge kommen werden, hält mich davon ab, mir einen Nachschlag geben zu lassen. Nach der Suppe stehen dann die Väter von Max, Moritz und Paul gemeinsam auf.
„Wir haben uns gedacht, dass nach all den Reden heute Vormittag jetzt hier nicht NOCH fünf Reden folgen sollten. Außerdem kennen wir uns dank unsrer Söhne bereits seit deren Kindergartenzeit, also nehmen wir euch jetzt auch gemeinsam aufs Korn. Zu trennen seid ihr ja sowieso nicht. Demnächst wohnt und studiert ihr auch zusammen, also werdet ihr in einem Aufwasch abgehandelt."
Sehr launig und sehr liebevoll hangeln sich die drei Männer durch Pleiten, Pech und Pannen der drei Jungs, erweisen ihnen aber dabei viel Respekt und zeigen ihren ganzen Stolz auf ihre Söhne. Wir haben viel zu lachen, und die drei Jungs laufen dabei mehr als einmal ziemlich rot an.

Der Hauptgang besteht aus Wild, klassisch zubereitet und eine einzige Versuchung. Danach erheben sich Millys Eltern. Die Mutter hat ganz viele Gespräche und freche Aussprüche ihrer Tochter aufgeschrieben, und diese Begebenheiten werden uns nun vorgelesen oder sogar vorgespielt. In manchem davon erkenne ich durchaus die Persönlichkeit wieder, die ich nun zweieinhalb Jahre lang unterrichtet habe.

Nach der üppigen Nachspeise schließlich erhebt sich noch einmal Herr Mahlzahn und wendet sich direkt an Sebastian und Antoine. Einen Moment zögert er noch. Dann reißt er die Papiere in seiner Hand einfach durch und legt sie weg.
„Lieber Sebastian, lieber Antoine. Ich habe eben grade neu begriffen, dass jedes Leben seine eigene Plage hat. Also schmeiße ich jetzt mein langweiliges, steifes Script einfach weg und spreche – vielleicht zum ersten Mal in deinem Leben – ins Unreine und aus dem Herzen zu dir, mein Sohn. Ich möchte dir einfach sagen, wie stolz ich darauf bin, dass du zu so einem ruhigen, aufrechten und zielstrebigen Menschen geworden bist, obwohl wir beide es dir all die Jahre so schwer gemacht haben. In den letzten Monaten hast du dich still und unbeirrbar von unseren Fesseln befreit – und bist bei uns geblieben, statt uns den Rücken zuzukehren, wie es manch anderer Sohn vielleicht im Zorn getan hätte. An diesen anderen Familien habe ich grade gesehen, wonach du dich immer gesehnt haben musst. Nach einem Zuhause. Ich kann dich nur um Vergebung bitten, dass wir das so oft und so lange nicht für dich gewesen sind. Um so erleichterter bin ich, dass wir Dank deiner Hartnäckigkeit rechtzeitig eingelenkt und begriffen haben, dass wir dir die Hand reichen und mehr Respekt erweisen können, als indem wir Antoine in unsere Familie aufnehmen. Noch einmal und ganz ausdrücklich vor all diesen Menschen: Antoine, du bist uns von Herzen willkommen. Wir sind froh, dass wir euch beide unterstützen dürfen, weil neues Vertrauen wachsen durfte."

Bei Antoine laufen Tränen, und Sebastian nimmt ihn fest in den Arm. Ich ziehe innerlich den Hut vor diesem Mann, der so viel begriffen hat.
„Ich bin bloß gespannt und hoffe, dass ich es eines Tages erfahren werde – was hat dich dazu befähigt, dich innerlich von uns frei zu machen und dein Leben selbst in die Hand zu nehmen?"
Sebastian drückt Antoine noch einmal, lächelt und steht auf. Schnell holt er Max, Moritz und Paul zu sich in den Kreis.
„Die hier. Ich war ein Kotzbrocken am Anfang. Ich wusste es nicht besser. Aber diese drei haben mir die Chance gegeben, es anders zu machen. Das hat die Sehnsucht in mir geweckt."
Zu meiner Verblüffung holt er nun auch mich dazu.
„Und Frau Süß. Sie hat uns alle im Kurs letztes Jahr nach den Sommerferien eingeladen, in Ruhe ein Gespräch mit ihr zu führen, bei dem sie uns helfen möchte, unsere Wünsche zu sortieren und für uns Weichen zu stellen. Wir beide haben gemeinsam am Baldeneysee in der Sonne gesessen, und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich eine Ahnung davon bekommen, was alles in mir steckt. Danach bin ich aufgestanden und habe angefangen, meinen Kurs selbst zu bestimmen. Und Antoine. Denn nachdem wir unsere Liebe füreinander entdeckt hatten, hatte ich keine Wahl: entweder ich stehe das durch, oder ich verliere meine Familie auch noch."

Vielleicht ist es das erste Mal überhaupt, dass dieser Vater und dieser Sohn sich in die Arme nehmen. Ich erinnere mich zurück an den steifen, überheblichen und geistig starren Sebastian vom Anfang. Und an die abgrundtiefe Verzweiflung von Antoine angesichts der zerbrochenen Übungsbrücke.
Wie großartig sind beide beschenkt worden!

Endlich sind die ganzen wohlgemeinten Reden vorbei, und die Familien fangen an, sich zu mischen. Die Kinder haben eine kleine Ecke mit Spielen oder toben draußen rum. Die sieben jungen Leute ziehen von Eltern zu Eltern und stellen sich überall nochmal richtig vor. Max und ich werden erst vorsichtig, dann mit wachsender Neugierde beschnuppert. Wir nutzen die Gelegenheit, um ab und zu nebenbei auf Tanja und den Kinderwagen zu zeigen, um wirklich ganz klar zu machen, dass dieses Baby von heute Morgen tatsächlich seine Schwester und nicht etwa unser Kind ist.

Draußen bricht die Dämmerung herein, die Kinder werden müde, wohlige Kaffee-trunkene Sättigung und Müdigkeit stellt sich ein. Da verschwinden die Jungs und Milly plötzlich.

Kurz darauf steht Uwe Gersten neben mir.
„Ich glaube, ich sollte noch zum ersten und letzten Mal ansprechen, dass ich durch Max eine ganze Menge über Ihr Schicksal ahne, das jetzt aber ganz schnell alles vergessen werde. Und ich habe den Verdacht, dass Max inzwischen Bescheid weiß, denn Ihre Vertrautheit sendet gradezu ein Leuchten aus, das keinen Platz für dunkle Geheimnisse mehr lässt."
Dann schaut er mich direkt an.
„Ich bin Uwe ohne Onkel. Und ich bin wirklich, wirklich froh, dass ... du, Antonia, in diesem Jahr zur Stelle warst, als Max das gebraucht hat. Ihr habt euch ein paarmal hart auf die Probe gestellt. Aber jetzt wird euch so schnell nichts mehr erschüttern."
Er lächelt mich an, und ich kann seine Erleichterung gradezu mit Händen greifen.
„Nicht zuletzt hast du damit sogar meinen Bruder von seinen alten Fesseln befreit. Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, dass er jemals wieder gesund und zuversichtlich in die Zukunft schauen würde. Aber du und Max und Tanja, ihr habt das Unmögliche möglich gemacht. Von ganzem Herzen Dank."

Jetzt bin ich doch tatsächlich ein bisschen verlegen.
„Das Kompliment kann ich nur zurückgeben, Uwe. Ohne dich wäre Max im Herbst kaputt gegangen. So konnte er sich festhalten, sich selbst anschauen, reflektieren und ganz viel dazulernen. Wir verdanken dir also auch sehr viel. ... Ja, Max weiß jetzt alles, und das ist gut so. Aber schon vorher, erst an der Nordsee und dann in Prag, hat er mehrfach intuitiv genau das richtige gesagt und getan, um mir zu helfen, dass ich mich dem überhaupt erneut stellen konnte. Das ist auch der Grund, warum wir den Altersunterschied überhaupt nicht wahrnehmen. Max ist – spätestens seit dem Winter – kein Kind mehr. Er ist ein verantwortungsbewusster, sensibler, positiver und sehr anziehender Mann und ein ganz besonderer Mensch."

„Wie ging es dir mit seiner Facharbeit?"
„Puh. Zu dem Zeitpunkt hatten wir ja die ganzen Hartmann-Katastrophen und unseren persönlichen großen Knall grade hinter uns. Max neue Berufsidee war entstanden, und der grausam durchgetaktete Alltag hatte ihn schon fest im Griff. Das alles habe ich natürlich mitgelesen. Es ... es hat dadurch nur noch mehr weh getan, dass wir es anscheinend nicht schaffen würden miteinander. Und dann kam diese Widmung. Die hat mich wirklich umgehauen."
„Das glaube ich. Das gehört zum ganz besonderen an Max. Er war nie bitter. Nicht gegenüber seinem Vater, nicht gegenüber dir. Er war nur unglaublich verletzt und verunsichert. Dabei hat er nie aufgehört zu lieben. Er hat auch Tanja immer geliebt. Und seinen Vater. Ich bin froh, dass ihr die Kurve gekriegt habt, und dass du jetzt zu dieser verrückten Familie gehörst."

„Apropos Facharbeit. Ich habe ja noch mein Geschenk für ihn. Wo sind die denn hin verschwunden?"
„Keine Ahnung. Soll ich mal nachforschen?"
Noch bevor er sich auf die Socken machen kann, um Max und die anderen zu suchen, kommen die wieder in den Saal. Milly ist ziemlich „mütterlich" angezogen, will ich mal sagen. Die Jungs eher „väterlich". Ich ahne etwas. Da baut sich Max schon vorne auf und grinst in die Runde.
„Es war uns ja klar, dass wir heute unser Fett weg bekommen würden. Und da wir uns demnächst außerhalb eurer Reichweite in Sicherheit begeben werden, wollen wir das nicht so stehen lassen. Was ihr könnt, können wir schon lange!"

In den folgenden Minuten bekommen wir tiefe Einblicke in die Familien von Lasse und Max, Motiz, Paul, Milly und Sebastian. Sehr pointiert und witzig parodieren die jungen Leute ihre Eltern und bauen durchaus manche Frechheit mit ein. An den Gesichtern der Eltern an den Tischen ist immer gut zu erkennen, wer sich da grade getroffen fühlt. Beeindruckend ist, dass sowohl Max als auch Sebastian es schaffen, ihre Eltern nicht zu blamieren. Auch diese Väter fühlen sich wohl und lachen mit. Es ist ein herrlicher Spaß. Milly stellt dabei alle Mütter dar, was bei jedem Wechsel etwas Verwirrung stiftet, aber sie hat offensichtlich großen Spaß daran.

Anschließend gehen die sieben wieder raus, um sich umzuziehen. Und ich denke, ich sollte jetzt nicht länger warten. Ich mache schonmal mein vermummtes Geschenk startklar. Kaum sind die jungen Leute wieder auf ihren Plätzen, trete ich einfach mitsamt dem Geschenk in die Mitte. Schnell legt sich die Unruhe. Max schaut, als wäre ihm mein Auftritt nicht ganz geheuer.
„Mein lieber Max! Kuck nicht so wie ein verschrecktes Kaninchen, ich tu dir nix." Hier und da Gekicher, Max wird rot.

„Im Gegenteil. Ich möchte dir danken, denn du bist mein ganz persönliches Glück. Ich habe dir jetzt zweieinhalb Jahre lang dabei zugesehen, wie du erwachsen geworden bist. Manchmal mit riesigen Schritten, und manchmal auch gegen dein persönliches Tempo. Aber all das, durch das du dich in den letzten elf Monaten hast durchbeißen müssen, hat dich reifer, stärker gemacht und dich geprägt. Dazu gehört auch, dass sich zwar nicht dein Studienwunsch, aber doch dein Berufswunsch verändert hat.

Du wolltest immer tanzen, es liegt dir im Blut, und so wirst du auch Tanz studieren. Aber du weißt seit ein paar Monaten, dass du damit nicht auf die Bühne, nicht ins Rampenlicht möchtest. Du möchtest all das, was du über die Macht von Bewegung und den Ausdruck deines Körpers begriffen hast, weitergeben. Du möchtest dein Wissen, dein Können und deine Intuition in den Dienst der Menschen stellen, die den Bezug zu sich und ihrem Körper verloren haben. Du möchtest Bewegungs-Therapeut, Tanz-Therapeut werden. In diesem Sinne hast du darum auch deine Facharbeit für den Sport-LK geschrieben. An manchen Stellen habe ich beim Lesen gedacht, dass du dir das meiste grade selbst beigebracht hast, so intensiv bist du in dein Thema eingestiegen und hast es ausgearbeitet. Ich darf Ihnen allen verraten, dass der Kollege, der die Arbeiten gegengelesen hat, ..."
„Nicht, Anni!"
„Warum nicht, Max?"
„Weil ... weil!"
„Sorry, das ist kein Argument."
Max hält sich mit einem verzweifelten Grinsen das Gesicht zu, während ich weiter rede.
„Der Kollege hat mir Max Arbeit gegeben mit den Worten:'Wollte Maximilian Gersten eine Doktorarbeit schreiben?' Nein, wolltest du nicht. Du wolltest nur die neu entdeckten Gefühle, Gedanken und Ideen wirklich gründlich durchkauen. Und das ist dir auch gelungen. Aber ich selbst habe auch etwas verstanden beim Lesen. Bei eigentlich allen Therapiekonzepten, die du dir erarbeitet und vorgestellt hast, haben die Therapeuten mit Gegenständen als Hilfsmittel gearbeitet. Und so ist meine Idee zu deinem Geschenk entstanden. Du warst sogar dabei, als ich angefangen habe, das hier zusammenzukaufen."
Max setzt sich erstaunt grader hin auf seinem Stuhl und kuckt schon wieder ganz misstrauisch.

„Die Art, wie du in deinem Körper lebst und diese Welt begreifst, schreit danach, dir zu diesem Ziel den Weg zu bereiten. Ich spreche aus Erfahrung, und ich denke, dass alle Eltern in ihrer Laufbahn auch mal an diesem Punkt waren. Du wirst zweifeln, du wirst Durststrecken haben, du wirst dich mit nur scheinbaren Erleichterungen und Umwegen auseinandersetzen müssen. Du wirst dich mehrfach neu für dein Ziel entscheiden müssen, auch wenn es immer dasselbe bleiben sollte."
Nahezu alle Eltern nicken.
„Ich möchte dir etwas Greifbares schenken, das dich daran erinnert, wie wertvoll dein Ziel ist, denn ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Ziel für dich und dein Wesen genau richtig ist. Komm her!"

Mit unverhohlener Neugierde im Gesicht steht Max auf und nimmt das unförmige Paket entgegen. Er stellt es auf den Boden, zieht die riesige Schleife auf und schält das Geschenk aus dem Stoff. An den Tischen werden die Hälse lang, weil jeder sehen will, was darinnen ist.

Dann hebt Max den großen flachen Henkelkorb, in dem sein Adventskalender für uns war, heraus und staunt mit kullerrunden Augen den Inhalt an. In diesem Korb sind all die runden Dinge, die ich seit dem Flohmarktbesuch in Prag zusammen gesammelt habe.
„Prag! Das ... das ist ja irre. Ich hab so einen Korb mit runden Sachen in einem Buch gesehen und den Besitzer schonmal vorauseilend darum beneidet."
Er steht auf, mit einer kleinen Steinkugel und dem Globusspitzer in der Hand.
„Der Mann hat für sein Konzept einen solchen Korb mit runden Dingen für seine Patienten. Sie dürfen sich am Anfang jeder Therapiestunde einen Gegenstand davon aussuchen. Über das Betasten und Begreifen, über die Haptik des Materials, das Gewicht wird in der Seele etwas angestoßen, und damit arbeitet der Mann dann."
Er lässt den Stein in seiner Handfläche rollen.
„Ich bin hin und weg. Danke, Anni. Das ist ein großartiges Geschenk. Es wird mich in der Tat immer erinnern, wovon ich träume, worauf ich hinarbeite."
Schnell legt er die beiden Sachen zurück in den Korb und nimmt mich ganz fest in den Arm.
„DU bist MEIN Glück!"

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19.2.2021

Eins hab ich noch für morgen.

Schnief! Das ist das vorletzte Kapitel.
Wir müssen Abschied nehmen.

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