Kapitel 4

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Danas Zeitgefühl war völlig aus den Fugen. Sie wusste nur, dass ihre Nervenenden mit jedem Tag, den sie hier eingesperrt war, mehr und mehr auseinandergezogen wurden. Die Fasern dazwischen waren schon so dünn und ausgefranst, dass sie sich wunderte, weshalb sie noch keinen hysterischen Anfall bekommen hatte. Und an erholsamen Schlaf war überhaupt nicht mehr zu denken. Immerhin hatte sie genug Vorräte angesammelt, um Wochen oder gar Monate nicht raus zu müssen, wenn sie sparsam damit umging. Sie machte sich viel mehr Sorgen, dass entweder das Ding einen Weg fand, sie zu holen, oder sie in ihrem Gefängnis irgendwann den Verstand verlor und ausbrach, sich auf diese Weise selbst ausliefern würde. Davon war sie zum Glück noch weit entfernt, hatte sich auch mit diesem Belagerungszustand arrangiert. Sie hatte hier alles, was sie zum Überleben brauchte, und so lange das Ding draußen blieb, war alles im grünen Bereich.

Mit der Zeit würde sie sich auch an die Geräusche gewöhnen und vielleicht wieder schlafen können. Dass sie nicht ewig so weitermachen konnte, wusste sie. Aber sie sah keinen Sinn darin, sich jetzt schon verrückt zu machen. Dafür sorgte der Werwurm schon. Jetzt hatte sie dem Ding auch noch einen Namen verpasst. Einfach weil sie nicht mehr immer nur »Ding« dazu sagen wollte. Ein Versuch, das Unfassbare begreiflich zu machen, indem sie es nach einer fiktiven Lebensform aus einem Buch benannte, der es am nächsten kam. Groß, wurmartig, mit rosa Schleim. Oder war das schon ein Anzeichen beginnenden Wahnsinns? Auf Dauer würde sie so oder so nicht bei Verstand bleiben können.

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Heute hatte sie sich eine Dose Ravioli aufgemacht und auf einem kleinen Camping-Kocher erwärmt. Es war kein besonders raffiniertes Essen, aber Dana war hungrig. Der Duft nach Tomatensoße, der die Wohnung durchzog, machte ihr den Mund wässrig. Es traf sich gut, dass das Wesen gerade auf der anderen Seite der Stadt umherstreifte. So konnte sie ihre einfache Mahlzeit einmal in Ruhe genießen. Die Ruhepause dauerte so lange, dass sie sich sogar eine zweite Dose warm machen und einverleiben konnte. Satt und zufrieden huschte sie rasch die Treppen runter, legte die leeren Dosen zu dem immer größer werdenden Haufen an der Hintertür und schlich ebenso schnell wieder zurück in ihren Unterschlupf. Sie zog sich gleich ins Badezimmer zurück, wo sie dauerhaft ihre Bettstatt eingerichtet hatte.

Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich in der nun ordentlich mit Kissen ausgepolsterten Wanne sicherer. Vielleicht lag es daran, dass sie in ihrem Bett nur ein vernageltes Fenster von diesem Albtraum trennte, wohingegen jetzt zusätzlich eine Tür, ein davor geschobenes Schränkchen und ein türkisfarbener Duschvorhang Schutz boten. Natürlich war die Schutzwirkung des Vorhangs gleich null, doch er verlieh ihrem Schlafplatz etwas Höhlenartiges. Das vermittelte ihr das Bisschen mehr an Geborgenheit, was ihr half, einzuschlafen, während der Werwurm wie so oft vor dem Haus lauerte. Jetzt war er gerade für unbestimmte Zeit fort und Dana schlief innerhalb weniger Minuten fest ein.

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Sie konnte nicht sagen, was genau sie aufgeweckt hatte. Sie lag desorientiert und mit geschlossenen Augen da. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis ein unwirkliches Heulen sie endgültig in den Wachzustand beförderte. »Was ist das schon wieder für eine Scheiße?!«, schimpfte sie halb laut. Es war nicht das Ding, das ihr schon so lange zusetzte. Das war noch immer anderswo beschäftigt. Das Heulen klang nur nach einem ganz und gar gewöhnlichen Sturmwind, sodass Dana eigentlich hätte beruhigt sein müssen, aber seit Tag X war überhaupt nichts mehr normal. Vor allem glaubte sie, Stimmen in dem Wind auszumachen.

Sie traute sich nicht, sich zu bewegen, und machte keinen Laut, damit sie besser hören konnte, was von draußen zu ihr durch drang. Waren das menschliche Stimmen? War sie doch nicht ganz allein, und andere Überlebende hatten sie endlich gefunden? Diese Fragen stellte sie sich in Dauerschleife, während sie konzentriert hinaus horchte. Den winzigen Funken Hoffnung, der irgendwo in der Gegend zwischen Herz und Bauch aufkeimte, sorgsam nährend.

»Dana!«, vernahm sie schwach, wie von fern, und sie zuckte in der Badewanne zusammen, stauchte sich den kleinen Zeh am kalten Acryl der Wanne. Es war nicht so sehr die Tatsache, dass ihr Name gerufen wurde, sondern dass sie die Stimme erkannte. Es war ihre Mutter. Zwar etwas verfremdet durch den Wind, doch unverkennbar die Stimme ihrer Mutter. Doch das konnte nicht sein, sie hatte sich zu Anfang schon vergewissert, dass Mama das Schicksal aller anderen Stadtbewohner teilte, nämlich auf Nimmerwiedersehen verschwunden zu sein. Hätte ihre Mutter überlebt, so hätten sie sich schon längst gefunden. Die Rufe wurden mal lauter, mal leiser, aber die Dringlichkeit in der Stimme nahm zu. »Komm raus, Schatz. Es wird alles gut!«

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Sie stieg aus der Wanne und wollte die Kommode von der Badtür rücken. Die Aussicht, endlich ein anderes menschliches Wesen zu sehen oder gar die tröstliche Umarmung ihrer Mutter zu spüren, brachte sie fast dazu, ihre anfänglichen Zweifel zu vergessen, die Sicherheit ihres Quartiers zu verlassen und die Treppen herunter zu stürmen. Doch dann war die Stimme verstummt. An ihre Stelle trat eine andere, die ihr ebenfalls vertraut war: Axel. Aber auch ihn hatte sie schon abgeschrieben. Um warum sollte ausgerechnet er nach ihr suchen? Er war doch derjenige, der Schluss gemacht hatte! Andererseits hatte er es sich vielleicht anders überlegt, und Dana wollte ihm gerne verzeihen, nur um dem Ding nicht mehr ganz allein gegenüberzustehen.

Sie war schon an der Wohnungstür und hatte eine Hand am zweiten Panzerriegel, als nicht mehr ganz so leise Zweifel sich regten. Sie hatte monatelang nicht eine Menschenseele in der Stadt angetroffen und heute Nacht tauchten ausgerechnet ihre Mutter und ihr Ex-Freund auf? Und das auch noch gleichzeitig? Das roch geradezu nach einer Falle. Der winzige, helle Funken war erstickt, bevor er hatte Fuß fassen können. Sie wusste nicht, wie das Ding es anstellte, doch es musste ein Trick sein, sie herauszulocken! Sie eilte zum Fenster und spähte durch den Spalt in die Nacht hinaus. Wie um ihren Verdacht zu bestätigen, walzte das Monster vorbei. Das Heulen des Windes wich dem charakteristischen Knirschen und Reißen, das nicht so laut war wie sonst. Wohl, um die Rufe nicht zu übertönen, die zwischendrin heranwehten.

Das verdammte Ding hatte gelernt, Stimmen zu imitieren. Und zwar die von ganz bestimmten Menschen, Personen denen das auserkorene Opfer vertraute. Dana wurde schwindlig, und sie wich taumelnd von der Wohnungstür zurück. »Atme, atme!«, dachte sie verzweifelt. Eine Panik-Attacke konnte sie jetzt am allerwenigsten gebrauchen. Sie wartete gar nicht erst, bis der Schwindel sich legte und flüchtete in die Wanne, wo sie sich die Ohren zuhielt. Wieso konnte sie nicht einfach einschlafen, morgen aufwachen und die Welt wieder so vorfinden, wie sie vor Tag X gewesen war? Mit all ihren Fehlern. Nie hätte sie gedacht, sich nach so etwas zu sehnen, wie wieder in einer überfüllten U-Bahn zwischen verschwitzten Leibern eingekeilt zu sein.

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Als hätte der Werwurm, wie ein kleines Kind, Gefallen an einer neu erworbenen Fähigkeit gefunden, wandte er sie nun zu allen möglichen Gelegenheiten. In letzter Zeit brachte er es auch fertig, dass die Stimmen aus nächster Nähe, aus dem Treppenhaus erklangen. Das hatte zur Folge, dass Dana die Wohnung gar nicht mehr verlassen hatte. Erst als nichts mehr zu Essen da war und ihr Magen knurrte, rannte sie, während die Luft für kurze Zeit rein war, nach gegenüber zu Maiwalds, um sich ein paar Konservendosen und etwas Wasser zu holen.

Überhaupt verließ sie ihren geschützten Raum nur noch, wenn es nötig war. Wenn die Vorräte in der Wohnung zur Neige gingen oder der Toiletten-Eimer voll war. Sie macht sich auch nicht mehr die Mühe, ihn in die ausgehobene Grube zu entsorgen, sondern leerte ihn direkt vor der Hintertür. Der Geruch, der deswegen manchmal bis ganz nach oben wehte, war ihr kleinstes Problem.

Jetzt machte es sich bezahlt, dass fast das gesamte Haus mit Lebensmitteln vollgestopft war. So konnte sie sich, wann immer das Ding für wenige Minuten weg war, verstohlen raus schleichen, zusammenraffen, was ging, und blitzschnell wieder in ihre Höhle zurück schlüpfen. Das kam selten genug vor, weil es überhaupt nicht mehr richtig hell werden wollte. Die Stimmung in dieser ewig andauernden Nacht war so niederdrückend, dass sie sich dazu zwingen musste, regelmäßig aufzustehen, sich zu waschen und zu essen. Doch sie tat es allein schon deswegen, weil die Strukturierung ihres seltsamen Alltags ihr wenigsten ein Mindestmaß an Normalität vermittelte.

Gerade hatte sie vom Treppenpodest ein Stockwerk unter ihr ein paar Packungen Nudeln, Soßenpulver und drei Flaschen Wasser geholt, als im Erdgeschoss die zweite Treppenstufe knarrte. Es war im Haus! So schnell war sie noch nie voll beladen wieder in die relative Sicherheit ihres Zuhauses gestolpert. Pasta und Wasser fielen mit dumpfem Knall dort zu Boden, wo sie sie fallen ließ, damit sie die Riegel gleich vorlegen konnte. Ihre Finger zitterten so sehr, dass sie zwei Anläufe dafür brauchte. Es war nicht einen Moment zu früh geschafft, denn kurz darauf kamen Schritte die Treppe herauf, und tappten vor ihrer Wohnungstür auf und ab.

Bisher hatte das Ding außer auf Mama oder Axel auch auf Carla, Danas beste Freundin und ehemalige Kollegin zurückgegriffen, einmal sogar auf eine Freundin aus Kindertagen, deren Stimme noch genauso klang wie damals, vor so langer Zeit. Aber es war damit noch nie so weit vorgedrungen.

»Dana, Zuckermaus. Komm raus und hilf mir!«, flehte ihr Vater. Der Mann, der die Familie kurz vor Danas zwölftem Geburtstag verlassen hatte und mit seiner späteren zweiten Frau nach Neuseeland ausgewandert war. Doch bis dahin hatte sie ein sehr inniges Verhältnis zu ihm gehabt. Den alten Kosenamen hatte sie seitdem nie wieder gehört. Bis jetzt.

Dana konnte nicht anders als zu weinen, weil sie wusste, dass er es nicht sein konnte, obwohl es eins zu eins seine Stimme war. Dann verstummte der falsche Vater, nur um gleich darauf ein Duett mit der falschen Mutter zu liefern. Nach und nach fielen Axel und auch Carla in den disharmonischen Chor ein, und schließlich auch beide Maiwalds. Das Paar, dessen Wohnung schon seit Monaten verwaist war. Danas Kopf dröhnte, und sie hielt sich wie so oft die Ohren zu. Als das nicht half, die Rufe zu dämpfen, sank sie mit angezogenen Knien zu Boden, wo sie sich kleinmachte, beide Fäuste fest in die Schläfen presste und vor- und zurück schaukelte, während sie betete. Da sie nie besonders religiös gewesen war, hatte sie nur noch das Vaterunser im Gedächtnis, das sie ein ums andere Mal vor sich hinmurmelte.

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Natürlich passierte nichts. Es wurde nicht licht. Kein Blitzschlag erhellte die dunkle Welt dort draußen und beendete Danas Horrortrip. Warum auch? Gott war weder dumm noch bestechlich. Warum sollte er einer Ungläubigen helfen, nur weil sie plötzlich anfing, ein Gebet aufzusagen? Dana lachte und lachte, konnte nicht mehr aufhören und fragte sich, ob sie jetzt endgültig verrückt wurde. In Anbetracht der Umstände war das nur eine Frage der Zeit. Aber sie war es nicht. Noch nicht. Nachdem sie sich beinahe an ihrer eigenen Spucke verschluckt hatte, verstummte sie. Ihre abgehackten Atemzüge wurden langsam ruhiger, während sie weiterhin bedrängt wurde, herauszukommen oder wenigstens die Tür zu öffnen.

»Hört endlich auf!», brüllte Dana. «Ich habe die Schnauze gestrichen voll!«

Sie verstummten. Nur Heulen und Knirschen vor dem Haus zeugten noch von der Anwesenheit des Dings. Sollte es so einfach sein? Doch da hatte sie sich zu früh gefreut: Das Stimmengewirr setzte unvermittelt wieder ein. Danas Puls raste. Außer sich vor Wut stürzte sie in die Küche, wo sie erst eine kleine Stirnlampe und dann ein Küchenmesser aus der Schublade riss. Die Klinge war eigentlich zu klein, um ernsten Schaden zu verursachen, doch es musste reichen. Sie hatte es ernst gemeint, dass sie all das satthatte.

Sie würde ins Treppenhaus hinaus gehen, und sehen, was genau dort all die Stimmen imitierte. Der Werwurm selbst hätte nicht dort eindringen können, er war viel zu groß und hätte niemals durch die Haustür gepasst. Aber irgendwie musste er die Stimmen erzeugen, und sie wollte verdammt sein, wenn sie sich weiter versteckte und nicht herausfand, wie er das anstellte. Sollte der Wurm sie doch fressen, oder was auch immer er vorhatte. Dann wäre der Albtraum wenigstens vorbei.

Vielleicht hatte sie in der hintersten Ecke ihres Bewusstseins noch gehofft, ihre Mutter oder irgendeine der anderen Personen anzutreffen, weil sie enttäuscht die Luft ausstieß, als sie vor der Wohnung niemanden vorfand. Es war totenstill, seit sie Hand an die Riegel gelegt hatte. Nicht der leiseste Windhauch war zu hören, geschweige denn das Monster. Langsam schritt Dana die Stufen nach unten, vorsichtig und immer bereit, sich beim geringsten Anzeichen von Gefahr sofort zurückzuziehen. Sie hatte die eine Hand so fest um das Messer geschlungen, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Die andere presste sie eng an den Oberschenkel, um das Zittern zu kontrollieren, so gut es ging.

Nichts und niemand war zu sehen, auf keinem der Treppenabsätze, und von jedem blickte sie ängstlich in die Schatten, tief im Treppenauge. Als sie den letzten Absatz erreicht hatte, blieb sie stehen und spähte um die Ecke. Sie registrierte, dass die Haustür gelitten hatte und mehrere kleine Risse im Blatt aufwies. Doch größtenteils war sie unbeschädigt, und was noch wichtiger war: Das Türblatt saß noch richtig in der Zarge und Türbänder sowie Schloss sahen aus, als ob sie ebenfalls unversehrt wären. Stabil genug, um das Ding noch eine Weile draußen zu halten.

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Dana wunderte sich, woher dann die Stimmen im Treppenhaus gekommen waren, wenn doch niemand hatte eindringen können. Gab es so etwas wie akustische Täuschungen? Bestimmt, wenn es doch auch optische gab. Sie wollte sich schon wieder halbwegs beruhigt auf den Weg nach oben machen, da frischte der Wind draußen auf und gleich darauf ertönten wieder mehrere Stimmen, die vor der Türe hin- und herzuschweben schienen. Mal entfernten sie sich, mal kamen sie näher. Wieder wurde sie gedrängt, heraus zu kommen. Dana ging langsam Stufe für Stufe rückwärts – es sollte nicht merken, dass sie ihre Höhle verlassen hatte. Als das Ding realisierte, dass sein Opfer sich wieder nicht herauslocken ließ, verstummten die Stimmen. Stattdessen raste und heulte es wieder, als wollte es das Haus niederreißen, um Dana aus dessen Überresten zu pflücken.

Dann begann es wieder zu locken. In Danas Gehirn fielen mehrere Sicherungen aus. Eine Mischung aus Wut und Verzweiflung brach sich Bahn, legte allen Selbsterhaltungstrieb lahm. Sie lachte hysterisch, warf sich gegen die Tür und schrie durch einen der Risse im Holz: «Du verdammtes Mistvieh! Was willst Du von mir?!»

Plötzlich wurde es wieder still.

»Komm schon, war das alles?! Ich werde nicht rauskommen, also kannst Du ebenso gut abhauen. Hau ab und komm nicht wieder her, hörst Du?!«

Das Haus erzitterte unter einem besonders heftigen Ansturm. Dana wurde nach hinten geschleudert und landete schmerzhaft auf ihrem Hintern. »Scheiße!«

Durch den Versuch, ihren Sturz abzufangen, waren ihre Hände aufgeschürft und brannten wie Feuer. Das und ihr pochendes Steißbein verhalfen ihr schlagartig wieder zu einem klaren Kopf. Nur um mit Grauen zu sehen, wie sich rosa Tentakel durch die größten Spalten schlängelten. Es waren keine Schlieren, wie Dana zuvor an und in dem großen, hässlichen Ding zu sehen geglaubt hatte. Es waren Fühler, nein Fangarme, korrigierte sie sich. Denn jetzt, aus nächster Nähe, erkannte sie Saugnäpfe, die sich schmatzend von der Tür lösten, damit der Arm sich suchend weiter ins Innere des Hauses winden konnte. Doch das war nicht das Schlimmste.

Der Saugnapf an der abgerundeten Spitze eines jeden Tentakels war gar kein Saugnapf. Als eines der Arme wenige Zentimeter vor Danas Gesicht Halt machte, erkannte sie scharfe Zähne. Viele Zähne. Alle in einem tennisballgroßen Maul arrangiert, in so vielen Reihen, sodass sie die Öffnung fast vollständig ausfüllten. Sie standen dicht an dicht – es war nichts darin auszumachen, das aussah wie irgendeine Art Schlund.

»Hey, Dana, wie wär's? Komm doch mit, einen trinken«, säuselte Carla aus dem zahnbewehrten Mund, der dazugehörige Fangarm versuchte, sie mit kreisenden Bewegungen zu hypnotisieren.

«Liebling, mach die Tür auf», tönte Mama aus einem anderen. Aus den übrigen Mäulern drangen weitere Stimmen, und Dana brach der kalte Schweiß aus. Sie durchbrach ihre Erstarrung und flüchtete die Treppe hinauf. Keinen Augenblick zu früh, denn der Carla-Tentakel schnappte genau dort zu, wo sich Sekunden zuvor noch ihr Kopf befunden hatte.

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Warum war sie in dieser Nacht überhaupt wieder in die Wohnung geflüchtet? Sie hätte dem Ganzen ein Ende bereiten können, indem sie sich einfach ergab. Doch ein Überlebensinstinkt, von dem sie nicht gewusst hatte, dass er in ihr schlummerte, hatte das Ruder übernommen und sie in Sicherheit gebracht. Jetzt, Tage – oder Wochen? – später verwünschte sie diesen Trieb.

Ihr Aktionsradius war nun dauerhaft auf ihre kleine Wohnung beschränkt, ihre ganze Welt konzentrierte sich auf wenige Quadratmeter. Die letzte Konfrontation mit dem Werwurm, genau genommen seinen beißwütigen Extremitäten, hatte ihr den Rest gegeben: Sogar die kurzen Abstecher ins Treppenhaus erfüllten Sie mit so großem Grauen, dass es sie schon große Überwindung kostete, sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Eigentlich verließ sie ihre Höhle nur noch, wenn der Hunger unerträglich wurde und sie spürbar dehydrierte. Ihr schwindelte dann, und ihre spröden Lippen fühlten sich wie Schmirgelpapier an. Die ganze restliche Zeit hockte sie in ihrer Wanne und führte Selbstgespräche, wenn sie gerade nicht vor sich hindämmerte.

Dass sich manchmal eine neue Stimme unter die der altbekannten mischte, drang nicht mehr zu ihr durch. Zu sehr war sie damit beschäftigt, alles auszublenden, was sie zum Verlassen ihrer winzigen Festung verleiten konnte. Sie bemerkte nicht, dass der Unbekannte nicht zeitgleich mit dem Wurm auftauchte, sondern genau zu den seltenen Gelegenheiten, wenn das Wesen sich ganz wo anders aufhielt. Und so ignorierte sie das Rufen, das ihre Rettung hätte sein können.

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