(10/7) Fiamma

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"Halt! Nicht weiter!" Valerios Stimme überschlug sich beinahe, als er den Arm gegen die Tür stemmte, um die Bewegung zu stoppen. "...Hier ist jemand!"

Tomaso ließ von der Tür ab. Vorsichtig quetschte er sich durch den bereits offen stehenden Spalt in den Raum hinein. Valerio kniete vor dem leblosen Körper, der sitzend an der Innenseite der Tür lehnte. Wortlos und ohne den Blick von der Frau abzuwenden reichte er die Fackel nach oben. Erschüttert blieb Tomaso hinter ihm stehen. "Ach du je", grummelte er, als er sich im Raum umsah. Er nahm die Fackel an und hielt sie höher, um mehr zu erkennen.

Im Schein des zuckenden Lichts sahen sie nun die Trümmer, mit denen der gesamte Boden übersät war. Im Hintergrund, auf der Seite, die der Tür gegenüber lag, türmten sich im Halbdunkel größere Decken- und Mauerfragmente auf, dazu Balken und Schindeln, die vom Dach stammen mussten. Was darunter zu finden sein mochte, konnte Valerio sich vorstellen... Einen Augenblick starrte auch er entsetzt auf das graue Chaos.

Erst als Tomaso stumm den Finger Richtung Decke hob, begriff Valerio jedoch das volle Ausmaß. Im Schein der Fackel erkannte er düstere Massen von Schutt und Balken hinter dem gewaltigen Loch, das in der Decke klaffte.

Die Trümmer des Daches hatten zunächst die obere Ebene beschädigt. Die Wucht des Aufschlags hatte aus Decke und Boden weitere Stücke gelöst, die dann die erste Ebene durchschlagen hatten und schließlich ins Erdgeschoss herunter gebrochen waren. Ein diffuses, mattes Licht, von Staub gefiltert, drang von oben her zu ihnen herein - Wie eine breite Säule stand es über dem Schutthaufen. Es reichte kaum aus, das graue Dunkel hier drinnen zumindest ein wenig zu erhellen. Aber es gab größere Probleme als das Licht: Die Trümmer beider Etagen und des Daches hatten sich zum größten Teil über der Decke des Kartenraumes gesammelt, wie der Fackelschein offenbarte. Wenn dort oben nun noch ein weiterer Stein, ein Balken, eine Schindel fiel, konnte die Decke vollständig nachgeben. Der Raum war eine Falle.

Tomaso hatte Recht gehabt! Es war gefährlich, an den Türen oder Wänden zu rühren! Dass der Regen das Feuer auf dem Dach löschte, dort, wo die Balken noch intakt waren, war sicher ein Segen. Es war ein Faktor, der die Situation milderte. Aber der Druck auf die Außenwände, der sich durch die belasteten Ebenen aufgebaut hatte, würde die Stabilität der Mauern bald mürbe machen. Hinten fehlte die Rückseite, vorne fehlte der Säulengang, wie sie wussten. Die Decken musste herunter kommen. Jetzt. Gleich. Oder bald.

Die Zeichnung einer Buchdruckpresse, die Valerio einmal in einem der Bücher in der Bibliothek gefunden hatte, schoss ihm plötzlich in den Sinn. Wenn diese Presse hier nun in Bewegung geriet, würde das letzte Kapitel seines jungen Lebens gedruckt. Mit seinem Blut.

Er hatte es von Anna gehört. Und von Camilla. Auch Tomasos Erläuterungen hatte er bereits in dem Moment verstanden, als er weinend im Hof stand. Aber er hatte es dennoch weit weg geschoben! Es mochte die Realität dieses Gebäudes sein, aber er hatte es nicht als seine persönliche empfunden! Und die war es auch nicht gewesen - weil er nicht hier drinnen war! Aber nun war er hier. Und er verstand, dass es jetzt also sein Schicksal bestimmte. Wie immer es auch ausgehen mochte. Er hatte es angenommen, indem er hier hinein ging.

Anna hatte das nicht für ihn gewollt. Aber er war nicht hier, weil er unvernünftig und dumm war - oder lebensmüde! Er war wegen Caterina hier! Und das wusste niemand - und so musste es bleiben. Valerio verfluchte den Umstand, dass sie nur diese eine Fackel hatten. Das war etwas, was sie dringend ändern mussten! Auch damit sie sich aufteilen und schneller voran kommen konnten!

Er zwang sich den Blick von dem bedrohlich klaffenden Loch in der Decke zu lösen und wandte seine Aufmerksamkeit wieder in den Raum zurück. Seine Gedanken waren abgeschweift, aber es waren nur wenige Augenblicke vergangen... Sie mussten sich beeilen! Vielleicht konnten sie nicht mehr alle retten, die hier zu retten wären... Er blinzelte den Staub weg, der in seinen Augen brannte. Von den Novizinnen war hier nichts zu sehen. Abgesehen von dieser einen, die im Schein der Fackel an der Tür lehnte, konnte Valerio auf den ersten Blick keine weiteren Körper entdecken, auch hörte man nichts. Es war totenstill im Raum.

Der Oberkörper war an der Tür seitwärts weggerutscht, der Kopf nach vorne gefallen. Valerio hatte nicht den Einruck, dass sie noch am Leben war, aber er musste sicher gehen. Dass es nicht Caterina sein konnte, hatte er sofort bemerkt: Diese Frau hier hatte breitere Schultern und war kräftiger gebaut. Vorsichtig streckte er seine Hand aus, um zu verhindern, dass sie noch weiter wegrutschte. Tomaso hinter ihm blieb still und hielt das Licht für ihn.

"Hey.... Kannst du uns hören?" Valerio griff unter ihr Kinn und wollte ihren Kopf aufrichten, als ein breiter Schwall warmen Blutes über seine Hand strömte. Ein furchtbares Gurgeln und Röcheln folgte, als ihr Körper weiter in sich zusammen sackte. Valerio hielt ihren Kopf fest, er starrte auf ihr Gesicht. Die untere Hälfte war dunkel von Blut, das ihr aus Nase und Mund geflossen war. Getrocknete Sprenkel überzogen ihre Stirn, die Hände und Unterarme. Der Stoff über ihrer Brust war durchnässt. Blutige Blasen standen vor ihrem Mund.

Valerio erinnerte sich an das Husten, das sie im Gang gehört hatten. Er warf Tomaso einen schnellen Blick zu. "Sie ist tot. Die Organe... Vielleicht eine Rippe in der Lunge." Er wischte die nassen Hände an den Seiten seiner Hose ab. Ihr Blut klebte zwischen seinen Fingern, als es zu trocknen begann.

Im Halbdunkel schluchzte jemand. "Ich... ich wusste nicht.... ich habe sie da hingesetzt... Ich wusste nicht, was ich... was ich mit ihr tun sollte!"

Beide Männer waren so erschüttert von dem Anblick der Frau an der Tür, dass sie erschrocken zusammen zuckten, als die Novizin sich bemerkbar machte. Tomaso hielt die Fackel in die Richtung, aus der die Stimme kam. Im flackernden Licht erschien eine Gestalt. Sie hockte auf dem Boden, den Rücken in den Winkel zweier Wände gepresst, nicht mehr als zwei Armlängen von ihnen entfernt. Sie hatten sie gar nicht bemerkt. Das Blut, das aus einer Kopfwunde sickerte, hinterließ eine breite Spur an Wange und Hals. Die weiten Augen glänzten in dem völlig verdreckten Gesicht, ihre kurz geschorenen Haare erinnerten an staubige Schafwolle. Sie hatte sich Schleier und Haube vom Kopf gezogen und versucht, damit die Blutung zu stillen.

Valerio lehnte sich zu ihr herüber, berührte ihren Arm. "Dein Kopf... hast du noch andere Verletzungen? Kannst du stehen? Laufen?"

Sie starrte ihn an, als habe sie nicht verstanden, was er von ihr wollte. Dann nickte sie.

"Ja... Ich kann... Nein, ich denke, es ist nur der Kopf..." Ihre Stimme wurde zu einem heiseren Flüstern, als sie zu weinen begann. "Wir... ich... ich habe ihr gesagt, sicher kommt jemand, wir müssen nur warten. Wir müssen nur warten...."

Er wusste nicht, was er sagen sollte. "Gib das mal her." Er nahm ihr den blutigen Ballen, zu dem sie ihren Schleier gepresst hatte, aus der Hand. "Wir bringen dich hier raus.... Aber jetzt bleibst du noch einen Moment hier bei uns sitzen... Komm ein bisschen von der Wand weg, das ist sicherer." Er wickelte Haube und Schleier fest umeinander, griff in ihre Haare und fand die Wunde unter seinen Fingern. Fest drückte er das Stoffpaket darauf, nahm ihre  kalte, zitternde Hand und führte sie nach oben. "Hier. Du musst nur fest drauf drücken. Lass nicht los. Das wird wieder, es hört auf."

"Das ist...", die Novizin wies mit der freien Hand auf die junge Frau an der Tür, "... das ist Christiana. Sie bekommt schlecht Luft. Ihr müsst sie..."

Valerio schüttelte den Kopf. "Sie ist tot", sagte er leise.

"Ja... Ich weiß. Ich weiß es ja..." Die Novizin schluchzte.

"Wir müssen uns um die Lebenden kümmern, es ist nicht viel Zeit." Er hatte das Gefühl, dass seine Worte sehr grob klangen, aber er wusste nicht, wie er es anders sagen sollte. Er versuchte sie abzulenken. "Wie ist dein Name?"

"Fiamma."

"Fiamma." Der Name ließ ihn unwillkürlich lächeln. "La fiamma - die Flamme. Uns wird die Fackel ausgehen. Wie gut, dass wir dich haben! Du wirst uns im Dunkeln leuchten müssen."

Fiamma lachte kurz auf, so erstaunt war sie über eine so banale Unterhaltung in dieser schockierenden Situation. "Wo sind die anderen alle? Haben sie die Fackeln?", fragte sie.

Valerio suchte nach erklärenden Worten, die sie nun nicht erschrecken würden. Ihr Gesicht war ernst und angespannt, die Augen groß. Langsam begann sie zu verstehen. "Es ist niemand da... niemand außer euch beiden?", fragte sie vorsichtig, weil er nichts sagte. Sie versuchte aus seinem Gesicht zu lesen. Sie schien irritiert und hoffnungslos enttäuscht. Doch dann atmete sie entschlossen ein und sah Valerio fest an. "Ich kann gehen. Ich kann hinaus gehen und Hilfe holen. Fackeln. Ich kann..."

"Nein. Das kannst du nicht. Es ist zu gefährlich, wir sind..."

Fiamma unterbrach ihn energisch. "Wie sieht es draußen in den Gängen aus? Durch welchen Eingang seid ihr hinein gekommen?"

Er presste die Lippen aufeinander und schüttelte den Kopf. "Es gibt keinen intakten Eingang", erklärte er schließlich. Draußen im Gang ist alles voller Trümmer. Die Decken stürzen ein... und wir haben nur diese eine Fackel. Wir brauchen sie hier. Du schaffst den Weg im Dunkeln nicht - und wir können hier nicht ohne Licht warten, dann ist es für jede Hilfe zu spät."

"Wo... wo seid ihr hinein gekommen", wiederholte die Novizin ihre Frage.

Wie hartnäckig sie war! Sie machte ihrem Namen alle Ehre. Plötzlich kam ihm eine Idee. Sie konnte helfen! Aber zunächst brauchten sie Antworten von ihr.

"Gibt es noch mehr Überlebende in diesem Raum? Hast du jemanden gehört?"

Fiamma schien zu überlegen, dann schüttelte sie den Kopf. "Nicht in den letzten Minuten."

"Das bedeutet nichts. Sie könnten bewusstlos sein. Es würde dauern, bis wir hier alles durchsucht haben... Wie viele sind hier? Wen hast du gehört - und wo zuletzt? Kannst du es zeigen?"

Zögernd wies sie mit der Hand nach rechts und in den hinteren Teil des Raumes hinüber, der beinahe ganz im Dunkeln lag. "Delizia. Und Paolina. Ich habe ihre Stimmen gehört. Irgendwo dort hinten." Ihr Blick wirkte abwesend, als sie weitersprach, ihre Stimme zitterte. "Delizia schrie eine Zeit lang, aber dann... war sie still. Es... es ist eine Weile her, dass ich sie gehört habe."

Ihr Entschluss helfen zu wollen schien größer als der Schock. "Ich habe auch Ursulina gehört", fiel ihr ein. "Aber... sie stöhnte nur, sie antwortete nicht auf mein Rufen. Sie muss irgendwo dort vorne an der Wand liegen."

Valerio spürte, wie sein Herzschlag in den Hals hinauf wanderte. Sie hatte Namen genannt! Namen. Er durfte nicht nach Caterina fragen. Er warf einen schnellen Blick über seine Schulter und zu Tomaso hinauf, der sich bereits abwandte. Eilig kam er auf die Füße. "Warte hier. Wir sehen nach."

Der Baumeister stieg über die Trümmer. "Bleib unter dem Loch weg, Junge", grollte er, als er sah, dass Valerio ihm folgte.

Nach den Erfahrungen im Gang waren sie aufmerksamer geworden. Sie wussten, ein Gesicht konnte grau wie Stein aussehen, ein Arm, ein Bein waren leicht zu übersehen, wenn sie zwischen den Trümmern lagen.

Was Valerio unter seinem Fuß fand, bevor er ausrutschte, war jedoch nicht zu übersehen - und doch hatte er nicht darauf geachtet. Eine gewaltige, schwarze Lache, so groß, wie er sie zuletzt bei Rocco gesehen hatte, als dieser das Bein amputierte... Das Blut war dick und halb eingetrocknet auf dem staubigen Boden. Es war klebrig und rutschig und es roch nach Eisen. Als er hinein fiel,  stieß er sich das Kinn an der Kante eines Steines an und biss sich auf die Zunge. Er schmeckte Blut. Er wusste nicht, ob es sein eigenes war oder... Er spuckte aus.

"Mann, Junge", knurrte Tomaso und kam mit der Fackel zu ihm herüber. "Pass doch..."

Der Blick, den Valerio dem Baumeister zuwarf, ließ diesen sofort verstummen. Valerio kam auf die Knie, wischte sich mit dem Unterarm das Blut von Lippen und Kinn. Wieder sammelte sich Blut in seinem Mund. Er spuckte noch einmal. Seine Hose war an den Schienbeinen durchtränkt.

Er sagte nichts. Wo er hockte, begann er die Trümmer weg zu räumen, ein Stück nach dem anderen, so schnell er konnte. Er legte sie in die Blutlache, um sie abzudecken. Damit niemand dort noch einmal ausrutschte, aber auch, um das Blut nicht mehr sehen zu müssen. Er hatte mehr Blut als lebendige Menschen gesehen, seit sie hier hinein geklettert waren. Er wollte... Er packte einen weiteren Steinbrocken und erstarrte mitten in der Bewegung.

Da war der Kopf. Schultern. Ein Arm.

Tomaso hielt die Fackel still.

Valerio ließ den Stein, den er gerade gepackte hatte, aus den Händen gleiten. Langsam kam er auf die Füße.

"Oh verdammt", entfuhr es dem Baumeister. "Sieh dir das an..."

Ende Teil 81











































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