(14/13) Die letzte Karte

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In seinen Ohren rauschte das Blut. Fieberhaft, mit verschleiertem Blick, besah er die Karten. Auf dem Tisch lagen nicht nur die, die er selbst in der Nacht gezogen hatte! Da waren noch andere, und er erkannte sie wieder: Es waren die Karten aus seinem Traum. Lena - er musste jedenfalls davon ausgehen, dass sie es war - sie hatte ihm diese Karten gezeigt!

Aber... das war ein Traum, das war... nicht real! Er hatte den Weltentänzer nicht selbst gezogen, diese letzte Karte der großen Arkana war lediglich Inhalt seines Traumes gewesen! Er war überzeugt, dass er die Karten nicht verwechselte - denn die Fragen, die sie beantworteten, konnte er sehr klar der Realität oder seinem Traum zuordnen. In der Realität hatte er nicht nach Valerio gefragt, sondern ausschließlich nach seiner eigenen Situation.

Wie konnten die Karten aus dem Traum hier nun auftauchen, auf diesem Tisch? Hektisch überflog er die Bilder und Motive. Der Weltentänzer! Er sah ihn noch vor sich: Im Traum war er lebendig geworden, hatte in der Schwärze und Zeitlosigkeit aus der Energie seines Tanzes eine Galaxie erschaffen - und das Leben, wie er es kannte.

Er sprang von seinem Stuhl auf. Über die Karten gebeugt besah er jede einzelne, wieder und wieder. Es gab keinen Zweifel. Sie lagen vollständig vor seiner Nase, er erinnerte sich an jede einzelne. Mit zittrigen Fingern griff er nach Papier und Stift.  Was passierte hier? Er musste das aufschreiben! Aber zuerst die Legung, die er selbst gemacht hatte...

"Realität", kritzelte er über den oberen Rand des Blattes und strich es gleich wieder durch. Stattdessen schrieb er "Meine Legung" und  darunter eine Eins mit einem Punkt dahinter. Er überlegte kurz und notierte daneben die erste Frage, die er gestern Nacht gestellt hatte. Was ist meine Situation, murmelte er, während die Worte die Zeile füllten. Er musste nicht suchen, denn da war sie - die Karte, die er als Antwort gezogen hatte. Acht der Schwerter, notierte er eilig, als befürchtete er jeden Moment alles weitere zu vergessen. Weiter ging es zur zweiten Frage. Als Einfluss, der seine Situation beherrschte, war der Mond erschienen - und hier hatte er zur näheren Definition noch eine weitere Karte gezogen... Er griff über den Tisch, legte Mond- und Teufelskarte auf die freie Fläche zu seiner Rechten hinüber und tat dasselbe auch mit der Acht der Schwerter. Mond und Teufel, notierte er als Antwort zur zweiten Frage.

Bei der dritten Frage ging es um den Ausgang der Situation. Der Narr war die Antwort. Er fand seinen Platz unterhalb der Mond- und der Teufelskarte.

Die Karten, die nun noch vor ihm lagen, besah er mit einem Gefühl leisen Grauens. Er zog einen harten Strich unter seine Notizen und begann von Neuem. "Traum" war der knappe Titel, unter dem er die nächsten Fragen und Ergebnisse sammeln wollte. Was war im Traum seine erste Frage gewesen? Sein Blick schweifte über die restlichen Karten, dann wusste er es wieder - denn die Antwort war Die Welt. Der Weltentänzer. Was verbindet uns, das war die dazu gehörige Frage. Er war sich sicher. Er hatte Valerio und sich selbst gemeint, als er nach der Verbindung fragte... Nur im Traum hatte er gewagt solche Fragen zu stellen. Und die Antwort war seltsam, er verstand sie auch jetzt noch nicht. Aber er war absolut überzeugt: Er hatte diese Karte nicht selbst und im wachen Zustand gezogen. Die Unmöglichkeit, dass sie hier nun trotzdem bei den anderen lag, brachte ihn beinahe um den Verstand.

Ruhig, dachte er. Bleib ruhig, denk nach. Es war wichtig, sich korrekt zu erinnern, keinen Fehler zu machen. Sein Blick hing suchend, unsicher über den restlichen Karten, bis er sich plötzlich an die zweite Frage erinnerte. Was trennt uns, kritzelte er unsauber aufs Papier. Die Antwort war die Vier der Kelche. Die Details zu diesem Motiv kamen nun in sein Gedächtnis zurück... Die Stimme hatte gesagt, ein Geschenk sei abgelehnt worden - und es sollte lange her gewesen sein... Aber er hatte damit nichts anfangen können und darum gefragt, was danach weiter geschehen war. Eine dramatische Karte war die Antwort, sie stand ihm jetzt wieder klar vor Augen: Die Drei der Schwerter. Das dreifach durchbohrte Herz. Tiefe Verletzung, Schmerz, Verlust. Trauer. Das war die Erklärung gewesen, die er dazu empfangen hatte.


Jetzt wurde es schwierig. Er wusste noch, etwas hatte ihn an dieser Stelle abgelenkt, so dass er mit der nächsten Frage ganz neu angesetzt hatte. Valerio war Thema... An mehr erinnerte er sich nicht. Was war es, was konnte er über ihn gefragt haben? Ratlos starrte er auf den Magier. Der Heiler... Meister der Kräfte und Elemente... Wanderer ohne Raum und Zeit. Das musste es sein! Die Frage, die dazu gehörte, war: Wer ist Valerio?

Aber es waren gleich mehrere Karten, die ihm hierzu als Antwort erschienen waren: Der Magier... und der Gehängte - das Opfer, die andere Perspektive. Das hatte er sich gemerkt. Aber war da nicht noch eine dritte Karte gewesen? Er hatte sie gar nicht angesehen... Ja, richtig, dafür hatte es einen Grund gegeben: Die Stimme war schwächer geworden! Er hatte befürchtet, die wichtigste Frage nicht mehr stellen zu können! Und so war diese dritte Karte verdeckt liegen geblieben. Genau so war es! Und als er statt dessen fragte, was mit Valerio geschah und ob es ihm gut ging, erhielt er die Antwort, die ihn am meisten erschreckte: Die Karte mit dem leblosen Mann am Boden. In seinem Rücken steckten zehn Schwerter. Hier vorne lag sie. Zögernd, widerwillig nahm er die Zehn der Schwerter vom Tisch auf und besah sie einen Moment. Dann legte er sie wieder zurück, sie war noch nicht an der Reihe. Mit klopfendem Herzen suchte er nach der letzten der drei Karten, die Valerio beschreiben sollten. Aber es gab keine weitere Karte, nirgends.

Er war ratlos. Wenn sich sämtliche Karten aus dem Traum nun hier auf dem Tisch fanden - warum dann diese eine nicht? Urplötzlich schoss ihm ein Bild in den Kopf: Seine Mutter, wie sie ihm eine Karte reichte. Das stammte aus einem anderen Traum... dem Traum, den er gehabt hatte, nachdem er in Valerios Raum geflüchtet war. Auch diese Karte hatte er schließlich hier am Tisch gefunden! Besser gesagt, unter dem Tisch.

Er spürte, wie er leichenblass wurde. Kalter Schweiß stand ihm auf der Oberlippe, als sein Blick an der Karte mit dem Gerippe auf dem weißen Pferd, der Todeskarte hängen blieb. War das die fehlende Karte? War Valerio der Magier, der Gehängte und... der Tod? Im Traum war Valerio selbst zum reitenden Tod auf der Karte geworden...

Er wollte hysterisch auflachen, aber jeder Ton blieb ihm im Hals stecken. Er hatte selbst so oft vor diesem Firlefanz gewarnt! Was für ein Irrsinn war das! Ehe er nachdenken konnte, fuhr er mit beiden Händen über die Tischplatte, schob die Karten grob zusammen und steckte sie in den Beutel zurück.

Ende Teil 130

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