(14/12) Träume sind... Träume

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Als er mit einer Flasche Wasser unter dem Arm und einem Teller in der Hand wieder in den Raum zurück kam, fiel sein Blick auf den langen Tisch. Dort lagen die Tarotkarten. So, wie er sie in der letzten Nacht aufgedeckt hatte. Ungläubig trat er näher. Er hatte sie gestern doch wieder eingepackt, alle... Er war sich ganz sicher, sie müssten jetzt in dem Beutel sein. Der lag aber offen und leer in der Nähe des Leuchters. Er erinnerte sich sehr gut: Exakt so hatte er ihn beiseite gelegt, um die Karten näher zu untersuchen und sie schließlich auszuprobieren.

Lena... und Tom. Beinahe hatte er vergessen, was er in der Nacht außerdem hier vorne am Tisch gesehen und erlebt hatte. Aber gab es da denn tatsächlich etwas, das man ein Erlebnis nennen konnte? War Lenas Erscheinung als Ganzes nicht doch nur ein Hirngespinst, eine Einbildung gewesen? Ein Traum? So wie sie davor auch schon Bestandteil eines Traumes gewesen war, fiel ihm nun ein - in Form einer Stimme, die seine Fragen zu Valerio mit Tarotkarten beantwortet hatte. War Lena nur ein Traum gewesen, und der kleine Tom ebenso?

Die Wasserflasche begann unter seinem Arm zu rutschen, beinahe hätte er sein Essen vom Teller gekippt. Irritiert stellte er beides auf dem Tisch ab. Was war nur los mit ihm? Die letzten Tage und Nächte hatten ihn so verwirrt, es fiel ihm immer schwerer, Schein von Realität zu unterscheiden.

Buchstäblich alles, was hier am Tisch geschehen war, hatte er gestern für real gehalten. In dem Moment war es so eindringlich, so deutlich gewesen. Er erinnerte sich, welchen tiefen Eindruck die Erscheinung auf ihn gemacht hatte. So präsent, so realistisch... Sogar jetzt, als er wieder daran dachte, ging ihm erneut ein kalter Schauer über den Rücken. Niemand, der in der Nacht dabei gewesen wäre, hätte an der Echtheit der Erscheinung gezweifelt.

Aber jetzt war er sich gar nicht mehr sicher. Er grübelte, starrte auf die verblichenen Karten hinab, versuchte alle Faktoren, die für ihn greifbar waren, in einigermaßen sinnvolle Zusammenhänge zu bringen. Da war der Schlafmangel seit Giulias Abreise. Der war auf jeden Fall zu berücksichtigen. Dann die drückende Atmosphäre während des Sturms und Gewitters... Das Haus machte ihn verrückt, wenn der Wind hindurch pfiff; das regte die Fantasie an und ließ unter solchen Umständen selbst jemanden wie ihn an geheimnisvolle Stimmen glauben - und von da aus war es dann nur noch ein kleiner Schritt zur Geistererscheinung. Aber auch seine generelle psychische Verfassung beeinflusste ganz sicher seine Wahrnehmung. Und Valerio war spurlos verschwunden. Das irritierte ihn absolut.

Er musste seine unter Stress geratene Wahrnehmung sehr kritisch beobachten, wenn er nicht auf Abwege geraten wollte. Wer wusste schon, was seine übermüdete Fantasie sich da gestern ausgemalt hatte. Jetzt lagen die Karten vor ihm auf dem Tisch, und das war... ein Ding der Unmöglichkeit. Woher nahm er nur seine Überzeugung, er hätte sie in den Beutel zurück gepackt, bevor er schlafen ging? Er erinnerte sich bildlich daran, sogar, dass er zwei Anläufe gebraucht hatte, im Kerzenschein das feine Band zu schließen. Aber wie man hier nun sehen konnte, entsprachen seine Erinnerungen gar nicht der Realität.

Die Sache war klar. Er musste es sich eingebildet haben. Alles. Er hatte sie gar nicht weggepackt. Und was die Geistererscheinung betraf: Auch Lena und Tom waren dann wohl nicht wirklich hier gewesen! Das wäre auch sehr... paranormal, befand er jetzt, mit einiger Distanz zur letzten Nacht. Sie hatten zwar echt gewirkt in dem Moment, argumentierte die gläubige Seite in ihm. So etwas gab es. Das war ein Phänomen.

Aber das war gestern. Da hatte so vieles seine Wahrnehmung beeinflusst. Das Licht der Blitze war durch den vermeintlichen Geist hindurch gegangen - und dieser dann durch den Armlehnstuhl. Er hatte sich sogar einige Schritte auf ihn zu bewegt. Egal, wie real alles gewirkt hatte: So etwas gab es einfach nicht! Spukerscheinungen ließen sich immer rational erklären. Wenn er jetzt darüber nachdachte, hatte er keine Ahnung, wie er überhaupt auf die Idee kommen konnte, sich hier so täuschen zu lassen.

Nein, das konnte nur eines der Bilder aus seinem Traum gewesen sein. Er erinnerte sich nicht einmal mehr, wie er ins Bett gefunden hatte. Er hatte also ganz offenbar vollkommen neben sich gestanden. Eines war jedenfalls klar: Um seine nervliche Gesundheit hatte es in der vergangenen Nacht nicht gut gestanden.

Die Situation verlangte ihm zu viel ab. Er hatte alles nur geträumt. Die Szene hier am Tisch mit Lena und Tom... und dann auch das seltsame Geschehen im nächtlichen Venedig. Auch in diesem Teil des Traumes hatten die beiden eine Rolle gespielt; wenn das kein Indiz war! Lena beschäftigte ihn schließlich seit Tagen, er merkte es ja selbst. Vielleicht verlor er langsam den Verstand. Und immer noch fehlte ihm Schlaf. Er musste sehr vorsichtig sein mit dem, was er zu sehen und zu wissen glaubte.

Gerade wollte er die Karten zusammen raffen, als er mitten in der Bewegung anhielt. Da lag eine Karte auf dem Boden. Sie musste ihm gestern Nacht herunter gefallen sein. Er bückte sich, um sie unter dem Lehnstuhl hervor zu fischen.

Als er wieder hoch kam, warf er einen Blick darauf. Ebenso wie die Teufelskarte, die er gestern Nacht gezogen hatte, schien sie von Hand nachgemalt worden zu sein, denn das Bild war deutlich sichtbar - so sichtbar, dass Magnus furchtbar erschrak. Es war die Nummer Dreizehn. Das Gerippe auf dem Pferd. Die Karte, die als Der Tod bekannt war.

Plötzlich standen ihm die Bilder aus seinem Traum wieder klar vor Augen: Da hatte seine Mutter ihm diese Karte - exakt diese, die er gerade aufgehoben hatte - in die Hand gedrückt. Als Antwort auf seine Frage, ob sie ihm nicht verzeihen könnte! Und dann... war da plötzlich Valerio auf diesem weißen Pferd gewesen, das der Tod auf der Karte ritt. Mit demselben Kapuzenmantel, den zuvor das Gerippe getragen hatte. Nur eine Sichel hatte Valerio nicht - Er trug ein dolchartiges Messer an seinem Gürtel. Und er ritt weg...

Auf einmal kam die gesamte Szene wieder zu ihm zurück. Valerio hatte sich nicht umgesehen, nicht auf sein Rufen reagiert. Ja, so war es gewesen! Oder wollte er ihn nicht hören? Im Traum hatte er keine Stimme gehabt... Aber Valerio konnte doch seine Gedanken empfangen, er hätte ihn verstehen müssen! Und warum war er zum Reiter auf der Todeskarte geworden? Was hatte das zu bedeuten?

Verdammt, das waren doch nur Träume! Wirre Überreste des Tageserlebens, die nichts bedeuteten. Nun ertappte er sich also schon dabei, wie er seine Traumbilder an der Realität abglich und beides miteinander vermischte. Es konnte doch auch purer Zufall gewesen sein, dass ihm ausgerechnet die Karte mit der Nummer Dreizehn herunter gefallen war - und dass sie dann auch noch in seinem Traum vor kam. Träume... waren Träume.

Die vielen seltsamen Bilder der letzten Tage, diese eigenartigen Wiederholungen und Parallelen zwischen der Realität und den Bildern, die sein Unterbewusstsein produzierte, machten ihn völlig fertig. Mit Unbehagen blickte er auf die Karte in seiner Hand. Er sollte das notieren. Ja, er musste anfangen es aufzuschreiben.

Denn wie sollte er wissen, was lediglich Zufall und unwichtig und was vielleicht von Bedeutung war! Und mit diesen Karten kannte er sich genauso wenig aus wie mit dem Deuten von Träumen. Er durfte die Details nicht aus den Augen verlieren, solange er das Relevante nicht vom puren Zufall trennen konnte. Es aufzuschreiben war eine gute Idee; denn wenn es ihm gelang sich wieder zu fangen, würde es viel einfacher sein, diese Dinge noch einmal von Neuem, in Ruhe und mit sachlichem Kopf zu durchdenken. Bestimmt würde sich dann alles aufklären. Und was sich nicht klärte, durfte er getrost zu den Hirngespinsten packen. Jetzt wollte er das nicht entscheiden, denn es gab so viele Ungereimtheiten - und davon abgesehen waren auch die Zufälle mehr als verdächtig. Also weg mit dem Ballast aus dem Kopf und aufs Papier damit.

Im großen Schrank, in dem Valerio seine Kerzen aufbewahrte, hatte er Papier gesehen. Er griff nach seinem Brot, nahm einen großen Bissen und legte es auf den Teller zurück. Dann öffnete er den Schrank, der am Durchgang zur Küche stand, inspizierte den Inhalt und fand neben dem Stapel unbenutzter Papierbögen gleich auch eine schmale Schachtel mit Schreibfedern. Als er das Behältnis aus marmorierter Pappe ins Tageslicht hielt, entdeckte er zwischen den grazilen geschwungenen Federn sogar zwei moderne Kugelschreiber und einen Bleistift, der mit einem Messer gespitzt worden war. Er testete die Kugelschreiber; die Miene des zweiten schien noch einigermaßen zu funktionieren. Er packte die Schachtel in den Schrank zurück und nahm Papier und Kugelschreiber mit zu den Karten hinüber.

Um Platz zum Schreiben zu haben, setzte er sich in den Armlehnstuhl, der sich gleich neben seinem Sitzplatz von gestern Nacht befand. Zumindest in seiner überspannten Fantasie hatte in dem Stuhl zu seiner Linken vor einigen Stunden der Geist seiner Schwester gesessen... Trotz aller Vernunft, die er walten lassen wollte, wagte er es noch nicht ihn zu nutzen. Auch, wenn das beschämend abergläubig und dumm wirkte und er so doch gar nicht denken wollte: Man hätte ihm zumindest in diesem Moment eine gute Summe Geld anbieten müssen, wenn man wollte, dass er sich da nun freiwillig hinein setzte. Natürlich entbehrte das jeder sachlichen Betrachtung und Realität. Aber dieses Bisschen Furcht vor dem Nicht-Greifbaren, diesen kleinen Respekt vor den Mysterien seiner eigenen Fantasie durfte er doch wohl haben, ohne gleich als Spinner zu gelten.

Immerhin, es ging ihm heute schon besser. Er hatte eine handvoll Stunden geschlafen, und das war ein Anfang. Mit ein wenig mehr Distanz zu ernsthaften Gedanken an Spuk, sprechende Tarotkarten und Zufälle, die keine waren, begann er sich zumindest schon einmal neu zu justieren. Sein Focus war zwar noch nicht viel sachlicher oder stabiler als gestern Nacht - Aber er war doch schon auf einem guten Weg; auf jeden Fall hatte er bereits einen guten Teil seiner Vernunft und sogar einen Anflug von Lockerheit zurück. Er musste das alles einfach sportlich nehmen, dann würde es schon werden.

Mit diesem Gedanken nahm er den Kugelschreiber in die Hand, beugte sich nach links hinüber, um einen näheren Blick auf die Karten zu werfen, die er sich notieren wollte.... und erstarrte. Die Tränen schossen ihm in die Augen bei dem, was er sah.

Ende Teil 129

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