(14/8) Tarot

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Die Karten lagen im Stapel und gemischt vor ihm, das Wappen auf der Rückseite sah ihn an wie ein einzelnes Auge. Einen Augenblick zögerte er, dann verbannte er den Gedanken aus seinem Kopf. Er legte die Hand über den Stapel und schob ihn zu einer langen Reihe aus, wie er es damals bei Lena gesehen hatte.

"Was ist meine Situation", fragte er laut. Wie eigenartig seine Stimme klang. Er drängte den Gedanken beiseite und fuhr mit den Fingern über den Karten hin und her. Und noch einmal... Es war gar nicht so einfach, sich spontan für eine dieser Karten zu entscheiden, insbesondere, weil man nur eine einzige ziehen durfte. Sicher konnte man auf eine Frage auch mehrere Karten antworten lassen; aber wahrscheinlich fehlte dann doch die Kenntnis über etwaige Bedeutungen, sollte es da welche geben - und wie man mehrere Karten zu einer Antwort zusammen zog. Also blieb er dabei: Eine für jede Frage.

Spüren sollte man, welche die richtige war! Er spürte nichts, als er sich schließlich für eine Karte aus der ungefähren Mitte der Reihe entschied. Achtundsiebzig Karten lagen hier - Das war eine gute Menge an Möglichkeiten, genug, um mit dem Zufall zu spielen! Er warf jetzt noch keinen Blick auf die gewählte Karte. Er legte sie nur vor sich hin, unterhalb der Reihe der anderen und verdeckt, wie es sich gehörte, und fuhr mit der nächsten Frage fort.

Wieder fuhr er mit seiner Hand über die Kartenreihe und sprach dabei laut und übertrieben theatralisch:

"Was beeinflusst meine Situation?"

Diese zweite Karte war eine, die er mit Bedacht wählte, weil er - einmal vorausgesetzt, man konnte mit Tarotkarten ernsthafte Antworten erhalten - daran dachte, seine erste Frage noch weiter zu präzisieren. Es musste ein Vorteil sein, wenn man nicht nur wusste, in welcher Situation man steckte, sondern auch erfuhr, welche Umstände diese Situation am meisten beherrschten.

Eine Karte, die ziemlich weit außen lag, lockte ihn spontan - Nimm mich, schien sie ihm zuzurufen und er zog sie unter den anderen heraus. Diesmal wunderte er sich, wie entschieden er sie gewählt hatte. War das nun die vielgepriesene Intuition? Er hatte keine Ahnung! Und was dabei heraus kam, er würde es ja gleich sehen... Er legte die Karte rechts neben der ersten ab und warf auch auf diese keinen Blick. Er wollte sich überraschen lassen.

Nun brauchte er noch eine letzte Karte. Die dritte Frage ergab sich nun beinahe von selbst.

"Wie ist der Ausgang meiner Situation?", murmelte er und spürte bereits, wie gut ihm die spielerische Beschäftigung mit Dingen trat, die er nicht ernst nehmen musste. Er entspannte sich, griff nach seinem Weinglas und trank einen Schluck.

Diesmal wählte er eine Karte aus der linken Hälfte der Reihe, aber doch nahe der Mitte, und legte sie zu den anderen beiden.

Erst jetzt, als er seine drei Karten vor sich liegen hatte, wurde ihm vollständig bewusst, dass es wirkte; nicht ein einziges Mal hatte er an Valerio und dessen Verschwinden gedacht, an Angst und Sorge - oder an die alptraumhafte Vorstellung, er müsse hier nun bis in alle Ewigkeit allein leben und würde niemals mehr in seine Welt zurück finden. Und er wollte auch jetzt nicht wieder anfangen daran zu denken! Er konzentrierte sich wieder, denn jetzt kam der spannende Teil.

Ein wenig mulmig war ihm nun doch, als er zögernd die Hand nach der ersten Karte ausstreckte, um sie aufzudecken. Sie sollte seine Situation beschreiben... Ach was, sagte er sich, während er seine Finger einen Moment auf der verblassten Rückseite ruhen ließ. Das war ein Spiel! Er würde es verderben, wenn er es zu ernst nahm! Wie sollte denn eine solche Karte - eine von achtundsiebzig, die zur Auswahl standen, dazu willkürlich gezogen - eine so spezielle und komplizierte Situation erklären? Genauso gut konnte er auch Heizungsrippen abzählen, Gänseblümchen zupfen oder eine Münze werfen.

Er nahm die Karte vom Tisch auf und hielt sie in die Nähe einer der Flammen, vorsichtig und mit gebührendem Abstand, falls der Wind noch einmal durch den Raum stob.  Im flackernden Licht der Kerzen erkannte er zunächst das Motiv nicht, die Oberfläche war zu sehr abgenutzt.  Erst als er sie mehr zum Licht drehte und mit dem Gesicht nahe heran kam, enthüllten die feinen Linien ihren Sinn.

Es war die Acht der Schwerter. Aufrecht im Boden steckend bildeten die Schwerter einen Kreis und in diesem stand eine Frau. Sie war an Händen und Füßen gefesselt. Der Boden unter ihr war schlammig und uneben - soweit man das sagen konnte, denn der untere Bereich der Kartenoberfläche wirkte mitgenommen. Die Frau war nicht nur gefesselt, sie trug auch eine Augenbinde. Ein zerklüfteter Berg ragte im Hintergrund auf.

Die Acht der Schwerter. Er hatte keine Ahnung, was die Karte bedeutete. Aber das Bild sprach für sich... So sehr und unmittelbar, dass er darüber erschrak. Es ist ein Spiel, sagte er sich noch einmal und betrachtete die dargestellte Szene.

Eine gute Weile starrte er darauf; er erinnerte sich nun sogar an diese Szenerie mit dem Kreis aus Schwertern, in denen die Frau gefangen war. In einem von Lenas Decks hatte es eine gegeben, die, wenn auch anders arrangiert und wesentlich moderner gezeichnet, ungefähr dasselbe zeigte. Diese Acht der Schwerter war sehr markant... Sie hatte etwas, das er nur als bedrückend bezeichnen konnte. Bedrohlich.

Das war seine Situation? Die Szenerie auf dem Bild? War sie so schlimm, so... aussichtslos? War er so sehr in der Falle? Er brauchte einen Moment - in dem er leise zu bereuen begann, dass er heute Nacht ausgerechnet diese Karten ausprobieren musste. Er hatte gedacht, es würde ihm helfen, seine Gedanken zur Ruhe zu bringen. Auf den Teppich zu kommen, sich abzulenken. Und nun das hier!

Er holte tief Luft, setzte sich aufrecht, legte die Acht der Schwerter auf den Tisch zurück und griff nach der zweiten Karte. Da er nun einmal dabei war, wollte er die Sache nun auch zuende bringen! Die nächste Karte sollte zeigen, welchem größeren Einfluss seine Situation unterlag. Also gut... Bei dieser dramatischen Ausgangskarte war er neugierig auf ihre Ergänzung! Aber vielleicht ergab sich hier nun ein Anlass zum Lachen; dass die nächste gar nicht zur ersten Karte passen und stattdessen einen völlig abwegigen weiteren Aspekt hinein bringen würde, war sehr wahrscheinlich.

Es war... der Mond. Der Mond! Das war tatsächlich zum Lachen! Wie sollte der Mond hier Einfluss auf seine Situation nehmen! War er mondsüchtig, schlafwandelte er? War es der Mond, der ihm Szenen vorgaukelte, die nicht real waren... oder konnte es sein, dass gar nicht der Himmelskörper gemeint war, sondern... die Nacht? Oh ja - und wie die Nächte, die er in Valerios Haus verbrachte, seine Situation beeinflussten! Er sollte schlafen gehen, dachte er bitter und seine Laune stürzte in düstere Tiefen hinab. Was sollte er damit anfangen?

Die dritte Karte, dachte er trotzig. Der Ausgang der Sache. Er griff nach seinem Wein, stürzte ihn mit wenigen Schlucken hinunter, stellte das Glas mit Schwung ab und schob es energisch zur Seite. Einen Moment zögerte er, dann ergriff er die letzte Karte und hielt auch sie ins Licht der Kerzen.

Erst konnte er beim besten Willen nicht erkennen, worauf er sich fokussieren sollte. Das undeutliche Bild gab absolut nichts her. Einem plötzlichen Impuls folgend versuchte er es anders herum; er drehte die Karte in seiner Hand und das Motiv wurde sichtbar. Er musste wirklich sehr müde sein, denn den Narren kannte er nicht nur bereits aus Lenas Deck, sondern er hatte ihn vorhin, beim Durchsehen der Karten, ebenfalls wiedererkannt. Er musste ihn nur auf die Füße stellen! Nachdenklich betrachtete er das alte Bild.

Ein Mann, in bunte Kleider der Renaissance gewandet, balancierte an einem Abgrund. Den Blick gegen den Himmel gerichtet schien er nicht darauf zu achten, wohin er seine Füße setzte.

Das sollte also das Ergebnis dessen sein, was er hier durchlebte? Ein Schritt in den Abgrund, unwissend, naiv und blind? Oh, er hätte es wissen müssen! Das war weder sein Abend - noch war es sein Spiel! Dafür hatte er keine Nerven. Derselbe Eindruck, den er auch immer schon bezüglich Lenas Kartenlegerei gehabt hatte, zeigte sich hier nun erneut. Wenn jemand mit ihm im Raum gewesen wäre, hätte er jetzt laut geschimpft über den Irrsinn, der in diesen Karten lag... und in dem Glauben an solche unsinnigen Dinge.

Aber hier war jetzt niemand. Er war allein. Niemand sah ihm zu. Oder fragte, ob er, Magnus, diesen Mist glaubte. Darum zog er kurz entschlossen noch eine weitere Karte. Eine, die ihm den Mond näher erklären sollte. Auch das hatte er von Lena: Man konnte weitere Karten hinzu nehmen, wenn etwas nicht ganz klar war. Der Mond ragte heraus. Magnus hatte keine Ahnung, wofür er hier stand, insbesondere, da er die aktuelle Situation so stark dominieren sollte! Konnte eine weitere Karte da nützlich sein? Wahrscheinlich wurde dadurch alles nur noch verwirrender.

Der erneute Windstoß, der gegen die Fenster drückte, ließ die alten Holzrahmen ächzen und die Scheiben beinahe brechen. Das Feuer im Kamin duckte sich wieder, und erneut stob Asche, vermischt mit einem roten Funkenregen, bis vor die beiden Sessel. Durch die geschlossenen Flügeltüren erklang das Raunen und Wispern der Halle laut in seinem Ohr. Die Nackenhaare stellten sich auf. Der Spiegel vibrierte in singenden Tönen.

Wild fuhr er zusammen. Er ließ die vierte Karte fallen, sprang auf und lief zur Feuerstelle hinüber. Der Sturm kam zurück. Bis Mitternacht würde er wieder so stark sein wie gestern... Vielleicht sollte er das Feuer löschen und ins Bett gehen? Es musste eine Luke im Schornstein geben, die man schließen konnte; aber der Schacht würde brauchen, bis er abgekühlt war - Da wollte er wirklich nicht zu früh hinein greifen!

Vorsichtshalber kontrollierte er Valerios Samtsessel im Licht der zuckenden und rauschenden Flammen; das Feuer kämpfte noch immer mit dem Wind, der sich durch den Schornstein drückte. Nicht, dass die Glut den Sessel getroffen hatte! Er schob ihn ein wenig weiter vom Feuer weg. Mit großem Unbehagen stellte er sich vor, wie sich ein winziger Funke schwelend und unbemerkt durch die Polsterung fraß, während er nichts ahnend schlafen ging... und das Haus mit ihm abbrannte. Ein Alptraum! Drei Mal besah er sämtliche Flächen, um ganz sicher zu gehen, strich noch einmal über den Samt, aber da war nichts. Erleichtert atmete er auf.

Das Feuer. Er musste die Holzreste auseinander schieben, damit sich die Flammen nicht weiter nähren konnten und die Glut erlosch. Er nahm den langen Ast, den Valerio immer verwendete. Er nutzte die volle Breite des wuchtigen Kamins und verteilte das übrig gebliebene Holz, so gut es ging. Zehn Minuten vielleicht, und das Feuer würde aus sein...

Er gähnte. Die Wärme in der Nähe der Feuerstelle ließ ihn seine Müdigkeit noch mehr spüren als ohnehin schon. Mit brennenden Augen sah er sich in dem dämmrigen Raum um. Die Schatten lagen schwer in den Ecken - so wie in der ersten Nacht seines zweiten Besuchs... Was wollte er eben noch? Das Fenster... Eine messerscharfe Mondsichel zog beinahe auf dem Rücken liegend durch wild zerklüftete Wolken - Jedenfalls sah es so aus. In Wirklichkeit jagten die Wolken am Mond vorbei. Wie leicht man sich täuschen konnte mit den Dingen der Welt... Der Mond. Er wollte den Mond klarer definieren.

Die Acht der Schwerter, dazu Mond und Narr, lagen aufgedeckt nebeneinander auf dem Tisch - schwach beleuchtet von den Kerzen, die zu Stummeln herunter gebrannt waren. Mittlerweile zog ein ständiger kalter Windhauch durch den Raum, er spürte es an den nackten Füßen und im Gesicht. Die Flammen zuckten und tanzten in der Zugluft. Das Licht war kaum noch ausreichend.

Fröstelnd rieb er sich die Oberarme. Er brauchte dringend eine Mütze voll Schlaf. Ein zweites Gähnen unterdrückend nahm er die Karte hoch, die er eben aus der Reihe gezogen und in seinem Schreck fallen gelassen hatte. Vorsichtig hielt er sie an eine der Flammen. Sicher würde man bei diesem Licht nun noch weniger erkennen können... Er kniff die Augen zusammen, beugte sich vor.

Aber das Motiv war klar. Es schien vor nicht langer Zeit mit der Feder ausgebessert und behutsam nachkoloriert.

Plötzlich fühlte er sich eigenartig. Die Karte, die den Mond als Einfluss auf die Situation näher erklären sollte, war... die Teufelskarte.

Ende Teil 125

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