(18/11) Macht

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Clemente. Er war also Priester und Prior des Franziskanerordens in Assisi geworden. Und er hatte Ambitionen wie sein Onkel... Langsam dämmerte Valerio, worum es Vincenzo Grassi ging. Sein aufsteigender und ehrgeiziger Neffe - wenn Clemente Kardinal würde, könnte er im Konklave in Rom für seinen Onkel stimmen! Als verdienter Kardinalinquisitor konnte Vincenzo zum Papst gewählt werden, wenn er sich aufstellen ließe. Beide Männer würden von der Festsetzung und Verurteilung eines gefährlichen Magiers, noch dazu eines Klosterstudenten und Verführers einer Nonne, profitieren. In Rom würde das Eindruck machen; wer sich in diesen Tagen bei der Inquisition verdient machte, wurde hoch gewürdigt und Türen öffneten sich von selbst.

Noch unterhielten sich Onkel und Neffe, sie steckten die Köpfe zusammen, schienen abgelenkt; er musste die Sekunden nutzen, er brauchte Klarheit. 1521 ... Hektisch suchte er in seinem Gedächtnis. Der herrschende Papst war Leo X.. Ein sehr junger Papst aus der Familie der Medici. Die Medici! Sie waren berüchtigt für ihren Machthunger und eine Tendenz, äußere Feinde, aber auch Familienmitglieder, die ihnen im Weg standen, auf skrupellose Weise beiseite zu schaffen; viele in diesem mächtigen Clan strebten nach wirtschaftlicher, politischer und religiöser Macht und es war Tradition, dafür jederzeit alles und jeden aus dem Weg zu räumen. Auf diese Weise hatten sie sich schon mancher Konkurrenz entledigt und einem aus ihren Reihen oder sich selbst zur Papstwürde verholfen. Es hielten sich Scherze und Sprüche über diese machtorientierte Sippe, bis nach Umbrien und Rom waren sie bekannt. Man sagte, dass, wo die Medici sich niederließen, die Apotheker binnen zehn Tagen kein Gift mehr zu verkaufen hatten, da die Familie davon Gebrauch machte wie andere Leute von Essig oder Salz.

Inmitten des intriganten Spiels um kirchliche Posten fiel es nicht auf, wenn ein Vincenzo Grassi ebenfalls Macht und Möglichkeiten nutzte und dem jungen Papst Leo ein frühes Ende bereitete, um selbst auf den Thron zu gelangen! Zuzutrauen war es ihm.

 Die beiden Kirchenmänner hatten ihre private Besprechung beendet. Vincenzo führte den Jüngeren am Arm zum Tisch. "Komm, trink ein Glas mit mir. Du wirst müde sein von der Reise." Er rief gegen die verschlossene Tür. "Wächter! Lasst Brot und Früchte für den Priester bringen!" Man hörte ihm den Stolz auf seinen Neffen an.

Sie besprachen sich halblaut mit Erasmo, der an seinem Schreibpult saß. Er beobachtete, wie der Kardinal in den Dokumenten blätterte, die bei den Verhören erstellt worden waren. Sie schienen einen Punkt zu diskutieren und Clemente sah aus, als hörte er aufmerksam zu. Er stellte Fragen, Vincenzo antwortete. Valerio hätte es darauf anlegen können zu belauschen, worum es ging... Aber er entschied sich noch eine Weile damit zu warten solche Kräfte einzusetzen. Solange es noch nicht von selbst geschah, dass er hörte, was gesprochen wurde, beließ er es dabei.

Was er sah, während sie ihn an seiner Wand ignorierten, war ihm genug. Er konnte ihre Mimik lesen. Erasmo war es unangenehm, bei der unmoralischen Durchsetzung der Interessen des Inquisitors eine so fatale Rolle zugeteilt zu bekommen und mit seinen Protokollen die Beweismittel erstellen zu müssen. Clemente war interessiert, beeindruckt - er behandelte seinen mächtigen Onkel mit spürbarer Ehrfurcht. Und Vincenzo selbst schien Feuer und Flamme zu sein für den Plan, der ihn an sein Ziel bringen und dabei auch seinen ergebenen Neffen in die Reihen der Mächtigen erheben würde. Sein eifriges Flüstern, seine engagierten Gesten und der lebendige Blick wirkten, als stände er kurz vor der Verwirklichung eines lange gehegten Traumes. Seit der Kardinal ihn gefangen hielt, hatte Valerio ihn nicht so erlebt.

Er hatte die Kirche und ihre Oberhäupter über die Jahrhunderte studiert. Vincenzo war niemals Papst geworden. Noch in diesem Jahr, genauer gesagt, in zweieinhalb Monaten, sollte Papst Leo X. im Krieg gegen die französischen Truppen sehr plötzlich an einer Wintergrippe und dazu mit dubiosen Anzeichen einer Vergiftung sterben und Hadrian VI. würde zu seinem Nachfolger ernannt. Aber diese beiden Kirchenmänner, die dort bei Erasmo standen, wussten nichts vom Fortgang der Geschichte. Sie sahen ihre eigene prunkvolle Zukunft an der Spitze der Römischen Kirche und verfolgten ihre Pläne verbissen. Und es war seine private Lebensgeschichte, die sie missbrauchen wollten, um die Macht zu erlangen, die ihnen vorschwebte. Ein Schauder ergriff ihn, als er daran dachte, was geschehen konnte, wenn sich hier nun der Verlauf der Geschichte änderte, nur weil ihn seine Reise in die Vergangenheit versehentlich in den Kerker des Inquisitors von Terni gebracht hatte und dieser ihre Begegnung zu nutzen wusste.

Er gehörte nicht in diese Zeit. Er war ein Wanderer. Da man ihn hier nun aber für den jungen Mann hielt, der ein Jahr zuvor aus Assisi verschwunden war, konnte seine private Geschichte zum Schlüssel für eine folgenschwere Wendung der Geschichte werden: Vincenzo auf dem Papststuhl, dazu ein möglicher späterer Nachfolger wie Clemente, der jetzt bereits unter dem unguten Einfluss seines Onkels stand und sicher längst zu seiner rechten Hand ausgebildet worden war, würden eine fatale Änderung der Historie bewirken. Nichts war so gefährlich wie der Eingriff in bereits geschehene Abläufe und Ereignisse. Ein Wanderer musste sich wie ein Schatten durch die Zeit bewegen. Er durfte nichts anrühren, nichts verändern. Niemanden töten...

Vincenzo musste sterben. Wenn der Inquisitor zu viel gegen ihn in der Hand hatte - eine so stimmige und brisante Geschichte womöglich, dass der Prozess und die Hinrichtung eines gefährlichen Ketzers und Magiers ihm die Aufmerksamkeit der Römischen Kirche und die Ernennung zum Papst einbringen konnte - dann musste er sterben. Und es musste jetzt geschehen, denn in wenigen Wochen würde die katholische Welt einen neuen Papst suchen.

Er selbst war im Jahr 1521 ein Niemand gewesen, ein junger Mann, unbekannt und frei, ohne politische Verbindungen. Abgesehen davon, dass er einen möglichen Papastanwärter beseitigte, würde der Mord an der bestehenden Geschichte nichts Wesentliches verändern. Er würde nach der Tat in die Zukunft verschwinden. Wenn es also jemand tun konnte, dann er.

Vincenzos Tod würde den Verlauf der kommenden Ereignisse womöglich weniger dramatisch beeinflussen als eine Wahl zum Papst es tun konnte. Hier und jetzt bereits war er grausamer Schicksalsbote für so viele, er hinterließ blutige Spuren in dieser Gegend, wie Peitschenhiebe brannten sie sich in die Rücken der Verurteilten ein und stürzten die verzweifelten Angehörigen in Trauer und Schmerz. Niemand, dessen Leben Vincenzo Grassi auch nur streifte, würde seinen Namen jemals vergessen. Auch das konnte mit seinem Verschwinden ein Ende haben. Vincenzo mochte um die sechzig Jahre alt sein; wenn er auf sich achtete, sich als kirchliches Oberhaupt vor Anschlägen zu schützen wusste... als Papst konnte er über Jahrzehnte hinweg immensen Schaden in der Welt anrichten. Er würde ein eigenes Heer haben, Menschen befehligen, Kriege anzetteln, foltern und morden, auf bestehende Gesetze Einfluss nehmen, Reichtümer anhäufen, seine Schergen für sich einsetzen. Über die Jahrhunderte hatte es nicht wenige machthungrige und berechnende Päpste und Kardinäle gegeben; alle wussten sie Stand und Möglichkeiten für sich zu nutzen. Aber Vincenzo Grassi würde furchtbar sein. Ihm fehlte jede Ehrfurcht, jeder Respekt vor den Bedürfnissen und Rechten anderer Lebewesen... Exzessiv ausgelebte Macht schien seine einzige Leidenschaft zu sein.

Ein Tablett mit Essen wurde gebracht. Erasmo machte Platz an seinem Tisch, der Kardinal füllte ein zweites Glas und reichte es Clemente. Er führte ihn durch den Raum. Noch bevor sie vor ihm stehen blieben, wusste Valerio, der Inquisitor würde seine Beschäftigung mit ihm nun fortsetzen.

"...Und, werter Neffe? Ist das der Mann, den wir suchen?"

Er kannte die Antwort, die Frage war rhetorisch. Vincenzos Tonfall verriet den Triumph, den er darüber empfand, Clemente den lange gesuchten Gefangenen nun an die Wand gekettet und mit blutiger Nase präsentieren zu können.

Er konnte sich jetzt keinen Fehler mehr leisten. Er musste zuhören, erfassen, was sie wussten - über Caterina, über ihn. Was war der Punkt? Auf welche Weise würden sie hier nun die Geschichte zu einem Netz spinnen und ihn der Ketzerei und Zauberei überführen? Und das Protokoll... er musste bedenken, was aufgeschrieben wurde. Denn selbst wenn es ihm gelang sich zu befreien und Vincenzo zu töten, würde das Protokoll gültig sein. Wenn er auch durch die Zeit flüchtete - man würde alles daran setzen, seinen Aufenthalt ausfindig zu machen. Er selbst wäre sicher in der Zukunft. Aber man würde seine Mutter der peinlichen Befragung unterziehen. Und höchstwahrscheinlich am Ende sie statt ihn auf den Scheiterhaufen bringen, als Mutter eines Ketzers und Hexers. Von ihrem Mann - seinem erbärmlichen Vater - würde sie keine Hilfe zu erwarten haben, im Gegenteil. Wenn seine Frau sich tödlich im Netz der Inquisition verstrickte, war er Witwer und frei.

Und in dem unwahrscheinlichen Fall, dass Caterina noch lebte, konnte man auch sie als Köder benutzen, damit er sich stellte. Und dann hätte er eine Mission in der Vergangenheit, deren Durchführung eine Lawine bedeutsamer zukünftiger Veränderungen mit sich bringen würde. Es wäre unmöglich Caterina zu helfen, ohne dass sie einander begegneten und sie ihn sah. Er hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Er musste die Vergangenheit so schnell wie möglich verlassen.

Clemente besah ihn von Kopf bis Fuß. Er nickte. "Er ist es."

"Interessant", schnarrte Vincenzo. "Umso mehr, da er gerade erst meinem Geschick auf den Leim gegangen ist. Bei allem, was du mir von ihm berichtet hattest, werter Neffe, war es einfacher als ich dachte. Wie schade, dass du dich nicht gleich auf den Weg machen konntest... Du hättest ihn unter der Folter sehen sollen! Er hat am fünften Tag endlich gebrüllt wie ein Kalb bei der Schlachtung, ich hatte schon geglaubt, es sei so gar nichts Menschliches an ihm. Ich habe mich sehr bemüht mit diesem Valerio, wollte sehen, ob und wann er seinen... Zauber einsetzt. Und siehe da: Magie ist am Werk. Seine Wunden heilen schneller als menschlich ist." Sein Auflachen wirkte künstlich, gespielt. "Er nannte mir einen falschen Namen, wie dumm von ihm! Und dennoch... wie überaus passend. Angelo Gatto nannte er sich, was sagst du dazu! Gatto! Und wie ein zähes Katzenvieh hatte er sieben Leben..." Er klopfte Valerio auf die Brust, wohl, um zu zeigen, wie sehr er ihn nun unter Kontrolle hatte. "Sechs davon habe ich ihm ausgetrieben und es war ein gutes Stück Arbeit. Du siehst hier nun kaum noch den Zustand, in dem er war, nachdem ich ihn mir vorgenommen hatte. Aber ich sage dir, lieber Neffe: Diese Hand hier, sie müsste ihm vor unseren Augen abfaulen, aber sie ist beinahe wieder gesund." Er lachte auf, seine Worte hatten die Wirkung von Essigsäure. "Soweit man die Ergebnisse der Wirkkräfte des Bösen denn als gesund bezeichnen möchte."

Es fiel auf, dass Clementes Augen das schräge Lächeln, das seine Lippen zeigten, nicht widerspiegelten. Der Franziskaner fürchtete ihn nach wie vor. Diese Art Respekt konnte hilfreich sein. Der junge Priester war ein abergläubiger und unsicherer Kerl. Er erwiderte dessen Lächeln mit einem Anflug von Ironie, nickte ihm zu, und Clemente wandte den Blick ab: offenbar ertrug er seine Aufmerksamkeit nicht, sie triggerte seine verborgenen Gedanken und Gefühle. Er schien sich gut an ihn zu erinnern.

Als Clemente sprach, schwang die Unsicherheit leise mit. Wie ein Echo ihrer ersten Begegnung. "Und wie ... verfahren wir nun, Onkel?"

Während er die Frage seines Neffen beantwortete, fixierte Vincenzo Valerio mit zusammen gekniffenen Augen. "Wir... konfrontieren ihn mit der Wahrheit und sorgen dafür, dass er sich erinnert. Du und ich, wir werden Zeugen seines Geständnisses sein. Darum habe ich nach dir schicken lassen. Damit ich letztlich nicht allein bezeuge, was er aussagt. Ich möchte, dass das Protokoll unanfechtbar ist. Auch bist du erster Zeuge für die wesentlichen seiner frevelhaften Taten."

Clemente war Zeuge... wofür? Das mussten Lügen sein! Sie hatten damals nur zwei oder drei Begegnungen gehabt. Nichts hatte es da gegeben, dessen der Priester ihn heute anklagen konnte. Nichts als das, was mit seinem Weggang aus Assisi und Caterinas Pilgerreise nicht längst genügend abgegolten war. Die alte Geschichte war abgeschlossen durch den Richtspruch des Abtes. Und was immer Clemente über Caterina oder ihn zu wissen meinte: Es konnten nur Behauptungen sein. Gerüchte. Man hatte damals viel geredet - wie immer, wenn sich ein Sündenbock für die Fantasien der Leute fand.

So einfach würde er es ihnen nicht machen. Er würde sich nicht wie ein Schaf zur Schlachtbank führen lassen. Er musste seine Wut unter Kontrolle halten, sich beherrschen, nichts würde bei diesem Verhör heraus kommen. Erlogene Geschichten waren nicht genug; umso weniger, wenn nur einer der beiden sie behaupten konnte, denn nur Clemente hatte zumindest einige Begegnungen mit ihm gehabt. Der Kardinal dagegen war nur der Durchführende dieses Verhörs, mit ihm selbst hatte er aber - abgesehen von der auffällig zügigen Heilung nach der Folter - keine eigenen Erfahrungen, sie kannten einander gar nicht. Allein, was Clemente, der ein Jahr zuvor den Skandal im Kloster miterlebt hatte, von ihm wusste, konnte also relevant sein. Was diese Dinge betraf, hatte es nun keinen Sinn mehr die Fakten zu leugnen, zumindest soweit sie in Assisi allgemein bekannt waren.

Ende Teil 173







Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro