(18/5) Der Plan

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Die dunkle und warme Höhle verschwand und klamme Kälte durchdrang alles, was von ihm geblieben war. Als er die Augen gegen den Feuerschein öffnete, durchschlug die Angst seine Brust erneut mit brutaler Gewalt. Sein Instinkt sagte ihm, er sollte um sich treten, brüllen, flüchten, aber vergeblich: Er blieb, wo er war. Nur ein einzelner heiserer Laut drang aus seiner rauen Kehle, dann war er still, zu Stein erstarrt. Der harte Puls seines Herzens drohte seinen Hals zu sprengen.

Er konnte sich nicht bewegen. Konnte nicht sehen, wer da hinter ihm war, ihm die Decke von Schultern und Rücken zog; er lag auf der Seite, starrte mit brennenden Augen vor sich her, beobachtete seinen hämmernden Herzschlag, atmete nicht, blinzelte nicht. Hatte er das Quietschen und Schlagen der Kerkertür denn gar nicht gehört? Man hatte ihn betäubt... Da waren zuckende Schatten vor ihm an der feuchten Wand. Und Flecken goldenen Lichts, aus dem er sehnsüchtig und ängstlich zugleich die Wärme saugte, die seinem Körper fehlte. Arme, Schultern, Hände begannen zu zittern, aber er selbst war... anderswo. Er wollte weg sein, sich unter dieser schweren wollenen Decke zusammen rollen, wieder abtauchen in Schlaf und Bewusstlosigkeit und nicht zurück kommen.

Nur langsam verstand er, was hinter ihm geschah. Jemand wechselte seine Verbände. Er war noch im Kerker und am Leben... und konnte nicht sicher sein, ob man ihn gleich schon wieder holte... Vielleicht wartete man schon auf ihn... Als man ihn packte und auf den Rücken drehte, war er im Innern zu weit abgewendet, als dass er Interesse an dem Mönch gehabt hätte. Er spürte die Knie des Mannes drückend an seinem Oberarm, unterschied hinter den geschlossenen Augenlidern Licht von Schatten, wenn der Dominikaner sich über ihn beugte oder wieder zurück wich. Die Realität drängte sich in seinen Trancezustand hinein, holte ihn langsam zurück, ganz gleich, wie sehr er sich wehrte.

Bemühe dich nicht, dachte er und spürte, wie weit entfernt von jeder Hoffnung er inzwischen war. Seine Hand... Die Umschläge wurden jetzt abgewickelt. Er hielt die Augen fest geschlossen, verweigerte sich der Wirklichkeit seiner Situation. Der üble Geruch fauligen Fleisches, der an seine Nase drang, sagte ihm nichts. In der Dämmerung seines inneren Zwischenreiches war alles gleich, das Dasein nur ein ewiges, unwesentliches Spiel, die Welt beliebig, farblos und ohne Zeit. Alles war auf irgendeine Weise - und war doch nicht.


Du stirbst, wisperte Lena an seiner Stirn. Sag, wenn ich dich holen soll.


Lass mich noch, dachte er und wusste nicht, worauf er wartete. Alles, was kommen konnte, war längst da, es gab nicht mehr zu erwarten als das, was sich hier seit Tagen und Nächten manifestierte.... Etwas in ihm wollte, dass es ein Ende fand, hier und jetzt. Wenn er tot sein musste, damit man ihn aus diesem düsteren Loch hinaus brachte, wollte er den Menschen in sich sterben lassen. Den Wanderer, den Sternenprinzen, den Meister des Drachen der Heilung gab es nicht mehr. Seine Geschichte war zuende erzählt.


Aaaah.... so schwach, Engel? So voller Selbstmitleid? Wie erbärmlich, dich so zu sehen. Und so befriedigend. Du hast verloren. Aber wir sind noch nicht fertig miteinander. Du schuldest mir deine Seele. Immer noch.


Nimm sie dir.


Das Tier lachte sein blutiges Lachen. Sieh an!  Selbst hier, wo wir nun an dein Ende kommen, ist auf deinen Witz Verlass. Ich hatte sie bereits, das weißt du. Du hast sie mir entrissen, hast dir zurück erkämpft, was mir gehörte.

Das Lachen schmerzte. Die Spitzen der scharfen, bluttriefenden Zähne schrammten an seinen Knochen entlang.

Du hast deine Seele zurück gestohlen. Und frech hast du aber behalten, was ich dir im Tausch bot. Ich erinnere dich an Rom... an den Anfang. Du warst am Ende. Du brauchtest mich, ich kam dir gerade recht. Deine Seele war der Pfand für meine Gaben. In Rom, in jener Nacht, da warst du einverstanden mit unserem Handel. Es war nicht abgemacht, dass du dir beides nimmst und ich... leer ausgehe. Blutiger Atem füllte den Raum. Deine Seele gehört mir. Ich will sie aus deiner zitternden weißen Hand zurück. Freiwillig. Oh, wie viel mehr ist sie dann wert! Unterwerfe dich mir. Nur noch ein weiteres Mal, dann lasse ich dich gehen.

Er schwieg.


Du weißt, so muss es sein. Es ist Gesetz.


Der Mönch reinigte die angeschwollene, grau verfärbte Hand. Die Bestie kam näher, sog den Geruch von Eiter und Blut ein. Die Klauen zogen tiefe Rillen in den steinernen Boden.

Oh... Ich hätte so gerne gesehen, dass du aus freien Stücken zu mir zurück kommst. Reumütig und ergeben... Ich mag dich, Engel. Immer noch. Als ich die Lösung für deine Verzweiflung war, liebte ich dich. Aber noch niemals hat jemand gewagt mich heraus zu fordern, mir zu trotzen.


Wellen von dunklem Rot wogten in seine schützende Dunkelheit hinein. Er übergab sich.


"Oh... warte, mein Sohn. Komm, auf die Seite... hier. Immer in die Schale hinein. Das ist nur der Mohnsaft, es ist gleich vorbei."


Eine einzelne gebogene Kralle hakte sich in eine der Strähnen vor seinem Gesicht, strich sie ihm aus der Stirn. Die messerscharfe Spitze streifte seine Haut. Valerio wurde eiskalt, sein Magen ballte sich erneut zusammen. Panik schnürte ihm den Hals zu.

Ich habe dich, so oder so", knurrte die Bestie an seinem Ohr. Es gibt kein Entrinnen mehr. Stirb als Mensch und gib mir, was mein ist. Flüchte dich in die Ewigkeit zurück, und wir beide werden einen neuen Pakt schließen. Aber diesmal bezahlst du meine Gaben. Sei gewiss... ich warte an beiden Ausgängen der Hölle auf dich.


Mühsam öffnete er die Augen.

"Langsam, langsam." Der Mönch lachte leise. Er strich ihm die Haare hinter die Schulter zurück. Ein feuchter Lappen fuhr ihm über Mund und Wangen. Valerio wagte einen Blick in das freundliche Gesicht hinauf. Dunkle Augen. Lachfalten lagen wie Kränze darum. In der unteren Zahnreihe zeigte sich eine Lücke...

Ein plötzlicher Husten schüttelte ihn, die Schmerzen an den Rippen ließen ihn in Panik hochfahren, er krallte sich in die Kutte des Mönchs, der ihn wieder auf die Decke nieder zu drücken versuchte. "Bleib ruhig, atme, das wird besser."

Valerio sperrte sich gegen die Bemühungen des Mannes, er stemmte sich mit der gesunden Hand vom Boden hoch, dann blieb er aufrecht sitzen. Seine Arme und Schultern waren eiskalt. Die Zähne klapperten unkontrolliert aufeinander.

"Da du nun munter bist", der Mönch wandte sich nach hinten und griff in einen großen Korb, "ziehen wir dir jetzt erst mal etwas Vernünftiges an. Der Rücken ist soweit versorgt und ich kann dir sagen, mein Sohn, du hast Glück, dass es bisher nicht schlimmer aussieht. Mit ein wenig Geduld und inbrünstigem Fürbitten wird es dir, so Gott will, bald viel besser gehen."

Valerio wusste, das war gelogen. Er brauchte keinen Blick auf die rechte Hand zu werfen, um zu wissen, er würde daran Stück für Stück verfaulen, wenn man sie ihm nicht heute noch abnahm. Und was sollte eine solche Prozedur bringen - hier, in diesem Dreckloch? Wenn man ihn danach doch wieder mitnahm und ihm noch mehr dergleichen antat?

"Du musst Mut haben, mein Sohn. Zuversicht. Sonst wird das nichts", unterbrach der Mönch seine Gedanken. "Der Herr hilft. Aber an uns ist es zu vertrauen. Wenn wir glauben und vertrauen, bewirkt er sogar Wunder." Er streifte ihm ein Lederband über den Kopf. Valerio ertastete ein hölzernes Kreuz. "So, das hätten wir. Und jetzt die Arme hoch! Vorsichtig... und hier oben den Kopf hindurch." Er streifte ihm ein langes, dicht gewebtes Untergewand über.

Es war, als würde er in diesem Augenblick neu geboren, wieder in die Welt zurück geholt. Nackt, verletzt und allein, ohne jede lebendige und freundliche Bindung an diese Welt, war er verloren und fallen gelassen gewesen. Dieser Mönch nahm ihn vom Boden des Vergessenseins auf, versorgte seine Wunden, steckte ihn in dieses frische, saubere Hemd, an dem man noch das mit Lavendel versetzte Seifenkraut roch, mit dem es gewaschen war... Sollte das Leben ihn doch zurück haben wollen? Wollte diese Welt ihn haben, konnte es einen neuen Anfang geben - noch im Vorraum zur Hölle?

"Wie heißt du", murmelte er, da er in diesem Augenblick zu beschämt war ihm zu danken. Der Mönch musste ihm seinen Namen schon gesagt haben.

"Crispino", war die geduldige und freundliche Antwort, und Valerio erinnerte sich schwach. "Dominikaner... von oben aus der Abtei. Eigentlich wäre Salomone, unser Wundmeister, hier zuständig. Aber der ist nicht da." Er sah Valerio neugierig in die verschwollenen Augen. "Du musst hungrig sein. Und durstig. Ich habe dir etwas mitgebracht, das könnte deinen Lebenswillen wecken." Sein leises Lachen tat Valerios strapazierten Nerven gut. "Diese Welt ist gar nicht so übel, mein Sohn. Nicht, wenn man es sich einmal genau überlegt. Und das Beste: Sie haben Eintopf hier. Ob es den im Himmel gibt, darauf würde ich mich lieber nicht verlassen."

Er warf einen Blick über die Schulter und wies hinter sich, in die Ecke des Raumes. "Dasio, das ist der, der da draußen vor der Tür sitzt, hat die Latrine geleert. Der Gestank war nicht auszuhalten. Ich hab 's ihm gesagt, er soll das in Ordnung bringen. Und wie ich sehen konnte - und wie meine Nase mir verrät - hat er sich darum gekümmert. Sie kann also wieder benutzt werden." Er zwinkerte. "Hab dich nicht aus den Augen gelassen, als er hier das Stroh zusammenkehrte und den Boden schrubbte. Immer um dich herum, das hättest du sehen sollen. Wie die Kaufmannsschiffe um Venedig kreisen, wenn der Schwarze Tod durch die Gassen geht!" Er schmunzelte. "Er hatte richtig Angst vor dir. Schade eigentlich, du hättest sicher Freude dran gehabt. Ich habe mich in die offene Tür gesetzt und vom Gang aus zugesehen."

Mit der flachen Hand klopfte er auf den Boden. "Nur hier, wo du liegst, da kam er natürlich nicht heran, da habe ich aufgepasst wie ein Wachhund. Es hat dich also seit drei Tagen niemand angerührt. Ich war mehrmals hier und alles war bestens. Ich hatte es ihm verboten, solange du da lagst, nicht einmal Wasser durfte er dir bringen, du hast das saubere Quellwasser von oben bekommen... Darum möchte ich dein Lager heute gerne nach da vorne verlegen." Er zeigte die Wand entlang. "Damit hier auch der letzte Flecken sauber ist, zumindest für jetzt." Sein Blick ging nachdenklich über Valerios Gesicht. "Lieber wäre es mir natürlich, ich könnte dich mitnehmen..."

"Mitnehmen... wohin", flüsterte Valerio beinahe stimmlos. Er räusperte sich, hustete wieder. "Das wird wohl kaum gehen, ich bin..."

"Nach oben. In die Krankenstube. An die frische Luft", schnitt der Mönch ihm das Wort ab. In seinem Blick lagen plötzlich tiefe Ernsthaftigkeit und eine brennende Energie, die ansteckend war. "Ans Tageslicht." Er betonte jede Silbe und Valerio musste beinahe weinen.

Wie Crispino es sagte, klang es so simpel und selbstverständlich, als sei dies etwas, was sich tatsächlich umsetzen ließe - für Valerio hatte es die Wirkung einer Glocke, die man direkt neben seinem Kopf läutete. Es drang in seine dunkle, angstvolle Welt vor. Tageslicht! Der Gedanke an Licht, an weiten Himmel und frische Luft belebte seine Gedanken, sie überstürzten sich, die Chance auf Flucht wurde plötzlich so real, dass er keine Reaktion auf diese neue Aussicht wagte; er hatte Angst, sich damit diese dünne und zaghafte Möglichkeit auf Glück, auf Leben womöglich gleich wieder zu zerstören.

In diesem positiv gestimmten Mönch mit seinem gutmütigen, beinahe kindlich wirkenden Gesicht schien ein energischer und tatkräftiger Mann zu stecken. Valerio hatte nicht den Eindruck, dass er ein Träumer war, einer, der sich die Welt besser redete als sie sein konnte -  oder sich Dinge vorstellte, die nicht möglich waren. Im Gegenteil: Mit seinen sicherlich mehr als fünfzig Jahren und dem klugen und wachen Blick traute Valerio ihm zu, hier und da sogar Berge zu versetzen, Wunder zu vollbringen, allein durch seinen ausgeprägten Willen.

"Ja, mein Sohn. Du hast richtig gehört. Das... also das.. ist jedenfalls der Plan." Er lächelte bescheiden. Dann erstarb das Lächeln, seine Stimme wurde zum Flüstern, er neigte sich vertraulich zu ihm herüber, packte ihn am Unterarm. "Ich brauche deine Hilfe und dein Einverständnis. Bisher konnte ich den Prior nicht überzeugen, dass er hier beherzt mit anpackt. Und ich glaube, damit hat es sich nun auch erledigt." Er sprach nun noch leiser. "Man muss das verstehen; er fürchtet den Zorn des Kardinals. Mit dem müsste er nämlich reden, aber das wird nichts. Prior Geronimo kennt die Erbarmungslosigkeit und persönliche Geltungssucht dieses Teufels und weiß, dass die gesamte Gemeinschaft leiden wird, wenn wir uns hier zu weit vorwagen. Es... ist leider zu riskant."

Er setzte sich wieder zurück, griff neben sich in den Korb und hob vorsichtig einen tönernen Topf heraus. Im Henkel des flachen Deckels steckte ein Holzlöffel. "Darum... lasse ich den Prior... außen vor, verstehst du. Wir werden nichts tun, was der Klostergemeinschaft Unannehmlichkeiten beschert." Seine Augen glänzten im Fackelschein, als er Valerios irritierten Blick einfing und festhielt. "Da bleiben nur wir zwei", raunte er. "Was ist also mit dir? Meinst du, wir könnten zusammen arbeiten? Ich meine... Kann ich mich auf dich verlassen?"

Ende Teil 167

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